Mr. Lang, Sie halten sich gerade hier in Berlin auf, wo gehen Sie da als Chinese essen?
Lang: Ich kenne ein paar chinesische Restaurants, aber letztes Jahr bin ich zum Beispiel über einen Weihnachtsmarkt gelaufen und habe Würstchen und ein Steak gegessen. Ich habe hier aber ein paar chinesische Freunde, die wissen wo man gut chinesisch essen kann. Wenn ich in ein chinesisches Restaurant gehe, sage ich dem Kellner immer sofort, dass ich Chinese bin und dass ich gut chinesisch essen möchte. Die Speisekarte spielt dann keine Rolle mehr.
Wie viel Zeit des Jahres sind Sie in China?
Lang: Ich bin in meinem Heimatland so ungefähr einen Monat. Aber richtig zu Hause bin ich jetzt in Philadelphia, obwohl ich auch dort nie richtig lange bin, wegen den Konzertreisen, aber es ist sozusagen meine Basis.
Gibt es in Ihrem Klavierspiel etwas Chinesisches?
Lang: Wenn ich ein chinesisches Stück spiele, dann ja. Aber wenn ich Beethoven spiele? Nein, ich glaube nicht. Es ist ja auch schwer zu sagen, jemand spielt typisch chinesisch.
Vielleicht gibt es bestimmte Gemeinsamkeiten, die chinesische Pianisten haben.
Lang: Ja, zumindest ist der Lernprozess bei vielen wahrscheinlich sehr ähnlich, hart, diszipliniert. Aber ein Pianist zu sein, bedeutet auch sehr individuell zu sein, das ist schon was anders, als wenn man meinetwegen Orchestermusiker ist. Pianisten sind sehr verschieden – man könnte ja auch nicht sagen, die deutschen Pianisten spielen alle ähnlich.
Aber es scheint, als gäbe es so eine Art chinesisches Erfolgsrezept, China bringt ja sehr regelmäßig erfolgreiche Pianisten hervor.
Lang: Nein, Sie müssen einfach beachten, dass es in China insgesamt etwa acht Millionen Kinder gibt, die Klavier lernen. Das macht die Sache wahrscheinlich etwas verständlicher, denn unter diesen vielen Kindern sind ein paar Talente sein, sonst wäre das doch alles eine große Zeitverschwendung.
Welche Faktoren haben bei Ihnen zum Erfolg beigetragen? Vielleicht auch das junge Alter? Immerhin finden sich in den letzten Jahren immer jüngere Interpreten in den großen Konzertsälen.
Lang: Das Alter – nein, glaube ich nicht. Jünger sein ist besser, das ist zwar so eine Formel, aber was doch eigentlich zählt, ist das Talent. Den Zuhörer kümmert ja dein Alter nicht, sondern dein Klang. Was aber wichtig ist, sind die Möglichkeiten, die man als junger Musiker hat: man braucht den richtigen Lehrer, man muss den richtigen Moment für den Durchbruch finden.
Sie hatten Ihren Durchbruch 1999, als Sie beim Ravinia-Festival in Chicago für den erkrankten Andre Watts eingesprungen sind. Gab es bis zu dem Zeitpunkt noch andere Berufswünsche?
Lang: Nein, eigentlich wollte ich immer Pianist werden, zumindest etwas mit Musik machen, auch Dirigent hätte ich mir vorstellen können. Ansonsten … ja, ich habe auch mal daran gedacht, ein Komiker zu werden, so einer der immer Witze erzählt. In etwa so wie ein Late Night Show Moderator, David Letterman oder Jay Leno.
Kennen Sie einen Musiker-Witz?
Lang: Ja, der ist zwar nicht besonders nett, aber ich erzähle ihn trotzdem. Es geht da um eine Rivalität zwischen den Dirigenten Leonard Bernstein und Herbert von Karajan. Also, Bernstein trifft einen Journalisten, der sich um sein Befinden erkundigt. Da sagt Bernstein: "Letzte Nacht hatte ich einen wunderbaren Traum, Gott sagte zu mir im Traum: Du bist der größte Dirigent der Welt." Ein paar Tage später trifft der Journalist in Berlin dann Herbert von Karajan und sagt: "Herr Karajan, Leonard Bernstein hat behauptet, Gott hätte ihm gesagt, er sei der beste Dirigent der Welt." Karajan schweigt lange, überlegt und sagt dann schließlich: "Nein, das habe ich nicht gesagt."
Gibt es bestimmte Dinge, an die Sie denken während Sie ein Konzert spielen?
Lang: Ja, da gibt es viele Dinge. Zum Beispiel bei einem Konzert in der Carnegie Hall, da habe ich Schumanns "Abegg-Variationen" gespielt. Schumann hat das Stück über eine von ihm verehrte Frau geschrieben und wenn ich es spiele, stelle ich mir vor, wie Schumann da gesessen hat, und voller Liebe dieses Stück geschrieben hat. Und das Thema "a-b-e-gg" kommt auch immer wieder vor. Oder Schuberts "Wanderer-Fantasie", dazu kann ich mir viel vorstellen, weil es ja auch diesen Titel hat, der gewisse Assoziationen weckt. Das ist anders bei einer Nocturne von Chopin. Da denke ich vielleicht, wie ich an einem See spazieren gehe, oder in Paris an der Seine, wo ein paar hübsche Damen spazieren, eine wunderbare Nacht … Es gibt Dinge, die mich inspirieren, außergewöhnliche, neue Dinge, zum Beispiel die Städte in die ich gerade gereist bin. Wenn ich zum Beispiel das Grab Beethovens gesehen habe. Wenn ich Paris gesehen habe, spiele ich Chopin auch etwas anders.
Helfen Ihnen solche Gedanken bei der Interpretation eines Stücks?
Lang: Also, am wichtigsten ist es natürlich, die Partitur gut zu kennen. Aber solche Gedanken, ja, die können durchaus hilfreich sein.
Es ist für mich nur die Frage, wenn man als Pianist so viel und oft spielt, ob es da nicht Momente gibt, wo man aus dieses ungeheuren Konzentration rauskommt und mit den Gedanken ganz woanders ist, während die Hände einfach weiterspielen.
Lang: Ja, wenn ich hungrig bin, zum Beispiel, oder müde bin. Wenn ich hungrig bin und spiele, riecht irgendwann alles um mich herum nach Schweinefleisch, nach Gemüse oder Meeresfrüchten.
Wie riecht denn ein Klavier?
Lang: Wie ein Stück Holz? (lacht)
Chinesische Interpreten erzählen oft, dass in China das Konzertpublikum im Durchschnitt wesentlich jünger ist als in Europa oder in den USA. Haben Sie diese Erfahrung auch gemacht?
Lang: Ja, auf jeden Fall, viel jünger. Das kann auch an den acht Millionen Kindern liegen, die Klavier spielen und dann ins Konzert kommen. Aber ein Grund ist auch, dass viele chinesische Kinder es einfach ein coole Sache finden, wenn jemand so gut Klavier spielen kann. Das ist wie mit Fußball, das ist in China sehr beliebt, die Leute bei uns sind verrückt danach.