Laverne Cox

Ich hatte es satt, ein Freak zu sein!

2014 erschien Laverne Cox als erste transsexuelle Person auf dem Cover des TIME Magazine, hierzulande ist sie vor allem durch die Netflix-Serie „Orange Is the New Black“ bekannt. Im Interview spricht Cox über die Serie, die Arbeit als falsche Dragqueen und Identitätsprobleme vor ihrer Geschlechtsangleichung.

Laverne Cox

© Studiocanal

Frau Cox, Sie wurden für den Critics` Choice Television Award als beste Darstellerin in einer Comedyserie und in der Kategorie Schauspiel als Trans*Frau für den Emmy nominiert – und all das nur, weil Sie in einer Frauen-Gefängnisserie mitspielen!
Laverne Cox: (lacht) Ich habe eine sehr kleine Rolle in „Orange Is the New Black“ und eine Menge passierte aufgrund dessen. Ich weiß nicht, warum ich diese Aufmerksamkeit bekomme, aber ich genieße es zum größten Teil, obwohl das auch einen wahnsinnig großen Druck bedeutet. Es gab andere Trans*Personen vor mir, aber ich bin die erste, die in einer Schauspielkategorie nominiert wurde. Daher rührt eine wahnsinnige Verantwortung. Es ist nicht so, dass ich nur einen Mordsspaß habe, ich habe mehr gearbeitet, als gefordert wird und ich bin sehr erschöpft.

Sie spielen Sophia Burset, eine verheiratete Trans*Frau, dessen Ehefrau Crystal half ihr bei ihrem Wandel vom Mann zur Frau und gab ihr Stylingtipps. Neben großer Nähe spürt man auch die Distanz zwischen ihnen. Zudem haben die beiden einen Sohn. Wie geht Sophia mit der Situation um?
Cox: Dieser Teil der Geschichte berührt mich so, weil die Liebe, die sie und Crystal füreinander haben, unbegreiflich ist. Es ist ein zweischneidiges Schwert für Sophia. Sie ist glücklich, dass sie letztlich die ist, die sie sein sollte, aber es ist verheerend für sie, von der eigenen Familie so weit entfernt zu sein. Und ihnen so weh getan zu haben. Und sie stahl Kreditkartennummern, um ihre Umwandlung finanzieren zu können.

Wie schwierig ist das in der Realität in den USA, wie gut greift das „Obama Care“-Gesundheitssystem?
Cox: Städte wie San Francisco decken Aspekte der Geschlechtsangleichung ab, andere Städte kämpfen dagegen an. Es gibt einige Streitigkeiten, welche Leistungen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge für Trans*Menschen übernommen werden. Für andere Trans*Leute ist es wirklich kompliziert, einen Zugang zu lebensbejahender Gesundheitsvorsorge zu bekommen.

Sie haben Barack Obama zwei Mal getroffen. Sprechen Sie mit ihm auch über „Orange Is the New Black“?
Cox: Ich traf ihn das erste Mal vor einem Jahr im Juni beim Pride Lunch des Weißen Hauses, den sie jedes Jahr veranstalten. Dann traf ich ihn nochmal vor ein paar Monaten beim Korrespondenten-Dinner. Ich lief auf ihn zu, schüttelte seine Hand und er entgegnete mir: „Das letzte Mal, als ich Sie sah, fragte ich, wann die dritte Staffel von „Orange Is the New Black“ herauskommt. Ich frage Sie immer noch, wann die Staffel anläuft.“ Der Präsident und die First Lady sind Fans der Show. Ich bin glücklich, dass ich ihm sagen kann, dass die dritte Staffel jetzt startet und dass ich ihnen ihre Dosis Litchfield-Damen geben kann.

Orange Is the New Black“ ist im Gegensatz zu vielen anderen Serien mehr lesbisch als hetero, das Hetero-Thema rückt im Laufe der Staffeln immer mehr in den Hintergrund. Was denken Sie darüber?
Cox: Dass das Lesbische immer mehr wird? Ich weiß nicht, ich denke nicht in solchen Kategorien. Ganz ehrlich: Ich vergesse, dass sie Lesben sind. Ich denke an Piper und Alex` Beziehung und dass es zwei Menschen sind, bei denen es dreckig zugeht. Einige im Gefängnis sind „gay for the stay“ also lesbisch, während sie im Gefängnis sind. Wenn sie entlassen werden gehen sie zurück in Hetero-Beziehungen.

