Herr Lauterbach, am Anfang Ihrer Politiklaufbahn stand die Tätigkeit als wissenschaftlicher Berater u.a. von Ulla Schmidt. Ihre Kandidatur für den Bundestag 2005 begründeten Sie im „Spiegel“ damit, dass Sie als Berater mit ihren Positionen an Grenzen gestoßen seien – wo sind Ihre Grenzen heute?
Lauterbach: Das müssen andere beurteilen. Mir geht heute es darum, dass ich die Erkenntnisse, die ich in der Wissenschaft gewonnen habe, politisch umsetze. Das war das Ziel und das funktioniert auch.
Hört Ulla Schmidt heute mehr auf Sie als zu der Zeit, wo Sie noch ihr wissenschaftlicher Berater waren?
Lauterbach: Wie jeder Minister holt sie sich Rat ein und früher war meine Rolle die des Beraters. Heute arbeite ich als Politiker – und da habe ich ganz klar mehr Einfluss auf die Gestaltung der Gesellschaft als bei einer beratenden Tätigkeit.
Nun haben Sie in Ihrer täglichen Arbeit mit dem Koalitionspartner zu tun und sicher auch mit Lobbyisten, die versuchen, Einfluss zu nehmen. Was bereitet Ihnen mehr Kopfzerbrechen?
Lauterbach: Das Problem meiner gesundheitspolitischen Arbeit ist im Moment die Kooperation mit der Union, die Schnittmenge unserer Gesundheitspolitik ist halt nicht besonders groß. Die Union sperrt sich, was einige meiner zentralen Anliegen angeht, insbesondere bei der Bürgerversicherung, sie will, dass das System der privaten und das der gesetzlichen Krankenversicherungen getrennt bleibt. Wenn es nach der Union geht, bleibt es bei der Zweiklassenmedizin, die ich als eines der Grundübel unseres Gesundheitssystems betrachte.
Warum?
Lauterbach: Das System der privaten Krankenversicherung funktioniert nicht mehr. Sie haben nur noch 60.000 Mitglieder im Jahr 2008 hinzu gewonnen und damit zwei Drittel ihrer jährlichen Neumitglieder verloren. Dabei sind Ärzte, die wenig privatversicherte Patienten haben, im Einkommen deutlich benachteiligt. Wir bräuchten im Prinzip eine Gebührenordnung für alle, wo zwischen privat und gesetzlich Versicherten kein Unterschied mehr gemacht wird. Das würde den Ärzten helfen, die gesetzlich Versicherte versorgen, für die hätten wir dann mehr Geld zur Verfügung.
Wollen Sie medizinischen Sozialismus im Gesundheitswesen?
Lauterbach: Nein, ich bin ja eher sogar wettbewerbsorientiert. Die privaten Krankenversicherungen sollen auch nicht vom Markt verschwinden, aber der Markt muss neu geordnet werden.
Eine Gebührenordnung für alle, bei der Honorierung der Ärzte beispielsweise, würde bedeuten: jeder Patient bekommt eine Rechnung, sieht, was es kostet, gibt diese Rechnung weiter an die Krankenkasse und von dort wird direkt an den Arzt bezahlt. Das wäre ein System, in dem private und gesetzliche Kassen unter fairen Bedingungen im Wettbewerb stünden. Aber die Union versperrt sich da der notwendigen Diskussion.
Stellen nicht viel mehr die verschiedenen Verbände und die Lobbyisten die Hürde dar, wenn es gilt, etwas zu bewegen – und nicht die Union?
