Herr Besson, in Ihren Filmen finden sich immer wieder Liebespaare, deren Zusammenkommen eigentlich unmöglich scheint. Vom Kind und dem Killer, über einen Taxifahrer und ein Alien bis hin zum 12jährigen Kind Arthur und seiner 999-jährigen Minimoys-Prinzessin. Was fasziniert Sie daran?
Besson: Ich sehe so was einfach gerne im Kino. Wir haben alle gewöhnliche Leben: Schlafen, Aufwachen, Probleme – aber wenn du im Kino bist, willst du ein Killer, Johanna von Orleans, ein Delphin oder ein Minimoy sein. Filme erlauben dir, für zwei Stunden ein anderes Leben zu leben.
Wollten Sie vielleicht nach Ihrem letzten Film „Angel A“, der den Zuschauern beibringen sollte, sich selbst zu lieben, mit Arthur zeigen, zu welcher Kraft einen eine unmöglich scheinende Liebe befähigt?
Besson: Ich weiß nicht. Das wäre zu prätentiös. Als Regisseur bin ich eigentlich nichts anderes, als ein Koch. Man ist stundenlang in der Küche. Arbeitet schnell, schwer und schwitzt. Man bereitet die Zutaten vor, mischt sie und packt alles auf den Tisch. Man muss sein Bestes geben aber man weiß nie, wer dann kommt. Der erste sagt: „Ich mag keinen Fisch.“ Der Nächste probiert nur ein bisschen und der Dritte isst alles auf einmal.
Unterscheidet sich das Kochen für Erwachsene grundlegend vom Kochen für jüngere Zuschauer?
Besson: Ja, auf jeden Fall. Man benutzt andere Zutaten. Das ist sehr wichtig, denn Kinder glauben dir. Alles, was du ihnen präsentierst, nehmen sie so, wie es ist. Wenn du ihnen etwas über Freundschaft, über Taten und ihre Konsequenzen erzählst, stürzen sie sich geradezu darauf. Arthur zum Beispiel baut ein Bewässerungssystem aus Strohhalmen und eine Stunde später, als zwei Millimeter kleiner Typ, sieht er seine Konstruktion von unten und die Minimoys sagen: Was ist das denn für ein furchtbares Ding?! Da erkennt er, dass er einen Fehler gemacht hat und entschuldigt sich. Die Kinder sehen: Du kannst ein Held sein und dich trotzdem irren und dich entschuldigen. Das ist eine kleine Sache aber ich glaube, so etwas ist sehr wichtig.
Wichtiger Teil des deutschen Marketings für „Arthur und die Minimoys“ ist die Synchronisation der Hauptfigur durch den Sänger Bill Kaulitz. Angeblich soll seine Band „Tokio Hotel“ auch in Frankreich immer populärer werden.
Besson: Ja, aber er ist bei uns noch nicht ganz so berühmt, wie hier, wo Mädchen im Winter nachts im Freien campieren um ihn als erste am roten Teppich anschreien zu können. Ich habe ihn in Paris getroffen. Er ist ein guter Junge. Hinter seinem Image, dem Sänger, dem Make-Up, den TV-Auftritten steckt ein junger Mensch der clever und sensibel ist.
Während seine Stimme für die reale Figur des zwölfjährigen Arthur befremdlich alt klingt, passt sie und sein Aussehen erstaunlich gut zur animierten Arthur-Figur. Wollte er sich tatsächlich wie Arthur die Haare blond färben?
Besson: Ja aber dann hat er Post von Fans bekommen, die ihm schrieben: „Wenn du dir deine Haare färbst, bringe ich mich um!“ Diese Verantwortung will wohl keiner auf sich nehmen.
Fühlten Sie sich bei einem so aufwändigen Film wie „Arthur und die Minimoys“ eher wie der Manager eines großen Unternehmens als ein Regisseur?
