Nena

Die „Luftballons“ höre ich mir ganz sicher nicht an.

Nena über ihren Synchronisationspart in Eragon, kindliche Energie, ihr Comeback, einen alten Hit und wie nach ihrer Vorstellung eine Schule aussehen müsste

Nena

© 20th Century Fox

Nena, du hast eine tolle Stimme und du hast schon einige Synchronarbeiten bewältigt. Dennoch ist dein Metier eigentlich das Singen. Ist es artfremd für dich, eine Synchronarbeit zu übernehmen?
Nena: Nein, gar nicht. Gerade diesmal war es super angenehm mit dem Regisseur Andreas Fröhlich. Er ist ein bekannter Sprecher zum Beispiel von der Hörspiel-Serie „Die drei Fragezeichen“. Außerdem hat er den Gollom in „Herr der Ringe“ gesprochen. Der macht das einfach super und er hat mich gecoacht. Wenn ich mal mit einem Gefühl nicht so auf dem Punkt war, hat er mir geholfen. Das war mein fünfter Film, den ich synchronisiert habe, und ich habe mich bei keinem Film großartig vorbereitet.

Bekommst du bei der Synchronisation immer mehr Routine?
Nena: Also, bei den letzten beiden Sachen, die ich gemacht habe, habe ich ganz viel gelernt, da ich Profis dabei hatte. Vor Eragon habe ich das Animations-Abenteuer "Arthur und die Minimoys" synchronisiert. Da hatte ich sehr viel Text innerhalb kürzester Zeit zu sprechen. Madonna hatte das Original gesprochen und ich musste mir tagelang Madonna anhören (lacht). Dann hieß es oft, hör dir noch mal für die oder die Szene das Original an – und ich erwiderte nur „Ich bin aber nicht das Original. Madonna macht das so und ich mache das auf meine Art.“

Ist Madonna als Synchronsprecherin gut?
Nena: Sie hat eine schöne Sprechstimme. Sehr erotisch und hauchig.

Bei der Synchronisation steht die Stimme alleine für sich da. Wie nimmst du deine eigene Stimme selber wahr?
Nena: Wie soll ich das denn jetzt beschreiben? Das ist ja sowieso eine interessante Geschichte mit der Wahrnehmung. Jeder Mensch hat eine andere Wahrnehmung. Du kannst mir auch nicht beschreiben, wie du meine Stimme wahrnimmst.

Ich erschrecke mich über meine eigene Stimme, wenn ich die Interviewmitschnitte später abhöre…
Nena: Ja, das habe ich auch immer noch. Ich erschrecke mich nicht so, aber es ist für einen kleinen Moment immer noch komisch.

Ist das bei der Musik auch so?
Nena: Nein – merkwürdigerweise nicht.

Deine Songtexte entstehen oft ganz spontan beim Spielen der Musik. Die Synchronisationsarbeit ist mit einem engen Interpretationspielraum ein Gegensatz zu der kreativen Arbeit. Wie kommst du damit klar?
Nena: Ich komme damit super klar. Ich verbiege mich nicht, ich bin auch bei der Synchronisation Nena. Ich spreche die Rolle so, wie ich die Rolle erlebe. Es ist ein ganz diszipliniertes Arbeiten, aber ich gestikuliere wild und tobe und schwitze. Ich habe da überhaupt keine Hemmungen. Wenn ich spontan lachen muss, dann lache ich halt (lacht).

„Eragon“ ist ein Fantasy-Thriller. Bist du Fantasy-Fan?
Nena: Och, nicht so explizit. Meinen Sohn Samuel hat das Projekt ganz besonders gefreut und ich habe es eigentlich für ihn gemacht (lacht).

Was ist das für eine Figur, der du deine Stimme du leihst?
Nena: Ich spreche Saphira, eine ganz sanftmütige Drachenfrau. Wobei ich die Figur bei der Synchronisation nicht sehen durfte. Das war streng geheim. Ich habe auf dem Bildschirm nur ein verschwommenes, schemenhaftes Etwas gesehen. Mehr nicht. Aber ich brauchte zum Glück nicht lippensynchron sprechen, da ich nur die Gedanken von Saphira vertone.

War dir die Geschichte vorher bekannt?
Nena: Ich kannte die Figuren vorher nicht und habe mir die erst mal von Samuel erklären lassen. Samuel ist elf und Eragon gehört zu seinen Lieblingsbüchern. Er hat mir vorher eine kleine Zusammenfassung der Geschichte gegeben. Es ist letztendlich eine Gut-und-Böse-Geschichte, was mich generell eher langweilt in Filmen und Geschichten.

Warum?
Nena: Wir Menschen haben langsam andere Inhalte nötig. Bei einer Gut-und-Böse-Geschichte baust du dir ein Feindbild auf – nämlich das Böse. Das heißt, du musst deine Verantwortung nur auf das Feindbild rüber schieben. Und das läuft so nicht im Leben. Das ist der einzige Kritikpunkt an der Sache.

