Herr Eidinger, in „Dora“ haben Sie harten Sex mit einer geistig Behinderten, in der ersten Sexszene könnte man gar von Vergewaltigung sprechen. Was macht das mit Ihnen, wenn Sie eine solche Szene vorbereiten oder spielen?
Lars Eidinger: In erster Linie ist es mir unangenehm. Sowohl die Vorbereitung, als auch das Spielen selbst, aber genau darin besteht ja auch der Reiz. Es wird eine Vergewaltigung gezeigt, wobei die Monströsität darin besteht, dass das Opfer den Täter im Anschluss wieder aufsucht. Der Film handelt also nicht davon, wie schwer oder schlimm es ist mit einer Vergewaltigung umzugehen, sondern interessiert sich für die Frage: „Warum kommt sie jetzt zurück?“ – An dem Punkt löst es sich von der vordergründigen Provokation. Man hat nicht das Gefühl, man soll sich eine möglichst harte Vergewaltigungsszene ansehen, sondern wird zu einem äußerst komplizierten Diskurs angeregt.
Inwiefern?
Eidinger: Das ist ja nicht die Geschichte einer Masochistin, sondern der Grundkonflikt des Films ist, dass die Eltern unfähig sind, ihrer Tochter die Sexualität einzugestehen, weil sie geistig zurückgeblieben ist oder auf dem Stand eines Kindes – obwohl sie voll geschlechtsreif ist und auch Lust und sexuelle Fantasien hat. Peter erwischt sie genau an dem Punkt. Nicht bewusst, er ist ja kein Missionar, aber sie merkt: „Der nimmt mich körperlich wahr und ich hatte dieses intensive Erlebnis mit ihm. Das hat mich erregt und das will ich wieder haben.“
Darf Peter das?
Eidinger: Nein. Ich würde den auch nicht idealisieren. Dieser Punkt ist ihm auch gar nicht bewusst. Das macht er aus der reinen Lust heraus. Wobei ich dieses Aspekt auch interessant finde, denn wir tun immer alle so wahnsinnig zivilisiert und aufgeklärt.
Und eigentlich sind wir es gar nicht?
Eidinger: Ich glaube, dass wir uns in der Hinsicht unglücklich machen, weil wir uns selbst in die Tasche lügen, indem wir unsere Triebe unterdrücken. Zum Beispiel ist auch ein großes Problem unserer Gesellschaft, dass Aggression tabuisiert wird. Ich finde es auch schrecklich, wenn ich Gewalt sehe und es ist kein gutes Gefühl, wenn ich aggressiv werde, oder Aggressionen ausgesetzt bin. Aber manchmal fragt man sich doch: Wohin mit diesen Trieben, die ja offensichtlich da sind?
Es ist wohl Teil von Zivilisation, dass diese Triebe nicht ständig frei ausgelebt werden.
Eidinger: Aber wenn man sagt, Zivilisation ist genau die Errungenschaft, dass man sich über diese Triebe hinwegsetzt, führt das noch nicht dazu, dass die Triebe absterben. Sondern ich spüre da immer eine Form von Unterdrückung, die sich nicht gut anfühlt und vielleicht sogar dahingehend äußert, dass alle diffus unglücklich sind und keiner so richtig weiß, warum. Vielleicht sind diese Figuren im Film da in dem Moment näher an dem Glück dran.
Ich glaube nicht an irgendeine Form von karrieristischem Denken.
Um Sie zu zitieren: „Moral ist auch nur eine Konvention.“ Legen wir uns selbst die Kandare an?
Eidinger: Wir machen uns einfach oft etwas vor. Wenn ich ganz ehrlich und offen mit meinen Sehnsüchten und Begierden bin, dann merke ich, dass ich sogar Angst habe, sie mir selbst einzugestehen, geschweige denn sie offen zu äußern. So richtig glücklich machen wir uns mit den Verabredungen, die wir in unserer Gesellschaft getroffen haben, nicht.
Ist das der Grund, warum Sie schauspielern, um aus diesem Konstrukt Gesellschaft auszubrechen zu können?
