Ralf, zu Beginn deiner musikalischen Laufbahn hast du mit Mousse T. zusammengearbeitet, unter dem Namen „Fresh & Fly“. War „African Rhythm“ eure erste Platte?
Ralf Droesemeyer: Ja, ganz genau. Ich komme aus Hannover, bin Jahrgang 1965 und in der zweiten Hälfte der 80er habe ich zunächst angefangen mit einem Praktikum in einem Tonstudio und habe anschließend eine Ausbildung bei der SAE in Berlin gemacht. Dort ging es auch um das Thema Studiobau. Da habe ich dann besonders gut aufgepasst und wenig später in Hannover ein Studio gebaut, zusammen mit Mousse T.
Ihr kanntet euch schon von früher?
Droesemeyer: Ja, wir sind zusammen zur Schule gegangen und waren dicke Buddies, so entstand die Idee: Lass uns ein Studio aufmachen. Unsere erste Produktion war dieser Track „African Rhythm“, da haben wir auf unverschämte Art und Weise gesamplet, geradezu kriminell (lacht). Der Track ist damals auf dem Hannoveraner Label SPV erschienen.
Das Studio haben wir dann ein paar Jahre zusammen betrieben, bis sich unsere Wege musikalisch getrennt haben. Mousse T. ist in die House-Richtung gegangen, während für mich Acid Jazz interessant war und alles was damit einherging. Ich wollte auch richtige Bands produzieren. Mousse T. ist dann beim Label Peppermint Jam eingestiegen, das er später übernommen hat. Und ich habe das ‚Chocolate City‘-Studio weiterbetrieben. Ich habe das auch heute noch.
Und House-Beats waren dir damals zu ‚gerade‘?
Droesemeyer: Ich hatte auch eine House-Phase als DJ, irgendwann in den 80ern. Aber auf Dauer war es mir zu gerade, ja. Acid Jazz fand ich viel spannender. Gerade hatte man noch die sterilen 80er, mit Synthesizern und Electro-Beats und dann kam plötzlich aus London ein Sound, der vollkommen anders war, organisch, der nicht nur kulturell sondern auch zeitlich in viele Richtungen offen war, wo Musik aus den 50er, 60ern, 70ern mit einfloss, wo man Latin-Sounds hörte, Afro-Einflüsse…
Snap! hat abgelehnt.
Wie bist du überhaupt zur Musik gekommen?
Droesemeyer: Wir hatten eine Heimorgel zuhause stehen, mein Vater hatte die wahrscheinlich mal irgendwo günstig bekommen. Dort habe ich mich als Kind rangesetzt und geklimpert. Jeden Tag. Aber glaubst du, meine Eltern hätten mir mal erzählt, dass man auch Musikunterricht nehmen könnte? – Nein. Die haben das einfach ignoriert. Ich habe selbst drei Kinder, die schicke ich natürlich alle zum Musikunterricht, weil ich es super wichtig finde, dass man ein Instrument spielen kann.
Spielst du heute ein Instrument?
Droesemeyer: Nein. Ich habe mal Saxofon ausprobiert, kam aber mit diesen schwingenden Blättchen nicht klar. Dann wollte ich nochmal Klavier lernen, doch da ließ mich irgendwann der Lehrer im Stich. Und dann hatte ich Lust auf Akkordeon, habe mir auch eins besorgt… Das steht jetzt seit ein paar Jahren in der Ecke und wartet darauf, dass ich die Zeit dafür finde.
Für die Musikproduktion ist es vielleicht gar nicht so schlecht, dass ich kein Instrument spiele, denn dadurch habe ich mir eine gewisse Objektivität bewahrt. Es kommt ja vor, wenn jemand ein Instrument perfekt spielt und dann Musik produziert, dass der dann nur den Fokus auf sein Instrument legt und das Ergebnis am Ende nicht mehr so spannend ist.
Was für Bands hast du produziert?