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Sie wuchsen in Mobile, Alabama auf, und zogen später nach New York. Wie wurden Sie die Frau, die Sie jetzt sind?
Cox: Ich verstand schnell, dass es nicht das Beste für mich war, in Alabama zu sein. Als ich jünger war kaufte ich Frauen nie ab, was sie mir darüber erzählten, wer ich sein sollte, weil ich wusste, ich war das Gegenteil von dem, was sie sagten. Ich war nie selbstgefällig und ich war auch nie eine Konformistin. Ich wusste, dass ich in einer Stadt wie New York sein musste, um meine beruflichen Inspirationen zu verfolgen, aber auch, um mehr ich selbst zu sein. Zu der Zeit, als ich mich selbst verwirklichte und die Frau wurde, die ich jetzt bin, hatte ich wahnsinnige Angst, aber ich tat es. Es gab nichts Anderes in der Welt für mich als meine eigene Wahrheit.

Können Sie mir mehr über die Zeit erzählen, in der Sie versuchten, ein „normaler“ Mann zu sein?
Cox: Vor meiner medizinischen Geschlechtsangleichung besuchte ich meinen Bruder einen Monat lang in San Francisco. Zu dieser Zeit hatte ich lange Haare, trug jeden Tag Kleider und jeden Tag eine Art Make Up. In San Francisco stellte ich mir die Frage: „Was mache ich da eigentlich?“ Ich hatte es satt, ein Freak zu sein! Ich war es leid, dass ich nach meiner Geburt als Mann bestimmt wurde. Ich wurde täglich schikaniert und fühlte mich auf der Straße nicht sicher. Ich glaubte, wenn ich normal sein würde, dann wäre mein Leben besser. Ich rasierte meinen Kopf und versuchte ein paar Wochen lang, normal zu sein. Es ging mir sehr schlecht. Ich spürte: „Das bin ich nicht“, kaufte eine Perücke und trug wieder Kleider. Ein Jahr später begann ich mit der Geschlechtsangleichung.

Szene aus "Orange is the new Black" © Studiocanal

Szene aus „Orange Is the New Black“ © Studiocanal


Mehrmals schon spielten Sie Prostituierte, außerdem arbeiteten Sie im „Lucky Cheng`s“ -Drag-Restaurant obwohl Sie keine Dragqueen sind. War es so schwer als Trans*Frau einen Job zu bekommen?
Cox: Für mich war es das. Obwohl ich auf andere Weise privilegiert war. Es gibt sicher andere Dinge, die Trans*Menschen machen, aber Sexarbeit ist für viele die Realität. Das nicht preiszugeben wäre eine Lüge! Jobs als Trans*Mensch zu bekommen ist nicht immer einfach. Die Arbeitslosenquote ist im Vergleich zum amerikanischen Durchschnitt bei farbigen Trans*Menschen vier Mal so hoch. Das habe ich auch erfahren. Also arbeitete ich im Dragqueen-Restaurant. Aber nur zwei Tage, damit ich etwas für meine Schauspielkarriere tun kann. Es war auch eine Entscheidung für meine Kunst. Letztlich performe ich schon mein ganzes Leben. Es nährte meine Seele auch etwas. Auch, wenn das nicht der richtige Ort für mich war, habe ich das Beste daraus gemacht.

Mit „The Transgender Tipping Point – America`s next civil rights frontier“ hatten Sie den ersten Trans*Titel im TIME-Magazine. Muss man es so zuspitzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen?
Cox: Ich denke, dass der Titel „The Transgender Tipping Point“ kein reißerischer Titel ist. Schon andere haben über transzivile Bürgerrechte als nächste Bürgerrechtsgrenze gesprochen. Ich denke nicht, dass etwas falsch daran ist, wenn Gruppen für ihre Rechte kämpfen und Publikationen diese Botschaft weitergeben.

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