Eidinger: Bestimmt. Ich merke, ich fühle mich auf der Bühne oder vor der Kamera wohl, weil ich mich da nahezu uneingeschränkt ausdrücken und Grenzen sprengen kann. Und das ist ja nichts anderes, als teilweise gewisse Aggressionen auszuleben. Wo ich mich immer bei anderen frage: Wie machen die das denn? Die gehen vielleicht boxen, denn irgendwo muss das ja hin. Ich bin schon allein durch meinen Beruf – so banal das auch klingt – auch privat ausgeglichener geworden. Ich muss gewisse Bedürfnisse nicht mehr befriedigen und sei es nur eine gewisse Eitelkeit, der ich beruflich frönen kann.
Wie zeigt sich das?
Eidinger: Ich bin lange nicht so aufgeregt bei Essen in größerer Gesellschaft, wie andere Leute, bei denen ich merke, dass sie wahnsinnig bemüht sind, auch mal im Fokus zu sein. Das sind keine Schauspieler, trotzdem haben sie Interesse daran, auch mal Aufmerksamkeit zu kriegen, auch mal eine Pointe zu landen. Und das brauche ich gar nicht mehr, denn das lebe ich in meinem Beruf aus – da komme ich voll auf meine Kosten.
Durch Ihren Beruf sind Sie also ein ruhigerer Mensch?
Eidinger: Ja.
Auf der Bühne die Rampensau und zu Hause der brave Hausmann?
Eidinger: Ich würde mich weder als Rampensau, noch als braven Hausmann bezeichnen. Ich kann damit leben, wenn man mich so bezeichnet, aber ich hoffe, dass die Auseinandersetzung mit meinem Beruf und mit meinem Leben wesentlich differenzierter und komplexer ist. Das ist ja vielmehr eine Journalisten-Krankheit, alles in Schubladen packen zu müssen. Ich habe nie gesagt: „Ich bin eine Rampensau.“ In Hamlet gibt es den Satz: „Einen Menschen wirklich zu kennen, hieße sich selbst zu kennen.“ Ich tue natürlich einen Teufel, bei meinen Figuren zu sagen: „Das ist jetzt so einer. Ich spiele jetzt mal einen Arsch!“ Ich bin manchmal ein Arsch und manchmal bin ich kein Arsch. Ich bin manchmal eine Rampensau und manchmal ein braver Familienvater. Aber ich bin noch ganz viel anderes.
Aktuell spielen Sie den Massenmörder „Richard III.“ an der Berliner Schaubühne. Wie erschließen Sie sich eine Rolle? Kann man einem Massenmörder etwas Menschliches abgewinnen?
Eidinger: Ich höre das immer von anderen, dass sie sagen: „Ich nähere mich einer Figur.“ Das kenne ich gar nicht. Ich nähere mich keiner Figur, sondern ich versuche die Figur aus mir zu entwickeln. Ich versuche, mich nicht zu distanzieren, weil ich auch daran glaube, dass alle Abgründe und alle Widersprüche, die in den Figuren auftauchen, auch in mir stecken. Manchmal erschreckt man darüber, wie wenig es bedarf, um einen völlig anderen Weg zu gehen und wie nah man am Wahnsinn ist. Wir sind alle nicht so abgestumpft, dass wir nicht offen für kriminelles Potential wären – und wenn es nur für einen Moment der Gedanke ist: „Den bring ich um!“, weil er mit 100 Sachen durch eine Spielstraße rast.
Gibt es Ihrer Ansicht nach das reine Böse?
Eidinger: Nein, das wäre auch eine Form der Pauschalisierung, die zu langweilig ist, um erzählt zu werden. Für mich wäre das reine Böse etwas, das unzielgerichtet ist. Was per se versucht, Schlechtes zu tun. Das habe ich noch nicht kennengelernt. Vielleicht wäre es sogar einfacher, wenn es das geben würde. Aber das Schlimme ist ja, dass Menschen, die Böses tun, oft auch Böses erfahren haben. Man kann das eigentlich immer erklären. Abgrundtief böse wäre unerklärlich böse. Bei den Fällen von Boshaftigkeit, die mir in meinem Leben begegnet sind, bilde ich mir ein, ziemlich genau zu wissen, woher das rührt.
