Herr Riedle, Sie leiten ein Fußball-Trainingscamp für Kinder und Jugendliche in Oberstaufen im Allgäu, an dem z.B. auch Mario Götze teilgenommen hat. Wie finden Sie den Entschluss von Joachim Löw, eher auf die Etablierten zu setzen und drei der jungen Wilden wieder heim zu schicken?
Riedle: Das kann ich nur schwer beurteilen, weil ich die Trainingseindrücke von den Spielern nicht gesehen habe. Grundsätzlich ist für mich nachvollziehbar, dass der Bundestrainer auf die Spieler setzt, die mehr internationale Erfahrung haben, denn auf die wird’s ja auch ankommen.
Wer glauben Sie denn, spielt gegen Portugal auf Ihrer ehemaligen Position – Klose oder Gomez?
Riedle: Das ist auch schwierig von außen zu beurteilen. Fakt ist, der Trainer wird schauen, wer sich im Training besser darstellt. Ich sag jetzt mal, im letzten Spiel, von dem ich leider nur Ausschnitte gesehen habe, hat der Gomez getroffen, und ich denke auch, irgendwann muss er jetzt mal dran sein. Der hat drei Saisons überragend gespielt bei Bayern, hat wahnsinnig viele Tore gemacht. Und auch vom Alter, von seiner ganzen körperlichen Struktur her, ist er gerade, glaube ich, auf einem absoluten Topniveau. Und deshalb müsste er jetzt einfach auch mal seine Chance kriegen. Darum glaube ich eher, dass Gomez gegen Portugal spielt.
Und wenn er sich da bewähren sollte, glauben Sie, dass er dann auch für das Turnier gesetzt ist?
Riedle: Ich würd’s ihm wünschen, weil ich einfach glaube, dass er auf langer Strecke ein Topspieler für Deutschland sein wird. Aber er muss jetzt irgendwann auch das Gefühl haben, dass er eine feste Größe in der Mannschaft ist.
Wie beurteilen Sie die Vorrundengegner der deutschen Mannschaft – Portugal, Niederlande, Dänemark? Wer ist für Sie der härteste Brocken, wer am leichtesten zu schlagen?
Riedle: Vom Papier her, würde ich sagen, ist sicherlich Dänemark der leichteste Gegner. Aber es sind alles drei schon recht große Brocken, das Eröffnungsspiel gegen Portugal wird wahrscheinlich sehr schwer werden. Aber das härteste Spiel wird sicher gegen Holland sein. Die haben einfach eine Topmannschaft.
Und haben jetzt im Testspiel gegen Nordirland mit 6:0 auch nochmal ihre Klasse bewiesen.
Riedle: Die Testspiele habe ich gar nicht so verfolgt. Aber darauf gebe ich auch relativ wenig. Das muss man auch bei unseren Spielen gegen die Schweiz und gegen Israel ein bisschen relativieren. Es kommt ja auch auf die unterschiedlichen Trainer an. Der eine gibt jetzt noch mehr Gas, der andere weniger. Aber eigentlich interessiert es niemanden, ob die jetzt verloren haben oder nicht. Wichtig ist, dass sie bei der EM topfit sind, alles andere zählt nicht.
Werden also Deutschland und Niederlande Ihrer Meinung nach die Vorrunde überstehen?
Riedle: Ja, ich denke mal, dass die zwei weiterkommen.
Wo sehen Sie denn die größten Stärken und wo die Schwächen der deutschen Mannschaft?
Riedle: Es wird ja gerade überall diskutiert, dass die Abwehr noch nicht so hundertprozentig sattelfest ist, da müssen sie noch ein bisschen schrauben, glaube ich. Offensiv sind wir überragend stark, man muss jetzt schauen, dass man möglichst eine gute Balance zwischen Defensive und Offensive findet. Ich glaube, wir sollten an dem festhalten, was wir immer gemacht haben und locker-befreit aufspielen. Dann sehe ich Deutschland schon relativ weit vorne.
Viele sagen ja, Deutschland muss sich in der schwersten Gruppe beweisen, aber wenn ich mir die anderen Gruppen anschaue, ist es auch da nicht ganz so einfach weiterzukommen. Wie sehen Sie das?
Riedle: Es gibt durchaus noch andere Gruppen, die ziemlich hart sind, aber unsere Gruppe ist sicher keine leichte. Wenn man die Niederlande und Portugal dabei hat, wären einem schon Mannschaften wie Griechenland oder die Ukraine lieber gewesen (lacht).
Andererseits: Frankreich und Spanien sind sicher auch keine Traumgegner in der Vorrunde.
Riedle: Also, Frankreich würde ich mir im Moment gar nicht wünschen, denn die sehe ich ganz vorne. Ich glaube sogar, dass Frankreich ins Finale kommt. Die sind wieder dran, haben eine gute Mannschaft und ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir – sollten wir ins Finale kommen – auf Frankreich treffen könnten.
Wäre Ihrer Meinung nach Frankreich auch der Endspielgegner, der für die deutsche Mannschaft am schwersten zu knacken ist? Oder doch die spanische Mannschaft, an der sich die Deutschen schon im EM-Finale 2008 und WM-Halbfinale 2010 die Zähne ausgebissen haben?
