Markus Babbel

Mein Traum ist es, Meister zu werden – in der zweiten Liga

Markus Babbel über Hertha BSC, seine Lehrjahre bei Bayern München, Spielermotivation und Mental-Training

Markus Babbel

© herthabsc.de

Herr Babbel, Nach München, Hamburg, Stationen in England und Stuttgart bezeichnen Sie sich selbst nicht mehr als Bayer, sondern als Globetrotter. Kann sich ein Globetrotter schon nach einigen Monaten in Berlin mit der Stadt identifizieren?
Markus Babbel: Nein, mit der Stadt sicher nicht, wegen der bin ich ja auch nicht hergekommen. Sondern wegen dem Verein, und mit dem kann ich mich identifizieren. Oft werde ich gefragt: „Fühlen Sie sich schon heimisch?“ Und ich sage immer: Nein! Das muss ich auch nicht. Wichtig ist, dass mir die Arbeit Spaß macht, und das tut sie. Ich nutze die Annehmlichkeiten, welche die Stadt zweifelsohne mit sich bringt, nicht für mich. Die wenige Zeit, die ich habe, verbringe ich mit meiner Familie in München. Manchmal bin ich auch einfach froh, mal auf der Couch zu liegen und Fernsehen zu schauen. Ich bin nicht der Typ, der sich in den Bus hockt und sich alle Sehenswürdigkeiten der Stadt ansieht.

Klaus Wowereit hat es geschafft, die Stadt Berlin in einem Satz zu beschreiben: „Arm, aber sexy.“ Können Sie Hertha auch in einem Satz charakterisieren – womöglich mit denselben Worten?
Babbel: (lacht) Wenn ich das über Hertha sagen würde, würden wahrscheinlich 17 Ligakonkurrenten verwundert sein, was ich da von mir gebe. Was ich sagen kann ist, dass ich wahnsinnig überrascht bin, wie groß dieser Verein ist. Klar, ich war zuvor immer mal wieder in Berlin, ob für Spiele gegen Hertha oder für das Pokalfinale. Aber die Stadt an sich habe ich nie wirklich kennen gelernt und den Verein auch nie so richtig wahrgenommen. Mittlerweile kenne ich die großen Möglichkeiten, die man bei der Arbeit für Hertha hat. Ich habe mich schon ein bisschen in den Club verliebt.

Oft wird das Scheitern eines Trainers auch darauf zurückgeführt, dass er sich nicht ausreichend mit der Region beschäftigt hat, in der er arbeitet. Muss man in Ihren Augen Fußball und Leben trotzdem trennen?
Babbel: Muss man nicht. Wenn sich ein Trainer auch in die Stadt verliebt, in der er arbeitet – umso besser. Aber das ist nicht meine Intention. Mir geht es um die Arbeit im Verein. Ich bin ein Team-Player und als solcher sehr froh, dass hier so gute Leute beschäftigt sind. Auch für die Fans ist es wichtig, dass sich der Trainer vor allem mit dem Verein identifiziert. Das tue ich – und zwar nicht, weil ich es muss, sondern weil es einfach so ist. Ob man in Berlin tolle Partys feiern und gut essen gehen kann, interessiert mich weniger. Wichtig ist, was wir mit Hertha schaffen.

Durch den sportlichen Erfolg hat man die Fans von Hertha BSC wieder beruhigen können. Vor einem Jahr sah das noch ganz anders aus. Hat Sie der damalige Trümmerhaufen Hertha wirklich gereizt, hierher zu kommen?
Babbel: Nein. Die Situation des Vereins war für mich weder besonders motivierend noch beängstigend. Mir hat die klare Zielstellung gefallen: der sofortige Wiederaufstieg. Ich bin sehr geradlinig und nicht der Typ für „Schau’n mer mal, dann sehen ma schon“. Wenn wir den Aufstieg nicht schaffen, bekommt der Verein ein Problem.

Und Sie keinen neuen Vertrag.
Babbel: Wobei das für mich das geringste Problem ist. Es ist ja mein eigener Anspruch, den Aufstieg zu schaffen.

Die eigenwillige Vertragsvergabe für Trainer und Spieler im Profibereich sind dennoch oft Grund für Diskussionen. Bei Hertha erhielten Sie zu Saisonbeginn beispielsweise nur einen Einjahresvertrag. Der bereits 33-jährige Levan Kobiashvili hingegen durfte bis 2013 unterschreiben. Eigentlich bizarr, oder?
Babbel: Für Sie scheint das vielleicht bizarr und auch nicht ganz nachvollziehbar. Aber es sind halt Unterschiede, ob man einem Spieler oder einem Trainer einen Vertrag ausfertigt. Beim Spieler, wie z.B. Kobiashvilli, zählen ganz andere Parameter als bei Trainern. Das kann man nicht vermengen. Kobi ist eine wertvolle Stütze, die wir unbedingt halten wollten. Und für Trainer gilt sowieso der Spruch von Corny Littmann, den er einmal zu mir sagte: „Augen auf bei der Berufswahl!“

In welchem Zusammenhang fiel der Spruch?
Babbel: Als ich gerade in Stuttgart entlassen wurde und ein bisschen deprimiert war. Da meinte er: „Soll ich jetzt Mitleid mit Ihnen haben?“ Schließlich verdiene man als Trainer ja auch gutes Geld. Im Nachhinein muss ich sagen, dass er absolut Recht hatte. Ich muss den Gegenwind verkraften können, weil ihn dieses Business eben mit sich bringt. Wenn ich das nicht aushalte, muss ich mir was Anderes suchen und werde vielleicht Jugendtrainer, da ist die Verantwortung nicht ganz so groß.

Nach Stuttgart ist die Aufgabe bei Hertha ja auch die Möglichkeit für Sie, es allen Zweiflern mal so richtig zu zeigen.
Babbel: Ich mache das nicht, um es den Zweiflern zu zeigen, sondern um mir selbst etwas zu beweisen. Wir können es schaffen, auch wenn dazu neben ein bisschen Glück auch Schiedsrichterentscheidungen und Verletzungen gehören, die man nicht beeinflussen kann.

Zitiert

Vor meiner Zeit war es mit der Disziplin nicht so gut bestellt.

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Träumen Sie manchmal von einer Rehagel-Karriere: erst der Wiederaufstieg, dann die Meisterschaft?
Babbel: Mein Traum ist es, Meister zu werden – aber in diesem Jahr erst mal in der zweiten Liga. Wenn wir das schaffen, haben wir einen guten Job gemacht, nicht mehr und nicht weniger. Das, was Rehagel geschafft hat, wird es in den nächsten 100 Jahren wahrscheinlich nicht mehr geben. Die Situation war damals auch eine andere. Kaiserslautern hatte gestandene Nationalspieler und eine sehr routinierte Mannschaft. Bei uns hat es vor der Saison einen großen Umbruch gegeben, 14 Spieler sind gegangen, genauso viele sind gekommen. Und wir haben sehr viele junge Spieler mit eingebaut.

Hilft Ihnen bei Hertha jetzt auch die Siegermentalität, die Sie als langjähriger Spieler bei Bayern München haben mussten?
Babbel: Ich habe 16 Jahre bei Bayern gespielt. Dort lernt man vor allem eines: Wir müssen gewinnen! Man ist enttäuscht, wenn man Zweiter wird. Es war ein langer Prozess, den ich in München durchlebt habe. Und es braucht mehr Zeit als ein Dreivierteljahr, das ich jetzt bei Hertha bin, um diese Mentalität auch hier zu etablieren.

Sie haben mal gesagt, Sie könnten von Ihren Spielern nichts verlangen, was Sie ihnen nicht selbst vorleben. Gibt es denn schon neue Tugenden bei Hertha BSC, für die Sie verantwortlich sind?
Babbel: Vor meiner Zeit war es mit der Disziplin nicht so gut bestellt. Darauf achte ich jetzt sehr. Dazu gehören auch Pünktlichkeit und gute Trainingsleistungen. Ich kann nur 100 Prozent auf dem Platz geben, wenn ich genauso viel im Training gebe. Ich arbeite hier ähnlich wie in Stuttgart, wo wir ein halbes Jahr lang sehr erfolgreich waren. Danach gab es Gründe, warum es in die Brüche ging. Ich war oft nicht da, weil ich den Fußballlehrer-Schein gemacht habe. Ich habe sicherlich Fehler begangen, die ich hier noch nicht gemacht habe.

Können Sie sich noch an Ihre Antrittsrede vor der Mannschaft zu Beginn der Saison erinnern?
Babbel: Ich hab den Spielern gesagt, dass wir ein großes Ziel haben: der sofortige Wiederaufstieg.

Das wussten die Spieler ja schon.
Babbel: Man muss es den Jungs aber klar definieren und vom ersten Tag an zeigen, dass wir wahnsinnig hart arbeiten müssen, um dieses Ziel auch zu erreichen.

Haben Sie auch mit einem Psychologen gearbeitet?
Babbel: Nein, gar nicht.

Sind Sie selbst der Psychologe?
Babbel: Genau.

