Klaus Florian Vogt

Auch Helden haben eine weiche Seite

Klaus Florian Vogt über Wagner, Intelligenz und sein Luxus-Wohnmobil

Klaus Florian Vogt

© Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl

Herr Vogt, Plácido Domingo hat einmal gesagt: „Für mich ist das Wichtigste und Glücklichste, dass ich kein Heldentenor bin.“ Haben Sie Angst, in einer Schublade zu landen und irgendwann nur noch Wagner zu singen?
Klaus Florian Vogt: Nein, ich bin sehr froh, dass ich Partien wie Siegmund, Lohengrin, Walther von Stolzing singe. Ich fühle mich im jugendlich-dramatischen Fach sehr wohl, und warte schon darauf, dass mir die Stimme sagt, wann es weitergeht, zu Siegfried, Tannhäuser, Tristan. Es gibt Schlimmeres als ein Heldentenor zu sein. (lacht)

Sie sind eine Kombination aus Hansi Hinterseer und Siegfried Jerusalem. Ist heute der Typ des „weichen Helden“ gefragt?
Vogt. Die Figuren, die ich darstelle, haben immer eine weiche Seite, auch wenn es „Helden“ sind. Siegmund singt in einem Moment noch die „Winterstürme“, zieht aber schon kurz darauf das Schwert aus der Esche, befreit Sieglinde und flieht mit ihr. Der moderne Mann soll heute auch vielseitig sein und sowohl eine männliche, als auch eine weiche Seite haben. Alles andere wäre wohl langweilig.

Heldentenöre gelten häufig als dumm. Woher kommt dieses Vorurteil?
Vogt: Das frage ich mich auch. Das kommt doch ganz auf den Sänger an, verallgemeinern kann man das nicht.

Enrico Caruso meinte, ein Sänger brauche „einen breiten Brustkorb, ein großes Maul, 90% Gedächtnis, 10%Intelligenz, harte Arbeit und vor allem etwas Großes im Herzen.”
Vogt: Da ist viel dran, aber es gehören mehr als 10% Verstand zum Beruf. Um umzusetzen, was ein Regisseur sagt, muss man mitdenken. Eine Entwicklung einer Figur plausibel darzustellen, erfordert Intellekt, nicht nur bei Wagner und Strauss. Auch, wenn ich italienisches Fach singe, versuche ich, die Partien zu durchdenken.

Sie haben 2011 „La Clemenza di Tito“ von Mozart gesungen. Brauchen Sie Mozart, damit sich Ihre Stimme vom schweren Wagner-Fach erholen kann?
Vogt: Man sollte jede Partie, egal ob Wagner, Mozart oder Verdi so singen, dass man die Stimme pflegt. Es darf nicht zum Verschleiß kommen.

Aber zum Beispiel der Siegmund bei Wagner, liegt der Ihnen nicht zu tief?
Vogt. Eigentlich ja, aber er schadet meiner Stimme nicht. Ich sehe das als Weiterentwicklung. Ich versuche immer, alles gleichmäßig auf einer Linie zu singen. Ich überlege nicht, „Wie singe ich welchen Ton?“, sondern führe meine Stimme wie ein Instrument. Bei einer Geige sollen Lagenwechsel auf keinen Fall hörbar sein, warum sollte das beim Singen anders sein?

Ihr Timbre ist sehr hell und gar nicht Wagner-typisch. Hat es Sie Mut gekostet, in das dramatische deutsche Fach zu gehen?
Vogt: Es hat mich Mut gekostet vom Hornisten im Orchester in den Sängerberuf zu wechseln. Die Möglichkeit, ins dramatische deutsche Fach zu gehen, empfinde ich als großes Geschenk.

Woher nehmen Sie die Kraft, diese Partien so mühelos durchzusingen?
Vogt: Das kann ich nicht sagen. Ich habe oft das Gefühl, ich könnte die Oper nochmal singen. Das ist natürlich ein Trugschluss, verursacht durch jede Menge Adrenalin. Aber ich bin sehr froh, dass ich, nach den Meistersingern beispielsweise, nicht stimmlich völlig am Ende bin. Wichtig ist, wie sich die Stimme am nächsten Tag verhält, dann spürt man, ob man sie belastet hat, oder ob es gut war.

Zitiert

Eine Entwicklung einer Figur plausibel darzustellen, erfordert Intellekt, nicht nur bei Wagner und Strauss.

Klaus Florian Vogt

In der Saison 2004/05 haben Sie in drei verschiedenen Rollen debütiert. Wie lernen sie so viele große Partien auf einmal?
Vogt: Zum Glück lerne ich schnell. Man braucht die richtigen Korrepetitoren und Lehrer, vor allem, wenn es mit dem Einstudieren schnell gehen muss. Aufnahmen von anderen Künstlern anzuhören ist für mich nur eine Notlösung. Ich habe mir vor dem Wechsel vom Hornisten zum Sänger viele Gedanken deswegen gemacht. Ein Orchestermusiker spielt nie auswendig. Als Sänger geht es natürlich nicht anders. Jetzt empfinde ich Noten fast als störend.

