Kim, vier Jahre nach dem Aus deiner Erfolgsband „Echt“ hältst du nun dein erstes Soloalbum „Hellblau“ in den Händen. Wie ist das für dich?
Frank: Das ist sehr erfreulich, dass meine Platte endlich fertig ist; dass die Idee, die ich mal hatte, endlich eine Perspektive bekommen hat, ein Datum feststeht, das auch nicht mehr verschoben wird. Das ist einfach ein schönes Gefühl.
Fühlst du dich denn momentan „Hellblau“, ein Zustand in dem laut deiner Beschreibung alle Sorgen verfliegen?
Frank: Na ja, man fühlt sich ja nie kontinuierlich irgendwie. Das wäre ja langweilig. Hin und wieder fühle ich mich hellblau, dann dunkelblau oder rot, und manchmal auch orange, aber das ist eher selten.
Wie fühlt man sich denn orange?
Frank: Vielleicht so’n bisschen cholerisch oder so. Das ist so ein Zustand zwischen ruhig und ganz hektisch. Ich kann das gar nicht so klar definieren. Auf jeden Fall fühle ich mich im Moment einfach nur ein bisschen müde.
Mit welcher Farbe fühlt man sich müde?
Frank: (überlegt) Hmm…Grau, würde ich sagen!
Das heißt, du hast für jedes Gefühl eine entsprechende Farbe?
Frank: Nee, ich denke mir das grade aus! (lacht) Auf diesen Begriff „Hellblau“ bin ich auch nur gekommen, weil mir das mal jemand erzählt hat, dass er Gefühle mit Farben verbindet. Das fand ich witzig und habe einen Song draus gemacht. Ich verbinde Gefühle dagegen eher mit Situationen und Worten.
Ist es denn manchmal so, dass du ein Gefühl fühlst, aber kein Wort dafür findest?
Frank: Jein, mehrere Worte finde ich bestimmt immer. Dafür habe ich schon genügend Gefühle gehabt, als dass ich kein Wort finden würde. Man ist ja auf jeden Fall schon mal ganz weit vorne wenn man überhaupt zwischen guten und schlechten Gefühlen unterscheiden kann. Das können manche Leute auch nicht.
Wie ist das beim Songschreiben? Ist es so, dass erst ein Gefühl den Anlass zu einem neuen Song geben muss oder setzt du dich einfach hin und versuchst Gefühle aus der Vergangenheit hervorzuholen?
Frank: Ich bin der Meinung, dass man Songs erst dann schreiben kann, wenn ein Gefühl vergangen ist. Man sollte einen Song nicht schreiben während man in einem Gefühl drin ist. Das Leben ist zum leben da und die Kunst soll das Leben beschreiben., doch um das Leben beschreiben zu können muss man erstmal leben. Menschen, die von einer Situation, um sie nicht zu vergessen, ein Foto machen, gehen da meiner Meinung nach falsch ran. Wenn man eine Situation nicht vergessen möchte sollte man sich so stark wie es geht in dem Moment verlieren und nicht mit einem Fotoapparat hantieren oder Notizen auf einen Zettel machen.
„Hellblau“ ist ein sehr persönliches Album. In „Für schlechte Zeiten“ und „Kalt und Leer“ beschreibst du das Gefühl von Leere und Depression, sehr oft geht es um Liebe, um das Verlassenwerden…
Frank: (unterbricht)…,obwohl man da auch differenzieren muss. Das sind einfach die Themen von Popmusik und nicht meine eigenen Befindlichkeiten. Natürlich sind die Texte auch durch mein Leben inspiriert, aber sie sind kein Spiegel meiner Seele. Zu allererst sind es allgemein gültige Popsongs, die jeder verstehen kann und in denen sich sicher viele auch wieder finden können ohne das sie mein Leben gelebt haben müssen.
Aber würdest du trotzdem sagen, dass die Arbeit an dem Album auch eine Art Selbsttherapie war?
