Herr Brandrup, Anfang März 2004 ist die neue Staffel von „Big Brother“ auf RTL2 gestartet. Würden Sie sich für ein Jahr in den observierten Fernsehknast stecken lassen?
Johannes Brandrup: Nein, das würde ich nie machen! Ich bin ja Schauspieler und der Reiz von „Big Brother“ liegt ja gerade darin, dass man es nicht mit Schauspielern zu tun hat, sondern mit normalen Bürgern. Ich brauche einfach meine Freiheit und möchte mich nicht rund um die Uhr von Kameras beobachten lassen.
Wie erklären Sie sich das Phänomen „Big Brother“?
Brandrup: Ich sehe „Big Brother“ sehr selten, aber ich glaube es reizt die Zuschauer, einfach den Blick durch das Schlüsselloch zu wagen und den normalen Bürger leiden, lachen und leben zu sehen. Das ist wie bei den Gladiatorenkämpfen im alten Rom. Die Kandidaten wiederum wollen entdeckt werden und um jeden Preis in die Öffentlichkeit.
Man bescheinigt den Kandidaten dieser Fernsehshow oft ein hohes Maß an Exhibitionismus. Sind Schauspieler eigentlich Exhibitionisten?
Brandrup: Bis zu einem gewissen Grade sind Schauspieler sicherlich so veranlagt, dass sie dem Publikum etwas mitteilen wollen. Schauspieler verdienen viel Geld damit, dass sie in immer neue Rollen schlüpfen, Texte auswendig lernen, interpretieren, künstlerisch gestalten und aufführen. Ein Exhibitionist ist aber jemand der nackt im Wald steht und seine Genitalien zeigt. Das ist der gravierende Unterschied!
Wieviel von sich selber geben Sie in den Medien preis?
Brandrup: Wenn es um neue Rollen und Projekte geht, gebe ich immer alles und nehme meinen Job sehr ernst. Ansonsten bin ich zehn Jahre in diesem Business dabei und habe mein Privatleben noch nicht offengelegt.
Sie wurden 1967 in Frankfurt am Main geboren und im Alter von 17 Jahren besuchten Sie das United World College of the Atlantic in Wales. Wie kann man sich den Schulalltag dort vorstellen?
Brandrup: Dieses College war in einem alten Schloss in Wales, übrigens in dem Schloss, dass der Medienmogul William Hearst damals seiner gelangweilten Frau geschenkt hatte um es dann zwei Wochen später an die United World College Organisation weiter zu verkaufen. Schüler aus allen möglichen Ländern fanden sich auf diesem College zusammen, um den Weg zum Abitur gemeinsam zu gehen. Der Tag fing um 7.00 Uhr mit dem Frühstück in der riesigen Schlosshalle an. Der Unterricht selber ging dann so von 8.00 Uhr bis 15.00 Uhr. Danach konnte man sich in verschiedenen Activities austoben. Ich war in der Theatergruppe und wir hatten ein Theater nur für uns, wo wir eigene Stücke inszeniert haben. Ich war unter anderem Beleuchter und Schauspieler und konnte mich überall ausprobieren. Das war eine tolle Zeit meines Lebens!
Was hat Sie in so jungen Jahren nach Wales getrieben?
Brandrup: Ich war jung und wollte weg aus der Kleinstadt Wiesbaden, ähnlich wie es ja auch den Christian in meinem aktuellen SAT 1-Film „Ein Mann zum Vernaschen“ von Freiburg nach Amerika zieht. Ich habe mich dann für dieses College beworben und mit viel Glück konnte ich dann zwei wunderschöne Jahre dort verbringen.
Inwiefern haben Sie das Leben in Deutschland, Ihre Freunde und die Familie in diesen zwei Jahren vermisst?
Brandrup: Überhaupt nicht! Ich bin nicht der Typ der zurückschaut und Sachen nachweint. Das war schon alles gut so wie es war!
Ich habe keine Lust mich mit Angst zu beschäftigen, sondern setze ihr etwas entgegen.
War es schwer sich nach zwei Jahren wieder zu Hause zurecht zu finden?
Brandrup: Es gab eine Schülerband, die leider während dieser Zeit auseinanderbrach und alle Versuche meinerseits, sie wieder herzustellen, scheiterten. Das war schon traurig, aber ich bin dann nach dem Zivildienst in Wiesbaden auch gleich auf die Schauspielschule in Essen gegangen und hatte dann sowieso ein anderes Umfeld.