Springen Sie auch gerne mal ein, wenn ein Kollege krank wird?
Vogt: Ja, das hat für mich einen besonderen Reiz, man steht unter einer besonderen Spannung, da ist echtes Multitasking gefordert. Ich kann aber verstehen, wenn es manche Sänger nicht machen.

Ihr italienischer Tenor-Kollege Vittorio Grigolo sagte uns im Interview, um ein guter Opernsänger zu werden, müsse man erst einmal gelernt haben, richtig zu lieben. Gibt es eine Lebensschule für den Beruf?
Vogt: Wie Schauspieler schöpfen wir bei der Entwicklung einer Figur natürlich aus der eigenen Lebenserfahrung. Ich habe beim Singen das Gefühl, dass ich die Partie wirklich lebe und nicht nur darstelle. Wobei das sehr von der Partnerin abhängt. Es ist unheimlich wichtig, dass mein Gegenüber mitspielt.

Sie haben in kurzer Zeit eine steile Karriere gemacht. Welche Stationen sind Ihnen vor allem in Erinnerung geblieben?
Vogt: Zu den emotionalsten Auftritten der letzten Jahre gehören sicher mein „Lohengrin“- Debut in Erfurt, mein Debut in der gleichen Partie an der Metropolitan Opera 2006 sowie „Die Meistersinger von Nürnberg“  2007 und „Lohengrin“ 2011 bei den Bayreuther Festspielen. Darüber hinaus habe ich auch die Rusalka-Inszenierung von Martin Kušej an der Bayerischen Staatsoper als ganz einmalig empfunden.

Die Regiekonzepte Katharina Wagners für die „Meistersinger“ und Hans Neuenfels‘ für „Lohengrin“ in Bayreuth wurden vom Publikum sehr gemischt aufgenommen. Wie weit würden Sie auf der Bühne gehen?
Vogt: Alles würde ich nicht mitmachen. Wenn es auf Kosten der musikalischen Gestaltung geht, sage ich Stopp. Ein guter Regisseur arbeitet mit einem Sänger auf Augenhöhe. Er würde nicht verlangen, dass man etwas gegen die Musik tut. Ein guter Regisseur nimmt Rücksicht und fragt. Ich probiere allerdings sehr gerne Dinge aus, in Deutschland legt man mehr Wert auf Regie als im Ausland. Mir ist aber noch nie passiert, dass ich zu etwas gezwungen wurde.

Sie haben vier Söhne im Alter von vier bis neunzehn Jahre. Wie beurteilen Sie die musikalische Ausbildung an deutschen Schulen?
Vogt. Seit einem halben Jahr gibt es an der Schule meiner Jungs einen Lehrer, der Opernkarten in Hamburg kauft, einen Bus mietet und mit den Schülern in die Oper geht. Wenn das keiner tut, passiert nichts. Ich finde es katastrophal, dass mein Sohn ein Jahr lang keinen Musikunterricht hatte.

Spielen Ihre Kinder ein Instrument?
Vogt: Meine Söhne spielen alle ein Instrument und sind vom Theatervirus befallen. Der Kleinste will jetzt unbedingt Klavier anfangen. Durch ein Instrument lernt man zu lernen, sich zu konzentrieren, Dinge zu Ende zu bringen und auch, dass nicht alles von alleine geht, sondern Arbeit erfordert. Das ist so wichtig.

Sie reisen zu den Proben und Aufführungen in Ihrem eigenen Wohnmobil. Fehlt Ihnen der Luxus eines Hotels gar nicht?
Vogt: Mein Wohnmobil steht auf einem Campingplatz am Stadtrand. Aber ich habe hier auch noch ein Auto. Das Wohnmobil ist Luxus für mich. Ich muss mich nicht an den Tagesablauf eines Hotels anpassen. Ich bin immer zu Hause, kann mir was zu essen machen, wann ich will, und meine Familie hat immer Platz. Es ist ein rollendes Apartment, und wenn ich in Europa auftrete, wohne ich immer darin.

Es heißt, Sie wären zuletzt zu Proben in München mit dem eigenen Flugzeug gekommen…
Vogt: Ja, stimmt. Wegen des Wetters bin ich aber auch oft gezwungen normale Linienflüge zu nehmen. Aber ich bin mal mit der eigenen Maschine nach Bonn zu einer Probe um 10 Uhr geflogen. Ich war nur zehn Minuten dran, hab mich wieder reingesetzt und war zum Mittagessen zu Hause (lacht).

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