Frau Herfurth, Sie spielen eine Hauptrolle in dem Film „Das Wunder von Berlin“ über den Mauerfall vor über 18 Jahren. In der Pressevorführung der Produktion waren Sie eben selbst anwesend. Wie geht es Ihnen, wenn Sie Ihre Filme das erste Mal sehen?
Herfurth: Das ist ein aufregender Moment. Wenn ich Theater spiele, habe ich das Ergebnis unmittelbar nach der Vorstellung. Beim Film muss man sich manchmal ein Jahr gedulden bis man das Resultat zu sehen bekommt. In dieser langen Zeit frage ich mich immer ob der Film tatsächlich so geworden ist wie ich mich an die Dreharbeiten erinnern kann. Ich bin dann mit mir selbst immer sehr kritisch.
Können Sie den Film dann auch genießen?
Herfurth: Durch die Dreharbeiten kenne ich die Filme in ihren Einzelteilen. Das ist ein bisschen schade, denn dadurch werde ich nicht unbefangen in die Geschichte hineingezogen. Vielleicht kann man das lernen, Abstand zu gewinnen, und sich ganz neu beeindrucken zu lassen.
Sie spielen in dem Film Anja Ahrendt, die sich sehr nach einer Familie sehnt. Sie braucht eine Basis, ein Zuhause. Kennen Sie das selbst?
Herfurth: Ich selbst gehöre einer großen Familie an. Ich fühle mich in meinem Nest sehr geborgen. Aber ich glaube, solche Sehnsüchte kennt jeder. Den Wunsch nach Geborgenheit, den Wunsch, ein Teil davon zu sein. Die Welt ist riesig und unüberschaubar, daher fühlt man sich schnell verloren.
Können Sie sich mit der Anja selbst identifizieren?
Herfurth: Anja ist ein anderer Mensch als ich. Sie hat eine ganz andere Herkunft und eine ganz andere Geschichte. Die Anja war als Figur für mich deshalb interessant, weil sie andere Bedürfnisse hat und andere Wünsche. Sie ist sehr impulsiv. Wobei ich mich vielleicht mit ihr identifizieren kann ist, dass ihr Loyalität und Treue sehr wichtig sind. Sie ist jemand, die sich sehr an etwas festhält, was sie aufgebaut hat. Das ist etwas, was ich sehr gut nachvollziehen kann und was ich mir selbst auch wünsche.
Sie sind nicht impulsiv?
Herfurth: Ich weiß nicht immer was ich will. Ich bin aber jemand der das dann schnell raus finden will, und es dann auch zu leben versucht.
Sind Sie jemand, der sich nicht verbiegen lässt?
Herfurth: Das probiere ich jeden Tag. Aber das ist für jeden Menschen jeden Tag eine wichtige Aufgabe. Mir gelingt das vielleicht nicht immer.
Sie sind in der DDR geboren. Sie waren fünf Jahre alt als die Mauer fiel. Im Pressegespräch sagten Sie, das alte DDR-System beeinflusst Sie heute wohl noch mehr, als Sie ahnen. Wie meinten Sie das?
Herfurth: Gemeint waren die menschliche Werte. In der DDR wurde soziales Engagement gefördert und erwartet. Ich wurde zu einem Gefühl für Mitmenschen und einer Aufmerksamkeit gegenüber meiner Umgebung erzogen. Auch das Lebensgefühl in der ehemaligen DDR prägt mich bis heute. Das alles ist meine Herkunft.
Das sind positive Aspekte…
Herfurth: Aber auch die Allgegenwart von Überwachung gehörte zu diesen Lebensgefühl. Ich habe daher wohl einen gesteigerten Respekt gegenüber Behörden oder anderen staatlichen Obrigkeiten. Das alles trage ich unbewusst immer noch mit mir und äußert sich dann in meinem Tun und in meinen Gedanken. Diese Dinge waren in den Lebensgefühl meiner Eltern stark präsent und die habe ich quasi als Erbe mitgenommen.
Glauben Sie, dass der Film in Ost und West unterschiedlich wahrgenommen wird? Zum einen die Menschen im Westen mit einem distanzierten Verhältnis zu dem System DDR. Zum anderen die Menschen im Osten, die Bürger der DDR waren.
