Kevin und Michael, „New Year’s Day“ ist die erste Veröffentlichung eines Bacon Brother–Albums außerhalb der USA. Angesichts einer Bandgeschichte von 15 Jahren und vorherigen fünf Alben stellt sich die Frage: Warum erst jetzt?
Kevin: (ironisch) Wir haben das abgelehnt! (lacht). Nein ernsthaft, es hat uns einfach niemand gefragt. Wir waren immer bei sehr kleinen Plattenfirmen, nie bei einem Major-Label. Dementsprechend wurden wir in den USA bisher auch nicht groß promotet, wir haben in kleinen Clubs gespielt und nur ein bisschen Radiopromotion gemacht. Wir wurden im amerikanischen Radio bisher noch nicht so viel gespielt, insofern ist auch keiner mit dem Vorschlag an uns herangetreten, doch auch mal in Europa zu veröffentlichen – bis vor knapp einem Jahr.
Wie bringen Sie denn die Band mit Kevins Hollywood-Engagements unter einen Hut, was hat Priorität?
Kevin: Das ist sehr schwierig und extrem stressreich. Im Moment sieht es zum Beispiel so aus, als wäre es komplett unmöglich, beides unter einen Hut zu bekommen. Es ist meistens so, dass die Bandtermine der Bacon Brothers vor möglichen Drehterminen eines Films feststehen und gebucht sind. Wenn es dann zu Überschneidungen kommt, wird’s schwierig.
Dann hat der Film Vorrang? Ihre für 2010 geplante Europatour musste ja kurzfristig wegen Dreharbeiten verschoben werden…
Kevin: Die Schauspielerei ist mein Broterwerb, mein Lebensunterhalt. Davon lebe ich seit etwa 30 Jahren und ich liebe es. Normalerweise kriegen wir es auch hin, das zu koordinieren, es gibt Drehpläne, die Flexibilität erlauben, sodass sich die Dinge aufteilen lassen. Aber es klappt eben nicht immer.
Ist es denn überhaupt möglich, wenn man gerade als Schauspieler in einer Rolle steckt, den Schalter umzulegen und als Musiker auf die Bühne zu gehen?
Kevin: Es gab Zeiten, da war ich voll und ganz in einer bestimmten Filmfigur drin … (lacht). Letztendlich ist es aber so, dass ich nach einer oder einer halben Stunde, nachdem wir mit der Band angefangen haben zu spielen, die Rolle ablegen kann.
Sie sind beide abseits der Bacon Brothers erfolgreich: Kevin als Schauspieler und Michael als Musikkomponist und Produzent für Film und Fernsehen. Hatten Sie Angst vor einem Verriss der Presse, als Sie mit der Band angefangen haben?
Michael: Also, ich habe es nie als schön empfunden, wenn mir jemand gesagt hat, dass ihm das, was ich mache, nicht gefällt. Aber ich mache mir andererseits auch nicht so viel daraus. Ich habe zwar schon als kleines Kind sehr darauf geachtet, was man von mir hält, aber ich habe nie wichtige Entscheidungen in meinem Leben davon abhängig gemacht. Ich denke, das trifft auch für uns beide zu. Egal, wer aus welchem Grund Kritik an übt, unterm Strich macht es für uns keinen großen Unterschied. Ich habe ein ziemlich dickes Fell und wenn ich merke, dass Leute unsere Musik nicht mögen, mache ich trotzdem weiter, wenn ich sie mag. Das reicht.
Wie wichtig ist es dann für die Bacon Brothers, im Radio gespielt zu werden?
Michael: Nun, was ich gerade gesagt habe, bedeutet ja nicht, dass ich es nicht gerne hätte, wenn unsere Musik im Radio läuft. Als Singer/Songwriter habe ich immer auch angestrebt, dass Songs von mir in der Öffentlichkeit wahrgenommen und Teil im Leben anderer Leute werden. Das ist ein Traum, das versuche ich immer – jedes Mal, wenn wir ins Studio gehen.
Unsere Sachen sind aber auch sehr persönlich, wir schreiben Songs nicht gezielt, damit sie im Radio laufen. Also, nur weil vielleicht gerade Lady GaGa aktuell sehr angesagt ist würden wir jetzt nicht einen Song aufnehmen, der so klingt wie eine Lady GaGa-Produktion. Darin wären wir auch nicht gut.
Kevin: Ich würde dann zumindest gerne etwas von ihren Klamotten tragen (lacht)
Wie ist das bei Ihnen mit dem Songwriting, die meisten Titel stammen ja von Kevin…
Kevin: Auf „New Year’s Day“ schon. Aber in der Vergangenheit waren es eigentlich immer zur Hälfte Michaels Songs, zur anderen Hälfte Songs von mir. Ich hatte einfach einen regelrechten Songwriting-Ausbruch in den letzten Jahren, der sich jetzt auf dem Album wieder findet.
Was war noch mal eine CD?
In Ihrem Song „Architheutis“ geht es um eine Abneigung gegenüber Journalisten, in „Children“ werden Gewalt und Kriege verurteilt, die im Namen von Religionen Religion geführt werden. Inwieweit ist Musik für Sie zum Ausdruck politischer und sozialer Ansichten wichtig?
Kevin: Es gefällt mir, dass Sie in „Architheutis“ eine Anspielung auf Journalisten sehen. Das ist interessant und trifft es auch auf gewisse Weise, aber tatsächlich geht es dabei noch um unterschiedliche Dinge mehr.
