Markus Kavka

Viva Zwei war das letzte große Experiment

TV-Moderator Markus Kavka über den Wandel von Viva Zwei zu Viva Plus, Retortenbands, Chancen für unkommerzielles Musikfernsehen und Geflirte mit Kylie Minogue

Markus Kavka

© MTV Networks GmbH

Hi Markus! Hast Du Dich denn seit dem 7. Januar vermehrt vor den Fernseher gesetzt und den neuen Musik-Kanal Viva Plus eingeschaltet?
Markus Kavka: Nur am ersten Tag, wenn ich ehrlich bin, und dann eher gelegenheitsmäßig, aber ich habe hier bei MTV ja auch andere Sachen zu tun, als den ganzen Tag Viva Plus zu glotzen. Ich bin natürlich nach wie vor mit vielen Leuten freundschaftlich verbunden, die da arbeiten, einer meiner besten Kumpel ist bei Viva Plus Producer. Und eigentlich ist ja die komplette Viva Zwei-Mannschaft bis auf ein paar Ausnahmen dort redaktionell tätig. In Köln bin ich ja hin und wieder, sozusagen mein Zweitwohnsitz. Und da habe ich auch viele getroffen und mit denen drüber gesprochen. Und am letzten Freitag [18.02.] war ich erst bei der Viva Zwei-Abschiedsparty in Berlin – ich weiß schon was passiert, ohne dass ich jetzt eine komplette Senderanalyse gemacht hätte in den letzten Tagen.

Und wie ist nun Dein erster Eindruck?
Kavka: Ich kenne das ja, was passiert, wenn man ein neues Programm aus dem Boden stampft. Ich war ja damals, als aus dem alten Viva Zwei, aus diesem erwachsenen AOR-Sender von heute auf morgen dieser Alternative-, Indie-Sender wurde. Da hatten wir zum einen natürlich auch technische Probleme. Zum anderen haben uns die Leute, die das Programm vorher gerne geguckt haben und nichts dagegen hatten, wenn den ganzen Tag Phil Collins und Mariah Carey-Videos kamen, natürlich total angekackt, als dann plötzlich Indie-Rock im Tagesprogramm lief. Ich glaube, ähnlich war es auch hier. Ich habe da eine sehr differenzierte Betrachtungsweise, weil ich auf der einen Seite für einen Konkurrenten arbeite, auf der anderen Seite aber weiß, dass viele Freunde von mir das Programm bei Viva Plus machen. Und, dass – wenn ich nicht das Angebot von MTV bekommen hätte – ich vielleicht heute selbst bei Viva Plus in irgendeiner Weise arbeiten würde. Deswegen denke ich, dass es mir gar nicht wirklich zusteht, das Programm qualitativ zu beurteilen. Natürlich habe ich auch die Presse verfolgt und da hat man ja bis zum heutigen Tag kein gutes Haar dran gelassen. Aber das war auch zu erwarten, weil die Ex-Viva Zwei-Fanklientel gegenüber dem alten Sendekonzept zu loyal ist und daher die Frage stellt: Wer braucht diesen Sender?

Bist Du denn jemand, der dem alten Viva Zwei nachtrauert?
Kavka: Ich bin ja jetzt schon länger in dem Geschäft und kann natürlich aus business-technischer Sicht vollkommen nachvollziehen, warum es Viva Zwei nicht mehr gibt. Denn schon als ich da gearbeitet habe stand ja im Raum, dass der Laden plattgemacht wird und etwas Kommerzielleres an seine Stelle rückt. Ich werde die Zeit nie vergessen, die ich da gearbeitet habe. Und das war ja für mich der Schritt von Genre-Sendungen beim Mutterschiff Viva zu einer täglichen Show mit 2Rock und vielen anderen Dingen, die ich dann im Fernsehen gemacht habe. Das Arbeitsklima, dass man dann im Prinzip mit ein paar Freunden so eine Art Fanzine-Fernsehen macht, dass waren schon Arbeitsumstände, den ich nicht wirklich nachtrauere, weil es natürlich ein Schritt in meiner Entwicklung war die dann ja auch weitergehen musste. Aber trotzdem ist es eine Zeit, die ich nie vergessen werde. Weil ich jetzt bei MTV bin habe ich kaum oder gar nicht mehr Viva Zwei geguckt, was in erster Linie daran lag, dass es in München nicht zu empfangen war, bzw. nur nachts. Ich finde es persönlich sauschade, dass es so ein Programm nicht mehr gibt, aber verstehe wie gesagt vollkommen, warum auch Schluss sein musste mit dem Verlust, den man da konsequent eingefahren hat. Es gab einfach zu wenig Leute, die dieses Programm zu schätzen wussten.

Man konnte in der Presse in den letzten Tagen auch immer wieder kritische Töne lesen gegenüber Viva Zwei, vom Versuch die Subkultur zum Mainstream zu machen. Hattest Du als Moderator bei Viva Zwei auch dieses Gefühl?
Kavka: Das ist natürlich der große Einwand. Ich kannte das noch aus einer Zeit, als ich noch für einen eher indie-orientierten Radio-Sender gearbeitet habe und da ist ja auch immer diese ewige Mayor Label vs. Indie Label -Diskussion. Es gibt halt immer Leute, die total devoted und auch ein bisschen eitel sind, was das Auftun von irgendwelchen Insider-Themen betrifft. Und die wollen Sie dann erst mal auch nur für sich haben. Bei Viva Zwei kam natürlich dann der Vorwurf: „super, jetzt spielt ihr Bands im Fernsehen, die eigentlich nie kommerziell erfolgreich sein wollten, die auf dem Level, auf dem sie waren vollkommen glücklich waren“. Es ist eine müßige Diskussion, weil Tatsache ist einfach, dass in dem Moment, wo eine Band bei einem einigermaßen großen Label unterschreibt und sich dann bereiterklärt ein Video zu machen, dass dann niemand von Konsument über Band bis hin zur Plattenfirma etwas dagegen haben kann, dass das Video auch im Fernsehen kommt. Und es war ja nicht nur so, dass wir alternative kommerzielle Musik gespielt haben. (Die Eigenschaften schließen sich ja eigentlich aus, aber dieses Alternative-Zeug und Post-Grunge-Zeug, das ist ja mittlerweile der Mainstream von heute. Was früher Alternative war, von Smashing Pumpkins bis Creed ist mittlerweile immer ein Top10-Thema. Und das war natürlich schon ein Eckpfeiler des Programms von Viva Zwei). Aber es war von Anfang an so, dass wir da auch Sachen eingestreut haben, wie zum Beispiel Videos, die eine studentische Videofilmgruppe gemacht hat zu einem Elektronik-Track, der vielleicht in einer Tausender-Auflage auf Vinyl erschienen ist. Das haben wir genauso gespielt, weil wir gesagt haben: finden wir super. Da war es fast ausgeschlossen, dass das Ding jemand kauft, weil die Tausender-Auflage hatten sich komplett DJs gekrallt und der Rest, der eine Platte haben wollte, der guckte in die Röhre. Das war so ein optischer und akustischer Tupfer im Programm und so etwas haben wir immer gemacht. Wir haben bei Viva Zwei zwar kommerzielle Clips benutzt als Tool, aber es war immer wichtig, dass man die Leute auch auf Sachen stößt, auf die sie sonst nicht gekommen wären. Da war irgendwie jeder froh drum.

In Deutschland werden vier Musik-TV-Sender produziert (mit Onyx sind’s fünf), wie viel Musikfernsehsender braucht Deutschland, verträgt Deutschland?
Kavka: Also im Prinzip ist es jetzt ja schon so, dass man sagen kann: Viva gegen MTV. Und alles was darunter kommt, Viva Plus oder MTV 2 Pop, darf man schon als Spartenprogramm ansehen. Und Onyx ist halt in der Beziehung „ferner liefen“. Also im Prinzip würden erst mal zwei Sender reichen, Viva und MTV. Allerdings ist es so, dass man natürlich seitens dieser beiden großen die Möglichkeit nutzt, sich mit einem zweiten oder anderthalbten Bein strategisch ein bisschen anders zu positionieren. Das tut Viva Plus jetzt auf eine gewisse Art und Weise als Ergänzung zu Viva – eine Alternative ist es ja nicht wirklich, allein was die Musik angeht. Und das tut MTV auch mit MTV 2 Pop, wo halt mit einer vollkommen anderen Konsequenz kommerzielle Musik mit wenig Moderation gefahren wird, auch dafür gibt es eine Klientel. Aber ich glaube, dass weder die MTV 2 Pop -Stammseher, noch die kommenden Viva Plus -Stammseher sich großartig beschweren würden, wenn einer dieser beiden Spartensender wegbrechen würde. Dann würde man halt MTV und oder Viva gucken und damit wäre es dann auch schon getan.

Du bist über Deine musikjournalistische Laufbahn schon lange in diesem Business dabei. Wenn Du heute Deinen Job und das Umfeld anschaust, gibt es da etwas, was Dich besonders nervt am Betrieb Musikfernsehen?
Kavka: …Es sind ein paar persönliche Dinge, aber das hat jetzt nichts mit Musikfernsehen generell zu tun. Vielleicht am Rande – es ist halt schon immer so, dass der Hype, der drum herum gemacht wird, mir phasenweise auf den Sack geht. Ich hatte nie Ambitionen in so eine Quasi-Popstar-Rolle gedrängt zu werden, das macht auch niemand der Leute, mit denen ich zusammenarbeite. Aber in der öffentlichen Meinung ist es schon so, dass ja mittlerweile Moderatoren im Musikfernsehen, ob ich das bin oder Mola Adebisi oder wie sie alle heißen, auf so einen Sockel gehoben werden. Das ist mir gar nicht recht, weil ich die Sachen, die ich tu, auch gerne machen würde ohne meine Fresse ins Fernsehen zu halten. Aber letzten Endes ist es doch der Job selbst, der mir viel Spaß macht. Die Konsequenz daraus, Teil von so einem glamourösen Gebilde zu sein, das missfällt mir aber. Und generell muss man sich beim Musikfernsehen an die extreme Kurzlebigkeit gewöhnen. Und eine Entwicklung, die ich natürlich auch mit Argwohn sehe, ist generell der immer mehr zurückgeschraubte journalistische Gehalt dieser Veranstaltung, der natürlich immer damit gerechtfertigt wird, dass die Leute es im Prinzip gar nicht sehen sollen, wenn so viel im Musikfernsehen gelabert wird, im Hinblick auf Interviews oder eine tiefergehende redaktionelle Aufbereitung eines Themas. Aber das ist etwas, das kann ich bei den Sendungen, die ich mache nach wie vor auf einem relativ hohen Level fahren. Ich habe überhaupt das Gefühl, dass bei MTV alles auf einem anderen Level läuft, als es jetzt auf Viva oder Viva Plus der Fall ist. Hier ist der journalistische Wert schon noch um einiges höher.

Mal in die Frühphase Deines Werdegangs zum Musikjournalisten hineingefragt, in welchem Alter hast Du unterscheiden können zwischen einem Act und einem richtigen Musiker?
Kavka: Hm… im letzten Jahr hatten wir ja die Blaupause für den Act mit „Popstars“ auf RTL2. Und da gibt es die Diskussion, die ja schon seit ganz vielen Jahren am Laufen ist, ob denn zusammengecastete Bands, Bands die vielleicht ein bisschen singen können, aber ansonsten ihre Songs nicht selbst schreiben und auch keine Instrumente spielen können, ob die überhaupt eine Daseins-Berechtigung haben, verglichen mit der sogenannten handgemachten Musik. Aber ich habe mich schon vor längerer Zeit aus dieser Diskussion verabschiedet, weil ich eigentlich immer auch elektronische Musik gehört habe, die ja so gesehen auch entmenschlicht ist. Da sitzt halt irgendein Nerd, der bastelt seinen House-oder Technotrack zusammen und es ist aber trotzdem großartige Musik. Der ist dann weder ein Act im klassischen Sinne noch ist er ein Musiker im klassischen Sinne. Also irgendwie hat alles seine Daseinsberechtigung, weil ja immer ein anderes Konzept dahinter steht. Und man kann von No Angels und Bro’sis halten was man will, aber der Weg dahin, der ist schon ziemlich genial.

Genial?
Kavka: Ja, genial von den Leuten, die dieses Konzept entworfen haben. Die Leute, die jetzt auf der Bühne stehen, die würde ich weniger als genial bezeichnen.

Worauf ich eigentlich hinaus wollte, dass die Teenager scheinbar nicht dahinter steigen, große Fanscharen von Bro’sis oder No Angels stürmen die Konzerthallen. Deshalb war meine Frage, wann Du denn dahintergestiegen bist, das eventuell eine Deiner Traumbands nicht so viel mit dem kreativen Prozess zu tun hatte.
Kavka: Das ist mir persönlich nicht passiert, ich komm ja eher von der Punk-, Rock-, Indie-Schiene und die großen Popsachen die ich gehört habe – Depeche Mode und Petshop Boys oder New Order – das waren auch alles Bands, die einen entsprechenden Backround haben und die auch selbst für ihren Kram verantwortlich waren. Ich glaube, als dieses Phänomen (des Acts) das erste Mal diskutiert wurde muss wohl zu Zeiten von Milli Vanilli gewesen sein. Da war ich schon raus aus dem Alter. Ich war damals kurz schockiert „huch, die singen gar nicht selbst“ aber dann habe ich mir gedacht: ist ja eigentlich egal. Frank Farian hat ja auch bei Boney M. schon ganz lustige Sachen gemacht. Ich hatte dann immer so eine „Na und“-Einstellung dazu. Ich war nie dogmatisch, was die Art und Weise anging, wie Musik gemacht werden muss.

Aber was meinst Du, ist der Grund, dass sich die Teenager da heute so verblenden lassen und mittlerweile schon die zweite Staffel von „Popstars“ zu einem glorreichen Ende geführt haben?
Kavka: Das ist wahrscheinlich auch diese totale Medienpower. Ende der 80er, Anfang der 90er hätte ich mir persönlich gar nicht vorstellen könen, dass so ein Projekt überhaupt hätte entstehen können, zumal es damals noch gar nicht in der Art und Weise Privatfernsehen gab. Und dann hat man natürlich gesehen, mit Sachen wie Bravo TV, The Dome etc. bei auf die Zielgruppe abschielenden Sendern wie RTL2 und Pro7, dass man damit Quote erzielen kann und man hat die Maschine richtig angeschmissen. Das war nur eine Konsequenz aus diesem Destillat Bravo, Musikfernsehen und Privatfernsehen auf einem gewissen Level. Wenn man diese verbindet und volles Pfund auf 12-15-Jährige abzielt, dann ist es eigentlich ein ziemlich leicht kalkulierbarer Erfolg. Es war klar, dass das funktionieren musste. Dass war ja auch erst mal so „große weite Welt“ für alle Teenies, in die sie, wenn sie sich nur genügend Mühe geben und Talent haben, selbst auch mal kommen können. Das suggeriert man Ihnen ja und das ist wahrscheinlich eins der Erfolgsgeheimnisse hinter „Popstars“.

Aber als Musikjournalist, gab es da nicht irgendwann einen Punkt, wo Du Dir gesagt hast „eigentlich gibt es nur einen ganz geringen Teil von richtigen Musikern und der Rest wird produziert, vermarktet und macht die großen kommerziellen Erfolge – der Beruf wird schwierig auszuüben sein?“
Kavka: Ich habe mich grundsätzlich schon immer ein bisschen als Missionar gesehen. Das ging in der Schule schon los, als ich gesehen habe, wie meine Klassenkameraden tütenweise Bruce Springsteen und Bryan Adams Platten angeschleppt haben und ich dann ankam und gesagt habe: „hier, die heißen Joy Division, The Cure, Bauhaus – sind auch nicht schlecht“. So ging das aber meine ganze Karriere hindurch, dass ich immer versucht habe, so eine Alternative zu sein. Und ich habe sehr wohl beobachtet, ganz genau sogar, was Mainstream ist und habe dann aber immer mit ein paar Gleichgesinnten einen Gegenentwurf in der Schublade. Das Medium für das ich arbeite und die Reichweite dieses Mediums, die wurde konsequent größer, also vom kleinen Fanzine über Radiosender bis hin zu MTV. Und trotzdem ist der Grundgedanke hinter meiner Arbeit immer der gleiche geblieben: den Leuten immer einen Spiegel vorzuhalten, was sie sich denn da eigentlich geben und ihnen aber auch gleichzeitig eine Alternative liefern. Ich habe noch nie blind gegen den Mainstream geschossen, weil das ist echt eine müßige Diskussion. Und solange ich merke, dass doch immer Leute zuhören und sich ein bisschen mehr mit der Materie auseinandersetzen bin ich auch nicht am total falschen Ort.

Meinst Du denn, es gäbe irgendwann eine Chance für unkommerzielles Musikfernsehen?
Kavka: Also, das ist ein Auftrag, den das private Fernsehen nicht leisten kann. Ich finde es auch immer ein bisschen heuchlerisch, wenn jetzt rumgehackt wird auf MTV und Viva Plus, warum diese oder jene Genre-Sendungen nicht mehr laufen und das Programm so kommerziell gemacht wird. Aber da muss sich halt die ARD, das ZDF und alle anderen öffentlich-rechtlichen die Frage stellen lassen, warum sie denn mit den GEZ-Gebühren nicht im Stande sind, wenigstens einmal im Monat – ich will ja gar nicht von einmal in der Woche reden – ein ambitioniertes, alternatives Musikmagazin zu machen. Und ich denke halt, dass aufgrund des Zusammenhangs, dass sich MTV und alle anderen Musiksender durch Werbung finanzieren, man nicht erwarten kann, dass es so etwa wie Viva Zwei noch mal geben wird. Ich glaube das war das letzte große Experiment in der Richtung. Am Anfang war es ja auch ganz klar als strategisches Tool gegen MTV positioniert, weil MTV Genre-Sendungen hatte und auch noch diesen Spirit aus englischsprachigen Zeiten. Da ging es einfach darum, diese bisschen unkommerziellere Klientel abzuziehen. Und dann hat man halt gesehen, dass die Leute, die redaktionell hinter Viva Zwei stecken, super devoted sind und auch sauviel Ahnung haben, von dem was sie machen. Das war dann war das irgendwann ein Selbstläufer, aber mit einer keineswegs ausreichenden Fanklientel dahinter. Die Zuschauerzahlen, die waren halt desolat, genauso, wie die Werbeeinnahmen. Und wenn man mit so einer Mobilmachung die Leute – die es ja sicher irgendwo gibt und die einen ausgewiesen guten Musikgeschmack haben und sich auch gerne informieren – nicht erreichen kann, dann muss man sich mit dem Gedanken anfreunden, dass viele dieser Leute, leider nicht Musikfernsehen als Informationsmedium nutzen, sondern sich dann auf Magazine verlassen, oder selbst in den Plattenladen gehen und sich einen ganzen Stapel durchhören. Also, ich glaube der Zug ist ein für allemal abgefahren. Eine kleine Chance könnte es noch geben, wenn die Digitalisierung so weit vorangeschritten ist, dass man dann für jeden Kram einen Spartenkanal hat, aber dann befinden wir uns wieder in einer ganz anderen Liga.

Was würdest Du denn den Ex-Viva Zwei-Zuschauern und Fans, die sich jetzt zusammensammeln im Internet, auf einer Demo im Kölner Mediapark, raten? MTV schauen?
Kavka: Also, ich kann denen nur raten sich halt wenige Sachen rauszupicken, die es im Musikfernsehen noch gibt. Es gibt hier bei MTV noch Spartensendungen, es gibt auch noch eine bei Viva, es wird ein oder zwei geben bei Viva Plus – damit müssen sie halt leider zufrieden sein. Die Leute die jetzt demonstrieren und sagen, „gebt uns unser Viva Zwei wieder“, den kann man ja gar keinen Vorwurf machen, die haben ja auch wirklich treu geguckt. Aber es ist nur ein Ausriss von denen, die dann halt unterm Strich zu wenige waren. Es ist fast schon rührend, in welcher Art und Weise dieser Protest jetzt organisiert ist und mit welcher Innbrunst Leute im Internet Stimmung machen. Aber letzten Endes wird sich das legen, man hat ihnen halt etwas weggenommen, was sie viele Stunden am Tag geguckt haben mit einer handvoll anderen Leuten zusammen. Vielleicht sollten sie sich auch überlegen, ob sie selbst was stemmen wollen und jetzt schon Konzepte entwerfen, um dann in zwei, drei Jahren, wenn es digitale Spartenkanäle gibt, direkt zu sagen: „ok, hier sind wir, wir wussten damals, wie es bei Viva Zwei ging, wir haben da ganz genau hingeguckt und wir wissen jetzt auch, wie man das auf die neue Entwicklung übertragen kann“.

