Marusha

Wenn kein Inhalt mehr da ist, was will ich dann mit einer hohlen Verpackung?

Marusha über ihr die Love Parade, ihr Album "Offbeat" und den musikalischen O-Ton

Marusha

© ping pong productions

Marusha, wie viele Stunden hast du letzte Nacht geschlafen?
Marusha: Das müssen so in etwa acht Stunden gewesen sein…

Techno- und Electronic-Music Partys werden vornehmlich in der Nacht gefeiert und sind in den seltensten Fällen vor Anbruch des nächsten Tages zuende. Du hast in der Vergangenheit nahezu pausenlos in Clubs und auf Mega-Events wie der MAYDAY aufgelegt – wie hält man einen solchen extravaganten Lebensstil über einen so langen Zeitraum durch?
Marusha: Man muss ständig auf sich aufpassen und kapieren, dass es niemals cool sein kann, sich kaputt zu machen um cool zu sein!? Ich denke, ich habe das bisher ganz gut hinbekommen und werde mir auch weiterhin Mühe geben.

Du bist jetzt seit mehr als 14 Jahren DJane, warst in der ganzen Welt unterwegs, hast von deiner Platte "Somewhere Over The Rainbow" 1994 über eine halbe Million Exemplare verkauft, hast in den neunziger Jahren erfolgreiche Fernseh- und Radioformate wie "Feuerreiter" (ORB, ARD) oder "Dancehall" (DT64) moderiert, arbeitest heute als Producerin und fertigst Remix-Versionen für Leute wie Xavier Naidoo … – wird dir nicht manchmal schwindelig wenn du dir deine eigene Vita durchliest?
Marusha: Nein, denn ich weiß ja dass das alles mit viel Zeit und großer Geduld einher ging. In der Vita liest sich das immer sehr locker, aber da steckt jede Menge Arbeit drin.

Gab es für dich aber auch Niederlagen?
Marusha: Niederlagen? Hmmmm, lass mich mal überlegen. Es ging mir ja nie um’s Siegen, sondern immer um eine persönliche Entwicklung, die mich wachsen und vor allem in das Musikgeschäft hat reinwachsen lassen. Das legt den Grundstein und formt den Boden um erfolgreich zu sein. Das geht nicht alles von jetzt auf gleich. Dazu braucht man einen starken Willen und großes Durchhaltevermögen.

Du hast Gigs in Ländern wie in Japan, Mexiko, Russland usw. gespielt – welches Land hat dich im Nachhinein am stärksten beeindruckt?
Marusha: Alle Länder haben mich gleichermaßen beeindruckt, durch ihre spezielle Kultur und ihre Unvoreingenommenheit. Die Fans konnten sich alle sehr gut fallen lassen. Das birgt ein großes Vertrauen in sich und ist wirklich erstaunlich.

Könntest du dir vorstellen Deutschland irgendwann einmal zu verlassen und im Ausland zu leben?
Marusha: Niemals! Ich liebe unsere Heimat und bin hier wahnsinnig gern zu Hause! Deutschland ist das Land, dass ich vermisse wenn ich Monate lang umherreise. Obwohl ich wirklich vieles in meinem Leben gesehen und auch lieben gelernt habe ist es der schönste Ort auf unserem Planeten, egal wieviele Palmen, Sandstrand , Sonne und nette Menschen da draußen auch immer sein mögen. Und gerade jetzt, wo es Deutschland nicht so gut geht, würde ich erst recht nicht gehen.

Nun wird in diesem Jahr die Love Parade in Berlin nicht mehr, bzw. nicht mehr in dem gewohnten Ausmaß stattfinden. Du warst bis 2001 bei der Veranstaltung dabei, hast ihr dann aber den Rücken zugekehrt und in Interviews geäußert, du könntest dich mit dem heutigen Geist der Love Parade nicht mehr identifizieren. Wie erklärst du dir den offensichtlichen Wandel dieser einst so gefeierten Veranstaltung?
Marusha: Wenn man etwas wichtiges, dass man liebt, nicht vor schädlichen Einflüssen von außen beschützen kann und eigene Werte dadurch erhalten kann, passiert so was, was mit der Love Parade passiert ist. Der Inhalt und die Seele gehen flöten und die Verpackung wackelt. Außerdem, wenn kein Inhalt mehr da ist, was will ich dann mit einer hohlen Verpackung?

