Konstantin Wecker

Lieder können etwas in die Herzen der Menschen transportieren – besser als jede Rede eines Politikers.

Liedermacher Konstantin Wecker über das Verhältnis von Musik und Politik

Konstantin Wecker

© Thomas Karsten

Herr Wecker, zu welchem Zeitpunkt Ihrer Karriere haben Sie erkannt, dass Ihnen die Musik auch als Transportmittel für politische Ansichten dienen könnte?
Konstantin Wecker: Also, es war nie so, dass ich unbedingt ein politischer Sänger sein wollte. Ich wollte anfangs schreiben und von dem singen, was mich in einem zutiefst lyrischen Sinn bewegt hat. Erst nach ein paar Jahren habe ich versucht, politische Lieder zu schreiben. Da gab es aber schon Leute wie Hannes Wader und Franz Josef Degenhardt, die bereits politische Songs geschrieben hatten. Bei mir begann es dann mit dem Song „Willy“. Der war 1977 auf meiner LP „Genug ist nicht genug“, wo auch Lieder wie „Der alte Kaiser“ und „Frieden im Land“ drauf waren, meine erste politische Platte, wenn man so will. An dem „Willy“ habe ich das erste Mal gemerkt, was für eine Wirkung das auf die Leute haben kann.

Gibt es denn aus den 60er und 70er Jahren Protestsänger -oder Songs, die Sie besonders beeindruckt haben?
Konstantin Wecker: Der Protestsong an sich hat mich nie richtig beeindruckt. Mich hat aber sehr beeindruckt, die Art und Weise wie Degenhardt getextet hat, also das sozialkritische Lied, immer sehr stark mit Poesie verwoben. Das etwas plattere Protestlied, was später in Mode kam, hat mich nie besonders interessiert. Und eigentlich waren auch meine frühen politischen Lieder, wie „Frieden im Land“ keine klassischen Protestlieder, sondern eher eine Analyse der Gesellschaft auf poetische Weise.

Wenn man den Aktionismus unter Musikern zur Zeit des Vietnam-Krieges mit der Zeit des jüngsten Golf-Krieges vergleicht, sind nur noch wenige junge Musiker zu hören, die protestieren.
Konstantin Wecker: Ja, das hat abgenommen, keine Frage. Ich kenne allerdings einige junge Musiker, die zwar momentan im Markt überhaupt keine Chance haben, die sich aber wieder als Liedermacher bezeichnen und durchaus auch das politische Lied angehen möchten. Nur hört man von denen nichts, weil sie kein Forum haben. Die einzige Möglichkeit wäre die Bühne, wo man sich ein Publikum erarbeiten kann. Aber es gibt eben kaum noch Kleinkunstbühnen, wo man das beginnen könnte. Junge Musiker müssen ja teilweise schon bezahlen, um auf einer Bühne auftreten zu können. Da hatten wir früher größere Chancen, es gab damals eine sehr aktive Kleinkunstszene, ohne die hätten Leute wie Reinhard Mey, Hannes Wader und ich keine Chance gehabt.

Es sind also mehr die Rahmenbedingungen und weniger die Musiker, die fehlen?
Konstantin Wecker: Ich glaube, dass der Markt heute zu sehr durch die Kommerzialisierung beherrscht wird. Christa Wolf hat mal in einem Interview gesagt, ein Buch hätte von sich aus zwei Eigenschaften: einerseits ist eine Ware, andererseits ein geistiges Gut. Wenn es sich so verschiebt, dass der Warencharakter überwiegt und das geistige Gut dafür verschwindet, dann sieht Christa Wolf für das Buch schwarz. Genauso ist es bei der Musik. Einerseits ist eine Schallplatte oder CD eine Ware andererseits ein Kulturgut. Wenn sich aber die Bedingungen so entwickeln, dass eine Platte nur noch Ware sein kann, dann haben diejenigen keine Chance mehr, die noch irgendeinen Geist in ihre Lieder bringen wollen.

Haben Sie aber in bestimmten Musikbereichen Hoffnung für mehr politisches Engagement?
Konstantin Wecker: Ja, beispielsweise im HipHop-Bereich sehe ich viele Möglichkeiten. Da ist der Beweis eigentlich auch schon da, es gibt ja HipHop-Bands, die textlich sehr spannende Sachen machen und dabei auch politisch sind. Generell würde ich mir wünschen, dass sich die jungen Musiker immer ganz genau überlegen, ob sie sich auf diese Maschinerie einlassen wollen, um vielleicht berühmt zu werden oder ob sie wirklich etwas zu sagen haben. Denn diese Superstar- und Casting-Hysterie zeigt ja eigentlich nur, dass dort eine sehr clevere Industrie sich Leute sucht, mit denen sie ihre Vorstellungen von Musik verkaufen kann.

Peter Gabriel hat einmal gesagt, er möchte keinen Musiker in irgendeinem politischen Amt sehen – stimmen Sie ihm zu?
Konstantin Wecker: Ja, das wäre eine Katastrophe, weil das politische Amt einem ja all das raubt, was man als Künstler braucht. Das politische Amt bedingt eine gewisse Schwarz-Weiß-Sicht der Dinge, man darf die Welt als Politiker nicht mehr so differenziert betrachten. Und das Schlimmste: Man muss sich einer bestimmten Partei-Disziplin beugen, das ist für den Künstler der Untergang. Sicher ist ein Zusammenspiel von Kunst und Politik notwendig, aber es sollte sich nicht in dieser Weise vermengen.

