Julia, du bist nicht auf ganz gewöhnliche Weise zum Film gekommen sondern wurdest von einem Cover-Foto gleich für "Absolute Giganten" entdeckt – fehlt Dir ein bisschen die Schauspielschule?
Hummer: Nein, das fehlt mir nicht, auf keinen Fall, weil ich einfach merke, dass ich mit jedem Film dazu lerne und die Dinge, die ich dazulerne auch umsetzen kann in darauffolgenden Filmen. Und ich hab Vertrauen darin, dass ich besser werde, von Film zu Film.
Und jetzt, in ‚Die innere Sicherheit‘, warst Du mit Dir zufrieden?
Hummer: Ja, als wir den abgedreht hatten war ich zufrieden. Aber wenn ich den Film jetzt auf der Leinwand sehe, gehen manchmal schon die Alarmglocken los, wenn man sich selber sieht und man sich überlegt, an der Stelle hättest du dies oder das anders machen können. Im Moment will ich einfach nur im nächsten Film noch besser spielen als ich jetzt gespielt habe.
Du betrachtest Dich auf der Leinwand mit ziemlicher Distanz und hast mal gesagt, zu sehen bist nicht Du, sondern nur Dein Körper.
Hummer: Also, die Rollen, die ich bisher gespielt habe, haben schon alle ein bisschen etwas von mir. Aber die haben auch immer ihre eigene Welt – das ist nicht meine Welt, aber diese Welt ist ähnlich aufgebaut, wie meine Welt funktionieren würde. Es gibt aber einen prägenden Unterschied zwischen meinen Rollen und mir: meine Rollen glauben, dass sie nur durch das Leiden zum Glück gelangen können, dass das Gold also nur in der Scheiße liegt. Ich persönlich glaube das überhaupt nicht.
In ‚Die innere Sicherheit‘ stehst Du als Tochter von Terroristen im Untergrund sehr unter Druck und kannst Dich nicht ausleben, darfst nicht ausbrechen. Hast Du im richtigen Leben schon mal in solch einer Situation gesteckt?
Hummer: Nein. Das Mädchen was man da im Film sieht hat sicherlich viel von mir, schon allein meinen Körper und mein Gesicht, meine Stimme. Aber sie ist ein ganz anderer Mensch und hat eine ganz andere Erziehung als ich. Sie ist sehr gebildet für ihr Alter, sehr klug und sehr erwachsen, aber auch gezwungen dazu, erwachsen zu sein.
Du spielst meist keine einfachen Persönlichkeiten, eher tragische Figuren, mal Ghettokind mal eine verstoßene Tochter. Du willst den bequemen Leuten zu Hause auf dem Sofa zeigen, wie brutal das Leben ist, hast Du mal in einem Interview gesagt. Kann das immer klappen?
Hummer: Nein, natürlich kann das nicht immer klappen, aber im Ansatz ist das auf jeden Fall richtig, so etwas zu denken und das sollte auch immer ein Ansatz bleiben. Was ich damit vor allem aussagen wollte ist, dass Schauspiel auch Kommunikation bedeutet.
Und Du guckst Dir auch die Filme an, bei denen das nicht klappen kann, nicht klappen soll, Hollywood, Kommerzkino?
Hummer: Klar, manchmal habe ich echt Lust Schrott zu gucken. Aber ich finde, es gibt auch gutes Entertainment, auch flaches gutes Entertainment. Ein schlechter Film ist für mich einer, der keine Haltung und keine Meinung hat. Und ich finde es gut, wenn Filme versuchen wahrhaftig zu sein.
Hast Du das Gefühl bei ‚Die innere Sicherheit‘?
Hummer: Ja, erst mal hat der Film eine Haltung, er erzählt Dir eine Geschichte – das Drehbuch ist supergut geschrieben. Ich glaub auf jeden Fall, dass dieser Film wahrhaftig ist. Er zeigt ja auch keine Leute, die in einer superausgeleuchteten komplett von IKEA eingerichteten Wohnung wohnen, wo die Wände aus Pappe sind, alle Leute toll aussehen und Mutter, Vater, Kind alle irgendwelche komischen Markenklamotten tragen. So ist die Welt einfach nicht und so ist der Film auch nicht.