Droesemeyer: Nach dem Split mit Mousse T. habe ich mir erstmal in Hannover und Umgebung Bands angeguckt und zwei Compilations mit Musikern aus der Region veröffentlicht. Dabei bin ich auf den Sänger Cunnie Williams gestoßen, mit dem ich zwei Alben produziert habe. Ein amerikanischer Basketballspieler, der Anfang der 90er nach Hannover kam. Er hat eine grandiose Stimme und sich das Singen selbst beigebracht. Die Arbeit mit ihm hat mir viele Türen geöffnet, ich konnte auf einmal Randy Crawford produzieren. Dann kam noch die portugiesische Band Cool Hipnoise und wenig später entstand Mo‘ Horizons…
…zusammen mit Mark „Foh“ Wetzler.
Droesemeyer: Genau. Wir waren schon viele Jahre DJ-Kollegen, kommen aus dem Funk, Soul, Reggae, später dann Acid Jazz. Als wir uns entschieden, zusammen zu produzieren gab es nie die Frage nach der Richtung, nach dem Sound. Groove sollte die Basis sein, zum Tanzen animieren und dabei offen für viele musikalische Richtungen.
In eurer Musik finden sich oft Latin-Klänge, Samba und Bossa Nova. Kam dieser Einfluss durch Reisen, die ihr gemacht habt?
Droesemeyer: Das Reisen begann eigentlich erst so richtig, nachdem wir Mo‘ Horizons gegründet hatten. Vorher fand die Begegnung mit anderen Stilen rein auf DJ-Ebene statt. Wir waren schon richtige Nerds, Vinyl-‚Digger‘. Wenn wir im Ausland waren und Freizeit hatten, haben wir die meistens in Plattenläden verbracht.
Euer erstes Album 1999 hieß „Come Touch The Sun“, war voller Percussion-Grooves, Samba-Gitarren, Frauen-Stimmen säuseln „Fly Away“, dazu eine Cover-Version von „Brazil“… Dass so eine Musik aus Hannover kommt, war doch eher unerwartet, oder?
Droesemeyer: Ja, es war am Anfang auch überhaupt nicht einfach, unsere Musik an den Mann zu bringen. Wir haben viele Absagen bekommen, vielen passte das nicht in den aktuellen Sound rein. Produziert haben wir das erste Album aber tatsächlich komplett in Hannover. Vom zweiten Album ist dann ein Teil in Australien entstanden und fürs dritte Album hat uns damals das Label Stereo Deluxe nach Italien und auf die Kanaren geschickt. Das haben wir auch sehr genossen. Trotzdem würde ich sagen: Wenn ich in Hannover bin und es ist schlechtes Wetter, bin ich eher motiviert, mich vor den Computer zu setzen und Musik zu machen, als wenn ich irgendwo im Süden unter der heißen Sonne bin. Da zieht es mich dann eher an den Strand. Insofern ist Hannover wettermäßig schon mal prädestiniert dafür, dass man Zeit in Musik investiert.
Kann man aus der Entspanntheit eurer Musik schließen, dass auch die Musiker dahinter sehr entspannte Personen sind?
Droesemeyer: Das weiß ich nicht. Ich würde schon sagen, dass jemand, der südamerikanische Musik liebt, kaum unlocker sein kann, das wäre ein Widerspruch. Aber wer weiß, vielleicht können auch steife, verkopfte Typen lockere Musik produzieren.
Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass man aus unserer Musik heraushören kann, wie wir als Personen sind. Dafür sind Foh und ich zu unterschiedlich. Außerdem, neben vielen Songs, die wir zusammen produziert haben, gibt es auch viele, die Foh alleine gemacht oder die ich alleine gemacht habe. Und da kann auch niemand eindeutig sagen: der ist von Ralf, oder der ist von Foh.
Inzwischen ist Album Nr. 6 erschienen, „Music Sun Love“. Du trittst auch live mit Musikern auf, allerdings ohne Foh. Ist er nach wie vor dabei?
Droesemeyer: Foh hat seit einigen Jahren eine Produzierblockade, d.h. ich produziere die Sachen im Moment alleine. Trotzdem sind wir nach wie vor beide zusammen Mo‘ Horizons. Ich glaube fest an sein Comeback.