Lauterbach: Die Lobbyisten hätten, wenn sie bei der Union keine Handlanger fänden, viel weniger Einfluss. Bei uns in der SPD sprechen auch ständig Lobbyisten vor, aber das beeinflusst meine Arbeit überhaupt nicht. Das Problem ist, dass sich die Union aus historischen Gründen sehr stark einigen Gruppen verschrieben hat, insbesondere der privaten Assekuranz sowie den kassenärztlichen Vereinigungen und – soweit die CSU betroffen ist – auch den Apothekerverbänden. Die FDP hat sich, glaube ich, vom Einfluss der Lobbyisten schon ein Stück weit frei gemacht. Die Grünen standen nie stark unter dem Einfluss der Lobbyisten und die SPD im Prinzip auch nicht. Die Schneise der Lobbygruppen ist im Wesentlichen im Moment die Union.
Und wie bewerten Sie die Interessen der Lobbygruppen? Sind die nur im Sinne der Wirtschaft oder gibt es auch welche, die im Sinne der Patienten sind?
Lauterbach: Es gibt durchaus auch Lobbyinteressen, die im Sinne der Patienten sind. Nicht jeder Lobbyismus ist falsch. Schade ist, dass der Lobbyismus, der von der Union bedient wird, eben sehr stark auf die wenigen großen Verbände konzentriert ist – also auf private Krankenversicherungen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), sehr stark auch auf die großen Arzneimittelhersteller.
Wie äußert sich das?
Lauterbach: Ich gebe Ihnen ein Beispiel, in Hinblick auf die jetzt von allen beklagte Art und Weise, wie wir Ärzte honorieren. Das Honorarsystem ist von der KBV schon 2003 in die Gesundheitsreform getragen worden, in der neuen Reform 2006 noch einmal. Zum Schluss haben wir das Honorarsystem der KBV in der Großen Koalition akzeptieren müssen, weil es ein wichtiger Verhandlungseckpunkt für die Union gewesen ist. Das ist das eigentliche Problem. Das System wird jetzt von den Ärzten abgelehnt und die KBV bekommt es nicht richtig umgesetzt, weil sie es auch gegen das Interesse vieler niedergelassener Ärzte umsetzen muss. Ulla Schmidt und ich müssen dazu Stellung nehmen, obwohl wir es so eigentlich gar nicht wollten.
Aber inzwischen beklagt zum Beispiel auch Herr Söder von der CSU dieses System, das uns von der CDU aufgezwungen wurde.
Frustriert so eine Erfahrung?
Lauterbach: Nein, man lernt dazu und überlegt sich eigene Gegenstartegien. Das politische Geschäft ist nur im Parlament zu betreiben. Es ist tausend Mal besser, diese Dinge zu erleben und mit zu beeinflussen als sie nur von außen zu beobachten und zu kommentieren.
Sie schreiben in Ihrem aktuellen Buch „Gesund im kranken System“, Gesundheitspolitik sei der Bereich, wo es am schwersten ist, die richtige Politik zu machen. Woran liegt das?
Lauterbach: Das Besondere am Gesundheitssystem ist, dass es ein sehr großer Markt ist. Wir haben 160 Milliarden alleine im System der gesetzlichen Krankenkassen und noch einmal die gleiche Größenordnung, wenn man das gesamte System betrachtet. Wir haben hier also einen Markt vor Augen, der in der Gesamtgröße 320 Milliarden Euro ausmacht. Von daher ist klar, dass dort sehr viel lobbyiert wird. Damit kann man auch umgehen. Aber die Parteien müssen sich ein Stück weit vom Einfluss der Lobbygruppen unabhängig machen. Vor allem die Union ist hier der Nachhilfeschüler, dort finden die Widersacher einer vernünftigen Politik noch zu viel Gehör.
Und vernünftig heißt?
Lauterbach: Eine Politik, die stärker auf Vorbeugung und Verbraucherinteressen ausgerichtet ist.
Gibt es Interessengruppen, welche die Verbreitung der Vorbeugemedizin behindern?
