Björn, Mats, was ist euer Lieblingsstück auf dem Album „Give me Fire“?
Björn Dixgård: „Crystal“!
Mats Björke: Ja, „Crystal“ ist großartig. Ein wunderschöner Begräbnis-Song, den man auch in Wirklichkeit auf einer Beerdigung spielen könnte. Eine Hymne.
Björn: Sehr sentimental und melancholisch.
Mats: „Crystal“ folgt auf „A Decent Life“, was vom guten Leben eines Drogenkonsumenten erzählt und „Give Me Fire“, das von einem Drogenabhängigen und dessen Sucht handelt.
Björn: Die Songs passen in der Reihenfolge sehr gut zusammen, sie beschäftigen sich mit der Heroin-Sucht, die zum Tode führt – und dann zur Beerdigung.
Beziehen sich die Stücke auf wahre Begebenheiten?
Björn: Ja, sie beziehen sich auf die schwedische Dokumentation „A Decent Life“, die Teil der „Mods“-Trilogie ist, die Ende der 70er Jahre in Stockholm gedreht wurde und zwei Abhängige über Jahre begleitete. Sie lebten ein gutes Leben, in den 60ern hatten sie viel Spaß mit Alkohol und Marihuana. Aber in den 70ern änderte sich das, die Menschen begannen, Heroin zu nehmen, woran letztlich viele starben.
Mats: Sie starben, bevor sie überhaupt kapiert hatten, was sie da trieben.
Björn: Viele Leute sind damals gestorben, aber niemand hat das interessiert, das war bitter.
Glaubt ihr, dass diese Erfahrung zum heutigen, restriktiven Umgang mit Alkohol in Schweden geführt hat?
Björn: Vielleicht war es eine Reaktion darauf. Aber wir sind nicht politisch. Ich kann nicht sagen, ob das System heute funktioniert. Ich persönlich habe kein Problem mit den Regeln. Wenn du trinken willst, gehst du zum Geschäft. Schweden ist ja kein Polizeistaat.
Mats: Manchmal ist es gut Restriktionen zu haben. Sonst stirbst du und es läuft „Crystal“ auf deiner Beerdigung…
Was haltet ihr von der Devise „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“, passt die zu Mando Diao?
Mats: Unser Sex, unsere Drogen und unser Rock’n’Roll ist es, Musik zu machen. Dafür arbeiten wir auch hart. Im letzten Jahr haben wir unser Studio in Stockholm aufgebaut, um dort unser neues Album aufzunehmen.
Björn: Alles andere ist sekundär.
Mats: Wir haben einfach zu wenig Zeit, um unser Leben zu verschwenden, wie andere das tun. Die Zeit ist zu wertvoll.
Einige Fans waren mit eurem letzten Album „Never Seen The Light of Day“ nicht sehr glücklich. Wie steht ihr heute dazu?
Björn: Wir mögen es. Es war vielleicht das wichtigste Album überhaupt, weil es uns musikalisch freier gemacht hat. Wir können heute machen was wir wollen, genau so, wie wir uns gerade fühlen. Davon profitiert vor allem unsere neue Platte.
Hattet ihr je das Gefühl, euch wiederholen zu müssen, weil die ersten Alben so erfolgreich waren?
Mats: Nein. Klar ist jedes Album von Mando Diao, aber unser Erfolgsrezept war von Anfang an, dass wir uns nicht wiederholen.
Björn: Nach unseren ersten drei Alben hat man uns zu einem bestimmten Stil gezählt, einer Bewegung, aber das war uns nie wichtig. Mittlerweile sind wir davon auch wieder weg und können jede Art von Platte machen, die wir wollen.
2008 war das erste seit eurem Debüt „Bring ’em In“, in dem ihr weder ein Album noch eine EP veröffentlicht habt. War das so geplant?
Björn: Auch wenn wir nicht im Scheinwerferlicht standen, war das letzte ein hartes, vielleicht das härteste Jahr in unserer Bandgeschichte. Wir haben einfach mehr Zeit für das Album gebraucht, um das Studio in einem leeren Dachgeschoss einzurichten und um ganz viele Dinge auszuprobieren. Heute fühlen wir uns fast leer und hoffen, dass die Kraft bald zurückkehrt.
Glaubt ihr, es war eine gute Entscheidung in so kurzer Zeit so viele Alben zu produzieren?
Mats: Es war nie eine Entscheidung, sondern immer die Folge des kreativen Outputs unserer beiden Songwriter.