Ihr habt eure Musik stets bei kleinen Independent-Labels veröffentlicht. Gab es auch mal den Gedanken, mit einem Major-Label zu arbeiten?
Droesemeyer: Bei Mo‘ Horizons nicht, da gab es auch nie Angebote von Major-Labels. Aber ich hatte davor mit einem Major gearbeitet, meine Produktionen mit Randy Crawford, Mitte der 90er, hatte ich in Hamburg für die WEA (Warner Elektra Atlantic) gemacht. Dafür bekam ich auch viel Lob, sowohl von der WEA als auch von der Presse. Und damals stand ich schon vor der Frage: Gehe ich weiter Richtung Major oder folge ich meinem Herzen?
Und dein Herz schlägt für…
Droesemeyer: Ich komme einfach aus der Underground-Musik. Auch wenn manche Leute das mit Mo‘ Horizons nicht assoziieren, weil wir auf irgendwelchen Ibiza-Samplern drauf sind – wir kommen aus der Club-Szene. Und so habe ich mich damals dann auch bewusst gegen den Major-Weg entschieden. Als Produzent für die Majors bekommst du viele Vorgaben: Das muss genau so werden, hier musst du noch schleifen, da noch polieren… Das hätte ich auf Dauer nicht gewollt.
Mit Mo‘ Horizons seid ihr dann auch ohne Major-Vertrag sehr erfolgreich geworden.
Droesemeyer: Ja, schon das erste Album hat sich sehr gut verkauft, womit wir überhaupt nicht gerechnet hatten. Mittlerweile verkaufen wir auch digital sehr gut. Im Prinzip verkaufen wir unsere Musik jetzt zum dritten Mal: Zuerst waren es Vinyl und CD, dann kam die Mp3-Welle mit Itunes und co, und jetzt hören uns die Leute auf Spotify. Von mir aus kann die nächste Plattform kommen. (lacht)
Interessant, denn so viele Musiker klagen, dass sie mit Streams kaum etwas verdienen.
Droesemeyer: Alle, außer Mo‘ Horizons. (lacht) Ich weiß auch nicht warum. Als das losging mit Streaming und diesem ‚Verteilungsschlüssel‘, war ich auch erst skeptisch, ob wir dabei etwas verdienen. Aber inzwischen funktioniert es. Wir haben auf Spotify 600.000 Follower, viele unserer Tracks werden millionenfach geklickt, und dann summiert sich das.
Zu euren bekanntesten Songs gehört die portugiesische Coverversion von „Hit The Road Jack“. Wie ist die entstanden?
Droesemeyer: Die Idee dazu hatte ich in Portugal. Mir ist beim Autofahren irgendwie das Original in den Sinn gekommen, dann habe ich dazu in Pseudo-Portugiesisch rumgealbert, denn richtig Portugiesisch sprechen kann ich gar nicht. So entstand die Idee zu dem Cover.
Auch auf dem neuen Album gibt es eine Coverversion eines Klassikers, diesmal „Rhythm is a Dancer“ von Snap! …
Droesemeyer: …den wir ursprünglich sogar ins Spanische übersetzt haben, das gab es bislang nämlich nicht. Ich habe den Track als Cumbia produziert und die spanische Sprache passt da einfach sehr charmant dazu.
Aber warum singt eure Sängerin den Song jetzt auf Englisch?
Droesemeyer: Weil wir die spanische Version nicht veröffentlichen durften. Nachdem wir den Track fertig produziert hatten, meinte unser Label, dass man so eine Übersetzung vorher bei den Autoren anfragen muss. Also haben wir das gemacht – und Snap! hat abgelehnt. Wer von den beiden Autoren (Michael Münzing und Luca Anzilotti) abgelehnt hat, wurde uns nicht mitgeteilt, und über die Gründe wissen wir leider auch nichts.
Das heißt, die Original-Autoren haben bei einer Übersetzung eine Art Vetorecht?
Droesemeyer: Ja. Du darfst bei einer Coverversion nicht den Song verändern. Wenn du es machst, musst du es dir von den Autoren genehmigen lassen.