Wenn die Love Parade nun in eine andere Stadt wie z.B. Hamburg ‚umzieht‘ – könnte sich dadurch, deiner Meinung nach, etwas zum Positiven verändern?
Marusha: Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Genauso wenig glaube ich, dass die gesamte Stadt Berlin sich voll und ganz gegen die Love Parade gestellt hat. Ich denke einfach, dass die Stadt nicht alle Kosten alleine tragen will und dazu hat sie auch ihr gutes Recht. Die Love Parade ist ein Wirtschaftsunternehmen geworden und schon lange keine Demo mehr.

Zitiert

Man muss ständig auf sich aufpassen und kapieren, dass es niemals cool sein kann, sich kaputt zu machen um cool zu sein!?

Marusha

Und wirst du jemals als DJane zur Love Parade zurückkehren?
Marusha: Nein, das wird in diesem Leben nicht mehr passieren!

In einem früheren Interview mit Planet Interview hast du beklagt, auf der Love Parade würden nur etablierte DJs die Chance bekommen, aufzulegen. Könnte man aufgrund dessen nicht eine abgewandelte, "New-Talent-Parade" planen, bei der eben auch Nachwuchstalente ihre Chancen bekommen?
Marusha: So etwas passiert doch schon lange in Bremen, Hannover, Hamburg und so weiter – das ist mir auch wesentlich sympathischer als die derzeitige Love Parade!

Du hast kürzlich dein Album "Offbeat" veröffentlicht, auf dem du Drum’n Bass, Old School und Breakbeat vereinst, wohingegen man dich früher eher in der reinen Techno-Abteilung etabliert sah. Ein Abschied vom Techno?
Marusha: Nein, ich habe ich mich nicht vom Techno verabschiedet, nur weil "Offbeat" kein typisches "four to the flour"-Album ist. Ich liebe einfach Elektrobeats und Breaks und wollte schon immer mal ein reines Offbeat-Album machen. Jetzt habe ich es getan und ich denke, es passt auch von der Entwicklung in unsere Zeit. Ich habe all die Jahre in denen ich elektronische Musik gelebt habe, die Zeit versucht wiederzugeben, den Style und den musikalischen O-Ton. Mal konnte man mir folgen, mal aber auch wieder nicht. Das hat auch etwas damit zu tun, dass man selber Künstler ist und es auch gar nicht schlimm findet wenn einen die Welt mal nicht versteht… Manchmal versteht man sich ja selbst nicht.

In dem Track "What made you wild" singst du "All you need to know to feed your mind is to remember what you liked as a child". Wie warst du denn als Kind, was hat dich ‚wild‘ gemacht?
Marusha: Ich war ein freies Kind, dass mit vielen Werten und viel Liebe aufwachsen durfte. Meine Eltern haben mich immer gelassen wie ich bin und dafür bin ich sehr dankbar!

War es denn jemals so, dass deine Eltern dich an der Ausübung von Techno-Musik hindern wollten?
Marusha: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, dass wäre auch gar nicht so einfach gewesen …

Auf "Offbeat" finden sich englischsprachige Tracks aber auch deutschsprachige wie "Erdenlicht" oder "Drachenengel". Warum dieser Sprach-Mix?
Marusha: Nun, die deutsche Sprache ist die Sprache der Dichter und Denker. Sie ist hoch an Poesie und das hat mich letztendlich dazu bewegt, das zu tun.

Wusstest du schon zu Beginn der Produktion von "Offbeat" wo du mit dieser Platte hinmöchtest?
Marusha: Ja, ich hatte von Anfang an vor ein gebrochenes Album zu produzieren, bestehend aus vielen verschiedenen Elementen und das ist mir, denke ich, auch gelungen.

Im kommenden Jahr wirst du von einer "International Peace Foundation" als Gast nach Bangkok eingeladen und eine Audienz bei dem thailändischen Königspaar ist geplant. Was hat es damit auf sich?
Marusha: Nun, ich beteilige mich an dem Friedensprogramm dieser Foundation und halte das auch für sehr wichtig. Zu diesem Treffen kommen viele Nobelpreisträger, Dichter, Denker und Physiker und es finden Diskussionen über eine bessere Welt statt. Ich bin gespannt, welche neuen Impulse ich da so bekomme.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
(in unserem ersten Interview entschied sich Marusha für die kleine Ente Gina bei Pinocchio)

Marusha: Da fällt mir nur einer ein: Shrek – grün und schön lebendig!

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