Was war die böseste Figur, die Sie bisher gespielt haben?
Eidinger: Der Peter in „Dora“ war schon ganz schön unangenehm. Es gab beim Casting auch einen Schauspieler, der meinte, dass er eigentlich keine Lust auf den Film habe, weil er der Rolle nichts Gutes abgewinnen könne und sich nicht damit identifizieren könne.
Können Sie sich damit identifizieren?
Eidinger: Ja. Gerade, in der Entwicklung, die diese Figur durchmacht. Erst mal ist dieser Peter auf eine sehr eigene Art anarchisch. Er hat eine Haltung, die in sich stimmig ist. Er lügt nicht, er ist da ganz ehrlich und direkt. Also die Eltern damit zu konfrontieren: „Ich ficke eure Tochter. Wo ist das Problem? Fragt doch mal eure Tochter, wie es ihr gefällt.“ – Und da trifft er auch ziemlich genau einen Punkt. Die Eltern erheben sich zwar moralisch, aber das Interesse der Tochter steht nicht im Vordergrund. Wenn die Dora sagt, sie findet`s schön, da kommen sie in argumentative Schwierigkeiten.
Ist Peter ehrlicher?
Eidinger: Er ist in gewisser Weise näher an seinen eigenen Trieben und Abgründen, als wir das sind oder als es der Großteil der Gesellschaft ist und da habe ich mich sehr darauf konzentriert. Und darauf, am Ende zwar keine Läuterung zu zeigen, aber zumindest zu zeigen, dass er dieses Mädchen plötzlich anders anguckt und sich selbst darüber auch anders sieht. Dass es anfängt, in ihm zu arbeiten.
Victoria Schulz spielt die Dora sehr überzeugend. Jenny Schily glaubte ihr in jeder Sekunde, dass sie behindert sei. Und Sie? Sahen Sie Victoria oder Dora? Waren Sie Peter oder Lars?
Eidinger: Ich bin immer Lars und ich sehe immer Victoria. Das ist auch meine Auffassung des Berufs. Ich habe auch nie gedacht, dass sie wirklich behindert ist. Das finde ich auch nicht schlimm. Offensiv mit dem Fiktionalen umzugehen ist wesentlich ehrlicher. Ich weiß, sie ist nicht behindert und ich muss mich da auch nicht reinfantasieren. Ich kann mich dann eher darüber freuen, wie toll sie das spielt. Das finde ich an dem Beruf immer schon faszinierender, dass ich nicht eindimensional auf die Illusion reinfallen muss, sondern dass beide Ebenen anwesend sein können. Da gibt es den großen Satz von Berthold Brecht: „Die Widersprüche sind unsere Hoffnung.“ Das ist für mich zu einem ganz wichtigen Grundprinzip geworden.
Victoria Schulz meinte auch, dass Sie eine bestimmte Form von Distanz zueinander hatten. So ist die Rolle des Peter auch nicht angelegt.
Eidinger: Wem ist sie nicht nahe gekommen? Mir?
Ja, Ihnen. Also Lars Eidinger als Privatperson und nicht als Schauspieler.
Eidinger: Hat sie das gesagt? Das überrascht mich. Wenn man so Szenen dreht, die wir miteinander gedreht haben. Was ist man dann anders als sich nah gekommen?
Konzentrieren Sie sich mehr auf Ihre Rolle als auf die der anderen?
Eidinger: Nein. Das wäre ja schlimm. Für mich funktioniert das nur über den anderen. Ich bin ja kein Autist. Mich interessiert immer das Ganze und immer der Partner und immer die Situation, in der die Figuren sind. Ich weiß, es gibt viele Schauspieler, die sich nur mit sich beschäftigen. Das wird dann nur leider wahnsinnig selbstreferentiell und eindimensional. Was sollte das erzählen? Ich kann mich ja nur über das Gegenüber oder den Partner überhaupt ausdrücken oder erkennen.