Lauterbach: Ich glaube, dass die Vorbeugemedizin viele geheime Gegner hat. Niemand sagt natürlich, dass er gegen Vorbeugung sei. Der größte Gegner ist wahrscheinlich die Nahrungsmittel- und Gaststättenindustrie. Ein ganz wichtiger Schritt zum Beispiel wäre, dass wir über die drei wichtigsten Gefahrenstoffe in der Nahrung – nämlich zu viel Salz, zu viel Fett und zu viel Zucker – in Form einer Ampelkennzeichnung aufgeklärt würden. Genau das verhindert die Industrie.
Doch die Ampel konnte politisch nicht durchgesetzt werden.
Lauterbach: … weil die Nahrungsmittelindustrie Druck gemacht hat. Das ist sehr übel, weil sich allein durch eine einfache, nachvollziehbare Kennzeichnung der Lebensmittel Schlaganfälle oder Infarkte vermeiden ließen.
Haben Sie für die Interessen der Nahrungsmittelindustrie Verständnis?
Lauterbach: Ja, den Innungen und auch den Verbänden geht es um den Erhalt des Umsatzes und des Gewinns. Das ist in der Marktwirtschaft legitim und wenn sich eine bestimmte Lebensmittelindustrie gegen die Gesundheitsinteressen der Bevölkerung einsetzt, um den Umsatz zu erhöhen, kann ich das ohne weiteres nachvollziehen. Aber ich kann es nicht nachvollziehen, wenn sogar Gesundheitspolitiker diesem Druck nachgeben.
Aber genau das ist doch passiert.
Lauterbach: Das ist das Problem. Die arbeitgebernahen Verbände lobbyieren in der Regel über die FDP und die Union und insbesondere die Union ist da sehr anfällig. Die Ampelkennzeichnung wäre nie an den Grünen oder der SPD gescheitert.
Was ist denn jetzt größer? Der Einfluss vom Wähler oder von irgendwelchen Lobbygruppen?
Lauterbach: Bei der Ampel war es ganz klar die Lobbygruppe, die einflussreicher war. 80 Prozent der Wähler waren ja für die Ampel. Auf der anderen Seite glaubt der Wähler trotzdem, die Union in weiten Teilen wählen zu können. Es wird ja oft gegen das eigene Interesse gewählt.
Wie meinen Sie das?
Lauterbach: Zum Beispiel wählen sehr viele Arbeiter die Union, die aber gleichzeitig die Mindestlöhne blockiert. Das politische Geschäft besteht eben darin, dass man versucht, auch Wähler zu gewinnen, denen man wenig bieten kann, es ist das Geschick des Politikers, auch so einen Wähler an sich zu binden. Und wenn die Bevölkerung etwas will, was er selbst nicht will, versucht er es zu verhindern, ohne es an die große Glocke zu hängen – das ist der Union bei der Ampelkennzeichnung leider sehr gut gelungen.
Die Bürger haben aber auch wegen der unzureichenden Berichterstattung gar nicht mitbekommen, dass die Ampel am Widerstand der Union gescheitert ist und dass daher die schnelle Orientierung über gesund und nicht gesund im Supermarkt nicht möglich sein wird.
Es gilt für jedes Gesundheitssystem, dass Krankenhäuser, Ärzte und Pharmaunternehmen ihr Geschäft nicht mit den Gesunden machen. Das liegt in der Natur der Sache.
Jetzt sind im Endeffekt die Medien schuld?
Lauterbach: Wir als Politiker müssen versuchen – deshalb gebe ich ja auch solche Interviews – die Medien zu sensibilisieren für das, was geschieht. Wenn uns das nicht gelingt, ist es zum Schluss unsere Schuld. Denn wir sind diejenigen, die die Medien für unsere politischen Zwecke gewinnen und zum Schluss auch instrumentalisieren müssen. Wir müssen als politische Gestalter über die Medien kommunizieren, wo die tatsächlichen Unterschiede bei den Parteien sind. Trauergesänge über unfaire Medien bringen nichts.
Im derzeitigen Gesundheitssystem profitieren die meisten Beteiligten nicht von einem gesunden, sondern vom kranken Patienten. Wie lässt sich das ändern?
