Katarina Witt

Ich habe erst als Erwachsene mehr Phantasien zugelassen.

Katarina Witt ist aktuell als Patin von "Disney on Ice" unterwegs, bis Sonntag gastiert die Show in Oberhausen. Ralf Krämer sprach mit ihr über Disney-Filme, die gesunkene Popularität des Eiskunstlauf und die Schwierigkeit, sich in Traumwelten versinken zu lassen.

Katarina Witt

© Gunnar Geller

Katarina Witt, Sie sollen schon mit fünf Jahren gewusst haben, dass Sie Eiskunstläuferin werden wollen. War es damals eher die Show, die sie fasziniert hat oder der Wettkampf-Sport?
Witt: Das ist mir auch nicht so ganz klar. (lacht) Wir sind im damaligen Karl-Marx-Stadt, jetzt Chemnitz, in der Kindergartengruppe nach dem Mittagessen spazieren gegangen und landeten regelmäßig in der Eishalle. Es war einfach eine große Halle, die war kalt, es war auch eher nebelig und ungemütlich. Vielleicht war es einfach die Geschwindigkeit und die Kraft, die das irgendwie anziehend für mich gemacht hat. Auf jeden Fall habe ich meine Eltern angebettelt, dass sie mich da mal anmelden.

Nun präsentieren Sie „Disney On Ice – Das zauberhafte Eisfestival“. Hat das noch etwas mit Ihrer Faszination von damals zu tun?
Witt: Mit einer Art Show hatte das damals nicht viel zu tun. Es gab auch keine schönen Kostüme, so wie man das oft heute hat. Heute fasziniert es mich einfach, wenn die Charaktere in dieser farbenfrohen Show zusammen auf dem Eis sind, Geschichten erzählen und die Kinderaugen leuchten. Und ich freue mich, wenn wir so wieder ein bisschen mehr Eiskunstlauf in Deutschland haben. Es wäre ja toll, wenn später mal ein Olympiasieger sagen würde: Ich war bei „Disney On Ice“ und von da an träumte ich, ich wäre eine Eisprinzessin oder ein Prinz…

Disney-Filme liefen zum Teil auch in der DDR. Haben Sie die als Kind gesehen?
Witt: Ich glaube nicht. Ich bin eher mit den polnischen und tschechischen Kinder- und Märchenfilmen aufgewachsen. „Der kleine Maulwurf“ oder der Clown Ferdinand gehören zu meinen Kindheitserinnerungen. Disney habe ich erst später für mich in Amerika entdeckt. An den Filmen finde ich gerade spannend, dass sie beides vereinen: die Träume der Kinder und als Erwachsener sitzt man da und ist fasziniert von den Geschichten, den Figuren und mit wie viel Liebe zum Detail das alles ausgearbeitet ist. Das funktioniert ja auch bei „Disney On Ice“: Man kann als Erwachsener auch mal wieder Kind sein und sich daran erinnern, dass man vielleicht mal eine Prinzessin werden wollte.

Sie wollten als Kind eine Prinzessin sein?
Witt: Die Frage ging mir auch gerade durch den Kopf. Nein, das war eigentlich nicht so mein Wunsch.

Ein Maulwurf?
Witt: Eine Maulwürfin… (lacht) Auch nicht wirklich.

Zitiert

So wie wir in der DDR mit dem Sport aufgewachsen sind, da war nicht viel Platz für Phantasien.

Katarina Witt

Sie haben Mitte der 80er Jahre an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst studiert…
Witt: Einen Monat oder zwei, ja.

In Ihrer Autobiografie schreiben Sie, dort hätten Sie zum ersten Mal Ihre „Schwierigkeiten sich in Traumwelten versinken zu lassen als Defizit empfunden“.
Witt: Ja, weil Sport sehr realistisch ist. Gerade Hochleistungssport. Und so wie wir in der DDR mit dem Sport aufgewachsen sind, das war schon alles sehr sehr realistisches. Da war nicht viel Platz für Phantasien.

Das heißt, die Disney-Filme haben Ihnen erst später beigebracht, was nicht mal die Schauspielschule geschafft hatte?
Witt: Ich habe erst als Erwachsene mehr Phantasien zugelassen. Natürlich war ich auch vorher als Eiskunstläuferin kreativ, aber eben eher realistisch. Man hatte nicht so den Hintergrund. Ich glaube, man kann auch gewisse Träume nur träumen, wenn man weiß, dass es wenigstens theoretisch die Möglichkeit gibt, sie wahr werden zu lassen. Zumindest war das bei mir so. In Hollywood ist das ja oft anders. Da hat man manchmal das Gefühl, die sind der realistischen Welt schon zehn, fünfzehn Jahre voraus, ob das nun schöne Träume oder Albträume sind.