Ist das typisch amerikanisch: Gut gegen Böse?
Nena: Da sind wir hier auch nicht weit entfernt von. Auf dem Kinderkanal im Fernsehen läuft auch nur Gut gegen Böse. Das können wir den Amis nicht in die Schuhe schieben.

Was wünschst du dir für Geschichten?
Nena: Es gibt durchaus gute Drehbücher und Geschichten, wo es nicht nur darum geht, das Böse zu bekämpfen. Da gibt es tausend Möglichkeiten. Es ist langweilig, nur darauf ausgerichtet zu sein, ein Feindbild zu haben. Wenn man krank ist, ist der Feind die Krankheit… – so möchte ich nicht leben. Wenn ich krank bin, möchte ich nicht nur zum Arzt gehen und mir eine Pille dagegen besorgen, sondern dann möchte ich das erst mal verstehen. Und hinterfragen. Was macht die Krankheit mit mir? Was habe ich damit zu tun? Das ist meine Art, verstehen zu wollen. Ich schreibe gerade ein Musiktheater, was darauf ausgerichtet ist. Es gibt in dem Stück auch das Böse, aber es geht nicht darum, das zu bekämpfen, damit alles wieder in Ordnung ist.

Wird das Theater speziell für Kinder sein? Ist es kindgerecht?
Nena: Das ist auch so eine Sache. Was soll das heißen: kindgerecht? Das Wort erwachsenengerecht zum Beispiel gibt es gar nicht in der Sprache. Ich halte solche Beschreibungen für Schwachsinn. Kindgerecht gibt es auch nicht, denn jedes Kind ist ein Individuum und ist total anders ausgerichtet. Natürlich gibt es eine Art kindliche Energie, die etwas mit Offenheit und Experimentierfreude zu tun hat, ohne immer alles analysieren zu wollen. Kinder wollen lernen und das heißt, sie wollen aufnehmen. Sie wollen nicht nur lernen, um alles zu verstehen, sondern aufnehmen.

Um auf deine Musik zu sprechen zu kommen, du hattest nach einer langen musikalischen Pause ein starkes Comeback.
Nena: Ja, es gibt immer ein Kommen und ein Gehen.

Hat dich das eigentlich überrascht, dass das Comeback vor allem über deine alte Karriere entstanden ist?
Nena: Nein. Mich hat weder das Eine noch das Andere überrascht. Mich hat weder der Erfolg überrascht noch die Art und Weise. Ich mach ja keine Platte nur für die Wirkung. So denke ich nicht. Wenn sich dann der Erfolg einstellt ist es natürlich wunderschön. Du kannst das Comeback auch nicht isoliert betrachten. Es ist alles immer ein Gesamtkunstwerk. Vor dem „Comeback“ hatte ich eine andere Platte gemacht mit dem Titel Chokmah. Die war erfolgreich und ich bekam eine ganz andere Aufmerksamkeit als noch Jahre zuvor. Das baut sich alles so auf. Was letztendlich der Auslöser für den Erfolg ist, das weiß ich nicht genau. Es ist doch schön, wenn die Luftballons wieder mal geholfen haben. Mich stört das nicht.

Von den Luftballons lebt man doch auch ganz gut, oder?
Nena: Das ist einer der Songs, die ich nicht geschrieben habe, deshalb zehre ich davon auf anderen Ebenen.

Hörst du dir gerne deine eigenen Songs an?
Nena: Ja, wenn sie frisch sind. Also die „Luftballons“ höre ich mir ganz sicher nicht an. Die spielen wir gerne auf der Bühne bei einem Live-Konzert und da macht es auch richtig Spaß. Aber meine Kinder hören ab und zu meine alten Platten.

Du bist ein Kind der Neuen Deutschen Welle. Hast du damals eigentlich auch Kontakt zu Bands wie den Fehlfarben oder Palais Schaumburg gehabt?
Nena: Nicht wirklich. Zu meinen Hagener Zeiten, ganz zu Beginn, hatte ich auch keinen Kontakt zu Extrabreit. Es gab mal eine schöne Verbindung zu den Humpe-Sisters, aber das hat sich auch wieder ganz undramatisch aufgelöst.

Hast du die Musik der Neuen Deutschen Welle denn gehört?
Nena: Auf jeden Fall habe ich die Musik gehört. Ich fand das immer etwas angestrengt. Dieses „anders sein“ wollen hat mich genervt, denn sie waren sowieso anders. Dafür brauchte es keine Extramühe. Ich fand es künstlerisch sehr wertvoll. Ich fand es echt gut, dass es eine Gegenbewegung gab. Aber ich habe mich nie irgendwo zugehörig gefühlt. Warum sollte ich auch? Wir waren weder NDW noch sonst was.

Irgendwann stoßen Musiker immer auf Udo Lindenberg. Welchen Stellenwert hat er für dich?
Nena: Bei mir war das ganz extrem. Ich bin ihm quasi in die Arme gelaufen. Oder er in meine (lacht). Wir hatten uns eigentlich gar nichts zu sagen. Er hat in der Presse über uns gezetert und fand uns nur schrecklich. