Michael Kölmel

Die Schizophrenie des Fußballs

Der Unternehmer und Besitzer des Leipziger Zentralstadions Michael Kölmel über den Einstieg von Red Bull in den deutschen Fußball und die Möglichkeiten und Probleme der Kommerzialisierung des Sports

Michael Kölmel

© Kinowelt

Herr Kölmel,  der österreichische Getränkehersteller Red Bull hat gewaltige Pläne: Der Konzern will mit der Lizenz eines fünftklassigen Leipziger Vorstadtvereins  in den Profifußball durchmarschieren. Ein realistisches Ziel?
Kölmel: Ich glaube schon, denn Sportsponsoring ist bei Red Bull eine ganz wesentliche Marketingausgabe. Was der Konzern im Sport bisher gemacht hat, hatte Hand und Fuß. Sie sind in der Formel 1 hinten eingestiegen und fahren jetzt vorne mit und sind auch im Fußball mit Red Bull Salzburg österreichischer Meister geworden.

Der geplante internationale Durchbruch ist aber in Salzburg nicht geglückt, obwohl Red Bull dort einen bereits etablierten Verein übernommen hat. Trotz Startrainern wie Kurt Jara, Giovanni Trapattoni und Lothar Matthäus war im UEFA-Cup schon immer in der ersten Runde Schluss.
Kölmel: Von Österreich aus kann man auch nicht die Champions League erobern. Die österreichische Liga ist insgesamt zu schwach und die Fernsehgelder sind zu gering.

Aber von Leipzig kann Red Bull die Champions League erobern?
Kölmel: Potentiell schon. Ich würde auch sagen, dass die Macher das sicher im Hinterkopf haben. Aber das ist alles Zukunftsmusik, im Moment muss man Hausaufgaben in der fünften Liga machen.

Als Inhaber des Leipziger Zentralstadions winkt ihnen nun endlich wieder ein großes Geschäft. Wie werden Sie mit Red Bull zusammenarbeiten?
Kölmel: Sobald der Verein in höhere Ligen aufsteigt, vielleicht schon in der Regionalliga, soll er im Zentralstadion spielen. Dabei haben sie auch die Option, das Stadion mit ihren Namensrechten zu belegen. Aber ich bleibe weiterhin der Stadionbesitzer.

Schon der Kauf des Leipziger Zentralstadions war ein gewagter Schritt. Nicht viele Geschäftsleute würden ein neues Stadion mit 40 000 Plätzen kaufen, wenn nur Oberligisten mit einem mageren Zuschauerschnitt in der Stadt spielen. Mögen Sie abenteuerliche Investitionen?
Kölmel: Ohne Abenteuer können Sie überhaupt kein Unternehmen eröffnen. Die Entscheidung für dieses Stadion bei nur unterklassigen Mannschaften vor Ort fiel natürlich unter dem Aspekt der Weltmeisterschaft, des Confederations Cup und des hohen Bundeszuschusses. Es war eine riskante Entscheidung, aber durch diese Infrastrukturmaßnahme war die Vorbereitung getan, um einen Großsponsor nach Leipzig zu locken. Ohne das Stadion wäre das gar nicht möglich gewesen.

Trotzdem waren die Jahre nach der Weltmeisterschaft Verlustjahre für das Stadion.
Kölmel: Das ist richtig, aber das ist bei jedem Unternehmensaufbau so. Am Anfang investieren sie und später spielt sich das Geld wieder ein. Man muss nur jemanden finden, der dieses Risiko eingeht. Das habe ich gemacht und ich glaube da kann Leipzig auch ganz froh sein.

Vor mehr als drei Jahren hat Red Bull das erste Mal in Leipzig angeklopft, damals beim Verein Sachsen Leipzig. Sie hatten vergeblich auf einen Einstieg gedrängt.
Kölmel: Ich hatte damals ja auch den Kontakt vermittelt und war natürlich dafür. Aber beide Seiten wurden sich nicht einig. Red Bull stellte bestimmte Bedingungen, die auch nach den Satzungen des DFB schwierig umsetzbar waren. Und die Traditionsvereine wie Sachsen Leipzig haben eben bestimmte Tabuthemen, an denen nicht gerüttelt werden darf. Das sind die Fragen: Wer darf bestimmen? Was sind die Vereinsfarben? Da konnte man sich nicht einigen und dann hat Red Bull von sich aus die Entscheidung gefällt, lieber etwas Eigenständiges aufzubauen.

Damit waren die beiden verfeindeten Traditionsvereine Sachsen und Lokomotive Leipzig aus dem Rennen. Wirken diese traditionellen Strukturen und Feindschaften lähmend für einen Fußballverein?
Kölmel: Wenn zwei Vereine höherklassig spielen, wie in München oder Hamburg, dann ist es sicher das Salz in der Suppe in einer großen Stadt. Hier wird es schnell zur Karikatur und einer Abwärtsspirale, wenn diese extreme Feindschaft dann in der fünften Liga stattfindet. Dann hat man eher zwei Verlierer und nicht zwei Sieger, die um die Vorherschaft kämpfen.

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Ohne Abenteuer können Sie kein Unternehmen eröffnen.

Michael Kölmel

Sie haben seit mehr als zehn Jahren mit ihrer Firma Sportwelt in Traditionsfußballvereine investiert. Aber ob nun in Düsseldorf oder Leipzig – einen richtigen Durchbruch gab es nie. Lassen sich Tradition und Geschäft im Fußball nicht vereinbaren?
Kölmel: Es ist manchmal schwierig. Ich habe mich auch in Teilbereichen, wie der normalen Vermarktung, zurückgezogen und konzentriere mich nur noch auf die Vermarktung der Medienrechte. Der Vorteil der Traditionsvereine sind die hohen Zuschauerzahlen, selbst wenn nicht so erfolgreich gespielt wird. Die Anhängeschaft geht auch durch schlechte Zeiten.  Unterm Strich würde ich heute aber schon sagen, dass unser Engagement dazu geführt hat, dass Karlsruhe von der Regionalliga bis in die erste Bundesliga gekommen ist, Düsseldorf und Union Berlin wieder in der zweiten Bundesliga spielen können. Unser Rettungspaket von damals hat dazu geführt, das die Vereine sich langsam wieder entwickelt haben.

