Frau Eckes, Sie haben bereits für den Musiksender Viva, eine türkische Lokalzeitung, als Wetterfee bei RTL und bei den RTL II News gearbeitet. Welche Stationen hätte man im Rückblick auch weglassen können und auf welche sind Sie besonders stolz?
Nazan Eckes: Auslassen möchte ich gar keine dieser Stationen. Selbst die vermeintlich kleinsten Geschichten, also zum Beispiel mein dreimonatiges Engagement bei der türkischen Lokalzeitung, waren alles Erfahrungen, von denen ich heute in irgendeiner Form profitiere. Zu sagen, was ich bisher am liebsten gemacht habe, fällt mir auch sehr schwer. Ich glaube, die beste Entscheidung meines Lebens war es, den Weg in die Moderation einzuschlagen, weil mir mein Beruf heute sehr viel Spaß macht – und das obwohl ich früher ja eigentlich etwas ganz anderes machen wollte. Alles fing damals als Abenteuer mit dem Praktikum bei Viva an und hat mir den Weg für meine Fernsehlaufbahn geebnet.
Bei welcher Station haben Sie am meisten gelernt?
Eckes: Bei VIVA wurden zumindest die wichtigsten Weichen gestellt. Das waren damals noch die wilden Zeiten, es gab noch das nötige Geld für aufwändige Produktionen und es war unheimlich viel möglich. Ich wurde bereits als Praktikantin ins Ausland geschickt und durfte viel produzieren, Interviews mit internationalen Künstlern führen, Geschichten drehen und auch selber schneiden. Von diesen Erfahrungen habe ich dann später, als ich bei RTL als Volontärin angefangen habe, enorm profitiert.
Was war denn Ihr ursprünglicher Berufs-Plan?
Eckes: Ich wollte schon in den Medienbereich, aber an eine Karriere beim Fernsehen habe ich als Jugendliche nicht gedacht. Ich wollte auf der Kunsthochschule für Medien in Köln studieren, wurde dort aber zweimal abgelehnt, was mich sehr frustriert hat. Da ich unbedingt in die Medien wollte, habe ich es dann auf einem anderen Weg probiert. Ich habe das Praktikum bei Viva gemacht und bin dann so in die ganze Fernsehgeschichte reingerutscht.
Der RTL-Chefredakteur Michael Wulf bezeichnete Sie kürzlich als „eines der stärksten Gesichter der Branche“. Was macht Ihrer Ansicht nach ein starkes TV-Gesicht aus?
Eckes: Also, ich sitze jetzt nicht zu Hause und google meinen Namen, um herauszufinden, was die Leute toll an mir finden und was nicht. Für mich stand immer im Vordergrund, dass ich bei allem, was ich mache, Spaß habe. Ich muss von dem Format überzeugt sein, mich mit dem Team gut verstehen und das was ich präsentiere, sollte in irgendeiner Form auch etwas mit mir zu tun haben. Ich könnte zum Beispiel nie eine Sendung machen, „nur“ weil sie gut bezahlt wird oder gerade eine traumhafte Quote hat. In dem Moment, in dem ich nicht mehr davon überzeugt bin, was ich mache, würde ich das vor der Kamera ausstrahlen und die Zuschauer würden es sofort bemerken, davon bin ich überzeugt.
Es gibt Geschichten, bei denen man sich auf einem schmalen Grad bewegt.
„Explosiv“ berichtet über Menschen, die nach dem Karneval ihren One-Night-Stand wiederfinden wollen, über Väter, die ihre Kinder anzünden, Frauen die sich am Ex rächen oder die Brustimplantate von Kader Loth. Inwieweit interessieren Sie sich persönlich für solche Geschichten?
Eckes: Ja, das sind klassische Boulevardthemen, die manchmal etwas härter daher kommen. Aber wir berichten auch über Zwangsadoptionen in der DDR, Alu in Deos oder wir recherchieren spannende, wilde, verrückte Geschichten aus allen Winkeln der Erde.
Boulevardthemen decken ja genau das ab, was draußen in der Welt passiert, da kann ich nicht immer danach gehen, was mir persönlich gefällt und was nicht. Sicher gibt es auch Themen, bei denen der eine Kopf verdreht, für jemand anderen hat aber genau diese Geschichte aber vielleicht eine Relevanz und es interessiert ihn.
