Leslie Mandoki

Die heutige Jugend ist nicht so, wie Zlatko singt!

Musikproduzent Leslie Mandoki über arrogante Programmentscheider, seine Erfahrungen mit den No Angels, die Liebe zur Analog-Aufnahme, sein eigenes Album "Soulmates" und warum er Musikvideos für nichts Gutes hält

Leslie Mandoki

© Paroli Records

Leslie, du gehörst zu den wichtigsten Musikproduzenten Deutschlands, als „Mandoki“ hast du nun aber schon das zweite eigene Album rausgebracht, „Soulmates“. Ist man es als Musikproduzent also leid, ständig nur die Musik anderer zu produzieren?
Leslie Mandoki: Nein, ich denke, das ist ähnlich wie bei einem Journalisten. Der schreibt täglich für seine Zeitung, hat aber privat einen kleines Heft, wo er eigene Gedichte, Geschichten oder Novellen reinschreibt. So ist das auch mit „Mandoki“. Ich produziere auf der einen Seite Musik von Bands wie den No Angels oder Joshua Kadison, und auf der anderen Seite gibt es einen Teil den ich für mich festhalte, wo ich dann nicht nur als Handwerker gefordert bin, sondern auch als Künstler. Und als Künstler hat man dann auch so eine Art Sendungsbewusstsein, dass man das Leben der Gesellschaft mitgestalten, und Fragen mit der Rockmusik und Poesie beantworten will.
Der eigentliche Punkt, warum ich zusammen mit lang befreundeten Musikern eine Platte wie „Soulmates“ mache, ist, dass wir meinen, dass die heutigen 35 bis 55-jährigen Programmentscheider, welcher Formate auch immer, eine ungeheure Arroganz besitzen, wenn sie meinen, die nachwachsende Generation würde heute nur vor dem Computer sitzen und sich dämliche Musik um die Ohren schlagen. Das ist eine unglaubliche Disqualifizierung der kommenden Generation. Ich glaube nicht, dass die Jugend so ist wie Zlatko singt. Die Jugend ist rebellisch und will etwas bewegen.

Also sollte man Zlatko und seine Nachfolger lieber nicht singen lassen?
Mandoki: Nein, das ist doch eine Katastrophe. Ich gehe ins Gericht mit dieser Art Entwicklung, mit dieser am Computer hergestellten Vertonung von Sozialpornographie. Das ist für mich akustische Umweltverschmutzung und dagegen muss hin und wieder auch ein Zeichen gesetzt werden.

Das sind eine Menge kritische Worte. Aber würde deine Kritik nicht auch auf eine Band wie die No Angels zutreffen?
Mandoki: Nicht unbedingt. Das sind hochbegabte Mädels, und wenn sie bei mir im Studio sind, merke ich, das sind normale liebe Menschen, mit den normalsten Sorgen auch wenn sie viel beschäftigt sind und die viel rumreisen.

Aber zusammen gekommen ist die Band ja eigentlich nur, weil TV-Produzenten das so wollten.
Mandoki: Das würde ich auch sehr gerne kritisch sehen wollen, aber das kann ich nicht. Denn, was hätte die Vanessa oder die Sandy für eine Chance gehabt, an eine Musikproduktion heran zu kommen? Ich hätte sie ohne das „Popstars“-Casting gar nicht kennen gelernt – und das sage ich durchaus selbstkritisch. Aber das kommt dadurch, dass die heutige Generation nicht wie ich damals, so intensiv in den Clubs spielen kann. Al di Meola zum Beispiel, der wurde mit 17 in dem New Yorker Club Little Italy entdeckt und bekam dadurch mit 18 seine erste Platte. Ich hätte aber Sandy nicht in einem Club entdecken können, diese Clubs gibt es einfach nicht.

Trotzdem, der Weg, eine Band im Fernsehen zusammenzustellen …
Mandoki: … ist nicht der richtige Weg, nach wie vor. Der richtige Weg ist , wenn Menschen zusammenkommen und meinen, dass sie gemeinsam mit Musik etwas bewegen wollen. Das bleibt auch der einzig richtige Weg.