Während Ihres Schauspiel- und Regiestudiums an der Folkwang-Hochschule in Essen haben Sie bereits eigene Theaterstücke inszeniert und am Düsseldorfer Schauspielhaus als Regieassistent gearbeitet. Die meisten Menschen jedoch kennen sie nur aus TV-Produktionen wie „36 Stunden Angst“ (SAT.1, 1998) und „Wie angelt man sich seinen Chef?“ (SAT.1, 2000) Warum haben Sie den Weg des Regisseurs nicht weiter verfolgt?
Brandrup: Gute Frage! Ich wollte unbedingt Schauspieler werden und dachte mir, dass man als Regisseur einfach sehr viel Erfahrung braucht, die ich damals noch nicht hatte. Mittlerweile sind viele Jahre vergangen und ich arbeite immer an neuen Theaterprojekten. Meine letzte Inszenierung „Erbarmen zu spät! Wolfgang Deichsels Frankenstein“ hatte 1999 in Weimar, der damaligen Kulturhauptstadt Europas, Premiere. Zur Zeit arbeite ich an einer Inszenierung von Shakespeares „Macbeth“, die demnächst in Berlin Premiere haben soll.
In der neuen SAT.1-Komödie „Ein Mann zum Vernaschen“ spielen sie die Rolle des Christian, der nach dem plötzlichen Tod seines Vaters dessen antiken Delikatessenladen erbt und auf Vordermann bringen möchte. Die Verkäuferin ist mit derartigen Modernisierungsideen jedoch gänzlich unzufrieden, fühlt sich überrumpelt und es kommt zu zahlreichen aberwitzigen Konflikten. Sind Sie auch privat ein derartig innovativer und modernisierungsfreudiger Mensch?
Brandrup: Mir ist so was noch nie passiert, aber ich fände es schon reizvoll so einen Laden an mich zu reißen und zu führen. Ich würde aber sicherlich mit den Angestellten etwas freundlicher umgehen als Christian es zu Anfang tut.
Was hat Sie an dem Projekt gereizt?
Brandrup: Das Drehbuch! Ich habe mich schon beim ersten Lesen amüsiert und als ich dann von der tollen Besetzung erfuhr (u.a. Julia Richter, Dieter Landuris) war ich vollends von diesem Projekt überzeugt und wir hatten eine tolle Zeit in Freiburg.
Es wird oft gejammert, der deutsche Film sei in der Krise und gute Drehbücher wären Mangelware. Ist da was Wahres dran?
Brandrup: Nein, die Drehbücher werden im Gegenteil immer besser. Es gibt inzwischen sehr gute deutsche Filme und normalerweise gibt es auch keinen guten Film ohne ein gutes Drehbuch!
In den heutigen Zeiten müssen sich alle Menschen jederzeit auf Veränderungen und Modernisierungsmaßnahmen einstellen, ansonsten bleiben sie zwangsläufig auf der Strecke, ähnlich sieht man es auch in „Ein Mann zum Vernaschen“. Haben Sie persönlich manchmal Angst vor der Modernisierungswelle, die auf uns zuschwappt?
Brandrup: Da wird durch die Medien viel Angst geschürt und die Leute springen auf den Zug auf. Ich habe keine Lust mich mit Angst zu beschäftigen, sondern setze ihr etwas entgegen, auch wenn ich mich kritisch mit unserer Gesellschaft auseinandersetze. Ich versuche mit Zuversicht, Seelenruhe und Frohmut durch’s Leben zu gehen. Das hilft mir oft weiter!
In einer Online-Rezension, die ich kürzlich las, wurde Ihnen ein „zweifelhafter Ruhm“ nachgesagt, der sich nur in Ihren Auftritten in Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen begründet. Was sagen Sie zu so was?
Brandrup: Ich habe zwei Rosamunde-Pilcher-Filme in meinem Leben gedreht und ansonsten Kinofilme, „Tatort“, viele Fernsehfilme, Komödien, Dramen und Kammerspiele. Einen zweifelhaften Ruhm gibt es außerdem gar nicht, denn entweder hat man Ruhm oder man hat keinen, derjenige Autor schien sich also mit Ruhm nicht gut auszukennen.
Im Jahre 2000 haben Sie in einer ARD-Bibelverfilmung „Paulus“ den Paulus gespielt. Sie sind durch das Elternhaus nicht religiös geprägt und kannten demzufolge bis Anfang der Dreharbeiten auch die Bibel nicht. Hat der Film Sie bekehrt?
Brandrup: Nein, aber er hat mich auf eine Bildungsreise geschickt, die bis heute noch nicht geendet hat. Ich beschäftige mich seit diesem Film viel mit Religionsgeschichte und finde das alles sehr spannend.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic, welche Figur sind Sie?
Brandrup: Lucky Luke – schneller als mein Schatten!