Frank: Freud hat mal gesagt, dass sich Künstler durch ihre Kunst therapieren. Das sehe ich anders. Kunst ist Selbstverwirklichung und natürlich muss man sich in diesem Prozess auch viel mit sich beschäftigen, und vielleicht werden einem dadurch auch schneller Probleme bewusst, als wenn man in einem Beruf arbeitet, in dem man dauernd von sich selber abgelenkt wird, weil man Reifen an ein Auto schrauben muss oder ständig nur Befehle ausführen muss, ohne das jetzt abwertend zu meinen. Mein Job ist es sich mit mir selber auseinanderzusetzen.
Kann das manchmal auch schmerzhaft sein?
Frank: Natürlich, aber ich habe keine Angst vor Traurigkeit oder Glück. Ich setze mich damit gerne auseinander.
Bist du ein sehr nachdenklicher Mensch?
Frank: Na ja, ich bin glaube ich ganz gut im Nachdenken. Ich bin niemand, der im Kreis herum denkt oder bei einem Gedanken lange verharrt. Ich denke oft auch in ganzen Sätzen. Ich spreche im Kopf, dadurch werden die Gedanken dann auch geordnet und ich komme relativ schnell zu Ergebnissen.
Wo denkst du am liebsten? Brauchst du dafür einen bestimmen Ort?
Frank: Nee, es gibt dafür keine Regeln. Ich finde es sogar eher gefährlich das an einem bestimmten Ort festzumachen. Gedanken kommen einfach so, in den wildesten und unterschiedlichsten Momenten. Dann muss man offen für sie sein. Man darf dann nicht sagen: Oh, ich habe grade meinen Lieblingsstift nicht dabei oder ich bin ja völlig betrunken. Wenn der Gedanke kommt, dann musst du ihm den Raum geben, den er will.
Wie gehst du damit um, wenn um dich herum so viel Rummel herrscht, dass du gar nicht zum Nachdenken kommst? Belastet dich das dann?
Frank: Mein Arbeitstag ist ja klar eingeteilt, beispielsweise von 10:00 bis 20:00 oder so. Danach bin dann ja auch wieder für mich. Das fände ich jetzt ein bisschen abgehoben, wenn ich mich darüber beschweren würde, dass ich mich während meiner Arbeit nicht zurückziehen kann. Andere Leute sitzen von 8.00 bis 20.00 Uhr im Büro und haben gar keine Möglichkeit sich zurückzuziehen. Da habe ich wirklich eine luxuriöse Arbeitsatmosphäre.
Die „Bild“ ist nun mal keine Zeitung, die über meine tollen Songs berichtet. Die brauchen anderes Futter!
Bist du denn ein Mensch der gerne alleine ist?
Frank: Ich brauche meine Zeit für mich, aber die kriege ich ja auch. Das sind morgens dann immer so zwei Stunden und die Freizeit in den Abendstunden genieße ich sehr ausgiebig.
Was machst du wenn du alleine bist?
Frank: Ich lese extrem gerne, aber im Moment ist mein Kopf so voll, dass da nur noch wenig Platz für andere Gedanken ist. Ich gucke nur sehr wenig Fernsehen, aber dann gibt es auch wieder Tage wie den Sonntag, an denen ich sehr ausgiebig fernsehe, weil da immer sehr geile Filme laufen. Ich liebe Filme sowieso über alles.
Welche Art von Filmen magst du?
Frank: Ich liebe kitschige Hollywood-Filme! Das gebe ich gerne und offen zu. Das ist meine Welt!
Weinst du dann auch mal?
Frank: Natürlich weine ich manchmal, aber nicht wenn ich einen Film angucke. Dazu verstehe ich einfach zu viel vom Prozess des Filmemachens, als dass ich mich da so extrem drauf einlassen könnte.
Ist es denn so, dass du nachdem du im Jahre 2005 den Kinofilm „NVA“ von Leander Haussman gedreht hast, Filme heute anders ansiehst als früher?
