Kostja Ullmann

Zu fühlen, zu spüren und zu spielen – das war die große Herausforderung.

Kostja Ullmann über seinen Film „Verfolgt“, das Erwachsenwerden, Grenzüberschreitungen und interessante Rollenkonstellationen

Kostja Ullmann

© mmmfilm GmbH

Kostja, du hast einmal gesagt, dass du davon träumst, irgendwann einen Kindergarten zu eröffnen. Wie ist dieser Traum entstanden?
Ullmann: Ich habe einmal ein Praktikum in einem internationalen Kindergarten gemacht, das hat mir sehr gefallen. Junge Menschen finde ich unglaublich spannend. Man kann so viel von ihnen lernen. Ich muss nur ein Kind auf der Straße sehen, da öffnet es mir das Herz. Deshalb ist es ein Traum, später mit Kindern oder Jugendlichen zu arbeiten. Vielleicht gibt es ja irgendwann eine Möglichkeit, das mit der Schauspielerei zu verbinden, zum Beispiel indem ich Theatergruppen leite.

Du hast auch gesagt, dass du dich selbst noch als Kind fühlst und noch gar nicht erwachsen werden möchtest. Gilt das immer noch?
Ullmann: Ob ich es will oder nicht: Ich glaube, man kann das gar nicht lenken. Ich kann auch gar nicht sagen, wann genau man erwachsen ist. Vom Erwachsensein bin ich auf jeden Fall noch weit weg. Vielleicht bin ich tatsächlich gerade dabei, erwachsen zu werden. Oder auch erst auf dem Weg dahin. Ich weiß es nicht.

Wie definierst du denn „erwachsen werden“?
Ullmann: Verantwortung zu übernehmen, auch so etwas wie Familie spielt da eine wichtige Rolle. Aber, ich glaube, für mich ist jetzt erst einmal wichtig, im Beruf Fuß zu fassen und mich da festzulegen. Alles andere kommt dann im Laufe der Zeit.

Anders gefragt: Gibt es Situationen, wo du merkst, dass du noch ein Kind bist?
Ullmann: Ja, andauernd. Ich bin irgendwie noch so verspielt. Am Set merke ich das ganz häufig, wenn ich mit den ganzen alten Hasen zusammen bin. Da sehe ich, dass ich einfach noch nicht die Erfahrung habe und noch nicht so weit im Leben stehe. Ich würde sagen, ich bin weder ein Kind, noch ein Erwachsener – man könnte sagen: Ich bin ein junger Erwachsener.

Im Kinofilm „Verfolgt“ spielst du den jungen Straftäter Jan der mit seiner fünfzigjährigen Bewährungshelferin Elsa eine Affäre eingeht. Wird man durch die Beschäftigung mit einem solchen Thema automatisch ein Stück weit erwachsener?
Ullmann: Ich würde nicht sagen, dass ich erwachsener geworden bin. Aber ich habe eine Menge dazugelernt, das prägt ungemein. Vielleicht wird ja aber der Zuschauer erwachsener, wenn er sich den Film ansieht (lacht).

Was hat dich an dieser Rolle gereizt?
Ullmann: Ich war natürlich zunächst schockiert, als ich das Buch bekam, weil ich zum ersten Mal überhaupt mit diesem ganzen Thema konfrontiert wurde. Bei meiner Rollenauswahl ist es mir jedoch sehr wichtig, immer wieder neue Sachen zu machen und eine neue Herausforderung zu suchen. Ich fand das Thema von vornherein sehr spannend. Als ich dann gehört habe, dass Maren Kroymann meine Partnerin sein würde, war klar, dass ich es mache.