Warum ist Eiskunstlauf derzeit laut einer Statistik des Deutschen Olympischen Sportbundes nur auf Platz 49 der beliebtesten Vereinssportarten?
Witt: Da muss man natürlich differenzieren. So wie im Tennis eine Steffi Graf und ein Boris Becker für die Anziehungskraft und die Zuschauerzahlen fehlen, so ist das auch beim Eiskunstlauf. Der Sport lebt eben auch von nationalen Idolen. Eiskunstlauf ist nach wie vor in Russland, Südkorea, in Japan und in China extrem populär. Da kommen eben derzeit die größten Stars und weltbesten Läufer her. Bei uns fehlt es weiterhin an großartigen Eislaufstars. Wir hatten ein mehrfaches Weltmeisterpaar, aber sie hatten nie diese Popularität, weil sie sich eher zurückgezogen haben, um an ihren sportlichen Zielen zu arbeiten. Aber die Fans möchten sich mit den Athleten emotional auseinandersetzen können und brauchen dafür auch eine gewisse Nähe.

Das gelingt dann eher bei Kindern und Disney-Figuren?
Witt: So eine Show ist natürlich etwas völlig anderes, als die Olympischen Spiele. Hier gibt es eben den Moment, dass man die Zuschauer in eine Phantasiewelt mitnimmt, die in den Eiskunstlauf integriert wird. So entstehen neue Geschichten. Wenn zum Beispiel bei „Die Schöne und das Biest“ die schöne Belle mit Schlittschuhen auf dem Eis läuft, geht das nochmal über die Dimension des Films hinaus. Und hinzu kommt, dass so eine Show auch eine tolle Möglichkeit für viele Eiskunstläufer ist, ihrem Sport auch jenseits der Wettkämpfe treu zu bleiben. Alle, die da als Eisläufer unterwegs sind, lieben das Eiskunstlaufen einfach und versuchen, mit ihrem Können, ihrer Kunst noch eine andere Kunstform mit zum Leben zu erwecken.

Warum ist das Schaulaufen beim Eiskunstlauf eigentlich immer besonders unterhaltsam, während etwa Freundschaftsspiele im Fußball fast immer langweilig sind?
Witt: Auch wenn es beim Fußball mal um nichts geht, geht es immer um Tore. Die müssen einfach fallen. Beim Schaulaufen fällt höchstens mal der Läufer aufs Eis, aber es ist eine Show. Da geht es darum: Hat mir derjenige gefallen? Gefällt mir das Kostüm, passt die Musik? Bin ich emotional berührt?

So ein schöner Doppel-Pass mit Hackentrick kann auch emotional berühren.
Witt: Ja, auch Fußballer können Künstler sein, ganz klar. Aber Fußball ist nun mal eine Sportart, die sich ganz klar über Tore definiert. Wenn es da mal einen Streitfall gibt, wie beim Wembley-Tor 1966, ist das kein Frage der Ästhetik, sondern des Blickwinkels.

Und selbst dieser kleine Rahmen des menschlichen Ermessens wird durch technische Möglichkeiten gerade eliminiert.
Witt: Auch beim Eiskunstlauf wurde durch das moderne und gerechtere System der Punktevergabe gerade ein bisschen Emotion rausgenommen. Auch deswegen ist vielleicht die Popularität in letzter Zeit ein bisschen zurückgegangen. Man hört am Ende nur eine Gesamtpunktzahl und weiß gar nicht mehr, welchen der Punktrichter man dann eigentlich beschimpfen sollte. (lacht) Aber dafür wächst eine neue Generation heran, die nur dieses System kennt, die kann mit unserem alten System nichts mehr anfangen. Es ist immer eine zweischneidige Sache zurückzuschauen, zu denken, etwas sei früher generell besser gewesen. Das ist auch umsonst. Es gibt immer Weiterentwicklungen, Veränderungen. Die muss man auch akzeptieren und versuchen, offen zu sein und das Beste draus zu machen.

Eine letzte Frage: Wenn Sie die Wahl hätten, eine Disney-Figur auf dem Eis zu sein, wären Sie lieber jemand, der in „Die Eiskönigin“ geskatet ist oder eine jener Feen, die in „Fantasia“ zur Nussknacker-Suite in Eisblumenröcken getanzt haben?
Witt: Nachdem ich nun „Das zauberhafte Eisfestival“ gesehen habe, würde ich gerne der knuddelige Fisch Fabius aus „Arielle, die Meerjungfrau“ sein. Und glauben sie mir, als ich Sebastian, den Lobster so fröhlich übers Eis hüpfen sah, schwor ich mir: Nie wieder wird so ein Lobster auf meinem Speiseteller landen.

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