Bei Richard III. sind Kritiker voll des Lobes über Ihre Performance. Denken Sie sich manchmal: „Jetzt würde ich es gerne mal richtig versauen“?
Eidinger: Echt gibt es das? Gibt es Leute, die zu glücklich sind?
Das habe ich mich gefragt…
Eidinger: Das Gefühl habe ich tatsächlich nicht. Es gab auch wieder schlechte Kritiken, über die ich mich geärgert habe. Ich hatte am Tag nach der Premiere richtig Angst, die Kritiken im Netz aufzurufen. Angst, dass es eine Einladung für jeden Kritiker ist, jetzt nach dem Erfolg von „Hamlet“ draufzuhauen. Das wird allerdings im Feuilleton oft verklärt. Man kann sich mal den Spaß machen und die Kritiken zu „Hamlet“ lesen. Das sind fast alles Verrisse! Der Erfolg entstand durch die Zuschauer und durch unsere Tourneen. Ich habe das nochmal gegoogelt, „Nachtkritik 2008. Hamlet. Verriss“. Dasselbe Forum schreibt heute: „Hamlet war so toll, aber Richard? Warum nicht so wie Hamlet?“
Zurück zu den Leuten, die zu glücklich sind. Wie ist das bei Ihnen?
Eidinger: Es gibt dieses Number-One-Syndrom bei Leuten, die immer darunter gelitten haben, nicht oben zu sein und alles getan haben, um an die Spitze zu kommen: In dem Moment, in dem sie oben sind, ertragen sie es nicht und machen dann irgendetwas total Destruktives, um sich selbst zu stürzen. Das ist bei mir nicht so. Dafür bin ich viel zu selbstzweiflerisch und nahezu paranoid, als dass ich mich wirklich an der vermeintlichen Spitze wähnen würde. Ich empfinde mich nicht als oben. Ich empfinde mich immer noch im Aufstieg begriffen und deswegen komme ich nicht in die Situation.
Was kommt noch?
Eidinger: Ich glaube nicht an irgendeine Form von karrieristischem Denken, da macht man sich was vor. Ich habe weder geplant, dass ich an die Schaubühne gehe, noch, dass ich einen Film mit Maren Ade drehe, noch, dass ich mit dem dritten Film auf der Berlinale im Wettbewerb laufe. Meine Frau hat ganz früh zu mir gesagt: „Du musst so lange in die Ecke pissen, bis es stinkt!“ Und da glaube ich dran. Man muss seine Arbeit gut machen und dann wird es auch gesehen. Wenn ich Ihnen jetzt sage: Ich möchte mal den Bösewicht in James Bond spielen, habe ich trotzdem keinen Einfluss darauf. Entweder es passiert oder nicht. Man verhält sich eigentlich nur und reagiert auf das, was kommt.
Eines ist ja zu Ihrem Markenzeichen geworden: Sie ziehen sich (fast) immer aus…
Eidinger: Das stimmt doch gar nicht! Ich ärgere mich, wenn das geschrieben wird, weil es auch keine inhaltliche Auseinandersetzung ist. Es gab eine Kritik zu Richard III. mit der Überschrift: „Wetten, dass…Lars Eidinger seinen Penis zeigt?“ Das ist erstens total niveaulos und zweitens schlecht recherchiert! Ich habe mich das letzte Mal auf der Bühne im „Sommernachtstraum“ ausgezogen! Und das war 2006! Das hat sich bei einigen Journalisten anscheinend so eingebrannt, dass sie mich ständig nackt sehen! Im Theater bin ich jetzt bei Richard das erste Mal seit dem Sommernachtstraum nackt.
Aber ist doch super, dass wir das mal klarstellen…
Eidinger: Finde ich auch!
Seit 2000 legen Sie als DJ in der Schaubühne unter dem Motto „Autistic Disco“ auf. Außerdem führten Sie bei Schillers „Die Räuber“ und Shakespeares „Romeo und Julia“ Regie. Mögen Sie es, wenn andere nach Ihrer Pfeife tanzen?