Wie hast du dich denn diesem heiklen Thema genähert?
Ullmann: Das Thema hinsichtlich der Konstellation „Junge verliebt sich in ältere Frau“ war mir ja nicht unbekannt, diesbezüglich hatte ich vorher bereits zwei ähnliche Filme gemacht. Aber hin zur sado-masochistischen Beziehung war es natürlich ein gewaltiger Sprung. Ich habe erst versucht, mich privat vorzubereiten: Im Fernsehen habe ich mir eine Reportage angesehen, die sich mit dem Thema beschäftigte. Dann habe ich mir in Hamburg auf der Reeperbahn ein paar Heftchen besorgt, da reingeschaut…

…und welche Art von Erkenntnissen gewonnen?
Ullmann: Dass mir das alles zu extrem ist – weil ich das für meine Rolle so nicht gesehen habe. Für beide, für Jan und für Elsa, ist es Neuland. Die Beziehung findet auf einer ganz anderen Ebene statt und nicht in einer solchen Extremität. Deswegen hat im Endeffekt der Großteil meiner Vorbereitung zusammen mit Maren Kroymann stattgefunden. Wir haben uns an jedem freien Wochenende getroffen, haben alle Szenen durchgeprobt und sind uns dann einfach auch näher gekommen. Es war extrem wichtig, erst einmal locker zu werden und zu sehen, wie weit man eigentlich gehen kann. Und wir haben gesehen, dass wir weit gehen können.

Der Film ist in der Tat sehr direkt in der Darstellung von Sexualität. In mehreren Szenen bist du nackt während Elsa auf dich einschlägt. Wie hast du das Drehen dieser Szenen empfunden?
Ullmann: Das war für mich schon sehr ungewohnt. Es ist nicht schlimm, nackt am Set zu sein. Aber ich war nicht nur körperlich nackt, sondern auch seelisch, habe alles von mir offenbart. Es ist schon ein sehr komisches Gefühl, nackt auf dem Sofa zu liegen und sich auspeitschen zu lassen. Da habe ich auch erst einmal schlucken müssen und etwas gebraucht, um das zu verkraften. Aber irgendwann ist man so in der Rolle drin und spielt das ganze. Dann hieß es „Danke, Szene aus“ und plötzlich wurde man in die Realität zurückgeholt.

Was hast du in diesen Augenblicken gedacht?
Ullmann: Es war immer wieder die Frage an mich selbst: „Oh mein Gott, was hast du da gerade gemacht?“. Manchmal konnte ich gar nicht glauben, was ich da kurz zuvor in so einer Szene empfunden habe. Zu fühlen, zu spüren und zu spielen – das war die große Herausforderung.

Gab es für dich denn auch Grenzen bei der Darstellung dieser teilweise sehr intimen Szenen?
Ullmann: Im Prinzip nur die Grenze, nicht nackt von vorne zu sehen zu sein. Das ist alles. Da gab es auch überhaupt kein Problem, eben weil wir vorher besprochen hatten, wie weit wir gehen wollen und das ganze durch das Drehbuch schon relativ weit vorgegeben war. Ich mache mir allerdings ein wenig Gedanken, was meine Eltern sagen, wenn sie diesen Film sehen…

Was verbirgt sich hinter der sexuellen Beziehung zwischen Jan und Elsa?
Ullmann: Eigentlich ist das Sexuelle ja nur die äußere Ebene, die dabei hilft, zwei Menschen zu porträtieren, die dabei sind, zu sich selbst zu finden. Für Jan ist Elsa ist auch ein bisschen eine Mutterfigur, die er immer gesucht hat und im Laufe des Films findet. Er war im Knast, hatte nie eine richtige Familie, war immer auf sich selbst gestellt. Aber er geht natürlich irgendwann zu weit, da hätte er einfach früher aufhören müssen.

Zitiert

Vielleicht bin ich gerade dabei, erwachsen zu werden. Oder auch erst auf dem Weg dahin. Ich weiß es nicht.

Kostja Ullmann

Würdest du das denn Liebe nennen?
Ullmann: Jan empfindet natürlich wahnsinnig viel für Elsa, aber ich glaube nicht, dass es Liebe ist. Es ist der Reiz auf etwas Neues. Er provoziert unheimlich viel und guckt, wie weit er gehen kann. Er nutzt es auch aus, dass sie da mitmacht, bis irgendwann eine Grenze erreicht wird.

Gab es Situationen in deinem Leben, in denen du auch diesen Drang verspürt hast, eine Grenze zu überschreiten?
Ullmann: Man will ja andauernd Grenzen brechen und hat ja auch Ziele, die man erreichen will. Ich hoffe, jeder Mensch hat im Leben Ziele, die er erreichen möchte. Die sollte man aber gar nicht unbedingt laut aussprechen.

