Matthias Schweighöfer, haben Sie heute schon über einen Penis gelacht?
Schweighöfer: Ja. Genauer gesagt habe ich über einen Penisbruch gelacht.
Wie ist das denn passiert?
Schweighöfer: Ich musste einen Artikel gegenlesen, in dem Zitate von mir verwendet wurden. An irgendeiner Stelle habe ich da gesagt: „Hoffentlich bricht dann nicht der Penis.“ Ich habe aber nicht verstanden, warum ich das da gesagt hatte und habe die Stelle korrigiert.
In Komödien wie in Ihrem neuen Film „Vaterfreuden“ haben Penisse es ziemlich leicht. Sie müssen nur auftauchen und schon ernten sie einen Lacher. Macht Sie das als Schauspieler manchmal ein bisschen neidisch?
Schweighöfer: Über Penisneid mache ich mir eigentlich keine Gedanken. Außerdem taucht er in „Vaterfreuden“ ja nicht nur einfach so auf. Es gibt da auch einen Mann im Peniskostüm, der Werbung für ein Mittel gegen Gliederschmerzen macht. Die Szene war gar nicht geplant, ich würde auf so etwas nie kommen. Aber an einem der Drehtage war aus irgendeinem Grund dieses Kostüm plötzlich da. Wir haben einem Schauspieler das angezogen und dann eine Szene improvisiert. In ihr wachte ein Penis in einem Laubhaufen auf und tanzte dann auf der Straße. Ich musste darüber so lachen, dass es dieser Penis dann auch in den Film geschafft hat.
Was ist eigentlich so lustig an Penissen?
Schweighöfer: Sie sind irgendwie lustig und gleichzeitig irre hässlich. Was ist das denn schon? Ein Schniepel mit ’nem Sack dran und zwei Eiern (lacht). Auf den Punkt gebracht ergibt das schon ein komisches Bild, oder eher eine vollkommen absurde Skulptur.
Lacht man dann im Kino über diese Skulptur, weil man sich aus ästhetischen Gründen fremdschämt?
Schweighöfer: Das ist eine schwierige Frage. Die kann ich auch nicht wirklich beantworten. Ich finde zwar, dass ein Männerkörper nicht gerade das Schönste auf der Welt ist. Aber deswegen kann für Frauen ja ein Penis trotzdem etwas sehr schönes sein – zum Beispiel weil sie ihn nicht hat. Wenn ich selbst Brüste hätte, würde ich sie wahrscheinlich auch nicht besonders spannend finden.
Interessanterweise küssen sich die beiden Hauptprotagonisten in „Vaterfreuden“ nie, obwohl es sich um eine Liebeskomödie handelt. Wurden die Küsse rausgeschnitten?
Schweighöfer: Nein, das war Absicht. Felix, der Typ, den ich spiele, will sich eigentlich gar nicht in die TV-Moderatorin Maren verlieben. Er will Vater von dem Kind werden, das Maren Dank einer künstlichen Befruchtung mit seiner Samenspende erwartet.
Das ist doch eigentlich eine sehr egomane Haltung und klingt nach jener „Abrechnung mit den verkorksten Vätern unserer Generation“, die auch am Anfang von Murmel Clausens Roman „Frettsack“ steht. In „Vaterfreuden“, der auf „Frettsack“ basiert, ist von so einer Abrechnung allerdings nichts zu spüren.
Schweighöfer: Das wäre mir wahrscheinlich auch viel zu freudlos geworden. Ich hatte mir vielmehr überlegt, was passieren würde, wenn ein Kind seinen Vater irgendwann mal fragt: Warum bin ich auf der Welt, warum bist du mein Vater? Ich fände es toll, wenn er dann sagen kann: Ich wollte dein Vater sein. Ich habe dafür richtig gekämpft. Das erschien mir für Felix ein gutes Ziel zu sein. Und deswegen gehört da auch kein Kuss hin.
Mir hat mal ein Arzt gesagt: Sollten Sie einen Burnout haben, wäre es gut, wenn Ihre Frau jeden Tag richtig körperlich mit Ihnen wird. Oder Sie kaufen sich einen Hund.