Frank: Ich habe ja vorher auch schon Videos gedreht, war mit der Materie schon länger vertraut. Als Musiker fängst du irgendwann ja auch automatisch an Musik analytisch zu hören, das lässt sich gar nicht vermeiden. Davon kann man sich dann irgendwann ein bisschen freimachen, aber diese Wonnen, die man erlebt hat, als man noch naiver Musikhörer oder Filmegucker war, die stellen sich so leider nicht mehr ein. Da muss die Musik oder Film schon wirklich sehr großartig sein, was ja nicht jedes Mal der Fall ist.
Zurück zur Musik- Für „Hellblau“ bist du wieder mit Franz Plasa („Selig“) ins Studio gegangen, der auch schon die drei „Echt“-Alben produziert hat. Wie würdest du den Arbeitsprozess mit ihm beschreiben?
Frank: Es ist ja nicht so, dass der Produzent alles bestimmt und der Sänger nur noch zum Singen kommt. Wir setzen uns immer zusammen ins Studio, arbeiten zusammen an den Tracks. Das ist unser gemeinsamer Arbeitsprozess. Das ist schwierig zu erklären. Wir haben neun Monate an dem Album gearbeitet. Wir nehmen zuerst immer Basictracks in der Gesamtbesetzung auf, fangen dann an diese Tracks durch Bass, Gitarren und Keyboadparts zu ersetzen. Erst am Ende singe ich dann. Wir arbeiten auch immer an mehreren Songs gleichzeitig, das sind mindestens drei oder vier und am Ende fügt sich dann alles zu einem Album zusammen. Ich habe ja jetzt auch keine Band mehr, deshalb haben wir auch mit vielen verschiedenen Musikern zusammengearbeitet. Nur der Schlagzeuger war immer der gleiche. Drums sind einfach das Fundamaent. Diese Konstante ist sehr wichtig.
Auch dein früherer „Echt“-Gitarrist Kai Fischer hat dich bei einigen Tracks unterstützt. Wie kam es dazu?
Frank: Kai ist ein großartiger Gitarrist und hat in den ersten beiden Monaten der Produktion auch intensiv mitgearbeitet. Dann hat er sich für etwas anders entschieden und ich habe diesen Entschluss auch respektiert. Aber er hat großartige Arbeit geleistet und es hat viel Spaß gemacht mit ihm.
Wie würdest du den Sound von „Hellblau“ im Gegensatz zum „Echt“- Sound beschreiben?
Frank: Die Musik ist ähnlich wie bei unserem letzten Album „Recorder“ extrem gitarrenlastig. Ich finde aber, dass die Songs ausgereifter klingen und meine Stimme sich einfach gefestigt hat. Der Gesamtsound greift noch mehr an, alles ist stimmiger.
Pünktlich zum musikalischen Comeback hast du nun auch der „Bild“-Zeitung ein großes Interview gegeben. Darin ist von 40.000 Euro Steuerschulden, hunderten Frauen, tiefer Depression und sechs Jahre exzessivem Cannabis-Konsum die Rede. Warum diese öffentliche Beichte?
Frank: Ist das eine Beichte? Ich weiß nicht. Das ist einfach eine typische „Bild“-Geschichte!
Aber warum hast du sie gemacht?
Frank: Weil die „Bild“ das massenträchtigste Format ist das wir in Deutschland haben. Ich gehe aber davon aus, dass mittlerweile alle wissen wie die diese Zeitung arbeitet und sich das schon selber relativieren können, dass ich sicherlich nicht alles so gesagt habe, wie es jetzt in dieser Zeitung steht. Es ist doch so: Ich muss es einfach hinbekommen, dass alle Leute erfahren, dass meine neue Platte fertig ist und leider bekommt man das nur über diese Wege hin. Und die „Bild“ ist nun mal keine Zeitung, die über meine tollen Songs berichtet. Die brauchen anderes Futter!