Wie leicht ist dir gefallen, dich in Jans Gefühlswelt einzudenken?
Ullmann: Das war echt gar nicht leicht. Weil ich privat gar nicht so fühle. Ich habe das Drehbuch unheimlich oft gelesen. Mir hilft bei der Rollenvorbereitung auch immer sehr, Tagebücher zu schreiben, um mich so in die Rolle einzufinden. Außerdem gucke ich mir auch immer andere Filme an, in denen es ähnliche Charaktere gibt. Auch privat versuche ich, ein Stück weit gefühlsmäßig in die gleiche Richtung zu gehen: Ich habe zum Beispiel während der Dreharbeiten meine Freundin nicht sehen wollen, weil ich vom Dreh diese anderen, extremen Gefühle hatte und dann wieder jemand ganz anderes gewesen wäre. Deshalb habe ich den Abstand gewagt, was natürlich nicht leicht war. Aber für die Rolle war es wichtig.

Hast du während der intensiven Auseinandersetzung mit dieser Rolle Parallelen zwischen dir und Jan erkennen können?
Ullmann: Wir sind beide Menschen, die gerne allein sind, aber trotzdem viel Liebe brauchen. Jan bekommt sie nur nicht immer. Sonst sind wir ziemlich unterschiedliche Typen, denn lebensfroh ist Jan nicht gerade…

Die Beziehung zwischen Jan und Elsa kommt ohne viele Worte aus. Die Intensität entsteht durch Blicke und Berührungen.
Ullmann: Ich mag es unheimlich gerne, mit Blicken zu arbeiten und sich darauf zu konzentrieren. Wenn man sich verliebte Menschen anguckt: Kein Wort kann ersetzen, was die Blicke machen. Mir hat das sehr viel Spaß gemacht, ich habe in dem Film ja wirklich sehr wenig Text. Zum Teil war im Drehbuch mehr Text vorgesehen, aber oft haben wir gemerkt, dass die Sprache einer Szene sehr viel Kraft nimmt und haben es dann weg gelassen. Ich glaube, das war eine gute Entscheidung.

Der Film hat ein unkonventionelles Thema – und verbindet dies gleichzeitig mit einer unkonventionellen Optik: Der Film ist durchgängig schwarz-weiß. Welche Bedeutung hat das für den Film?
Ullmann: Diese Sinnlichkeit, die dadurch entsteht, ist unheimlich wichtig für den Film. Ich bin der Überzeugung, dass Farbe oft der Szene die Kraft entzogen und somit geschwächt hätte. Vielleicht hätte sie sogar vom Wesentlichen abgelenkt.

Du verkörperst als 22-jähriger einen 16-jährigen Jungen und damit erneut eine Figur, die deutlich jünger ist als du. Empfindest du dein jugendliches Aussehen eher als Vor- oder Nachteil?
Ullmann: Ich sehe es eher als Vorteil, dass ich auch diese Rollen noch spielen kann. Mittlerweile bekomme ich aber auch genug Angebote für Rollen, in denen ich meinem Alter entsprechende Figuren verkörpere. Im Sat1-Film „Schliemann und Sophie“ hatte ich sogar einen Bart (lacht).

Eine Figurenkonstellation wie in diesem Film ist dir ja nicht unbekannt. Du hast schon mehrmals Rollen gespielt, wo du dich in ältere Frauen verliebt hast – das hast du vorhin bereits angesprochen. Findest du solche Konstellationen besonders spannend?
Ullmann: Es hat mich immer sehr gereizt, einen jungen Mann zu spielen, der sich in eine ältere Frau verliebt: Das sieht man in der heutigen Gesellschaft einfach nicht. Das kennt man nicht, es ist nicht gern gesehen und dementsprechend schwierig ist die Beziehung.

Keine Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden?
Ullmann: Die Gefahr besteht natürlich schnell. Ich muss aufpassen, dass ich auch andere Rollen spiele, um ein wenig davon weg zu kommen. Am Ende geht es immer um die Rolle, um den Film, um eine neue Herausforderung. Da spielt es auch keine Rolle, ob es ein Film mit kleinem Budget ist. Diese Arbeit hat gerade deshalb enorm viel Spaß gemacht, weil es ein kleines Team war und alle voll dahinter standen.