Angenommen Du wärst jetzt 14, 15 Jahre alt – wärst Du mit auf die Demo gegangen oder hättest Du gesagt: „wieso kämpfen wir für einen TV-Sender. Ist das nicht irgendwie Humbug?“
Kavka: Das ist schwer zu sagen, aber wenn ich mir überlege, was ich damals angezettelt habe – hm…ja, ich wäre wohl auf die Demo gegangen. Auch wenn es hoffnungslos erschienen wäre, dass man da überhaupt noch mal etwas ändern kann. Es war mir schon immer wichtig, dass dann auch Leute wissen, was ich von den einzelnen Dingen halte. Und man trifft sich ja auch auf so einer Demo. Die Leute die jetzt zusammen diesen Protest organisieren, die kannten sich vorher gar nicht persönlich und die ziehen jetzt alle an einem Strang. Wer weiß, vielleicht kann daraus auch wieder etwas anderes entstehen und wenn es nur eine kleine Produktionsgemeinschaft ist, die einstündige Sendungen an offene Kanäle vertickt. Aber alles was in der Richtung passiert ist ja erst mal gut.

Was hast Du denn damals „angezettelt“?
Kavka: Das ging von Kleinigkeiten bis… also bei uns an der Schule gab es immer diverse Schulfeste und meistens durften da entweder irgendwelche beschissenen Cover-Bands spielen oder eben die Lehrer-Bands. Das war dann immer ganz schrecklich und ich hatte deswegen ein kleines Protestgrüppchen organisiert, dass sich dann dafür eingesetzt hat, dass eine Punk-Band spielen darf. Und so ging das halt weiter, ich habe später diverse Fanzines gemacht, die ersten als ich noch an der Schule war. Das ging dann weiter als ich an der Uni war, weil ich in der Stadt, in der ich studiert habe – in Erlangen bzw. Nürnberg – nicht das Gefühl hatte, dass es da eine lebendige Szene gibt. Ich bin halt auch zu einem Privatsender gegangen, der eigentlich den ganzen Tag Mainstram-Rock gespielt hat und habe gesagt: „Hört mal, das ist echt ein bisschen dated, Ihr könnt nicht Ende der 80er, Anfang der 90er diesen ganzen Kanada-Kram spielen, Survivor und wie sie alle heißen. Ich möchte da gerne eine Indie-Sendung machen“. Und so ging’s halt immer weiter, weil ich mir dachte, da passiert zu wenig, da gehe ich jetzt einfach mal hin und sage „Guten Tag, ich habe hier ein Konzept und möchte jetzt bitte mal“. Ja und auf diese Art und Weise habe ich halt viele Gleichgesinnte kennen gelernt und so kommt man immer mehr dazu, auch ein bisschen größere Sachen auf die Beine zu stellen.

Jetzt bist Du bei MTV, wirst Du später vielleicht noch mal zu einem Print-Medium wechseln? Du erwähntest ja Deine Meinung dazu, dass Du als Moderator unnötig auf so ein Treppchen gehoben wirst.
Kavka: Ich werde auf jeden Fall musikjournalistisch weiterarbeiten. Ich weiß nicht, ob das bei MTV sein wird – ich denke schon, dass ich noch ein zwei Jahre vor der Kamera bin, damit kann ich gut leben. Dann wäre so die nahelegendste Alternative, dass ich einfach weiterhin als Producer arbeite und inhaltlich verantwortlich bin, dass aber jemand anderes meine Sendungen moderiert. Und dann gibt es auch noch die Möglichkeit, dass ich wieder zurück zum Radio gehe, oder tatsächlich versuche beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen oder bei Arte irgendwie einen Fuß in die Tür zu kriegen. Musikjournalist werde ich bleiben, bis auf lange Zeit.

