John Woo

Eine Maschine, die in die Zukunft gucken kann, das wäre nichts Gutes.

Regisseur John Woo über Stilwandel, den Tapetenwechsel Hongkong-USA, seinen Film "Paycheck" und die Gewalt in seinen Filmen

John Woo

© UIP

Mr. Woo, Sie haben bereits über 30 Filme gedreht, anfangs in Hongkong, seit Beginn der 90er Jahre in den USA – wie hat sich Ihr Stil im Laufe der Zeit verändert?
Woo: Früher, als ich noch jünger war, da waren meine Hongkong-Filme sehr persönlich, mit vielen sehr tragischen Geschichten und Figuren. Ich wurde älter und es passiert heute so viel in der Welt, es gibt so viel Krieg und Hass – da denke ich, sollte ich etwas mehr Filme über die Menschen machen. Ich sollte Geschichten erzählen über Personen und Beziehungen. Es gibt so viel Frustration in dieser Welt, besonders in Asien, wo so viele junge Leute keine Hoffnung für ihre Zukunft haben. Manche jungen Leute geben ihr Leben auf, was mich sehr traurig macht und ich will etwas tun, um diese jungen Menschen zu ermutigen. Bei meinem Film "Paycheck" gefiel mir daher das Thema: ein junger Mann hat die Möglichkeit, sein eigenes Schicksal zu bestimmen, zu verändern. Ich will, das so ein Film die jungen Menschen glücklich macht, sie sollen fühlen, dass da immer eine Hoffnung ist, eine Zukunft da ist, dass man nicht aufgibt.

Doch gibt es in "Paycheck" auch eine eher düstere Zukunft zu sehen. Der Film dreht sich um eine Maschine, mit deren Hilfe die Menschen in die Zukunft schauen können und Hauptdarsteller Ben Affleck sieht in einer Szene, dass die Welt vor einem Atomkrieg steht.
Woo: Das habe ich reingebracht, um zu zeigen: so eine Maschine, die in die Zukunft gucken kann, das wäre nichts Gutes. Das würde den Menschen die Hoffnung nehmen und es würde nur viel Verwirrung verursachen. Wenn ein Land vorhersehen könnte, dass es von einem anderen Land angegriffen wird, dann würden die ja sofort einen Krieg losbrechen. Dazu kam, dass ich mir selbst nie besonders Gedanken über die Zukunft gemacht habe, ich habe immer nur an mich selbst geglaubt und gedacht, ich könnte mein Schicksal kontrollieren und immer vermeiden, das mir schlimme Dinge passieren.

Und heute, denken Sie, das Schicksal von uns allen ist mehr oder weniger geplant, oder können wir es beeinflussen?
Woo: Ich denke, man kann sehr viele Wege gehen. Selbst wenn irgendjemand das Leben für uns geplant hätte – wir hätten noch so viele Möglichkeiten es zu ändern.

In Artikeln und Interviews liest man, dass Sie privat ein sehr friedfertiger Mensch sind, der keiner Fliege etwas zu leide tut – wie konnte es dann dazu kommen, dass Sie mit so vielen brutalen Filmen erfolgreich wurden?
Woo: Ja, ich hasse Gewalt wirklich, ich habe auch noch nie in meinem Leben eine Waffe benutzt. Für mich sind meine Filme mehr der Kampf zwischen Gut und Böse. Früher habe ich immer daran geglaubt, dass die Guten gewinnen. Aber inzwischen denke ich auch, die Menschheit hat einfach zwei Gesichter – die eine ist böse, die andere gut und beide kämpfen miteinander. Die Gewalt ist dabei ein Ausdruck meiner Gefühle und Gedanken, die ich mir darüber mache. Meine Helden kämpfen immer für die Gerechtigkeit, sie retten Menschen und sind auch bereit sich selbst zu opfern, für Ideen, Träume, die Liebe oder sogar für das Land. Und diese Idee versuche ich mit geballter Action zu unterstützen. Menschen zu töten ist keine gute Sache, aber bei mir geschieht es, um den Kampf gegen das Böse darzustellen.

Aber wird man von Ihnen eines Tages auch einen Film sehen, in dem niemand getötet wird?
Woo: Ja, ich arbeite sogar schon daran. Es geht um die frühern chinesischen und irischen Einwanderer in den USA, die im 19. Jahrhundert bei der Eisenbahn arbeiteten – das wird ein Geschichts-Epos, das auf den realen Ereignissen basiert, das die den Geist der irischen und chinesischen Einwanderer zeigt (Arbeitstitel: Land of Destiny).

