Miss Platnum

…dann muss eben gekämpft werden.

Miss Platnum war für Berlin beim Bundesvision Song Contest dabei. Im Interview spricht sie über ihr Album „Glück und Benzin“, Stilwandel, die niedrige Frauenquote in der elektronischen Musik und kulturelle Übersättigung in der Hauptstadt.

Miss Platnum

© Maxim Rosenbauer

Ruth, dein aktuelles Album „Glück und Benzin“ unterscheidet sich im Sound sehr von deinen bisherigen Veröffentlichungen. Dennoch ist es bei dem Künstlernamen „Miss Platnum“ geblieben…
Miss Platnum: Ich habe tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, einen anderen Namen zu verwenden. Aber ich wollte mit dieser Platte keinen endgültigen Schlussstrich unter das ziehen, was ich bisher als Miss Platnum gemacht habe. Ich bin stolz auf das, was ich als Miss Platnum bereits erreichen konnte.
Die grundlegendste Veränderung von den letzten zu diesem Album war, dass ich jetzt auf Deutsch singe. Allerdings war das auch bei „Lila Wolken“ schon der Fall.

Welche Namen wären denn sonst noch infrage gekommen?
Miss Platnum: Es gab die Überlegung, mit meinem eigentlichen Namen Ruth Renner weiterzumachen. Aber letztlich finde ich, dass der nicht zu der Musik passt, die ich mache. Der Name klingt dann doch eher nach einer Schriftstellerin.

Aber wie viel Ruth Renner steckt jetzt in dem Album?
Miss Platnum: Dadurch, dass ich jetzt auf Deutsch singe, steckt schon mehr Ruth Renner in diesen Songs. Außerdem werden nun auch die ruhigeren, nachdenklichen Seiten meiner Musik deutlicher. Auf meinen vorherigen Alben sind die immer etwas untergegangen.

Zitiert

Ich wollte keinen Schlussstrich ziehen.

Miss Platnum

War auch der Balkanstil deiner letzten beiden Alben eine Facette von Ruth Renner? Oder war das nur das Konzept einer Plattenfirma?
Miss Platnum: Nein, das war es nicht! Ich bin ja auch stolz darauf, dass ich als „Queen of R’n’Balkan“ bezeichnet wurde, das war schon auch mein Ding. Es gab es eigentlich nie ein richtiges Konzept dahinter, auch nicht bei Projekten mit anderen Künstlern wie Peter Fox oder Marteria. Ich habe einfach gemacht, worauf ich gerade am meisten Lust hatte. Darüber singe ich jetzt in meinem Song „99 Probleme“: „Label hat’n Tip: Mach mal ’nen Hit. Ich mach da nicht mit. Dann lieber Kunst.“

In dem Text beziehst du dich auch auf frühere Songs und Themen, wie auf die Lust am Essen. Welche Themen sind für dich ausgereizt?
Miss Platnum: Beispielsweise dieses Essensthema. Das wurde schon so oft besprochen und in dem Song sage ich es eigentlich recht deutlich: „Ich krieg ’nen guten Rat: Iss mal mehr Salat. – Hör dir meine alten Platten an, ist alles schon gesagt.“ Ich weiß gar nicht, was ich dem noch hinzufügen soll. Vielleicht bin ich aber auch ein bisschen selbst Schuld, weil ich das früher selbst in Songs wie „Give me the food“ thematisiert habe. Aber im Grunde brauche ich dazu gar nichts mehr zu sagen. Denn wer mich sieht, dem sollte eigentlich schon klar sein, wie ich zu dem Thema stehe.

Fällt es dir leichter, Texte auf Deutsch zu schreiben?
Miss Platnum: Nein, das Englische ist in jedem Fall einfacher für mich. Da gibt es zwar auch ein paar Floskeln, die man nicht ständig wiederholen sollte, aber im Deutschen muss man noch viel mehr darauf achten, nicht in bestimmte Redewendungen zu verfallen. Es ist nicht so einfach, auf Deutsch die richtigen Worte zu finden, um ein bestimmtes Gefühl auszudrücken, ohne dass es gleich nach Schlager oder Schnulze klingt.
Meine weibliche Stimme braucht eben einerseits eine weichere Wortwahl, damit es zum Klang passt. Andererseits sollte es in den Texten auch ein paar Ecken und Kanten geben, ohne dass die Songs zu abgehackt klingen.