Eidinger: Es hat eher was damit zu tun, dass es mir Befriedigung verschafft, wenn ich auf eine Stimmung im Raum Einfluss nehmen kann. Nichts anderes ist Schauspielerei, dass ich vor Leute trete und die Macht oder die Fähigkeit spüre, eine gewisse Energie im Raum zu generieren. Beim Auflegen ist das sogar direkter. Man muss auf der einen Seite sensitiv genug sein, um eine Stimmung im Raum wahrzunehmen: „Wenn ich das Lied jetzt spiele, dann schaff ich es, die Leute nochmal in eine andere Ekstase zu versetzen.“ Das kann total rauschhaft sein. Ich würde das aber nicht ’nach meiner Pfeife tanzen‘ nennen.
Theater und Auflegen hat immer etwas mit Interaktion zu tun…
Eidinger: Und es ist auch eine Form von nonverbaler Interaktion. Dass man über Musik, Atmosphäre oder Energie kommuniziert. Ich habe ja kein Mikrofon und sage: Und jetzt alle auf die Tanzfläche!
Was ist für Sie intensiver: Theater oder Film?
Eidinger: Theater! Ich habe Stücke, da gehe ich zweieinhalb Stunden nicht von der Bühne. Das ist vom Erlebnis erfüllender für mich. Beim Film ist es nicht so einfach, so kleinteilig zu arbeiten und darauf zu vertrauen, dass diese vielen kleinen Teile am Ende zu einem Film werden. Das habe ich beim Theater zu hundert Prozent selbst in Griff. Theater funktioniert für mich mehr darüber, dass die Leute Zeugen dessen sind, was ich erlebe und darüber auch ein Erlebnis haben. Film funktioniert für mich nicht darüber, dass der Schauspieler irgendetwas erlebt, das kann die reine Illusion sein, die nur beim Zuschauer ein Erlebnis provoziert.
Sie haben den Film mal als Quickie bezeichnet.
Eidinger: Weil es kurz und intensiv ist. Es gibt zwei-Minuten-Takes, die hochgradig intensiv und extrem sind.
Filmarbeiten dauern ja recht lang, ist es nicht eher Blümchensex?
Eidinger: So ein Film wie „Dora“ oder „Sworn Virgin“ hat nichts mit Blümchensex zu tun. Vielleicht ist eine Soap-Opera Blümchensex. Oder wie gewisse Leute ihren Beruf verstehen oder spielen. Oder wenn ich sage: „Wenn ich weine, dann nehme ich einen Tränenstift.“ Das wäre für mich Blümchensex.
Wenn Film für Sie der Quickie ist, was ist dann das Theater?
Eidinger: Eine Sexorgie.
Provozieren Sie gerne?
Eidinger: Das ist immer das große Missverständnis. Es kann sein, dass ich Leute durch gewisse Sätze, durch meine Spielweise oder meine Art provoziert fühlen, aber das ist natürlich nicht mein Anspruch. Das wäre reiner Selbstzweck! Provozieren um der Provokation willen ist kompletter Unsinn! Das hat für mich keine Sinnfälligkeit. Ich kann sehr genau erklären, warum ich was mache auf der Bühne und vor allem, was ich damit erzählen will. Deswegen fühle ich mich damit auch relativ sicher.
Warum mögen Sie Provokation um der Provokation willen nicht?
Eidinger: Im schlimmsten Fall führt eine vordergründige Provokation zu einer Distanzierung. Das ist das Schlimmste, was mir in meinem Beruf passieren kann, weil ich möchte, dass sich die Leute identifizieren. Genau wie ich den Anspruch habe, mich in meinen Rollen wiederzufinden, möchte ich auch, dass die Leute sich bei extremen Sachen wiedererkennen können. Wenn dem nicht so ist, gehen sie nur mit dem Gefühl raus: „Die Welt ist schlecht.“ Wenn der Zuschauer aber sich selbst sieht, dann ist man einen Schritt weiter: Er guckt in seine eigene Fratze. Er erkennt die eigene Schlechtigkeit und fängt an sich zu verändern oder infrage zu stellen.