Schon vor neun Jahren zeigte der Dokumentarfilm „Frozen Angels“ wie in Kalifornien, dem „Wunderland der künstlichen Kindererzeugung“, kontrollierte Fortpflanzung ohne Sex als großer Fortschritt gepriesen wird. Sollte so die Zukunft aussehen?
Schweighöfer: Nein, das wäre natürlich schade. Körperlichkeit ist ja etwas Tolles. Und sie hilft nicht zuletzt auch dem Cortisol. Mir hat mal ein Arzt gesagt: „Sollten Sie mal einen Burnout haben, Herr Schweighöfer, wäre es gut, wenn Ihre Frau jeden Tag richtig körperlich mit Ihnen wird. Oder Sie kaufen sich einen Hund.“ Das fand ich sehr lustig. Die Nieren produzieren anscheinend mehr Cortisol, wenn man körperlich wird, jemanden streichelt oder so.
Das funktioniert nicht, wenn man sich selbst streichelt?
Schweighöfer: Ich glaube eher nicht. Wir brauchen offenbar die Wärme eines anderen.
Bei Ihrem Arbeitspensum ist es kein Wunder, dass Ihr Arzt Sie vor einem Burnout warnt. Sie haben in drei Jahren mit „What a Man“, „Schlussmacher“ und „Vaterfreuden“ drei Filme als Regisseur gedreht und in vier weiteren Filmen mitgespielt.
Schweighöfer: Ich bin ja hauptsächlich Schauspieler und spiele einfach gerne. Ich will damit nicht ein Jahr pausieren, um nur noch Regisseur zu sein. Und mit der „Trilogie der Freude“, wie ich meine drei Filme jetzt nenne, wollte ich mich als Regisseur testen, weiter lernen und mich verbessern – wie ein Filmstudent, der jedes Semester einen Kurzfilm macht. Wenn ich demnächst mal einen Film mit mehr Action drehen sollte, so etwas wie „Fluch der Karibik“ zum Beispiel, will ich ja nicht, dass ich am Set dumm rumstehe und mir das Ding um die Ohren fliegt.
Welches war Ihr Lernziel bei „Vaterfreuden“?
Schweighöfer: Ich wollte versuchen, von einer tragischen Grundsituation auszugehen, die Hürden, der daraus resultierenden Geschichte komödiantisch nehmen und trotzdem am Ende auch eine gewisse Ernsthaftigkeit beibehalten. Der Vaterwunsch von Felix resultiert ja aus einem tragischen Unfall. Ich habe so einen Unfall selbst mal erlebt, als ich in Berlin an einer roten Ampel stand und vor meinen Augen ein Fußgänger von einem LKW mit Tempo 60 erwischt wurde. Irgendwann entstand daraus die Überlegung: Wie würde es einem jungen Mann Anfang 20 gehen, der bei so einem Unfall seine schwangere Freundin verliert? Was macht das mit ihm? Wie macht er dann weiter? Einerseits hat Felix seit diesem Unfall Angst, in ein Auto zu steigen und Angst vor einer ernsthaften Beziehung, andererseits träumt er davon, doch nochmal Vater zu werden.
Ähnliche Traumata und Träume gab es schon in „What a Man“ und „Schlussmacher“. Ist so ein formelhaftes Arbeiten typisch für Autoren, die – wie Murmel Clausen – aus dem TV-Comedy-Bereich kommen oder liegt das eher an Ihrer schnellen Produktionsweise?
Schweighöfer: Ich glaube, es liegt vor allem an der Zeit, die einem zur Verfügung steht. Ich hätte natürlich auch mal Lust, drei Jahre lang einen Film zu entwickeln. Aber das ist nunmal gerade nicht der Fall. Ich bin eben Chef einer Produktionsfirma, die nur existieren kann, wenn sie produziert. Und solange wir noch nicht regelmäßig Filme von anderen Regisseure drehen lassen können, muss ich eben zum Teil noch selbst ran. Deswegen passiert es eben auch, dass man in jedem Film ein paar vertraute Formeln wiedererkennt. Aber wir probieren eben auch neue Elemente aus, um zu schauen, was noch funktioniert, wie das Publikum mit Humor umgeht, ob mehr über gesprochene Witze gelacht wird oder über Situationskomik. Aber schon jetzt kann ich versprechen: mein nächster Film wird ganz anders.