Lauterbach: Es gilt für jedes Gesundheitssystem, dass die Krankenhäuser, die Ärzte und die Pharmaunternehmen ihr Geschäft nicht mit den Gesunden machen. Das liegt in der Natur der Sache. Besonders bedenklich ist, dass sich die meisten Ärzte – aber auch die meisten Journalisten und die Patienten – zu wenig mit den gesicherten Erkenntnissen der Vorbeugemedizin auskennen. Die Blutdruckwerte sind hierzulande sehr hoch, weil die Menschen zu wenig darüber informiert sind, wie man dem vorbeugen kann. Viele wissen auch nicht, dass ein hoher Blutdruck ein hoher Risikofaktor nicht nur für Schlaganfälle, sondern auch für Demenz und diverse andere Erkrankungen ist. Die Vorbeugemedizin ist in Deutschland noch unterentwickelt.
Auch weil vorbeugende Maßnahmen aus Sicht der Ärzte wenig gewinnbringend sind?
Lauterbach: Man kann mit vorbeugenden Maßnahmen Geld verdienen. Man verdient damit allerdings nicht so gut wie an der Krankheit, das ist auch wieder richtig. Große Probleme bestehen schon darin, dass sich viele Ärzte mit den Details der Vorbeugemedizin nicht so gut auskennen. Und es gibt keine Pharmaindustrie, die dieses Wissen an den Mann bringt. Somit müssten wir das Honorarsystem der Ärzte so ändern, dass jene, die das Wissen haben und viel Vorbeugemedizin praktizieren, besser bezahlt werden. In den skandinavischen Ländern zum Beispiel sind die Honorare schon sehr viel stärker darauf ausgerichtet, Vorbeugemedizin zu fördern. Dort können die Ärzte allerdings auch sehr viel besser Englisch sprechen und lesen als in Deutschland, sie kennen sich besser aus mit der Fachliteratur in diesem Bereich, die fast ausschließlich in englischer Sprache veröffentlicht wird.
Also scheitert es in Deutschland tatsächlich auch an so banalen Dingen?
Lauterbach: Die Tatsache, dass in Deutschland viele Ärzte nicht ausreichend Englisch können, hat eine große Bedeutung. Viele Ärzte sind bei Vorbeugemedizin oder auch bei Arzneimitteln darauf angewiesen, dass ihnen die Pharmafirmen erläutern, was bei den Studien herausgekommen ist. Und das ist sehr häufig einseitig und repräsentiert nicht die tatsächlichen Ergebnisse der Studien.
Spielt nicht auch eine Rolle, dass die Menschen erst zum Arzt gehen wollen, wenn sie krank sind?
Lauterbach: Nein, in Deutschland gehen selbst relativ gesunde Menschen sehr oft zum Arzt. Nur werden dort die Möglichkeiten der Vorbeugemedizin oft nicht ausgeschöpft. Viele Frauen gehen zum Gynäkologen und glauben, der sei ein guter Ersatz für den Hausarzt. Aber der Gynäkologe kennt sich beispielsweise mit der Vorbeugung von Bluthochdruck oder Herzkrankheiten oft nicht so gut aus.
Die vielen Arztbesuche, die es gibt, müssten genutzt werden, Vorbeugung zu verbessern – die Patienten würden sich brennend dafür interessieren.
Wie oft gehen Sie eigentlich zu Vorbeugeuntersuchungen?
Lauterbach: Ich bin ja selbst Mediziner und kenne mich daher gut aus. Ich setze viele von den Ratschlägen, die ich gebe und die wissenschaftlich gesichert sind, auch um.
Aber es ist ja nicht wichtig, wie gesund ich bin, sondern wie gesund die Leute sind, die ich berate. Wenn es mir um meine eigene Gesundheit ginge, wäre ich nicht Politiker, denn das ist nicht gerade der gesündeste Beruf.