Doch das Prinzip von „Popstars“ wird so schnell nicht vergraben, die zweite Staffel lief ja auch mit enormem Erfolg.
Mandoki: Ja, ich beobachte mit Staunen, wie wenig Authentizität da verlangt wird. Irgendwas ist schief gelaufen.
Ich hatte zum Beispiel von der Wiedervereinigung Deutschlands damals erwartet, dass wir nicht nur viele neue Bürger dazu gewinnen, sondern auch sehr viele Künstler, die durch ihre Authentizität und Eigenheit überwältigen sollten. Aber da ist nichts passiert.

Es lief eher andersherum, MTV ist bereits vor vielen Jahren in Russland angekommen.
Mandoki: Ich sehe das alles als ein großes Missverständnis. Im Grunde genommen ist es doch so, dass die Mauer und der Eiserne Vorhang mehr durch Coca-Cola, Marlboro, Bananen, Bruce Springsteen, Madonna und MTV zu Fall gebracht wurden, als durch die Vorstellung der Menschen, ohne Zensur leben zu wollen.

Du hast nun für „Soulmates“ viele deiner befreundeten Musiker zusammengetrommelt – Al di Meola, Peter Maffay, Michael Brecker, Ian Anderson, um nur ein paar von ihnen zu nennen. Was verbindet euch?
Mandoki: Wir sind eine Wertegemeinschaft, Soulmates eben. Wir bilden uns ein, dass Rockmusik wirklich etwas in der Gesellschaft zu bewegen hat, Relevanz zu zeigen hat, politisch und auch emotional. Rockmusik ist dafür da, den Menschen mehr zu geben, als nur flaches Wohlbefinden. Das ist nicht nur postideologische Spaßgesellschaft, sondern wir versuchen, Form und Inhalt in Einklang zu bringen. Wir sind der Überzeugung, dass ein Künstler sein Leben lang bestrebt sein sollte, diesen Einklang zwischen Form und Inhalt in seinen eigenen Werken herzustellen. Doch das ist heute leider nicht ganz so, es gibt einfach sehr viel Musik, wo einfach nur die Form da ist. Oft frage ich mich, wo sind die Inhalte? Musik ist ja nur ein Teil der Gesellschaft und nicht mal der wichtigste. Nehmen wir die Politik, wir haben dieses Jahr einen Wahlkampf gesehen, in dem es nicht mehr um Ideen ging, nicht um Visionen, wie man ein Land aus der Krise führen kann. Sondern es ging nur darum, wie bewege ich bestimmte Wählergruppen. Es gab keinen ideologischen Kampf, sondern eigentlich nur um Wortfindungsstörungen, Zigarren rauchen und italienische Anzüge – wo sind da die Visionen?
Wir haben nun ein Rockalbum gemacht, wo wir meinetwegen auch hinnehmen, dass wir nur 10 Stück davon verkaufen. Wir haben die Musik live eingespielt, analog aufgenommen, viele Stücke sind zu lang mit vielen Solos, Texte die auch anecken – das passt denen von MTV und Viva natürlich nicht. Wir sind denen zu alt, zu rebellisch vielleicht. Die sagen sich, Rockmusik hat nichts mit Intellektualität zu tun und hören lieber Bon Jovi.

Zitiert

Ich gehe ins Gericht mit der am Computer hergestellten Vertonung von Sozialpornographie.

Leslie Mandoki

Was ist für dich der perfekte Song?
Mandoki: Den gibt es nicht. Es gibt nur handwerklich perfektionierte Songs. Aber viel wichtiger als Perfektion ist die Leidenschaft. „Soulmates“ ist mehr Leidenschaft, als Perfektion, sehr roh, sehr authentisch. Das Album ist nicht nachbearbeitet, sondern so, wie ich es aufgeschrieben habe und wir es eingespielt haben. Es hat sich sozusagen selbst gemischt.