Wie erklären Sie sich das große Interesse der Zuschauer an solchen Schicksalen?
Eckes: Ich glaube, dass sich viele mit den Themen identifizieren können, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, als wären viele Dinge, die passieren ganz weit weg. Wir berichten ja meistens über ganz normale Leute und ihre Geschichten. Klar gibt es auch immer wieder Extremeres, Menschen die verrückte Sachen anstellen oder die ein trauriges Schicksal erleiden mussten, aber auch das sind Geschichten aus dem Leben und ich glaube, dass die meisten da eine gewisse Nähe verspüren. Viele denken sich vielleicht : „Das könnte mir auch passieren“ oder eben andersrum „sowas Beklopptes habe ich ja noch nie gehört!“
Hatten Sie bei einer Geschichte schon mal Skrupel?
Eckes: Ja, es gibt Geschichten über menschliche Schicksale, bei denen man sich auf einem schmalen Grad bewegt, beispielsweise wenn Menschen deformiert sind. Wir als Redaktion denken ja nicht bei jedem Thema, das reinflattert, „super, das zeigen wir“, sondern wir schauen uns das erstmal an und überlegen genau, ob das Thema wirklich für die Öffentlichkeit interessant ist oder ob derjenige nur vorgeführt wird; auch ob man etwas aus der Geschichte lernen kann. Wenn ein Mensch beispielsweise von einer schlimmen Krankheit betroffen ist oder von einem Unfall entstellt wurde, fragen wir uns zunächst: mit welcher Message geht er jetzt nach draußen? Da muss man gerade bei einer Boulevardsendung viel Feingefühl haben. Es gab ein, zwei Geschichten, die ich nicht anmoderieren wollte, aber in einer Redaktion, in der alles in Teamarbeit besprochen wird, ist das dann auch kein Problem.
Eine ehemalige Redakteurin der Bild-Zeitung, Kerstin Dombrowski, schrieb in ihrem Buch „Titten, Tiere, Tränen, Tote“ dass sich die eigene Wahrnehmung mehr und mehr verdreht, wenn man lange Zeit im Boulevardbereich arbeitet. Sätze wie „Oh cool, wir haben jetzt endlich die Mutter des Opfers gefunden“ wären in der Redaktion normal. Kennen Sie das aus eigener Erfahrung?
Eckes: Da ich nicht nur Boulevard- sondern auch Unterhaltungssendungen und die verschiedensten Events moderiere, hilft mir das, einen gesunde Distanz zu vielen Themen zu bewahren und die Dinge richtig einzuordnen. Ein schlimmes Schicksal darf für mich nicht zur Normalität werden, nur weil es oft passiert und weil wir dauernd mit solchen Geschichten zu tun haben. Auch wenn „Explosiv“ eine Boulevardsendung ist, gehe ich immer mit viel Respekt an die Geschichten heran. Das möchte ich mir auch bewahren.
Aber dieser Gefahr sind Sie sich offenbar bewusst…
Eckes: Ja, natürlich. Genauso wie Ärzte, die sich irgendwann daran gewöhnen, Blut zu sehen und nicht mehr mit jedem Patienten leiden. Aber trotzdem: Blut bleibt Blut. Und meistens geht dem eine schmerzhafte Geschichte voraus. Das darf nicht ’normal‘ werden. Ich möchte objektiv sein bei der Themenauswahl, aber subjektiv beim Umgang damit.
Welche „Explosiv“-Geschichte ist Ihnen bisher am stärksten in Erinnerung geblieben?
Eckes: Oh, es gab sehr viele… Wir haben z.B. einmal über Kinder in Brasilien berichtet, die in Müllbergen leben und aufwachsen, das war sehr bewegend. Generell berühren mich besonders die Themen, in denen es um Kinder geht – das wird jetzt als frischgebackene Mutter bestimmt auch noch zunehmen.
Beschäftigen Sie tragische Geschichten auch noch, wenn Sie die Redaktion verlassen?
Eckes: Es ist oft so, dass ich mir wünsche, ein bisschen härter und cooler mit einigen Geschichten umgehen zu können, allerdings bin ich nun mal kein Roboter. Es gehört natürlich zur Professionalität dazu, eine gewisse Distanz zu wahren und sich Emotionen in der Sendung nicht anmerken zu lassen. Aber manche Geschichten lassen dich nicht kalt. Es gibt durchaus Themen, die ich dann mit nach Hause nehme, und über die ich mit meinem Mann oder Freunden diskutiere, weil es mich noch so beschäftigt.