Du hast in einem Interview erwähnt, dass du dich mit deinen Produzenten gestritten hast. Worum ging es da?
Platnum: Da geht es immer wieder um Kleinigkeiten, wie genau etwas umgesetzt werden soll. Ich schließe mich zum Beispiel acht Stunden ein und nehme etwas auf, lege alles rein, mein ganzes Herzblut… – und dann hören die Jungs sich das an und sagen nach fünf Minuten: „Hmm, ja, geht so! Hat mich jetzt nicht so gepackt.“ Das ist ziemlich schmerzhaft. Und wenn ich trotzdem überzeugt bin, dass es so aber geil ist, dann muss eben gekämpft werden. Da kann es dann auch mal zu Auseinandersetzungen kommen. Aber wir raufen uns auch wieder zusammen. Das ist wie in jeder menschlichen Beziehung, da müssen eben immer wieder Kompromisse gefunden werden.

Braucht man im Popgeschäft beziehungsweise in der Musikbranche eine dicke Haut?
Miss Platnum: Man braucht in jedem Fall Durchhaltevermögen. Es gibt so viele gute Musiker da draußen, da muss man schon ein bisschen gucken, dass man mithalten kann. Man muss immer dran bleiben, „fresh“ bleiben.

Es gibt nur wenige Frauen in der elektronischen Musik, Eva Padberg sagte uns dazu im Gespräch, dass den Frauen die „Lust am Spielen und am Rumprobieren am Rechner“ fehle. Stimmst du dem zu?
Miss Platnum: Bei diesem Album habe ich mich tatsächlich auch mal an den Rechner gesetzt und den ein oder anderen Beat selbst gebaut. Aber Eva hat schon recht, mit dem was sie sagt. Das hat schon diesen Nerd-Faktor und Männer haben vielleicht auch einfach eine größere Affinität zu technischen Geräten. Das merke ich ja auch bei meinen Produzenten, den „Krauts“. Bei denen im Studio liegen immer diese Fachzeitschriften herum und sie unterhalten sich über Geräte, die sie sich zuletzt angeschafft haben, und darüber, was diese Geräte alles können.

Wäre das etwas, womit du dich in Zukunft gern mehr auseinandersetzen würdest?
Miss Platnum: Vielleicht wäre das auch eine Idee für das nächste Album. Wenn ich in der Richtung mehr lernen würde, wäre ich auch wieder ein Stück unabhängiger. Ich bin schon jemand, der seine Ideen auch gerne so weit wie möglich selber umsetzen möchte.

War das immer möglich? Oder gab es auch bestimmte Hindernisse in deiner Laufbahn?
Miss Platnum: Meine Eltern hätten natürlich schon gerne gehabt, dass ich studiere. Als ich beschlossen habe, dass ich Sängerin werden will, war klar, dass ich mir das selbst finanzieren muss. Deshalb habe ich auch nebenbei immer mal Jobs gemacht, die ich eigentlich nicht unbedingt hätte machen wollen. Ich habe zum Beispiel eine Weile geputzt. Da weiß ich einfach, das kann ich, da stört mich keiner und ich konnte dabei Musik hören. Kellnern habe ich beispielsweise nie probiert. Ich glaube, das wäre nicht so meins und ich wäre eher die Person, die den Gästen am Ende noch ein Getränk über den Kopf schüttet, weil sie mir so auf die Nerven gehen. Putzen gehen musste ich nun aber auch schon länger nicht mehr. Letztendlich bin ich dadurch aber auch stärker geworden. Weil ich so trotz der anfänglichen Widerstände das gemacht habe, was mir wirklich am Herzen lag.

In Berlin leben viele Kreative nach dieser Devise. Allerdings raunen internationale Stimmen inzwischen immer öfter, dass Berlins Zeit nun vorbei sei. Stimmst du dem zu?
Miss Platnum: Es kann schon sein, dass wir hier in Berlin ein bisschen übersättigt sind. Und deshalb ist uns wohl auch meistens nicht mehr bewusst, wie besonders die Situation hier eigentlich ist, dass man so viele Möglichkeiten und ein so großes kreatives Potenzial auf einem Fleck hat. Aber ich finde, dass in Berlin trotzdem noch sehr viel Wunderbares entsteht und hoffe auch, dass das noch lange so weiter geht.

Welche Stadt hätte momentan das Potenzial zum neuen Hotspot? Vielleicht Bukarest?
Miss Platnum: Bukarest macht im Moment tatsächlich eine positive Entwicklung durch. Als ich zuletzt für den Videodreh zum Song „99 Probleme“ vor Ort war, habe ich so ein Flimmern gespürt. Die Menschen dort strahlen eine große Freude darüber aus, dass sie nun immer mehr mitentscheiden und kreativ tätig werden können, wodurch ganz viel Neues entsteht. Als ich das letzte Mal vor etwa vier, fünf Jahren da war, hat sich das noch ganz anders angefühlt. Da hatte man das Gefühl, die Bewohner würden Bukarest am Liebsten direkt verlassen, wenn sie könnten. Das war diesmal anders: Die Stadt scheint förmlich aufzublühen und das hat sie nach der langen Dürreperiode auch wirklich verdient.

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