Macht Politik krank?
Lauterbach: Politiker haben auf jeden Fall einen stressreichen Beruf mit viel Ärger und vielen Abendterminen. Es ist kein Beruf, den ich empfehlen würde, wenn man versucht, so gesund und so lange zu leben wie möglich.
Welche praktischen Tipps geben Sie Politikern in Ihrem Umfeld, um trotzdem fit zu bleiben?
Lauterbach: Sie sollten versuchen, so gut sie können, Sport zu machen. Nicht rauchen, nicht zu viel Alkohol trinken, nicht zu viel von den ungesunden Häppchen, die einem geboten werden. Aber das ist natürlich nicht leicht, weil man immer Gelegenheit hat, auswärts zu essen, man ist oft eingeladen, es wird sehr viel Alkohol gereicht…
Und die ganzen Überstunden? Ab wann ist das nicht mehr gesund?
Lauterbach: Das kommt darauf an, wie robust der Einzelne ist. Spitzenpolitiker sind oft sehr robust, da greift ein Selektionsmechanismus: Menschen, die kränklich sind, halten das ja nicht lange durch. Die relativ unregelmäßigen Arbeitszeiten, die vielen Reisen, die vielen Auswärtsessen, die Alkoholversuchung – das führt dazu, dass in diesem Beruf viele mit 50, 60 älter aussehen als sie sind.
In Ihrem Buch steht auch der Satz: „Arbeitslosigkeit ist die wichtigste soziale Ursache für Krankheiten.“ Brauchen Sie die Arbeit um gesund zu sein?
Lauterbach: Die Art der Arbeit, die ich mache, trägt nicht gerade zu meiner persönlichen Gesundheit bei. Aber ich arbeite, weil es mir Spaß macht, ich kann mir nichts anderes vorstellen. Arbeit ist für mich immer etwas Selbstverständliches gewesen, etwas zur Selbstrealisierung.
Viele andere Menschen sind aber nicht so privilegiert wie ich. Die arbeiten, um zu überleben und um überhaupt in die Gesellschaft integriert zu sein. Insofern ist Arbeit ein Grundbedürfnis, was wir für jeden vorhalten sollten.
Doch angesichts der Trägheit der Entwicklungen im Gesundheitswesen – woraus genau ziehen Sie bei Ihrer Arbeit den Spaß?
Lauterbach: Ich kann meine wissenschaftliche Arbeit zum Thema meiner politischen Arbeit machen. Und ich lerne jeden Tag dazu. Ich habe noch eine ständige Gastprofessur an der Harvard-University, da komme ich mit anderen Kollegen aus aller Welt zusammen, mir fehlt es also nicht an wissenschaftlichem Input und interessanten Kontakten auch außerhalb der Politik. Und in der Politik kann ich versuchen, die Dinge, die mir besonders bedeutsam sind, umzusetzen.
Aber ist es nicht extrem unbefriedigend, wenn man wissenschaftlichen Erkenntnisse hat und dann sieht, dass davon nur ein Bruchteil in der Politik umgesetzt wird?
Lauterbach: So funktioniert halt Politik. Ein Bruchteil ist mir tausendmal lieber als dass nichts umgesetzt wird.
Viele Politiker wechseln irgendwann in die Wirtschaft – wäre das auch was für Sie?
Lauterbach: Mit meinem Hintergrund hätte ich das jederzeit gekonnt. Aber die Wirtschaft interessiert mich nicht. Mich interessiert Politik und die Wissenschaft. Ich verfolge seit 25 Jahren den wissenschaftlichen Fortschritt, beschäftige mich im Wesentlichen mit den Details bestimmter Erkrankungen, wie sie zustande kommen, wie man sie verhindern kann, wie sie behandelt werden. Das ist für mich eine spannende Kombination: Wie funktioniert einerseits der Körper, welche Risikofaktoren gibt es und wie gelingt auf der anderen Seite die politische Verbesserung der Gesundheitssysteme – das reicht mir.
