Ken Loach

Die Medien versuchen, Stimmung gegen die Einwanderer zu machen.

Regisseur Ken Loach über seinen Film "Just a Kiss"

Ken Loach

© Neue Visionen Filmverleih

Mr. Loach, in Ihrem Film "Just a Kiss" geht es um die Beziehung zwischen dem Moslem Casim, einem Sohn pakistanischer Einwanderer und der jungen katholischen Lehrerin Roisin in Glasgow, wobei die kulturellen Unterschiede den beiden große Probleme bereiten. Lag Ihnen dieses Thema des Kulturkonflikts besonders am Herzen aufgrund der politischen Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit?
Loach: Ja, auf jeden Fall. Aufgrund der Ereignisse am 11. September, in Afghanistan oder dem Irak werden islamische Gemeinschaften ja immer mehr dämonisiert, da fallen in einem Zug Worte wie "Fundamentalisten" oder "Terroristen", da gibt es sehr viele, weit verbreitete Vorurteile und diese Menschen werden mit den Terroristen einfach über einen Kamm geschert. Mein Drehbuch-Autor Paul Laverty wusste zum Beispiel von einem kleinen muslimischen Mädchen in Schottland, dass Angst hatte in die Schule zu gehen – wegen dieser vielen Feindseligkeiten.
Deswegen dachten wir, es wäre jetzt eine gute Zeit, diesen Leuten, die so sehr stereotypisiert werden, mit einem ein menschliches Gesicht zu geben.

Aber ist die Atmosphäre in Großbritannien denn tatsächlich so ausländerfeindlich?
Loach: Ich denke, dass zumindest die Medien es gerne so sehen würden, die versuchen meines Erachtens so eine Feindschaft zu erzeugen, gegen Asylsuchende oder Flüchtlinge. Dabei leben viele Immigranten ja nun schon in der zweiten Generation in Großbritannien. Doch eigentlich denke ich, hat der Rassismus in Großbritannien mittlerweile nachgelassen, es gab große Anfeindungen in der Zeit, als die ersten asiatischen Einwanderer kamen, aber das ist abgeflaut. Es sind halt nur die großen Medien, die versuchen, Stimmung gegen die Einwanderer zu machen, wobei die nun fast immer aus so hoffnungslosen Situationen kommen. Und die Labour-Politiker sind da auch nicht viel besser, die behaupten teilweise in einer schrecklich rassistischen Sprache, diese Menschen würden nur zu uns kommen um sich auf Kosten des Staates hier durchzufressen. Und sie machen die Einwanderer schuldig für die Dinge, die bei uns falsch laufen.

Es geht in Ihrem Film natürlich auch um die Frage nach der Integration – ist diese so ohne weiteres möglich, wenn eine Familie wie die von Casim, all ihre Traditionen bewahren will?
Loach: Das ist ganz unterschiedlich, manche Einwanderer können sich besser integrieren als andere, manche werden ihre Feiertage behalten, manche ihre Religion behalten, manche können ohne sie leben – da gibt es immer große Unterschiede, was aber glaube ich bei Immigranten schon immer so war.

Und so will natürlich auch Ihr Film keine endgültige Antwort geben.
Loach: Nein, was man in diesem Film sieht, ist eine muslimische Familie im Umbruch. Die junge Tochter will auf die Universität, was man ihr verbietet – aber am Ende kommt sie doch auf die Universität… Es ging uns weniger darum eine konkrete Antwort auf die Integrationsfrage zu geben, sondern wir wollten zeigen, dass das eine Entwicklung ist, ein Prozess, in dem sich diese Menschen befinden.

Für den Hauptdarsteller Atta Yaqub war es der erste Film – aber er kommt aus einem ähnlichen kulturellen Umfeld, wie Casim im Film. Hat er den Film also auch inhaltlich beeinflusst?
Loach: Ja, schon beim Casting haben wir sehr lange über alles mögliche gesprochen, über seine Familie, wie das Familienleben im Film dargestellt wird …. Und bei den Dreharbeiten wusste er dann sehr genau, dass er eine Verantwortung trägt, mit dem, was er vor der Kamera macht. Er hat auch selbst viele Ideen eingebracht, wobei er aber auch immer das Drehbuch befolgen wollte; seine Vorstellungen haben sich von den Vorstellungen in unserem Drehbuch eigentlich kaum unterschieden.

Sie haben "Just a Kiss" auf der diesjährigen Berlinale vorgestellt, wo in den letzten Jahren vor insbesondere politische Filme ausgezeichnet wurden, wie "In this World" von Michael Winterbottom oder "Bloody Sunday" von Paul Greengrass. Doch selbst preisgekrönte Polit-Filme erreichen nur selten ein großes Publikum. Haben Sie in dieser Hinsicht Hoffnung auf Besserung?
Loach: Ich denke schon, dass immer mehr Filmemacher an Politik interessiert sind, die angezogen werden von politischen Themen und Geschichten. Dann kommt es aber darauf an, wer sich um die Finanzierung kümmert und wie man es schafft, solche Filme ins Kino zu bringen. Und da gibt es nun mal das Problem, dass der Filmvertrieb von großen Kinoketten dominiert wird, die vor allem große kommerzielle Produktionen zeigen – daran wird sich so schnell glaube ich nichts ändern, da spielt es auch keine Rolle, ob ein politischer Film einen Preis gewonnen hat, oder nicht.

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