Was macht Sie als Psychologe aus?
Babbel: Ich spreche viel mit den Spielern, das tut auch der Co-Trainer und das Team drum herum. Ich musste mich zu Beginn auch erst mal auf die Suche nach Spielern machen und konnte nicht auch noch nach einem Mental-Trainer Ausschau halten. Ich bin vor Mental-Trainern nicht verschlossen und denke auch, dass es helfen kann, jemanden in diesem Bereich zu haben. Aber in der kurzen Zeit, die wir hatten, war es einfach unmöglich, jemanden zu holen. Ich finde es grundsätzlich auch nicht richtig, in Phasen, in denen es mal nicht läuft, jemanden von außerhalb zu holen. Dann denken die Spieler womöglich: Jetzt fällt denen gar nichts anderes mehr ein! Ich hatte in meiner gesamten Karriere noch keinen Mental-Trainer – und aus mir ist auch etwas geworden.

Wie sah es denn vor der Saison mit der Motivation bei Spielern wie Adrian Ramos und Raffael aus?
Babbel: Wir haben mit ihnen ganz normale Gespräche geführt, in denen ein Dolmetscher mit dabei saß. Ich hoffe, der hat alles eins zu eins übersetzt. (lacht)

Ramos und Raffael hat man doch sicher nur mit viel Geld in eine Zweitligasaison schicken können.
Babbel: Das sind Profis! Natürlich spielen die auch ums Geld. Aber glauben Sie mir, Raffael verzichtet auf viel Geld, wenn er hier spielt. Und dass Ramos weg wollte, ist bekannt. Genauso wie es bekannt ist, dass wir ihn nicht gehen lassen wollten – es sei denn, es käme ein unmoralisches Angebot. Das kam aber nicht. Letztendlich ist es doch so, dass es kaum Profis gibt, die nur aus Spaß an der Freude spielen – da können Sie hingehen, wo Sie wollen. Es gibt höchsten ein paar 35-Jährige, die aus Vereinsverbundenheit auch gerne für etwas weniger spielen. Ein Profi muss die sportliche Perspektive sehen und darüber hinaus Geld verdienen. Raffael und Ramos sind dageblieben, weil sie a) den Verein mögen, b) gutes Geld verdienen und c) weil sie mithelfen wollen, wieder nach oben zu kommen. Ramos und Raffael tun alles dafür, um mit Hertha BSC wieder in der Bundesliga zu spielen.

Am Anfang der Saison konnte man Ihre Rolle noch nicht mit der von Jürgen Klopp vergleichen. Jetzt schon? Schließlich wäre mittlerweile für Sie beide alles andere als Platz Eins am Ende eine Enttäuschung.
Babbel: Nein, denn Klopp macht ja etwas Außergewöhnliches mit einer Mannschaft, die keiner auf der Rechnung hatte und jetzt vorne weg marschiert. Uns hatte jeder auf dem Zettel, wir sind der absolute Top-Favorit. Uns kann man eher mit Bayern München vergleichen – wir müssen Erster werden! Der Unterschied ist nur, dass Bayern München seit Jahrzehnten mit diesem Anspruch in die Saison startet.

Auf einer Presse-Konferenz haben Sie kürzlich zwei Dinge kritisiert: zum einen, dass es bei Hertha BSC nur ein Schwarz oder ein Weiß gibt, und zum anderen, dass die Medien sich an den Aufs und Abs der Mannschaft ständig ausfallend hochziehen. Zumindest am sportlichen Schwarz und Weiß ist doch aber Hertha BSC ganz allein verantwortlich – oder?
Babbel: Um das beurteilen zu können, bin ich noch nicht lange genug da. Aber was die Medien betrifft, fällt mir nicht nur bei uns auf, dass es immer weniger gute Berichte und sachliche Kritik gibt. Früher war es ein Geben und Nehmen, da konnte man mit einem Journalisten auch mal an der Bar sitzen und ein Bier trinken. Heute muss es immer polemisch und reißerisch sein. Und wenn ein Journalist dann nicht mehr scharf genug schreibt, kommt eben der nächste, der eher über Leichen geht. Ich möchte nicht mal sagen, dass das ein Problem nur bei der Presse ist, und wir bei Hertha die Armen sind. Es ist wohl eher ein gesellschaftliches Problem. Das hat man zuletzt ja auch im Fall von Karl Theodor zu Guttenberg gesehen. Der hat Mist gebaut – aber von dem Mist wusste man doch schon früher. Die Frage war nur: Wann kommt der Mist raus? Das war dann drei Tage vor der Wahl in Hamburg. Hier wurde bewusst von hinten mit dem Messer attackiert. Guttenberg hat einen Fehler begangen – aber deshalb ist er doch kein schlechter Politiker. Es interessiert doch keine Sau, ob der nun einen Doktortitel hat oder nicht.

Das Interview entstand Ende Februar 2011.

Markus Babbel (*1972 in München) begann seine Fußballerkarriere 1979 beim TSV Gilching-Argeslried, von wo aus er zur Jugend des FC Bayern München wechselte. In München wurde er Profi und Nationalspieler (51 Länderspiele) und bis zu seinem Wechsel mehr

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