Was lehnen Sie an der Wirtschaft ab?
Lauterbach: Ich habe nichts gegen Gewinn und Profit, ich bin sogar im Aufsichtsrat einer Krankenhaus-AG. Aber mich persönlich hat es nie groß interessiert, reich zu werden, oder ein Firmenmacher zu sein.
Krankt das Gesundheitssystem vielleicht genau daran, dass es zu viele Beteiligte gibt, die damit Profit machen wollen, die weniger ans Gemeinwohl sondern nur an das eigene denken?
Lauterbach: Ich habe kein Problem damit, dass jemand versucht, Profit zu machen. Jemand, der für eine große Firma arbeitet, der sollte zumindest am Gewinn der Firma interessiert sein. Ich erwarte da nicht viel mehr.
Was aber stimmt, ist, dass es zu wenige gibt, die daran arbeiten, dass die Gesetze, die wir machen, so funktionieren, dass das Interesse der Firmen und die Interessen der Bevölkerung gleichgerichtet sind. Wir müssen die Gesetze so machen, dass man mit guten Medikamenten und preiswerten Medikamenten, mit Vorbeugemedizin und mit guter Qualität Gewinne machen kann – da sehe ich eher einen Mangel im politischen System. Ich würde nicht sagen, dass wir in der Wirtschaft die falschen Leute haben, die dort unterwegs sind, tun das, was man von ihnen erwartet. Man kann auch nicht erwarten, dass in den großen Betrieben Gesundheitspolitik gemacht wird. Diese müssen versuchen, Gewinne zu machen – und wir in der Politik müssen dafür sorgen, dass diese Gewinne mit guten Produkten gemacht werden.
Sie formulieren viele Ziele, Sie wollen die Pharmalobby zurückdrängen und die kassenärztliche Vereinigung auflösen – ist das nicht viel leichter gesagt, als getan?
Lauterbach: Die Entmachtung der kassenärztlichen Vereinigung ist etwas, was die SPD seit vielen Jahren möchte, was auch bei den Grünen viele Befürworter hat, die FDP kann sich das ebenfalls vorstellen, sogar der wettbewerblich orientierte Flügel in der CDU ist dieser Meinung.
Außerdem spielt die Zeit für die Vernunft: Viele der Vorschläge, die ich mache, sind in anderen Ländern schon umgesetzt. Und in der Vergangenheit konnte ich bereits viele der Punkte, die mir wichtig waren, durchsetzen. Zum Beispiel war ich immer Meinung, dass wir bei Pflegeeinrichtungen die guten und schlechten erkennen können müssen, durch ein Bewertungssystem.
…den sogenannten „Pflege-TÜV".
Lauterbach: Ja, das war ein Vorschlag, den ich über die Fraktion habe durchsetzen können. Oder die Art und Weise wie wir Krankenhausfachärzte vergüten, die Krebsbehandlungen durchführen – also, da kann ich mich über mangelnden Einfluss in den eigenen Reihen nicht beklagen. Das Problem, das noch gelöst werden muss, ist der sehr starke Einfluss der Verbände bei der Union.
Wenn wir in dieser Legislaturperiode mit den Grünen regiert hätten, hätten wir eine viel bessere Gesundheitspolitik hingelegt, weil die Grünen bei der verbraucherschutzorientierten Gesundheitspolitik, die mir besonders am Herzen liegt, voll mitziehen.
Dabei hat Rot-Grün doch schon sieben Jahre regiert.
Lauterbach: Ja, aber alles braucht seine Zeit. Vieles, was ich in meinem Buch aufschreibe sind außerdem Forschungsergebnisse der letzten zwei, drei Jahre. Die Bedingungen für eine rot-grüne Gesundheitspolitik sind eigentlich noch nie so gut gewesen wie heute. Was den Verbraucherschutz und die Vorbeugemedizin angeht hat man so viele neue, gut abgesicherte Erkenntnisse – da wäre eine rot-grünen Gesundheitspolitik eigentlich das beste, was dem Land passieren könnte.