Riedle: Auf dem Niveau sind alle schwer. Auch die Italiener, bei denen weiß man nie, wie man dran ist. Die Spanier haben eine Topmannschaft, ob sie jetzt noch so stark sind wie vor zwei Jahren, müssen wir abwarten. Aber ich denke schon, dass das der Favoritenkreis ist: Deutschland wird dabei sein, Italien, tippe ich mal, Frankreich und Spanien.
Wie sieht denn Ihre Traum-Finalpaarung aus?
Riedle: Deutschland gegen Spanien – und Deutschland gewinnt. Das wäre ein Traum, dann könnten wir gleich eine Revanche nehmen (lacht).
Wer glauben Sie, könnte „Spieler des Turniers“ werden?
Riedle: Für mich ist sicherlich Mesut Özil der kompletteste Spieler. Der spielt auf einem Topniveau im Moment. Er könnte der Star der EM werden, das würde ich ihm auch wünschen, den er hat wirklich alles. Es macht einfach Spaß, ihm zuzuschauen.
Werden Sie bei einem oder mehreren Spielen live dabei sein?
Riedle: Das weiß ich noch nicht genau. In der Ukraine ist es schwierig, da habe ich mich beim DFB schon erkundigt, die Spiele dort werde ich mir wahrscheinlich eher im Fernsehen angucken. Vielleicht fahre ich noch nach Polen, zum einen oder anderen Spiel. Das ist noch offen im Moment.
Philipp Lahm hat in einem Interview die politische Situation in der Ukraine kritisiert. Was ist Ihre Meinung dazu?
Riedle: Ich finde, die Verhältnisse dort sind sicher nicht so, wie sie sein sollten, aber ich möchte mich da auch nicht aus dem Fenster lehnen, weil ich zu weit weg bin, um mir ein Urteil erlauben zu können. Aber ich finde es auf jeden Fall gut, dass sich ein Aktiver dazu geäußert hat, vor allem Lahm als Käpt’n.
Welches Ergebnis tippen Sie für das erste EM-Spiel der deutschen Mannschaft gegen Portugal?
Riedle: Ich denke, es wird ein knapper Sieg für Deutschland werden, 1:0 oder 2:1.
Die WM 1990 war Ihr erstes internationales Turnier. Sie haben im Halbfinale gegen England einen wichtigen Elfmeter verwandelt. Glauben Sie, dass Bastian Schweinsteiger sein Elfmeter-Trauma aus dem Champions-League-Finale bei einem eventuellen EM-Elfer im Weg steht?
Riedle: Das war damals mein erster Elfmeter, den ich überhaupt geschossen habe (lacht). Ich hab mich in dem Moment einfach gut gefühlt und ihn dann glücklicherweise auch erfolgreich ausgeführt. Aber Elfmeterschießen ist immer eine ganz schwierige Geschichte. Vor allem nach einem Spiel wie gegen Chelsea, das sehr kräftezehrend war. Dass der Basti den Elfer verschossen hat, ist für ihn persönlich – und natürlich auch für Bayern – wahnsinnig ärgerlich. Aber trotzdem geht das Leben weiter. Ich glaube nicht, dass er dadurch einen Knacks bekommen hat. Natürlich wird das Chelsea-Spiel bei ihm noch ein bisschen im Kopf hängenbleiben, aber ich denke, dass er das vom Spielerischen top verarbeitet hat, bis der nächste Elfer kommt.
Hatten Sie denn einen Trick beim Elfmeterschießen?
Riedle: Nein, ich habe einfach geschaut, was der Torwart macht, und habe dann versucht, in die andere Ecke zu schießen.
Manche Spieler täuschen ja direkt vor dem Schuss an oder stoppen kurz, um den Torwart zu irritieren.
Riedle: Das habe ich nie gemacht. Ich habe in Italien ein paar Elfmeter geschossen, und ich glaube, dass ich auch eine ganz ordentliche Trefferquote gehabt habe, aber ich habe nie absichtlich angetäuscht oder abgestoppt. Ich habe mir am Anfang erstmal eine Ecke ausgesucht und wenn ich dann gemerkt habe, dass der Torwart schon relativ schnell in diese Ecke unterwegs ist, hab ich noch den Fuß gedreht.
Vor 20 Jahren bei der EM in Schweden waren Sie einer der vier Torschützenkönige und haben die deutsche Mannschaft im Halbfinale gegen die Gastgeber mit zwei Toren ins Finale geschossen – für Außenstehende zwei wichtige Treffer in Ihrer Karriere. Welches war für Sie das Tor, dass Sie im Rückblick als das wichtigste bzw. schönste Ihrer Laufbahn bezeichnen würden?
Riedle: Die zwei Treffer im Halbfinale sind schon auch sehr wichtig gewesen, aber ich würde sagen, die wichtigsten für mich waren die zwei Tore im Champions-League-Finale gegen Juventus Turin. Die sind bei mir auch besonders abgespeichert.
Wer ist Ihr Favorit für den Titel des Torschützenkönigs der EM 2012?
Riedle: Da gibt’s mit Sicherheit mehrere. Jede Truppe hat ja einen richtig guten Stürmer. Ich glaube trotzdem, dass es einer von unseren Spielern wird in diesem Jahr. Ich tippe auf Mario Gomez oder auf Miroslav Klose. Einer von beiden wird spielen und weit vorne mit dabei sein.
Oh man.
Wwelch ein Müll. Welche Relevenaz hat Karl-Heinz Riedlem als dass es einen interessieren müsste, wer seiner Meinung nach ins Finale kommt. Und dann kann er sowie überhaupt nichts „beurteilen“..