Ihre Vorgängerin Janine Steeger sagte, sie wolle sich in Zukunft „relevanteren“ Inhalten wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz widmen. Was würden Sie dagegenhalten? Warum würden Sie für den Boulevard eine Lanze brechen?
Eckes: Janine und ich sind gut befreundet und ich weiß, dass ihr diese Themen wirklich sehr am Herzen liegen. Was mich betrifft: Ich finde, dass Boulevard irgendwie Teil unseres Lebens ist. Wie der Name schon sagt: Boulevard… Die Geschichten passieren draußen auf der Straße.
Ich mag diese Themenvielfalt, da ist Platz für Geschichten, die sonst im TV niemals auftauchen würden. Boulevard ist das echte Leben. Das heißt nicht, dass man ausschließlich Boulevard konsumieren sollte, aber für mich hat der Boulevard genauso eine Rechtfertigung wie Nachrichten oder Unterhaltungsformate.
Sie haben auch schon das Star-Magazin „Exklusiv“ moderiert. Berichten Sie lieber über Stargeschichten oder Schicksale von Normalbürgern?
Eckes: Über Schicksale von Normalbürgern. Das sind einfach die echteren Geschichten, die, die auch wirklich passieren und nicht in irgendeiner Form lanciert werden.
Mittlerweile sind auch Sie ein Promi. Welche Vor- und Nachteile bringt das mit sich?
Eckes: Wenn man seinen Beruf gerne macht – und das tue ich – ist es natürlich schön, wenn man von außen Feedback bekommt. Gerade durch die sozialen Medien geht das heute relativ schnell, man bekommt Feedback auf alles, auf jede Bewegung die man macht. Egal, was du machst. Du bekommst sofort eine Reaktion. Das hat gute und schlechten Seiten.
Sie posten zum Beispiel viele Selfies auf Facebook.
Eckes: Ja? Ich habe eher noch das Gefühl, das ich viel zu wenig poste. (lacht) Mit Facebook habe ich erst vor anderthalb Jahren, also relativ spät angefangen.
Verspürt man als Promi einen gewissen Druck, in sozialen Netzwerken aktiv zu sein?
Eckes: Als ich damit anfing habe ich durchaus einen gewissen Druck verspürt, da dann auch mitzumachen. Ich habe mich nur immer gefragt, wovon ich dann da eigentlich erzählen soll. Aber mit der Zeit habe ich festgestellt, dass es großen Spaß macht, wenn man seinen eigenen Kanal hat, über den man sich mitteilen kann.
Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Sohn von einem Paparazzi ‚abgeschossen‘ wird?
Eckes: Nur weil ich mich dafür entschieden habe, einen Beruf auszuüben, der in der Öffentlichkeit stattfindet, heißt das ja noch lange nicht, dass mein Kind da automatisch mit reinwachsen muss. Wenn es sich später dafür entscheidet, weil es toll findet, was seine Mutter macht, ist das etwas Anderes. Aber zu diesem Zeitpunkt möchte ich kein Foto von meinem Kind in irgendeiner Zeitung sehen.
Viele Prominente vermarkten ja die ersten Fotos ihrer Kinder. Was halten Sie davon?
Eckes: Wenn das Geld anschließend für Kinderorganisationen gespendet wird, wie es ja einige machen, finde ich das ganz okay. Dass muss aber jeder für sich entscheiden.
Hat die Öffentlichkeit Ihrer Meinung nach ein Stück weit ein Recht auf die Bilder von Kindern von Prominenten?
Eckes: Nein. In irgendeiner Form haben sie vielleicht ein Recht darauf, von den Prominenten selbst Bilder zu schießen, schließlich hat man sich ja bewusst dafür entschieden, in der Öffentlichkeit zu stehen. Ich habe auch kein Problem damit, wenn man mich irgendwo ablichtet, bei einer Veranstaltung oder wenn mich jemand am Flughafen nach einem Foto fragt. Das ist völlig okay, weil ich den Schritt in die Öffentlichkeit ja bewusst gegangen bin und gut damit leben kann. Bei Kindern muss man da aber eine ganz klare Grenze ziehen.