Ich denke, dass Themen wie Liebe und Herzschmerz, Angst und Wut, Sex genauso wichtig sind. Bei „Children“ habe ich mir jedenfalls nicht gedacht „Okay, ich muss mal einen politischen Song schreiben“. Ich habe einfach über Kriege nachgedacht, über Gott und darüber, dass Gott als Entschuldigung benutzt wird, um Leute gegeneinander Kriege führen zu lassen, in allen Himmelsrichtungen, in unterschiedlichsten Glaubensrichtungen, schon seit so vielen Jahren. (überlegt länger) Meine eigenen Gefühle dazu sind: Dein Glaube ist keine Waffe.
Wie beeinflusst das Brüdersein eure Zusammenarbeit? Gibt es etwa Regeln wie, der Ältere hat immer das letzte Wort?
Michael: Kevin hat mir zwar schon mal gesagt, dass das letzte Wort bei mir läge, aber ich sehe da eigentlich keinen Unterschied. Im Grunde waren wir schon immer ein Team. Heute ist zwar alles viel größer, aber es geht genauso wie früher darum, Songs zu schreiben, die die Leute mögen. Brüdersein bedeutet wahrscheinlich, dass wir nie weit voneinander entfernt sein werden und dazu teilen wir auch noch die Musik. Es hat sich bloß in eine Richtung entwickelt, die wir so nicht erwartet hätten.
Was hatten Sie denn erwartet?
Michael: Wir dachten, dass wir mehr im Hintergrund zu agieren, das heißt indem wir Songs für andere Künstler schreiben würden. Allerdings waren wir darin nie besonders gut. (lacht) Als wir dann die Band zusammenstellten und begannen, live zu spielen, haben wir direkt gespürt, dass wir darin gut sind.
Wer hat Sie musikalisch beeinflusst?
Michael: Was ich ganz lustig finde: mein Sohn ist jetzt 28 und er hört die gleiche Musik, mit der ich aufgewachsen bin. Also, The Grateful Dead, Rolling Stones, Joni Mitchell und James Taylor. Ich habe als Kind nicht die Musik meiner Eltern gehört! Die hörten Benny Goodman, diese ganze Swingmusik. Also ich liebe Benny Goodman heute, aber das hätte ich früher nicht gehört.
Haben Sie trotz des Altersunterschiedes von neun Jahren die gleichen Sachen gehört?
Kevin: Es gibt Sachen, auf die Michael steht, die mich überhaupt nicht interessieren. Opern zum Beispiel. Ich höre nicht wirklich viel klassische Musik, die er aber liebt. Aber irgendwann hat er auch Folk gehört, Bob Dylan, dessen Musik ich liebe – und Rock! Ich liebe alle Arten von Rock, von poppigem Rock bis zu extremem Hard Rock und Metal. Es gibt zwar ein paar Unterschiede in unseren Musikgeschmäckern, aber in einem Punkt sind wir uns absolut einig: wenn da ein guter Song ist – egal welchen Genres- ist es eine wirklich befriedigende Sache. Und eine inspirierende obendrein. Irgendetwas, das in dir den Gedanken auslöst „hätte ich diesen Song nicht schreiben können?“.
Was ist mit Country?
Kevin: Ich bin kein großer Fan von Country Musik, höre mir aber gelegentlich auch Country-Stücke an. Da kann es dann auch passieren, dass ich auf einen Song stoße und einfach sagen muss „Himmel Herrgott noch mal, dieser Song ist einfach von Anfang bis Ende perfekt!“
Einer Ihrer Songs heißt „Go my way (the iPod song)“. Wie hören Sie Musik – Mp3 oder kaufen Sie CDs?
Kevin: Was war noch mal eine CD? Ich muss ehrlich sagen, dass ich eigentlich keine CDs kaufe, aber natürlich zahle ich für die Musik, die ich mir anhöre. Ich halte nichts von kostenlosen Musiktauschbörsen. Jemandem Musik zu schenken, wie es zum Beispiel bei iTunes möglich ist, ist was Anderes, das ist okay.
Und Michael?
Michael: Zuerst möchte ich festhalten, dass sich unsere Musik sehr gut zum Verschenken eignet! (lautes Lachen von beiden)
Also, beim Musikhören unterscheiden wir uns wirklich sehr. Mein Job als Filmkomponist ist musikalisch so intensiv, dass es mich nach einem abgeschlossenen Projekt nicht sehr nach Musik verlangt. Kevin dagegen ist stets und ständig auf der Suche nach guten Sachen, er liebt das. In gewisser Weise ist er mein Filter. Wenn er einen großartigen Song gehört hat macht er mich auf ihn aufmerksam. „Come pick me up“ von Ryan Adams ist so ein Beispiel. Kevin stieß auf den Song – und es ist eines der unglaublichsten Stücke, die ich je gehört habe. Trotzdem bin ich jetzt kein Ryan Adams Fan, denn außer diesem einen Stück hat mich nichts weiter beeindruckt. Es ist schon eine Art Luxus für mich, dass Kevin sich den ganzen Ryan Adams Kram anhört und mir dann diesen einen Song, der mich inspiriert, rausfiltert.
Eine Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren sind Sie?
Kevin: Die Frage gefällt mir. Aber ich habe keine Ahnung!
Michael: Ich wäre Alfred E. Neumann. (lautes Lachen) Ich erinnere mich an so Vieles im „MAD Magazin“, mir sind vor Lachen immer die Tränen gekommen.
Kevin: Ich hatte auch einen der größten Momente in meiner Karriere mit MAD. Es gab da immer so eine Rubrik, in der Filme parodiert wurden, „Rambo“ und solche Sachen. Ich weiß nicht mehr aus welchem Film es war, aber eines Tages war da ein kleines Foto von mir aus irgendeinem Film und ich sagte „Ja! Ich hab’s ins MAD Magazin geschafft!“