Kleiner Themenwechsel, Du warst sehr angetan von Kylie Minogue als Du sie vor ein paar Monaten interviewt hast. Viele fanden das eigenartig, weil Du ja schon irgendwie aus einer anderen Musik-Ecke kommst.
Kavka: Ja, das sind wieder die Dogmatiker. Wenn man zugehört hätte, seit ich öffentlich darüber spreche, was ich gerne für Musik höre, dann könnte man zumindest zwischen den Zeilen raushören, dass ich schon immer ein Faible für Pop hatte und zwar so richtigen Pop. Ich habe halt alle Platten von den Petshop Boys, ich habe auch damals wirklich mit Genuss Sachen wie Snap gehört. Das habe ich bis heute nicht abgelegt und ich fand halt, dass „Can’t get you out of my head“ der fantastischste Song dieses Jahres war, unter allen Umständen. Ich hatte natürlich auch noch so eine Verbundenheit aus meiner späteren Jugend mit Kylie, weil ich „I should be so lucky“ damals auch lustig fand. Und dann war es im Herbst letzten Jahres endlich soweit, dass ich sie mal persönlich getroffen habe. Und wir beide haben dann auch festgestellt, so im Gespräch, dass wir uns einfach von Mensch zu Mensch gut verstehen. Es war halt auch so ein bisschen Geflirte, ohne dass wir das beide ausgesprochen haben – das wurde irgendwann so ein Selbstläufer. Wir haben uns dann mehr oder weniger zufällig – weil es halt irgendwelche Anlässe gab – noch zwei, drei mal getroffen. Und es kam auch viel bei MTV über Kylie und ich habe dann immer mit so einem Augenzwinkern gesagt, dass ich die ja echt nett finde. Sie ihrerseits hat dann auch in Interviews über mich gesprochen und irgendwann hat sich das so verselbstständigt, dass Leute felsenfest behauptet haben, ich und Kylie Minogue hätten was miteinander. Das fanden wir natürlich beide sehr lustig, als wir uns dann getroffen haben. Aber letzten Endes ist es so, dass sie einfach nur eine sehr, sehr freundliche, bodenständige, extrem lustige Australierin ist und wir halt einfach eine Menge Spaß zusammen haben, immer wenn wir uns treffen.

Ganz banale Frage, drei Wochen zu spät: Hast Du gute Vorsätze für 2002 gefasst?
Kavka: Für dieses Jahr? Hm.. also ein Vorsatz ist, dass ich vor allem mein Privatleben ein bisschen in Ordnung bringe, das war nämlich dermaßen turbulent im letzten Jahr und hat mich sehr viele Energien gekostet. Ein Schritt ist, dass ich jetzt meine Zelte in Köln abbrechen werde und im März nach Berlin ziehe und da dann auch bleiben werde, ein ganzes Weilchen, dass habe ich jetzt schon im Gefühl. Ansonsten, Vorsätze hatte ich eigentlich noch nie. Die hatte ich, als man mir noch sagen konnte, dass man nun gefälligst welche zu fassen hätte und ich habe dann immer gemerkt, dass ich die nach einer Woche wieder vergessen hab. Ich hätte immer gern, dass mein Konto im Plus ist, das wäre ein schöner Bonus in diesem Jahr.

Bei MTV bleibst Du ja erst mal…
Kavka: Ich habe schon ein paar Sachen in der Schublade, ein zweites Standbein könnte sein, dass ich jetzt einfach wieder Radio mache, gerade in Berlin gibt es ja ein paar Möglichkeiten. Und so ein totales Hirngespinst von mir ist, dass ich, sollte ich denn, im Gegensatz zu meiner musikjournalistischen Tätigkeit meine Moderatorentätigkeit weiterführen, dann werde ich versuchen, dass ganze in Richtung Sport, und da Fußball zu lenken, weil ich mich eigentlich mit Fußball besser auskenne als mit Musik.

Da würdest Du Dein Wissen als fundierter bezeichnen?
Kavka: Da weiß ich halt wirklich den ganzen Nerd-Scheiß: Torschützen, Torfolge, Pokalsieger etc. Vereinsfußball, Weltmeisterschaften, Europapokal usw. – da bin ich schon eine ziemlich komplette Datenbank. Der Sportteil ist das erste, was ich in einer Zeitung lese, da würde ich schon einigermaßen mithalten. Und wer weiß, vielleicht bekomme ich ja noch die Chance, dieses Fanwissen ein bisschen mit meiner Moderationserfahrung zu verbinden und schlag dann irgendwann mal bei DSF, ran oder dem aktuellen Sportstudio auf und erzähle was.

Das Leben ist ein Comic, welche Comic-Figur bist Du?
Kavka: Hm… Schröder.

Hat das einen besonderen Hintergrund?
Kavka: Habe ich früher gerne gelesen und gerne geguckt. Und letzten Endes bin ich auch so ein bisschen ’schluffig‘. Ich habe halt überhaupt kein Bock zu 100 Prozent an diesem ganzen Hype zu partizipieren. Und dann neige ich auch gerne mal dazu, mich umzudrehen und mit einem ‚whatever‘ von diesem ganzen Rummel wegzugehen, mich zurückzuziehen und dann im Kleinen wieder von vorne anfangen zu werkeln.

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