Besson: Die Premiere für alle 700 Mitarbeiter des Films war ein Schock, weil es das erste Mal war, dass sich alle begegneten. Es gab große Teams für die Modelle, für die Live Action, für die Animation und den Sound. Ich war der Einzige, der Kontakt zu allen hatte. Trotzdem haben viele nicht gewusst, wer ich bin. Die saßen hinter ihren Rechnern und wunderten sich, was für ein komischer Typ da immer wieder vorbeikommt. Ich habe aber versucht, Regisseur zu bleiben, denn ich war verantwortlich für das Erzählen der Geschichte. Für alle anderen Aufgaben kann ich nur die Mitarbeiter der Abteilungen auswählen und hoffen, dass ich richtig liege, wenn es darum geht zu beurteilen, ob sie leidenschaftlich, oder nur wahnsinnig sind. Bei Leuten, die noch um 2 Uhr nachts vor ihrem Rechner sitzen und murmeln „Feierabend? Moment, ich muss das hier noch fertig machen“ kann man sich da nie so sicher sein.
Haben Sie von den Animationskünstlern etwas für Ihre eigene Arbeit lernen können?
Besson: Nichts. Ich habe den Film gemacht, wie alle anderen auch. Das war wie beim „Fünften Element“. Da steht im Skript: Alle Autos fliegen. Ich lese das und denke: Okay, wie kriege ich das hin? Jetzt hieß es eben: Der Hauptdarsteller ist zwölf Jahre alt und schrumpft auf eine Größe von zwei Millimetern. Das ist eine technische Herausforderung, deren Lösung ich organisieren muss. Aber mein Tagwerk war und ist es, die Geschichte zu erzählen. Die einzige Falle ist, sich in die anderen Abteilungen einzumischen. Wenn ich einem Animator an die Maus fassen würde um seine Arbeit zu „verbessern“ wäre das ein Albtraum. Wenn der zu mir ans Set käme und sagen würde: den Gesichtsausdruck hätte ich aber gerne anders, würde ich ihn ja auch nur anschauen und sagen: Geh an DEINE Arbeit!
Würden Sie sich noch mal an so ein gewaltiges Projekt heranwagen?
Besson: Ich bin sehr dumm und ich würde es noch mal tun. (lacht) Das ist der zweite Film in meiner Karriere, bei dem ich mitten in der Arbeit echt verzweifelt bin. Wir hatten zwei Jahre lang gearbeitet und es war noch nichts zu sehen, nicht mal zehn Sekunden Film und wir hatten schon 13 Millionen Euro ausgegeben. 300 Leute saßen jeden Tag an ihren Rechnern und ich dachte: Fuck! Ich werde diesen Film nie zu sehen bekommen! Die Jungs am Computer guckten nur kurz hoch und sagten: „Mach dir keine Sorgen. Alles wird okay!“ und sie tippten weiter. Man muss den Leuten eben wirklich vertrauen, mit denen man zusammen arbeitet.
Als Regisseur bin ich eigentlich nichts anderes, als ein Koch. Man ist stundenlang in der Küche, arbeitet schnell, schwer und schwitzt.
Wie wichtig sind Merchandising und die Verwertung als Videospiel für die Produktion eines Filmes dieser Größenordnung?
Besson: Ich habe diesen Leuten viel zu verdanken. Sie sind vor drei Jahren gekommen, weil sie die Bücher mochten und wir konnten ihnen nichts weiter zeigen, als ein paar Zeichnungen auf Papier. Sie haben an das Projekt geglaubt, die Lizenz gekauft, uns Geld gegeben und vier Millionen Euro in die Entwicklung ihrer Spielsachen investiert, was auch zwei Jahre dauerte. Ohne sie und die Videospielproduzenten hätten wir zehn Millionen Euro weniger gehabt, und nicht die Qualität erreichen können, die wir jetzt haben.
In den USA ist der Film allerdings trotzdem nicht besonders erfolgreich.
Besson: Das ist immer dasselbe Problem. Sie haben meinen Film „Im Rausch der Tiefe“ ruiniert und „Das Fünfte Element“ lief auch in keinem Land so schlecht, wie in den USA. (lacht)
Ist das ein organisatorisches Problem der Verleiher oder der Mentalität?