Das Futter bekommen sie dann von dir. Das heißt, man kann ganz bewusst mit der Presse spielen, wenn man sie braucht…
Frank: Na ja, was heißt spielen? Das ist ein gegenseitiges Abkommen. Die brauchen Geschichten, ich brauche Promotion, also telefoniert man und guckt was man da machen kann. Trotzdem muss man sagen, dass das mit den Steuerschulden schon vorher bei der „Bild“ bekannt war. Ich habe da nix enthüllt. Der Redakteur hatte Informanten und ist dann auf mich zugekommen um diese Geschichte zu machen. Du hast dann zwei Möglichkeiten: entweder du sagst gar nichts und er schreibt was er will, oder du gibst der Zeitung ein Interview, in dem du versuchst die Fakten zu relativieren.
Hast du es denn niemals bereut der „Bild“-Zeitung dieses Interview gegeben zu haben?
Frank: Ich weiß nicht was so schlimm daran sein soll. Ich habe keine schlimmen Sachen in dieser Zeitung erzählt. Ich habe niemanden vergewaltigt, habe keinem Menschen etwas böses angetan, und wenn dann nur mir selber. Ich war nie heroinsüchtig, und auch wenn ich es gewesen wäre: Hey, ich bin wieder da! Das ist doch alles wunderschön! Es ist doch kein Wunder, dass ich mit vielen Frauen geschlafen habe, und dass das Geld irgendwann mal leer ist und dass ich erst fucking 24 bin ist auch völlig korrekt. Im Endeffekt erfüllt der Artikel seinen Zweck und das ist doch okay.
Nicht jeder ist bereit seine finanzielle Situation öffentlich zu machen…
Frank: Was kann ich dafür, wenn der Redakteur das mit den Steuerschulden von Informanten wusste? Hätte ich ihm dieses Interview nicht gegeben, wären die wenigen Fakten schön aufbereitet worden und dann hätte da sonst was gestanden. So habe ich klargestellt, dass es da 1999 eine Steuerprüfung gab und dass dabei Geld untergegangen ist. Das ist ein völlig normaler Vorgang, und ich bin auch nicht kriminell und habe dem Staat auch nichts Schlechtes getan. Das passiert bei den großen Unternehmen regelmäßig. Das wird dann einfach nachgezahlt…
In der „Echt“-Zeit wart ihr für all die Jugendmagazine „die süßen Boys“, die von ihrem ersten Mal erzählen, Homestorys veröffentlichen und nackt über die Reeperbahn laufen. Gibt es etwas aus dieser Zeit dass du bereust?
Frank: Nein, ich war schon immer ehrlich gegenüber der Presse. Man muss das natürlich nicht alles mitmachen, aber die sind ja auch nicht dumm, die wollen auch ihre Geschichten bringen. Du kannst dem nicht ständig aus dem Weg gehen. Und auf der anderen Seite wollen wir fucking nochmal dass ganz viele Leute diese verdammte Platte hören. Und wenn dafür in der „Bild“-Zeitung steht, dass ich Steuerschulden habe, dann ist das halt der Preis den ich dafür zahlen muss. Am Ende überlebt sowieso die Musik, und wird über all den Presseartikeln stehen. Das hat sich doch auch bei „Echt“ gezeigt.
Aber bedauerst du es nicht, dass diese Klatschgeschichten in der Öffentlichkeit mittlerweile über der Musik stehen?
Frank: Natürlich, aber jetzt mal ganz ehrlich: Ich habe auch keinen Bock ständig nur in der Zeitung zu lesen, wie der oder der Musiker seine Songs geschrieben hat. Ich will auch Geschichten lesen, die mich emotional mitnehmen, die mich berühren. Das ist mir schon wichtig.
Als der mediale Rummel begann warst du gerade 15 Jahre alt. Aus heutiger Sicht: hat der Erfolg zu früh angefangen?
Frank: Nein, das finde ich nicht. Das ist wie beim Kinderkriegen: es gibt keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt.
Die Band „Tokio Hotel“ erlebt derzeit einen ähnlich wenn nicht noch größeren Hype als ihr mit „Echt“. Was würdest du den Jungs raten?
Frank: Gar nichts, ich bin kein Märchenopa, der irgendjemandem Ratschläge geben kann. Die Jungs von Tokio Hotel gehen einen ganz anderen Weg als ich ihn gegangen bin und das kann man auch überhaupt nicht vergleichen.