Björn: Sobald sie die Songs fertig hatten, haben wir sie eingespielt – und so waren wir dann immer recht schnell bei einem Album. Vielleicht geht das von nun an, mit unserem eigenen Studio, noch schneller.
Unser Sex, unsere Drogen und unser Rock’n’Roll ist es, Musik zu machen.
Vielleicht wärt ihr aber noch erfolgreicher, wenn ihr eure Fans etwas länger auf ein neues Album warten lassen würdet.
Björn: Wir wollen diese Dinge nicht strategisch angehen. Ist ein Album fertig, wollen wir das sofort veröffentlichen. Wir werden nicht irgendwelchen ungeschriebenen Gesetzen folgen, die mindestens ein Jahr Pause zwischen den Alben vorsehen.
Schon die Beatles oder auch die Stones hatten zwei Songwriter – funktioniert das immer?
Björn: Vermutlich ist das der Grund, warum wir so viele Alben produzieren: Gustav und ich inspirieren uns gegenseitig sehr, weil wir uns in die gleichen Richtungen bewegen, wir mögen zum Beispiel dieselben Filme. Das ist eine Art Mikroorganismus, der sich immer in die gleiche Richtung bewegt. Dabei ist unplanbar, ob wir zusammen schreiben oder jeder für sich.
Mats: Sie treten sich gegenseitig in den Arsch!
Björn: Es kommt vor, dass ich mitten in der Nacht Gustav anrufe und ihm von der Melodie in meinem Kopf berichte. Dann treffen wir uns.
Das klingt sehr freundschaftlich. Seht ihr euch immer noch als Freunde oder seid ihr mittlerweile Kollegen?
Björn: Freunde. Ich möchte niemanden in der Band als Kollegen betrachten. Wir wollten immer speziell sein und sehen uns als privilegiert an, das miteinander zu teilen, weil wir Musik so sehr lieben. Würde sich unser Verhältnis untereinander ändern, müssten wir uns etwas Anderes, Neues suchen. Weil wir dann keine gute Musik mehr erschaffen würden.
Wie wichtig war es für euch, ein eigenes Image der Band zu kreieren?
Björn: Wir hören häufig, wie wichtig das sei. Aber letztlich planen wir es nicht. Es spiegelt unsere Stimmung wieder, die gut, schlecht, arrogant, nett, kalt oder warm sein kann. Manchmal ziehen wir uns sehr schick an, manchmal auch echt übel.
Björn: Unsere einzige Image-Regel besteht darin, möglichst viele schwarze Klamotten zu tragen. Damit wollen wir einerseits neutral sein, aber andererseits unserer Vorliebe für schwarze Kleidung Tribut zollen.
Es heißt ihr wärt in einem Dauerkonflikt mit euren schwedischen Kollegen von „The Hives“…
Björn: Ich glaube das ist eher so ein Mediending.
Mats: Ich halte uns für grundverschiedene Bands. Wir arbeiten mit anderen Melodien und produzieren komplett unterschiedlich…
Björn: Sie sind eine hart arbeitende Band, genau wie wir. Und damit hat sich’s. Es gibt keinen Krieg zwischen uns oder so was.
Würdest du sagen, dass du „The Hives“ magst?
Björn: Ich respektiere sie.
Eine Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figuren seid ihr?
Mats: Ich wäre Bamse (in Deutschland bekannt als „Tino Tatz“)! Das ist eine schwedische Comicfigur, er ist sehr freundlich, aber wenn er wütend ist, schleckt er seinen Zauber-Honig, der ihn sehr stark macht.
Björn: Hm, ich glaube, ich wäre Superman. Er ist ein echter Held, wenn er im Scheinwerferlicht steht, sonst aber schwach und zurückhaltend. Er ist einer von den Guten!
Ist Superman nicht auch eine schöne Metapher für die Mando Diao-Songs, die sehr wuchtig daherkommen, dabei aber oft tiefsinnige Inhalte haben?
Björn: Ja. Wir schreiben Songs wie eine Art Tagebuch. Das ist eine Art Therapie, ohne die ich nicht leben könnte. Selbst wenn wir irgendwann mit Mando Diao aufhören sollten, werde ich weiter Songs schreiben. Sie geben mir Selbstvertrauen.
Wie könntest du dich noch ausdrücken, außer mit Songs?
Björn: Vielleicht mit Gedichten. Oder ich könnte Bilder malen, die Mats mir richtig teuer abkauft. Er hat mir schon ein Bild abgekauft, das ich in Wien gemalt habe.
Mats: Ja, ich hab’s genommen und davon Fake-Kopien produziert, die ich dann für viel Geld auf Ebay angeboten habe.