Besson: Die haben da zunächst eine seltsame Zöllnermentalität. Die sagen: Wer bist du denn? Was erlaubst du dir, einen großen Animationsfilm gemacht zu haben? Gleich jenseits der Grenze, in Kanada kam der Film auf Nummer 1 der Kinocharts. Was Filmgeschmack angeht, gibt es mehr Gemeinsamkeiten zwischen Koreanern und Deutschen als zwischen Deutschen oder Franzosen und den Amerikanern. Ich denke, das liegt an der langen Geschichte und Tradition, die Europa und Asien haben. Die USA sind gerade mal 200 Jahre jung. Wie sie leben, was sie mögen und denken ist anders, wie von einem anderen Planeten.
Die europäische Filmbranche hängt zum großen Teil am Tropf öffentlicher Gelder. Welche Rolle spielen Fördergelder bei der Finanzierung Ihrer Projekte?
Besson. Gar keine. Zuerst bekam ich keine Subventionen, weil ich zu unbekannt war, jetzt bin ich zu bekannt. Ich versuche es erst gar nicht mehr. Es ist gut, dass es diese Subventionen gibt, aber wir haben mit den „Taxi“-Filmen, die ich produziert habe, sehr viel Geld verdient. Damit können wir unsere Projekte selbst vorfinanzieren.
2006 gab es so viele animierte Kinofilme wie nie zuvor. Nicht alle waren erfolgreich. Glauben Sie trotzdem, dass diesen Filmen die Zukunft gehört?
Besson: Ich weiß nichts über die Zukunft. Ich bin nur ein Regisseur. (lacht) Als wir vor sechs Jahren mit „Arthur“ angefangen haben sagten alle: 3D-Animation! Mach es nur in 3D! Und ich sagte: Sorry, aber ich will ein Geschichte erzählen und ich liebe es, in der Realität anzufangen, langsam in die animierte Welt zu gleiten und diese verschiedenen Welten zu mischen. Ich glaube letztlich, dass es den Leuten egal ist. Sie bezahlen Geld um eine gute Geschichte gut gemacht und gut erzählt zu bekommen. Bei „Happy Feet“ habe ich nach drei Stepptanznummern gedacht: Okay, ich hab’s kapiert. Dann habe ich mich gelangweilt. Aber technisch ist er überwältigend gut gemacht. „Findet Nemo“ hingegen ist von der Animation und der Erzählung wunderbar. Am Ende ist es die Story, die zählt. Wir haben diesen kleinen Film „Transporter“ gemacht, der sehr erfolgreich war. Mit einem Schauspieler den keiner kannte. Warum? Nicht wegen den Explosionen und den Effekten, dafür hatten wir eh kaum Geld, sondern weil der Hauptdarsteller Jason Statham cool war und coole Sachen gemacht hat. Er wäre ein perfekter James Bond…
Wo wir gerade davon reden. Haben sie den neuen James Bond Film gesehen?
Besson: Ja. Und den Film „B 13“?
Ähm, nein!
Besson: Den habe ich produziert, und die ersten fünf Minuten, die Verfolgungsjagd im neuen James Bond ist komplett aus „B 13“ geklaut. Der Typ, der dafür verantwortlich ist, ist auch Franzose und hat mit jemandem zusammengearbeitet, mit dem ich auch zusammengearbeitet habe.
Wollen Sie dagegen was unternehmen?
Besson: Nein. Das interessiert mich nicht. Quentin Tarantino lässt sich auch ständig „inspirieren,“ aber er macht da keinen Hehl draus. Er sagt: „Ich liebe „Leon der Profi“ und habe bei ihm geklaut.“ Er ist ein guter Freund von mir, ich liebe ihn und bin sehr glücklich darüber. Es ist nur ärgerlich, wenn so ein Einfluss bestritten wird. Wenn irgendwo stehen würde: „Danke an Luc Besson“ wäre ich schon zufrieden.
Ich wache jeden Morgen auf, um zu sagen, danke Lord Mutaba, um meinen Partner zurückzubringen, der für mich 3 Jahre lang ging. Wenn Sie seine Hilfe benötigen, ist sein Kontakt. E-Mail: graumutaba@ yahoo. com.