Vielleicht eines Tages unter einem Minister Lauterbach?
Lauterbach: Darüber würde ich niemals spekulieren. Es ist auch egal, wer Minister ist, Hauptsache die richtige Politik wird gemacht. Und da gibt es zahlreiche gute Leute in der SPD. Zur Zeit ist das Amt auch ideal besetzt mit Ulla Schmidt.
Lesen eigentlich auch Ihre Kollegen Ihr Buch über das Gesundheitssystem?
Lauterbach: Ja, das wird auch von vielen Politikern gelesen, viele Spitzenpolitiker haben mich sogar schon auf die Inhalte des Buches angesprochen.
Was haben die gesagt?
Lauterbach: Die haben mich zum Beispiel mit ihrem Bauchumfang konfrontiert, was das bedeutet, wenn der etwas größer ausfällt.
Ich würde mir aber auch wünschen, dass das Buch mehr Normalverbraucher lesen. Viele Ratschläge gebe ich nicht für die Privilegierten im System, für Leute wie mich, sondern für den Normalbürger, der nicht viel Geld hat und sich nicht so gut auskennt. Der nicht weiß, wie er eine gute Klinik oder einen guten Arzt findet und was für ihn das Wichtigste ist, wenn er verhindern will, dass er einen Schlaganfall oder Krebs bekommt. Diese Ratschläge sind mir das Wichtigste, an denen habe ich auch fast ein Jahr gearbeitet.
Sie schreiben im Buch viel über gesunde Ernährung und empfehlen, möglichst auf Dinge wie Fleisch und Schokolade zu verzichten. Braucht der Mensch aber nicht manchmal gewisse Dinge, um sich gut zu fühlen? Was halten Sie zum Beispiel von der Devise „Schokolade macht glücklich“?
Lauterbach: Ich muss mich auf das konzentrieren, was wissenschaftlich gesichert ist. Dass Schokolade glücklich macht und dass man über Glück die Gesundheit positiv beeinflusst – das ist Wunschdenken. Selbst wenn gesichert wäre, dass der glückliche Mensch länger lebt, kann ich keine Ratschläge geben, wie man glücklicher wird. Dafür sollten sie Hirschhausen lesen.
Und dass ein Riegel dunkler Schokolade am Tag gesund ist, ist das denn wissenschaftlich gesichert?
Lauterbach: Dunkle Schokolade ist gesund, sie hat einen hohen Polyphenolgehalt und ist daher günstig für den Blutdruck und wahrscheinlich für die Vermeidung von Arterienverkalkung.
Sie konsumieren also guten Gewissens jeden Tag dunkle Schokolade?
Lauterbach: Wissen Sie, ich bin schlank, ich mache sehr viel Sport, ob ich jetzt dunkle Schokolade esse oder nicht, das macht keinen großen Unterschied.
Doch für jemanden, der sonst eine Reihe von Risikofaktoren hat – leichtes Übergewicht, vielleicht sogar für längere Zeit geraucht, wo der Blutdruck ein bisschen erhöht ist – für den würde sich regelmäßiger Konsum dunkler Schokolade tatsächlich positiv auswirken, der würde davon profitieren.
Letzte Frage: Ihre Fliege, ist die eigentlich selbstgebunden?
Lauterbach: Nein, das ist eine so genannte „Steckfliege“, ich kann gar nicht selbst binden. Das würde mir auch zu lange dauern, dafür bin ich viel zu ungeduldig.
Hallo ich möchte wissen ob ist möglich mit in zu treffen ich würde ihn dankbar sein Gruß Safija
Ich bin grade spontan in der Seite gekommen und würde gerne wissen ob ist eine Termin möglich mit in zu treffen ich würde ihn dankbar sein Gruß von Safija