Jonas, wann ist dir der Kalte Krieg als Thema zum ersten Mal begegnet?
Sehr spärlich im Geschichtsunterricht. Allerdings gab es, als ich noch in der Schule war, kein Lehrbuch, dass dieses Thema richtig aufgegriffen hat. Da kam eher die ganz frühe Phase des Kalten Krieges vor, aber wir steigen ja erst im Jahr 1983 ein. Die Geschichte, die wir erzählen, mit Able Archer, Pershing II und der Friedensbewegung, war für mich tatsächlich der erste Kontaktpunkt mit dem Thema. Insofern hatte ich enormen Nachholbedarf.
Wie hast du dich dem Thema genähert?
Ich habe mich vor allem auf die historischen Elemente unserer Story konzentriert. Ich habe auch Militärtraining bekommen, das war für mich als ehemaliger Zivildienstleistender auch neu. Wie klopfe ich bei einem General an? Wie trete ich richtig ab? Wie gehe ich mit einer Waffe um? Solche Dinge musste ich lernen.
Ich habe versucht, ein Gefühl für meine Rolle zu bekommen, für die Zeit und die Ereignisse, an denen wir uns entlang hangeln, und einen Plan zu haben, wie meine Rolle in den Konstrukten der Szenen agiert. Schließlich bin ich nur ein Schauspieler und kein Historiker.
Ich kann mich Menschen nur unterordnen, wenn ich sie als Vorbilder sehe.
Du hast den Wehrdienst verweigert und Zivildienst geleistet. Hat dich die Auseinandersetzung mit dem Militärbetrieb in dieser Entscheidung bestärkt?
Ja, in jeglicher Hinsicht. Ich bin total glücklich, dass ich mich damals für den Zivildienst entschieden habe. Das war für mich eine Art und Weise der solidarischen Hilfe in dieser Gesellschaft, die ich gerne ausüben wollte. Ich glaube auch, dass ich mich Menschen nur gut unterordnen kann, wenn ich sie als Vorbilder sehe, wenn ich das Gefühl habe, dass diese Unterordnung nicht aus Prinzip geschieht, sondern aus einem guten Grund. Mit dieser Haltung wäre ich in der Bundeswehr wohl fehl am Platz gewesen. Ich meine, man arrangiert sich mit den absurdesten und auch schlimmsten Begebenheiten, wenn man es muss, aber ich wollte mich dem Armeedienst nicht aussetzen, wenn ich eine Wahl habe. Und die hatte ich.
„Deutschland 83“ wurde maßgeblich von der deutschen Produktionsfirma „UFA Fiction“ produziert, lief zuerst aber im US-Sender „Sundance TV“. Haben die Amerikaner auch die Dreharbeiten beeinflusst?
Meines Wissens nicht. Es war eine reine Ufa-Produktion. FreemantleMedia hat gemeinsam mit Bertelsmann den Vertrieb übernommen und die Serie in viele Länder verkauft. Sundance TV hatte mit der Produktion nichts zu tun, sondern die haben sich die Senderechte in den USA gesichert.
Wie erfolgreich war die Ausstrahlung?
Ich habe gehört, dass mit jeder Folge die Zuschauerzahlen gestiegen sind. Die Quote sieht erst mal sehr klein aus, aber das war für diesen kleinen Mini-Sender ein großer Erfolg. Dazu kommt, dass viele Menschen in den USA diese Serien auch über die Online-Plattform ansehen. Mir wurde erzählt, dass „Deutschland 83“ die erfolgreichste Serie ist, die jemals auf diesem Sender gelaufen ist.
Schaust du dir selbst Serien online an?
Serien sind nun mal ein Format, was nicht alleine über das TV läuft, sondern sehr viel über Download- und Streaming-Dienste. Ich selber nutze es auch, habe auch einen Netflix-Account, Amazon Prime und Itunes. Ich bin selbst jemand, der Serien sehr gerne am Stück guckt. Eine Folge pro Woche mit Werbung ist vielleicht auch nicht mehr zeitgemäß. Bei RTL wird die Serie ja auch auf RTL-Now verfügbar sein. Ich glaube einfach, dass das eine gute Art und Weise ist, Serien zu gucken. Aber ich drücke natürlich die Daumen, dass viele Leute unsere Arbeit dermaßen gut und spannend finden, dass sie ein ums andere Mal wöchentlich einschalten.
Durch die Serie wird dein Gesicht auch international bekannter. Inwiefern spürst du dadurch einen stärkeren Druck?
Eigentlich nicht. Ich freue mich sehr über die Aufmerksamkeit, wir haben ja echt sehr gute Reviews in den USA bekommen, vom Time-Magazin, den New York Times… Es kommt immer wieder die Frage nach Amerika, ob das jetzt der nächste Schritt für mich sei. Aber ich bin bisher sehr happy mit dem, was ich in Deutschland machen konnte und verspüre weder den Druck noch den Wunsch, nach Amerika zu gehen. Und ich drücke alle Daumen für eine zweite Staffel dieser Serie, weil das echt ein Herzensprojekt von mir ist. Das ist total mein Baby.
Deine Filmkarriere begann mehr oder weniger zufällig, als du dich in deiner Heimatstadt Lübeck 2004 auf eine Zeitungsannonce gemeldet hast..