Du hast allein im letzten Jahr drei Kinofilme gedreht, wann und wie erholst Du Dich?
Hummer: Ich hab jetzt wohl zwei Jahre ganz schön viel gearbeitet als Schauspieler und jetzt hab ich erst mal ein größeres Päuschen eingelegt, was mir total gut tut. In der Zeit mache ich viel Musik, spiele Gitarre und nehme Klavierunterricht. Ich steh morgens früh auf und fang nach dem Frühstück gleich an zu spielen. Es ist irgendwie großartig, Songs zu schreiben, das ist so wie ein Gedicht zu schreiben. Man freut sich darüber, wie man sich ausdrücken kann und dass der Song hinhaut, dass man erzählen kann wie man es wollte. Da führe ich Regie und schreibe auch das Drehbuch.
Wo fühlt Du Dich am meisten wohl?
Hummer: In der Küche fühl ich mich am wohlsten, am Küchentisch, und an der Gitarre noch viel wohler als am Küchentisch. Ich sitze bei mir zu Hause immer in der Küche am Küchentisch und spiele Gitarre, den ganzen Tag.
Und rein geographisch?
Hummer: Mir ist eigentlich egal, wo ich wohne. Berlin finde ich für mein Leben im Moment ganz super und mittlerweile habe ich hier auch Freunde gefunden, die ich woanders sehr vermissen würde. Ich fahr total auf die Monumentalbauten ab, Siegessäule, Brandenburger Tor, das sieht für mich alles immer nach so einem Römerfilm aus.
Du hast im Tatort "Die kleine Zeugin" mal ein Straßenkind gespielt und hast deswegen vorher Erfahrungen in diese Richtung gesammelt. Wie war das?
Hummer: Das war vor dem KaDeWe in Berlin, da saß so ein Mädchen und hat gebettelt. Da hab ich mich ein bisschen dazugesetzt und hab auch so getan als ob ich betteln würde, aus Spaß. Aber ansonsten war das sehr schwierig, ich hatte keine Lust fertig gemacht zu werden. Wenn Du so ein paar Straßenkinder siehst, spürst du ja nicht wirklich den Impuls, drauf zu zugehen und denen die Hände zu schütteln, sondern Du hast eher Angst um Deine Klamotten. Mit ein paar Straßenkindern hab ich geredet, hab mir aber ansonsten mehr Dokumentationen angeguckt. Allerdings ist mir die Rolle letzten Endes nicht richtig gelungen, weil ein großes Klischee entstand, das hat mich ein wenig traurig gemacht.
Probleme wie das Leben auf der Strasse, sind das Dinge die Dich längere Zeit beschäftigen?
Hummer: Ja, das rauscht natürlich nicht an mir vorbei, aber ich hab in letzter Zeit gelernt, die Sachen sein zu lassen wie sie sind, wo ich nicht helfen kann. Ich habe das Gefühl, dass das nicht meine Aufgabe ist, denen groß zu helfen. Nicht aus Egoismus, aber ich merke, dass andere Dinge in meinem Leben wichtiger sind.
Was stört Dich in Deutschland?
Hummer: Ich bin total unpolitisch, wenn Du das meinst. Aber was mich in Deutschland total nervt ist, dass die Leute immer so kategorisch denken.
Wo genau spürst Du das?
Hummer: Das spür ich zum Beispiel, wenn Journalisten in Interviews zu mir sagen ‚Du bist ja nun das Trash-Kind von Deutschland…‘ und mich einfach in eine Schublade stecken. Ich bin doch keine Bohnendose wo draufsteht, die und die Bohne ist drin.
Das Leben ist ein Comic, welche Comic-Figur bist Du?
Hummer: Ich bin ‚Ich-Hummer‘ oder wie wär’s mit ‚Null Null Hummer‘. Ich kenne mich überhaupt nicht mit Comics aus, aber in einer Comicwelt bin ich auf jeden Fall ich selber.