Killerpilze

Wir haben uns nie als Produkt verstanden.

Als die Killerpilze 2006 ihren ersten Hit landeten, da waren die Bandmitglieder gerade mal 14 bzw. 17 Jahre alt. Heute haben sie das Image der Teenie-Punk-Band längst abgestreift und eine eigene Plattenfirma gegründet, auf der nun das bereits fünfte Studioalbum „High“ erschienen ist. Im Interview sprechen Jo, Mäx und Fabi über den Weg zur künstlerischen Unabhängigkeit, Streamingdienste und den Wert von Musik.

Killerpilze

© Simon Lohmeyer

Jo, Mäx und Fabi, wir sitzen hier in Hamburg in einem Konferenzraum. An der Wand hängt ein eingerahmtes Bild mit dem Spruch: „Alle sagten, es geht nicht. Da kam einer, der wusste das nicht, und hat es gemacht“. Was bedeutet dieser Spruch für euch?

Jo: Uns wurde über Jahre gesagt, dass eine Teenie-Band nicht erwachsen werden könne – das war so ein ungeschriebenes Gesetz, da gab es einfach viele Vorurteile. Wir wussten das nicht und haben unser neues Album „High“ dann einfach komplett über Crowdfounding mit 75.000 Euro finanziert. Wir sind jetzt seit 14 Jahren zusammen als Band. Mittlerweile fragt uns keiner mehr: „Wie ging das denn?“ Wir haben es einfach gemacht.

Euren ersten Hit hattet ihr 2006, drei Jahre später habt ihr euch dann von Universal Music getrennt und euer eigenes Label gegründet. Welche Ängste hattet ihr damals vor diesem Schritt?

Mäx: Viel größer als die Angst war eigentlich das Vertrauen in uns selber, also zu sagen: „Hey, wir sind eine Band, wollen Musik machen und glauben, dass wir das packen können!“

Jo: Dazu muss man erwähnen, dass Universal damals gesagt hat: „Ihr habt jetzt zwei Alben gemacht und kommt als Band hier nicht mehr weiter. Die Teenie-Schublade ist durchdekliniert.“

Mäx: Aber uns war klar, dass wir uns weiterentwickeln wollen. „High“ ist mittlerweile die vierte Platte auf unserem eigenen Label.

War die Gründung des eigenen Labels dennoch ein Sprung ins kalte Wasser?

Fabi: Natürlich hat man manchmal Angst, weil man nicht weiß was kommt, aber im Endeffekt hatten wir immer eine gute Zeit und einen tollen Weg.

Jo: Die letzten Jahre waren auch ganz viel Underground-Arbeit, geprägt von vielen Live-Shows und künstlerischen Ausprobierphasen. Währenddessen ist die Struktur mit uns gewachsen, unser Team ist größer geworden und wir können uns jetzt wieder mehr auf die Musik konzentrieren.

Universal soll euch damals vorgeschlagen haben, Abba-Songs zu covern, euch zu trennen, um euch dann überraschend wieder zu vereinen. Stimmt das?

Jo: Ja, es gab diese Gespräche, wo diese Vorschläge kamen, das waren so ein paar Marketingideen. Das war für uns als Band, die sich nie als Produkt verstanden hat, nicht nachvollziehbar. Dann war die Geschichte auch relativ schnell beendet.

Seid ihr im Streit auseinander gegangen?

Jo: Nein, man hat einfach gesehen, dass wir an diesem Punkt künstlerische Differenzen haben. Und dann haben wir das Blatt einfach selber in die Hand genommen. Natürlich ist es auch ein Risiko, ein eigenes Label zu gründen und nochmal diese Ochsentour zu absolvieren. Ich kenne viele Bands aus unseren Anfangsjahren, die heute keine Musik mehr machen, sondern eine Lehre.

Zitiert

Wer unsere Ärsche nicht sehen will, kann ja auch nur die Musik hören.

Killerpilze

Invasion der Killerpilze“ war noch sehr wild und unangepasst, die neue Platte „High“ klingt dagegen recht brav und massenkompatibel…

Jo: Es ist eine Pop-Platte – und ja, sie ist massenkompatibler als die erste Platte. Wobei „Invasion der Killerpilze“ mit 130.000 verkauften Exemplaren auch schon sehr massenkompatibel war, trotz der Unangepasstheit. Auch Unangepasstheit kann erfolgreich sein. Die neue Platte hebt sich meiner Meinung nach aber auch ganz deutlich von anderen Pop-Produktionen deutscher Künstler ab.

Inwiefern?

Jo: Zum Beispiel finden sich viele Blues-Elemente in den Songs, was sonst eher selten ist. Da sind wir auch stolz drauf. Wir haben uns ja nicht gefragt: „Was funktioniert in der deutschen Musikszene gut?“ Wir haben das Album nicht am Reißbrett entworfen. Das ist Musik, die zu 100 Prozent aus uns kommt, mit unserer individuellen Sprache.