1995 tauchte in Deutschland zum ersten Mal der Begriff „Unterschichtenfernsehen“ auf, 2001 brachte der Medienwissenschaftler Jochen Hörisch den Begriff konkret mit den Sendern RTL und Sat 1. in Verbindung. Wie blicken Sie heute auf diese Bezeichnung?
Eckes: Den Begriff hört man immer wieder, ich persönlich finde es aber despektierlich mit solchen Begrifflichkeiten zu arbeiten. Den Privatsendern und selbst uns Moderatoren beim Privatfernsehen haftet natürlich ein gewisses Image an, dessen sind wir uns auch völlig bewusst.
Die Zeiten haben sich allerdings geändert und die Privaten haben auch schon lange bewiesen, dass sie für eine viel größeres Publikum Fernsehen machen und dass auch journalistische Formate im Privatfernsehen möglich sind. Und wenn Sie in Ihrem Bekanntenkreis mal fragen, wer sich alles das „Dschungelcamp“ angeschaut hat, sind sicher auch ein paar Akademiker dabei.
2010 schrieben Sie Ihr erstes Buch mit dem Titel „Guten Morgen Abendland“. Wie haben Sie reagiert, als in den letzten Monaten viele Menschen mit „Pegida“ auf die Straße gingen?
Eckes: Die Bewegung selbst hat mich wenig überrascht. Es handelt sich ja nicht um ein neues Phänomen: Einige Wenige schaffen es durch populistische Äußerungen, Menschen für ihre Ideen zu missbrauchen, in dem sie ihnen Angst einjagen. Dahinter steckt weder eine Ideologie, noch eine echte politische Meinung.
War diese Bewegung in Ihren Augen ein Rückschritt Deutschlands auf dem Weg zu besserer Integration?
Eckes: Ganz im Gegenteil: auf der anderen Seite sind ja viel mehr Menschen auf die Straße gegangen, um zu zeigen, dass Deutschland ein buntes Land ist, in dem jede Nation, Kultur und Religion einen Platz hat. Das hat mich sehr gefreut, ja fast überrascht. Die ‚das geht mich nichts an‘-Haltung scheint weniger verbreitet, als wir dachten. In einer Demokratie muss man über alles sprechen können.
In Ihrem Buch sagt Mesut Özil, er assoziiere mit Deutschland „Heimat, Disziplin und keine Sonne“. Ist das nicht nur ein Klischee, dass die Deutschen so diszipliniert sind?
Eckes: Ich halte das ehrlich gesagt nicht für ein Klischee. Ich bin auch ein sehr disziplinierter Mensch und habe das in erster Linie durch deutschen Arbeitsstrukturen gelernt. Ich verstehe allerdings immer nicht, was daran so schlimm sein soll. Disziplin ist doch nichts Schlechtes.
Auf der Fashion Week in Berlin hatten Sie jüngst Ihren ersten Moderations-Auftritt nach der Babypause, bei der Show des Labels Lavera. Nimmt die Eitelkeit vor der Kamera durch das Muttersein ein bisschen ab?
Eckes: Das ist tatsächlich so. Einerseits möchte man, wenn man Mutter geworden ist, so schnell wie möglich wieder zu seiner alten Form zurück, andererseits werden plötzlich andere Dinge viel wichtiger. Ich habe mich bei dem Auftritt einfach darauf verlassen, dass die Stylisten und Maskenbilder einen guten Job machen, denn in Gedanken war ich die ganze Zeit bei meinem Kind. Man nimmt sich nicht mehr Stunden Zeit dafür, vorher die Outfits zu checken oder noch schnell eine Beautybehandlung zu machen. Da hat meine Eitelkeit tatsächlich etwas nachgelassen, weil andere Dinge wichtiger geworden sind.
Zum Schluss: Welche Rolle spielt das Fernsehen eigentlich bei Ihnen privat?
Eckes: Ich bin kein TV-Konsument, bei dem der Fernseher von morgens bis abends durchläuft, früher habe ich überhaupt sehr wenig ferngesehen. Ich schaue gezielt Nachrichten, Reportagen oder Serien an. Ich liebe heiß und innig US-Serien. Da schaue ich mir auch gerne mal an wenigen Tagen eine ganze Staffel an.