Klappt man die CD-Hülle von „Soulmates“ auf, bemerkt man schnell, dass ihr die CD als kleine Schallplatte designt habt. Eine Reminiszenz an das gute alte Vinyl?
Mandoki: Dafür gibt es zwei Gründe. Der eine ist, dass wir die ganze Platte analog aufgenommen haben, weil das einfach das bessere Medium ist. Nehmen wir zum Beispiel MiniDisc, da weiß doch jeder Toningenieur, dass es ein scheiß Format ist und eben schlechter aufnimmt, als das menschliche Ohr hört. Nun kommen natürlich die Plattenbosse zu mir und sagen: „Leslie, hast du nicht gemerkt, dass die ganze Welt so ein Magerdata-Format gut findet, genannt MP3? Wieso kaufst du dir nicht lieber eine Yacht, anstatt dieser vielen Analog-Apparaturen?“ Klar, das hätte ich auch machen können, aber mich treibt halt etwas anderes an. Vielleicht merkt ein Teil der Welt einfach nicht, dass selbst eine Top-End Analogaufnahme auf MP3 übertragen tausendmal besser klingt, als eine digital aufgenommene.
Der zweite Grund ist: analoge Aufnahme erfordert spielerisches Können. Du kannst also nicht im Nachhinein noch irgendwas mit der Aufnahme machen. Du musst gut einspielen, gute Attack haben, gute Verstärker, gute Mikrophone …

… die größere Herausforderung.
Mandoki: Ja natürlich, aber dafür klingt es besser, wärmer, menschlicher.

Habt ihr „Soulmates“ denn auch auf Vinyl veröffentlicht?
Mandoki: Ja, wir haben weltweit die erste Vinyl veröffentlicht, die auch eine CD drin hat. Ich bin der Meinung, wenn jemand „Soulmates“ auf Vinyl kauft, dann schenke ich ihm eine CD dazu. Ich will, dass die Menschen für ihr Geld ein bisschen Gegenwert bekommen.

Tja, ehrlich gesagt, scheinen sich die großen Plattenfirmen in letzter Zeit immer weniger um diesen Gegenwert zu bemühen.
Mandoki: Richtig, es gibt zu viel wertlose Musik, die höchstens wertvoll verpackt wird. Aber dann wundern sich die Plattenfirmen, dass die Leute diese Musik lieber downloaden oder kopieren, als sie sich zu kaufen. Die Musikindustrie hat auch mit ihren Billigprodukten die gesamte Albumkultur zerstört. Ein heutiges Album hat gar keine dramaturgische Linie mehr, und der Albumtitel ist ein Synonym für einen schlechten Single-Vorschlag. Auch dadurch ist die Musik schon wertlos geworden.
Begonnen hat das ja im wesentlichen mit dem Musik-TV, mit dieser Zwangsvisualisierung.

Du magst keine Musikvideos?
Mandoki: Nein, gar keine. Ich halte diese Visualisierung von Musik grundsätzlich für eine falsche Entwicklung. Jeder sollte sich sein eigenes Bild machen, Musik ist ja ein ganz individuelles Medium, das von ganz allein Bilder in den Köpfen der Leute entstehen lassen sollte. Ich hätte es viel lieber, wenn die Plattenfirmen die Jungs und Mädels in die Clubs schicken würden, damit sie live spielen. Stattdessen geben sie aber lieber das zehnfache der Kosten der Musikproduktion aus, um irgendwelche Musikvideos zu produzieren.

Nach all der Kritik an der Musikindustrie einmal die Frage: Ginge das eigentlich im Kapitalismus, wie du dir das gerne wünschen würdest?
Mandoki: Nein. Aber muss man deshalb zu allem Ja sagen?

Ich habe nun immerhin gerade gelesen, dass in deinen Produktionsstudios unter anderem auch Musik für Werbefilme von Daimler Chrysler entsteht.
Mandoki: Da bin ich auch kein Künstler, da bin ich Handwerker. Kafka hat auch lange Zeit als Buchhalter gearbeitet. Aber, hat er deshalb schlechter geschrieben?

Das Leben ist ein Comic, welche Comic-Figur bist du?
Mandoki: Gute Frage. Ich empfinde mich eigentlich als einen Looser, der immer aufstehen und fighten muss. Vielleicht bin ich Mushu, aus dem Film „Mulan“.

Ein Kommentar zu “Die heutige Jugend ist nicht so, wie Zlatko singt!”

  1. Stefan |

    CD in Vinyl

    „wir haben weltweit die erste Vinyl veröffentlicht, die auch eine CD drin hat …“ – das Album erschien Ende 2002. Wer die LP kauft, kriegt die CD dazu. Denselben Gag haben auch Shellac schon gemacht, bei „1000 Hurts“, erschienen 2000.

    Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.