Es gibt eine Szene in „Vaterfreuden“, in der Felix, getarnt als Journalist des Magazins GQ, sehr private Fragen an die Fernsehmoderatorin Maren stellt. Wie gehen Sie selbst mit solchen Fragen um?
Schweighöfer: Diese Szene orientiert sich schon daran, wie ich Interviews selbst erlebe. Worüber redet man denn da? Oft werden sehr ähnliche Fragen gestellt und dann gibt es eine kleine Anzahl von Journalisten, die Fragen stellen, mit denen man überhaupt nicht rechnet. Da muss man dann eventuell über die Antworten wirklich nachdenken. Deshalb mag ich es, wie Felix fragt: Warum haben manche Baby-Strampler Taschen? Oder: Was ist Ihr Traum vom Glück? Mit diesen Fragen hebelt er Maren komplett aus. Leute wie sie kriegen solche Fragen eben selten gestellt.
Wo ziehen Sie für sich selbst die Grenze, um Ihre Privatsphäre zu schützen? Dass Sie erneut Vater werden, haben die TV-Zuschauer im letzten Oktober durch Ihren Auftritt bei „Wetten, dass…“ erfahren.
Schweighöfer: Erzählt habe ich das dort nicht…
Wenn man sich den entsprechenden Ausschnitt anschaut, stellt man fest: der Moderator Markus Lanz hat Sie ohne jeden Zusammenhang zur Show direkt danach gefragt und Sie scheinen es dann eher widerwillig bestätigt zu haben.
Schweighöfer: Genau genommen habe ich überhaupt keine zweite Vaterschaft bestätigt! Aber so ist es eben in solchen Momenten. Ich wurde ja auch von der Cosmopolitan gefragt: Würden Sie Ihr Sperma für gute Zwecke spenden? Da hat mich total überrascht, ich hatte noch nie drüber nachgedacht und fand das in dem Moment sehr lustig. Also habe ich geantwortet: Ja, klar, warum nicht? Die Antwort war dann auch noch viel länger. Die steht so auch in der Cosmopolitan. Aber in der BILD heißt es dann plötzlich riesengroß: Er würde sein Sperma spenden! Das schreiben dann alle ab und plötzlich heißt es: „Er will sein Sperma versteigern!“ Das hat man nicht im Griff. Dann ruft eben meine Mutter an und fragt: „Du willst dein Sperma spenden? Das hätte ich nicht von dir gedacht!“ Dann sage ich nur: „Mama, wenn du wissen willst, ob ich das tun würde, ruf mich bitte an! Aber such die Antworten nicht in der BILD.“
Ist der Medienzirkus für Sie vor allem ein Spiel?
Schweighöfer: Es ist ein Spiel, das man eben letztlich nicht im Griff hat. Die einzige Alternative wäre, meine Klappe zu halten.
Matthias Schweighöfer, würden Sie Ihr Sperma spenden?
Schweighöfer: Heute eher nicht. (lacht)
Letzte Frage: vor zehn Jahren haben Sie für „Kammerflimmern“ den Bayerischen Filmpreis bekommen. Seitdem haben Sie sich zu einer Art Heinz Rühmann des neuen deutschen Mainstreamkinos entwickelt. Was sollen die nächsten zehn Jahre noch bringen?
Schweighöfer: Ich wäre gerne mehr wie Steve McQueen, der Schauspieler. Und wie Oskar Werner, das wäre eine spannende Mischung. Als Regisseur und Produzent wäre ich gerne eine Mischung aus David Fincher, Christopher Nolan und Jerry Bruckheimer. Mal gucken, ob ich das hinkriege (lacht).
Warum wären Sie gerne Oskar Werner? Er war ein großer Melancholiker.
Schweighöfer: Weil ich den geliebt habe. „Jules und Jim“ ist immer noch einer meine Lieblingsfilme. Gerade wegen seiner Melancholie.
der film selbst ist aber mindestens genauso primitiv^^
selten so ein primitives interview gelesen