Wie stehst du denn heute zum Thema Sampling? Auf den Mo‘ Horizons-Alben habt ihr ja immer wieder mit Samples gearbeitet…
Droesemeyer: Ich finde Sampling in Ordnung solange du nicht bewusst die Leistung und den Erfolg eines anderen Musikers für dich benutzt. Wenn ich mir jetzt zum Beispiel eine Bass-Drum oder einen Conga-Sound aus einer 70er Jahre-Platte raus-sample, zerlege und in meinem Sequencer neu zusammenbaue, dann ist das in etwa so, wie wenn ein Maler eine Collage erstellt. Also, dass man Musik auf diese Weise weiterverwertet, finde ich, muss erlaubt sein. Ich habe auch kein Problem damit, wenn jemand von unseren Alben Sounds samplet und weiterverwendet.
Was für Sounds haben dich in letzter Zeit inspiriert?
Droesemeyer: Eine Inspiration für das neue Album war zum Beispiel ein tschechischer Musiker, den ich in Spanien kennen gelernt habe, der Hang bzw. Spacedrum spielt. Das war eine außerordentliche Inspiration für mich, weil es für Mo‘ Horizons ein ganz neuer Sound ist.
Ansonsten ist es nach wie vor die Vermischung von Stilen, die mich interessiert. Ich habe jetzt zum Beispiel Cumbia und Balkan einfließen lassen. Für solche Einflüsse offen zu sein, darum geht es bei Mo‘ Horizons. Dafür haben wir über die Jahre auch ein Publikum gefunden, ein sehr multikulturelles Publikum, das sehr offen ist.
Vieles in eurer Musik – der Soul, der Funk, die Samba-Rhythmen usw. – würde man nicht unbedingt mit deutscher Mentalität in Verbindung bringen. Wie ergeht es dir, wenn du nach Aufenthalten in Australien oder Südamerika wieder in Deutschland ankommst?
Droesemeyer: Ich reise sehr viel und bin jedes Mal froh, Neues kennen zu lernen. Überhaupt sind die Reisen riesengroße Geschenke für mich, ich bin total dankbar dafür, dass ich durch die Musik an so viele verschiedene Orte komme. Genauso freue ich mich aber auch, zurückzukommen.
Du bist dann nicht genervt, wenn die Deutschen mal wieder etwas träge und weniger heißblütig daherkommen?
Droesemeyer: Ach, darüber rege ich mich vielleicht auf, wenn ich im Auto sitze und irgendwo im Stau stehe. Da bin ich dann nicht mehr der lockere Musikproduzent. (lacht)
Letzten Endes wird es aber wohl so sein, dass ich in dem Moment, wo meine Kinder aus dem Haus sind, Deutschland den Rücken kehre und irgendwo in der Sonne leben möchte. Das ist schon mein Plan.
Weil es am Ende unter der Sonne doch am schönsten ist?
Droesemeyer: Also, wenn ich mir überlege, der Hochsommer in Deutschland 2018, das tolle Wetter von April bis Oktober – das war ein anderes Deutschland als normal. Und wenn du so viel gesehen hast von der Welt, dann weißt du halt auch: Es gibt schönere Orte als Hannover.
Zum Schluss: Gibt es irgendeine besondere Anekdote aus deinem Musiker- bzw. Tourleben?
Droesemeyer: Bei der absurdesten Mo‘ Horizons Geschichte war ich selbst gar nicht dabei. Mein Bruder hat mal in Ägypten Urlaub gemacht, am Roten Meer. Dort ist er tauchen gegangen, geschnorchelt. Und dabei sah er irgendwo ein Glitzern auf dem Meeresgrund. Er dachte zuerst, es sei eine Muschel, ist runtergetaucht und holt das Ding hoch. Es war eine CD. Und auf der CD stand „Mo‘ Horizons“. Als er mir das erzählt hat, dachte ich nur: Wie krass!
Super music, auch die neue Scheibe
Hören wir mittlerweile jeden Abend
Weiter so
Really enjoyed reading the article.
I have been following Mo‘ Horizons for about 10 years now, and there are no other similar musicians I can find. Wish to see the live somewhere soon!