Herfurth: Ich finde es immer schwierig solche Sachen in Ost und West aufzuteilen. Ich weiß nicht, ob Menschen in Ost den Film anders sehen als die Menschen in West. Die Generation meiner Großeltern wird diesen Film anders wahrnehmen als meine Generation es tun wird. Das ist weniger eine Ost-West Frage, das ist mehr eine Frage der Generationen.
Das Lebensgefühl der ehemaligen DDR prägt mich bis heute.
Was zeichnet den Film „Das Wunder von Berlin“ speziell aus?
Herfurth: Der Film zeigt ein und dasselbe Ereignis aus der Sicht unterschiedlicher Personen in unterschiedlichen Lebenssituationen. Das ist der neue Ansatz in dem Film. Es zeigt nicht nur eine Handlung aus der Sicht einer Hauptperson mit einer bestimmten Einstellung zum System der DDR, sondern verschiedene Generationen mit individuellen Sichtweisen auf das System. Daher wird der Film auch von den Zuschauern aus unterschiedlichen Perspektiven wahrgenommen werden. Das finde ich an dem Film so gelungen.
Sie haben in jungen Jahren Karriere gemacht. In den acht Berufsjahren durften Sie interessante Rollen spielen, haben viel Aufmerksamkeit erlebt und werden mit Preisen überhäuft.
Herfurth: Ich habe unglaubliches Glück gehabt. Ich habe auch diszipliniert gearbeitet. Viel Arbeit und viel Glück ist vielleicht eine gute Mischung. Im Moment habe ich aber das große Bedürfnis nach einer Pause (lacht). Und dem werde ich nachgehen.
Wie wollen Sie eine Pause machen?
Herfurth: Wahrscheinlich auf einem Pferd.
Wie meinen Sie das?
Herfurth: Ich liebe Pferde und ich liebe das Reiten. Man muss sich ganz auf das Pferd einlassen und kann sich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Man kann nicht über Probleme oder Projekte nachdenken. Ich kann dann richtig abschalten. Das ist eine tolle Entspannung. Das ist das Großartige daran.
Sie wohnen in der Stadt, in Berlin-Kreuzberg und sind auch in Berlin aufgewachsen. Wie haben Sie Berührung zu Pferden bekommen?
Herfurth: Das kam durch meine Freundin. Sie hat eine schwere Anbindung an Pferde. Vor drei Jahren noch hatte ich große Angst vor den Tieren. Mittlerweile kann ich mir meinen Alltag ohne sie nicht mehr vorstellen.
Sind Sie eher Landmensch oder Stadtmensch?
Herfurth: Ich wünsche mir eine Anbindung ans Land. Ich liebe das Land, ich brauche es auch. Ich habe viele Ferien auf dem Lande verbracht. Die Stadt geht mir im Moment auf die Nerven, obwohl ich dort groß geworden bin. Ich wünsche mir mal ein Haus auf dem Land. Ich wüsste aber nicht ob ich dort auf Dauer leben könnte. Das sind alles so Gedanken von mir. Das kann ich alles noch nicht entscheiden.
Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Herfurth: Ich wünsche mir, dass ich in fünf Jahren weiterhin mit anspruchsvollen Projekten zu tun habe. Dass ich mich mit komplexen Stoffen und Charakteren beschäftigen kann und dass ich es schaffe, Film und Theater unter einem Hut zu bekommen. Außerdem möchte ich noch etwas ganz anderes machen. Ich möchte gern studieren. Und die Organisation dieser drei Lebenswege wird die nächsten fünf Jahre meines Lebens in Anspruch nehmen.
Was möchten Sie studieren?
Herfurth: Das weiß ich noch nicht. Ich weiß aber ganz sicher, dass ich neben der Schauspielerei noch etwas ganz anderes anfangen möchte.
Aus welchen Beweggründen kommt dieser Entschluss?
Herfurth: Ich möchte studieren um das Leben aus einer anderen Perspektive kennen zu lernen. Vielleicht um noch eine andere Tür zu haben. Ich möchte lernen. Ich bin erst 23 Jahre, da muss man zumindest an andere Türen denken.