2006 war ein erfolgreiches Jahr für dich: Ein Nachwuchsdarstellerpreis, ein Festivalpreis für „Verfolgt“. Wie gehst du mit diesem Erfolg um?
Ullmann: Es ist natürlich ein schönes Gefühl, wenn man geehrt wird und einen Preis bekommt. Für mich ist das wie ein gutes Zeugnis in der Schule, das ich leider eher selten hatte (lacht). Darüber freut man sich natürlich, aber meine Eltern halten mich da auf dem Boden und passen auf, dass ich nicht abhebe. Ich bin mir zudem bewusst, dass alles ganz schnell wieder vorbei sein könnte. Außerdem will ich mich ja auch immer weiterentwickeln und nicht an einem bestimmten Punkt stehen bleiben. Aber im Moment läuft’s sehr gut und ich hoffe, dass es erst einmal so weitergeht.

Wie genau versucht du, dich schauspielerisch weiterzuentwickeln?
Ullmann: Die Schauspielschule in Hamburg habe ich ja damals abgebrochen, als ich das Angebot bekam, eine Hauptrolle in „Sommersturm“ zu spielen. Aber man lernt ja bei jedem Film, den man macht, eine Menge dazu. Ich mache außerdem Sprechtraining, auch das ist wichtig. Denn die Stimme ist ja bekanntlich das Werkzeug eines Schauspielers und damit sollte man gut umgehen können.

Jan sagt in einer Szene: „Was ich will, kann man sowieso nicht kaufen.“ Gibt es so etwas auch für dich – von dem Traum, einen Kindergarten zu eröffnen, mal abgesehen?
Ullmann: Da fällt mir wenig ein. Ich bin momentan sehr glücklich, bin gesund, hab ´ne Freundin, eine Familie, mit der ich mich gut verstehe. Mir geht’s gut.

Du hast im letzten Jahr kurze Zeit in Berlin gewohnt, bist aber relativ schnell nach Hamburg zurückgezogen. Hast du es in Berlin nicht ausgehalten?
Ullmann: Ich habe mich in Berlin nicht wirklich wohl gefühlt: Das war mir alles zu groß, zu medial. Mir haben meine Freunde und meine Familie gefehlt – und der HSV.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Ullmann: Hmm, da muss ich wirklich mal überlegen…Ich habe früher immer die Simpsons gelesen. Vielleicht bin ich Bart Simpson. Der baut gerne mal Mist, lässt es aber fast immer gut aussehen.

7 Kommentare zu “Zu fühlen, zu spüren und zu spielen – das war die große Herausforderung.”

  1. den sage ich liebr nicht aber eins sage ich ich wohne in köln |

    ein freund

    hallo ich genne Kostja der ist cool und kanns ok weil den Robert Stadlober genn ich auch die 2 jungst gabe in sommersturm geschpilt naja aber die beiden sind kanns ok und coole jungst

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  2. Amaya |

    ich habe denn Film die Zeit die mann leben nennt gesehen ich
    find kostja ist sehr hüpsch ich mag in sehr.

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  3. CarO |

    hammer kerl =)

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  4. Clair |

    Gerade hab ich den Film „die zeit, die man leben nennt“ gesehen. ich hab mich gleich auf gemacht zum pc um zu recherchieren. Ich sag nur: Der mann ist der hammer!!

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  5. MMeli |

    Kostja ist wirklich GENIAL und ersieht dabei auch noch gut aus!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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  6. Maru |

    Kostja Ullmann ist einfach genial!!

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  7. Mongkut |

    Sehr sympathisch

    Ein tolles Interview. Kostja Ullmann erzählt offen und ehrlich vom Drehen und von sich selbst. Ein interessanter und nachdenklicher Mensch und das obwohl er noch so jung ist.

    Im Film „Verfolgt“ spielt er sensationell. Unbedingt den Film ansehen. Alle Rollen sind klasse besetzt, Kostja Ullmann und Maren Kroymann spielen grossartig.

    Alles Gute für Kostja und seine Familie.
    Mongkut

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