Sie haben sich einmal in den 70ern am Wahlkampf der Grünen beteiligt.
Konstantin Wecker: Ja, das war das einzige Mal, dass ich für eine Partei tätig war. Ich war allerdings nicht Parteimitglied – das war ich auch ganz bewusst in meinem Leben noch nie.

Haben Sie denn Ihren Einsatz für die Grünen bereut?
Konstantin Wecker: Nein, bereut habe ich nur, wie man später mit der Petra Kelly umgegangen ist, weshalb dann auch meine erste kritische Distanz zu den Grünen entstand. Denn diesen Wahlkampf habe ich vor allem wegen Petra Kelly gemacht, die sagte: „Wir wollen nicht die Welt verändern, wir wollen eine andere Welt.“ Da bin ich voller Idealismus drauf zugegangen, weil ich gedacht habe, das ist vielleicht die Chance, eine ganz andere Politik zu installieren.

Im vergangenen Jahr unterstützten Musiker wie Udo Lindenberg oder Westernhagen den Wahlkampf von Gerhard Schröder; die Wahlkampfveranstaltungen glichen oftmals Rock-Konzerten, nur das zwischendurch ein paar Politiker Reden hielten. Nutzen dort die Politiker die Musiker aus, weil sie den besseren Draht zu den Menschen haben?
Konstantin Wecker: Das haben Politiker ja schon immer gemacht, das ist doch eine alt bekannte Tatsache. Deswegen wird man auch im Laufe der Jahre und Jahrzehnte vorsichtiger. Es war ja meistens so, dass Politiker, die sich gerne im Wahlkampf mit Kunst und Künstlern geschmückt haben, letztendlich in ihrer Politik doch nur sehr wenig für die Kultur übrig hatten.

Bis heute sind Sie allerdings für die Gewerkschaften aktiv.
Konstantin Wecker: Ja, für die Gewerkschaften habe ich mich schon immer eingesetzt und heute bin ich der Meinung, dass sie vielleicht das letzte Bollwerk gegen den neoliberalen Ausverkauf sind. Ich kann zwar nicht alles loben, was in der Gewerkschaft passiert, aber ich verteidige die Idee der Gewerkschaft, als immer noch notwendiges Instrumentarium für Demokratie, was sie ja immer gewesen ist.

Nun treten Sie in Ihren Konzerten ja eigentlich nur vor Gleichgesinnten auf – was denken Sie, haben Sie in all den Jahren bei Ihren politischen Gegnern erreicht?
Konstantin Wecker: Ich glaube, dass man politisch gar nichts erreicht. Man kann nur etwas bei einzelnen Menschen erreichen, ich glaube durchaus an die Wirksamkeit von Liedern. Lieder können etwas in die Herzen der Menschen transportieren, besser als jede noch so flammende Rede eines Politikers.
Natürlich singe ich vor Gleichgesinnten, nicht nur in politischer, auch in kultureller Hinsicht. Da ist jeder Künstler eingeschränkt auf das Publikum, welches Interesse für seine Art von Musik hat. Was ich so bewirken kann? – Eine Veränderung, vielleicht im schönsten Sinn eine Verwandlung. Ich selbst habe mich immer verwandeln lassen von Künstlern. Zum Beispiel lese ich Bücher eigentlich nur dann gerne bis zum Ende, wenn ich das Gefühl habe, sie verändern mein Leben. Und dieses Verwandeln, ist etwas, was ich als Musiker bewirken kann. Dass man aber als Musiker die Politik mitgestalten könnte, das denke ich nicht.

Kommen aber manchmal auch Politiker in Ihre Konzerte?
Konstantin Wecker: Heute weniger als früher. Aber da ich mich in letzter Zeit politisch sehr weit aus dem Fenster gelehnt habe, habe ich mich bei den Parteien nicht unbedingt beliebt gemacht.
Ich muss aber dazu auch sagen, dass ich mich mit meiner Musik in einer Nische befinde. Ich habe immer noch ein erstaunlich großes Publikum, aber es ist trotzdem eine Nische, die kaum Beachtung findet. Ich habe auch kaum Möglichkeiten mehr, im Fernsehen aufzutreten. Es gibt ja heute keine Fernsehsendung, wo ich mit meinen Liedern reinpassen würde.

Politikscheue seitens der Fernsehanstalten?
Konstantin Wecker: Ich denke, das ist Musikscheue. Man hat mir gesagt: „Das geht nicht mehr, denn bei Musik zappen die Leute weg.“ Ich glaube aber, das Publikum wird da ganz schön bevormundet. Denn ich frage mich: wenn die Gesinnung tatsächlich so ist, dass die Fernsehzuschauer bei Musik wegzappen, wieso werden dann zwei mal pro Woche in der Prime-Time Volksmusiksendungen gebracht?

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