Aber unterhalb der ersten Liga bekommen immer mehr Vereine finanzielle Probleme, weil Sponsoren abspringen.
Kölmel: Das ist eine schnelle Auswirkung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Unternehmen, denen es etwas schlechter geht, können am schnellsten mit Werbekostensenkungen reagieren. Besonders betroffen ist natürlich Frankfurt. Wer viele Sponsoren aus dem Finanzbereich hat, sitzt mitten im Krisenherd.

Lohnen sich Investitionen im Profisport jetzt noch?
Kölmel: In Deutschland gibt es sicher noch Wachstumsmöglichkeiten im Medienbereich. Das Pay-TV in Deutschland ist relativ schwach. Das liegt auch daran, dass das Free TV relativ stark und vielfältig ist. Aber schauen Sie beispielsweise nach Frankreich. Die französische Liga war im Vergleich zur deutschen Liga eher schwächer, bekommt aber von den Bezahlfernsehsendern pro Saison 480 Millionen Euro. Das ist das Doppelte vom deutschen Beitrag. Da sieht man welches Potential noch da ist, zumal Fußball hier eine viel größere Öffentlichkeit hat als in Frankreich. Es scheitert am zu schwach entwickelten Pay-TV. Aber jetzt hat Murdoch Premiere in Sky umbenannt und ist guter Hoffnung, sehr viel mehr Abonnenten zu gewinnen.

Mehr Abonnenten mit einer 60-prozentigen Preissteigerung?
Kölmel: Ich glaube langfristig ja, denn die Leute sind stark auf Fußball fokussiert und dafür ist es schon noch überschaubar teuer.

Ein Teil der Fans kritisiert generell die drastische Kommerzialisierung des Fußballs.
Kölmel: Ich kann das schon verstehen, weil die Gehälter die im Fußball bezahlt werden, exorbitant sind und viele der Zuschauer sehr wenig Geld verdienen. Trotzdem sind es die Helden, denen sie genau so wieder zujubeln. Das ist eine Schizophrenie, die im Fußball etwas handfester ist als zum Beispiel im Musikgeschäft. Die Leute gehen ja nicht zum Konzert von Paul McCartney oder Udo Jürgens um danach „Scheiß Millionär“ zu rufen.   

Der Protest wird zunehmend radikaler. Als der Red Bull-Einstieg bekannt gegeben wurde, haben Unbekannte über Nacht den Rasen in Markranstädt mit Chemikalien zerstört.
Kölmel: Das sind immer extreme Minderheiten. So einen Rasen kann man mit vier, fünf Leuten zerstören. In Leipzig wohnen 500.000, in der weiteren Umgebung drei Millionen und mehrheitlich finden die Leipziger das Projekt fantastisch. Weniger, dass jetzt neben den zwei rivalisierenden Clubs noch ein Dritter entsteht, sondern eher, dass wirklich Potential dahinter steckt. Beim ersten Presseauftritt waren 150 Medienvertreter, das ist schon wie in der Bundesliga.

Als Red Bull in Salzburg eingestiegen ist, gab es einen europaweiten Aufschrei. In fast jedem Stadion hangen damals Plakate, die den traditionsfeindlichen Einstieg des Unternehmens anprangerten.
Kölmel: Das gehört zum Fußball dazu. Die Stärke von Bayern München in Deutschland sind die hohen Einschaltquoten, aber davon ist manchmal mehr als die Hälfte der Zuschauer gegen die Bayern. Das ist der einzige Verein, der in Deutschland polarisiert. Das war auch die Chance für Hoffenheim, wo viele erstmal nicht wussten, ob sie dafür oder dagegen sind. Auf jeden Fall wollte jeder wissen, was aus so einem Dorf entsteht. Bei RB Leipzig wird das genau so sein. Das wird ein Verein sein, der schnell Anschluss findet, wenn er hochklassig spielt. Einfach weil das Modell interessiert und polarisiert – im positiven oder negativen Sinn.

Wobei in Hoffenheim nicht ein Unternehmen hinter dem Erfolg steht, sondern das Engagement von Dietmar Hopp.
Kölmel: Klar, das ist ein anderes Modell: Man macht den Verein, bei dem man selber mal gespielt hat, mit seinem Vermögen zum Bundesligisten. Das ist ein Traum von jedem: Wenn ich mal ganz viel Geld habe, dann spiele ich mit meinem Dorfverein gegen Bayern München. Nicht nur als Freundschaftsspiel, sogar als Punktspiel. Am Anfang war die Haltung eher ablehnend, aber als die so gut gespielt haben, wurde auch das Interesse größer und jetzt ist Hoffenheim fast eine feste Größe im deutschen Fußball. Der Verein hat die Bundesliga aufgemischt, bringt neue Spannung rein und ich würde sagen, das ist eine gute Entwicklung. Wenn jetzt mit RB Leipzig noch ein Club den deutschen Fußball belebt, sorgt das sicher für großes Interesse.

Michael Kölmel, geboren 1954 in Karlsruhe, gründete bereits als Student den Filmverleih Kinowelt und stieg 1999 ins Sportgeschäft ein. Er gründete die Firma Sportwelt, griff zunächst einigen angeschlagenen Fußballvereinen unter die Arme und wurde mehr

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