Ich war bei der Lübecker Knabenkantorei, wo es irgendwie Tradition ist, dass man dann auch an die Oper geht. In einem kleinen Artikel in den Lübecker Nachrichten stand: „Kleine Schauspieler gesucht. Bitte bewerben“. Das habe ich gemacht und bin beim Studio Hamburg gelandet. Ich hatte mit meiner Mutter so eine richtig förmliche Bewerbungsmappe abgeschickt, mit Foto und Lebenslauf, aber erst als wir beim Studio Hamburg waren, haben wir gemerkt, dass es eigentlich um Fernsehen geht – und dann war ich plötzlich für zwei Staffeln bei der Kinderserie „4 gegen Z“ dabei.
Deine Mutter soll der Arbeit beim Fernsehen damals sehr kritisch gegenübergestanden haben.
Ja, das war für uns auch einfach ein großer Schritt und eine ganz neue Welt, die da auf uns eingeprasselt ist. Meine Mutter ist Krankenschwester, mein Vater Bankkaufmann, keiner aus unserer Familie hatte bis dahin irgendetwas mit Film am Hut. Mein Opa war Fotograf, aber ansonsten haben wir jetzt nicht so die ultra-künstlerischen Gene. Als damals die Produktion verkündete: „Ihr Sohn spielt jetzt eine Hauptrolle in einer Serie!“, hat meine Mutter die erst mal wieder nach Hause geschickt und gesagt: „Moment, so schon mal gar nicht! Mein Sohn macht jetzt erst mal die Schule.“ Aber dann wollte ich das natürlich unbedingt, als kleiner Stöpsel fand ich das großartig.
Wie hast du deine Mutter umgestimmt?
Meine Mutter hat gesagt: „So, pass mal auf, Stöpsel. Du machst die Schule parallel und du holst das alles nach!“ Das habe ich dann auch so gemacht. Ich war so in der 5./6. Klasse, Freunde von mir schrieben in der Schule mit und ich holte abends die Schultage nach. Das war die absolute Prämisse, sonst hätte meine Mutter mich niemals vor die Kamera gelassen. Ich habe nie wieder so gute Zensuren geschrieben, wie zu dieser Zeit, weil ich es unbedingt wollte. Ich habe sogar noch Klavier geübt, 20 Minuten am Tag. (lacht)
Neben dem Film studierst du Jazz-Piano an der Lübecker Musikhochschule und bist mit deiner eigenen Band „Northern Lights“ unterwegs. Wie schaffst du das zeitlich?
In diesem Jahr klappt das wirklich wunderbar. Ich habe gerade Semesterferien, drehe den ZDF-Film „Schweigeminute“ nach dem Roman von Siegfried Lenz, aber ansonsten mache ich meine zwei Semester Musikstudium im Jahr. Ich habe mir einen Flügel gekauft, einen 1920er Steinway aus New York, und übe fünf bis sechs Stunden am Tag. Außerdem habe ich mit meiner Band ein neues Album aufgenommen.
Auf dem Debütalbum „Landed“ finden sich nur englischsprachige Songs, auf dem nächsten Album werden dagegen nur deutsche Songs zu hören sein. Wie kam es dazu?
Ich habe immer gesagt: Ich mache nur ein deutschsprachiges Album, wenn die Texte gut sind. Ich bin kein überragend guter Songtexter, wenn es um deutsche Texte geht. Jetzt schreibe ich die Texte zusammen mit David Schütter, mit dem ich zusammen bei „Wir sind jung. Wir sind stark“ gespielt habe. Ich habe ihm beim Dreh davon erzählt. Jetzt ist er mit dabei, ab und zu auch als Rapper. Seitdem sind wir sehr glücklich mit den deutschen Texten. Ich denke, ich kann da für die ganze Band sprechen: Die neue EP wird eine Ansage!
Du hast schon öfter betont, dass du bei der Band nicht als Kinostar im Vordergrund stehen willst. Wird das nicht mit zunehmender Filmpräsenz schwieriger?
Das kann man natürlich auch immer ein wenig lenken. Wir haben ein gutes Management, ich habe einen PR-Berater, wir machen das schon irgendwie. Für mich ist ganz klar: „Northern Lights“ ist ein eigenständiges Produkt. Da bin ich Mitglied und auch Frontmann, aber das wird nie Jonas Nay & Band werden, sondern immer „Northern Lights“ bleiben. Ich bin Teamplayer.
Doch die Aufmerksamkeit, die die Band auch durch mich als Schauspieler bekommt, tut uns nur gut. Es ist auf dem heutigen Markt mit You Tube-Videos und hunderttausenden Bands, die es alle versuchen, sehr schwierig geworden, überhaupt Aufmerksamkeit zu bekommen. Da spielt uns das nur in die Karten, wenn Leute über mich als Schauspieler auch bei uns als Band landen, und sagen: „Hey, die Musik ist cool, ich will mehr davon!“
Aber nicht jeder, der Fan von dir als Schauspieler ist, wird zwangsläufig auch deine Musik mögen…
Das ist absolut richtig. Der Prozess, Leute von deiner Musik überzeugen zu müssen, der findet trotzdem statt. Ich habe auch Leute erlebt, die unsere Musik nicht gut finden. Die mögen mich als Schauspieler, können mit der Musik aber nichts anfangen. Das ist auch völlig okay. Wir machen ja auch Sparten-Musik. Das ist kein Mainstream. Das müssen nicht alle mögen. Aber der Fan-Pool, den wir haben, ist ein sehr treuer. Und wir freuen uns natürlich über jeden, der neu dazu kommt.