Zitiert

Eine Maschine, die in die Zukunft gucken kann, wäre nichts Gutes. Das würde den Menschen die Hoffnung nehmen und nur Verwirrung verursachen.

John Woo

Wie waren denn Ihre Erfahrungen, als Sie in die USA gekommen sind?
Woo: Ich habe es sehr gemocht, besonders in Filmkreisen habe ich sehr schnell viele Freundschaften geschlossen und ich hatte viele verschiedene Möglichkeiten, zu arbeiten.

Und in Bezug auf die Lebensweise in den USA?
Woo: Damit war ich auch zufrieden. Ich bin jemand, der ein einfaches Leben mag, ein sehr ruhiges Leben. Genauso wie mich, hat das auch meine Familie gefreut, in den USA bekam ich viel mehr Zeit die ich mit meinen Kindern verbringen konnte. In Hongkong habe ich mich nicht wohl gefühlt, so viele Menschen, man ist immer beschäftigt. In Hongkong musste ich sieben Tage in der Woche arbeiten, bis zu 16 Stunden am Tag. Da blieb mir wenig Zeit für meine Familie. Das ist nun viel einfacher geworden, seitdem ich in den USA lebe. Ich gehe jetzt zur Arbeit und danach sofort nach Hause in die Küche und koche für meine Familie. Ich habe so auch viel mehr Zeit, einfach nur nachzudenken.

Es gibt bestimmte John Woo-Momente – wegfliegende Tauben, Schauspieler mit Pistolen in beiden Händen etc. – die immer wieder in Ihren Filmen auftauchen, so auch in "Paycheck". Machen Sie das auch für Ihre Fans?
Woo: Also, anfangs wollte ich in "Paycheck" keine von meinen persönlichen Signaturen unterbringen, was damit zusammenhing, dass dieser Film möglichst realistisch wirken sollte. Aber auf dem Set hat mich Ben Affleck dann sehr darum gebeten, er wollte unbedingt den sogenannten "Mexican Standoff" drehen, also die Situation, wo zwei sich gegenüberstehen und sich gegenseitig die Pistole an den Kopf halten. Ben erzählte mir, dass er früher zwei Poster in seinem Zimmer hängen hatte, von meinen Filmen "The Killer" und "Hard-Boiled". Und in "The Killer" gibt es diese Situation, wo Yun-Fat Chow und Danny Lee sich genau so gegenüberstehen und Ben sagte zu mir, dass es immer sein Traum war, so etwas zu drehen. Also haben wir ihn machen lassen und als wir die Szene abgedreht hatten, hat er sich richtig bei mir dafür bedankt.
Auch eine weiße Taube taucht wieder auf. Das ist die Szene, wo Ben Affleck an der Maschine seinen eigenen Tod in der Zukunft sieht, wo er auf einmal sehr ängstlich wird. Da kam mir die Idee, dass durch die Tür hindurch eine Taube auf ihn zugeflogen kommt – das hat der Szene eine ganz magische Stimmung verliehen und Ben fühlt sich im Film auf einmal wieder sicher.

Was ebenso oft in Ihren Filmen vorkommt sind deutsche Automarken, in "Mission Impossible 2" waren es Audi und Porsche, in "Paycheck" fährt Ben Affleck ein BMW-Motorrad. Stecken da persönliche Vorlieben dahinter?
Woo: Also, ich mag deutsche Autos sehr. Ich erinnere mich, als ich ein Kind war, meine Familie hatte überhaupt kein Geld, da habe ich immer am Straßenrand die Autos beobachtet. Ich habe dann immer darauf gehofft, dass ein Mercedes vorbeikommt. Ich mochte es schon, die nur anzugucken und wenn einer vorbeifuhr habe ich in dem Moment gejubelt, bin in die Luft gesprungen … Auch die Autos von BMW, ich finde die sexy, sehr elegant. Ich habe noch zwar noch nie in meinem Leben einen Führerschein gehabt, aber irgendwann habe ich meiner Familie einen BMW gekauft, den meine Frau fährt. Und als mich BMW letztes Jahr gefragt hat, einen BMW-Kurzfilm für das Internet zu drehen (bmwfilms.com) habe ich sofort Ja gesagt. Ich mochte es eigentlich nie, Werbung zu machen – aber für BMW, keine Frage.

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