Mäx: Es ist unsere poppigste Platte, aber trotzdem sind wir Schlagzeug, Gitarre und Bass, also eine Rockband. Auch unsere Live-Show wird immer eine energetische, schweißtreibende, aber auch eine Mitsing-Show sein.

Wie schwierig war es, die Fans aus der Anfangszeit mitzunehmen?

Fabi: Ich glaube, als Band hat man gar nicht die Chance sich die Leute auszusuchen, die einen anhören und den Weg mit einem gehen. Wir sprechen ja nicht mit jedem Fan und sagen: „Bitte komm mit, das wird ein schwieriger Weg!“ (lacht) Wir haben einfach das gemacht, worauf wir Lust hatten – da waren einige Punk-Platten dabei, und jetzt eben eine Pop-Platte. Und tatsächlich sind viele Leute mitgegangen, haben sich mit uns entwickelt.

Jo: Es war uns immer zu wenig, nur unseren Sound zu verwalten. Du kannst nicht immer nur das Gleiche machen, weil es einmal erfolgreich war. Du musst dich verändern und auch mal ein Risiko eingehen.

© Simon Lohmeyer

© Simon Lohmeyer


Die Musikbranche befindet sich im Wandel, MP3 und Streamingdienste verdrängen immer mehr die physische CD. Wie geht ihr damit um?

Fabi: Wir geben uns unendlich viel Mühe tolle Produkte herzustellen. Wir haben jetzt zum ersten Mal eine Vinyl herausgebracht, für Leute, die noch etwas in der Hand haben wollen.

Jo: Unser CD-Booklet für „High“ hat 32 Seiten mit vielen Fotos. So ein Album ist ja auch ein Gesamtkonstrukt – wie die Songs angeordnet sind, das erzählt ja auch eine Geschichte.

Fabi: Wir sträuben uns aber nicht gegen Streaming. Das sind für uns wichtige Plattformen, damit Leute unsere Musik hören und wahrnehmen können.

Euer Album „Invasion der Killerpilze“ findet sich jedoch nicht auf Spotify…

Jo: Das ist uns auch neulich aufgefallen. Wir arbeiten auf jeden Fall daran, dass dieses Album bald dort verfügbar ist. Das ist wohl noch eine Sache der Rechte, weil es damals bei Universal erschienen ist. Am Ende des Tages gipfelt es aber eh im besten Falle darin, dass die Leute live zu unseren Konzerten kommen.

Benutzt Ihr selbst Streaming-Dienste?

Fabi: Ja, ich habe zum Beispiel bei Spotify einen Account, für den ich monatlich 9,99 Euro zahle. Ich wäre aber auch bereit 20 Euro bezahlen. Das ist immer noch viel weniger Geld, als ich damals für CDs ausgegeben habe. Ich bin mir sicher, dass viele Leute mitgehen würden, auch wenn es etwas teurer werden würde. Dafür könnte man dann die Künstler besser entlohnen.

Mäx: Für etwas, das mir wichtig ist, bin ich auch bereit Geld auszugeben. Ich meine, die Leute rauchen ja auch weiter, obwohl die Zigaretten immer teurer werden. Weil es eine Droge ist. Und Musik ist ja irgendwie auch eine Droge. (lacht)

Jo: Es ist wichtig, dass der Wert von Musik wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen gerückt wird. Musik ist für viele mittlerweile wie Wasser – es ist halt da, man kann es sich nehmen. Und wenn es mal nicht da ist, holt man sich einen qualitativ schlechten Stream von Youtube. Das ist auch so ein Generationending. Aber genau deshalb ist es uns wichtig ein gutes Produkt auf den Markt zu bringen, weil wir sicher sind, dass die Leute das schätzen und honorieren werden.

KILLERPILZE_HIGH_ONLINECOVER_I_500Eine Frage zum Schluss: Wie oft wurdet ihr schon auf das Nacktfoto auf dem neuen Album-Cover angesprochen?

Jo: Total oft. Aber wir finden das okay. Es sind ja auch schöne Ärsche drauf zu sehen. (lacht) Das Foto spiegelt das Gefühl der Platte wider: Wir lassen im wahrsten Sinne des Wortes die Hosen runter, das trifft auf den Mut zu, diesen Weg so gegangen zu sein.

Mäx: Wir hatten einfach einen tollen Tag auf einem Hippie-Bauernhof und haben am Ende des Tages so eine Spaßaktion gemacht.

Bei Itunes ist das Cover jedoch nur zensiert zu sehen…

Jo: Es ist schon erstaunlich, dass Nacktheit immer noch für Aufregung sorgt. Aber wer sich unsere Ärsche nicht ansehen will, kann ja auch nur die Musik hören. (lacht)

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.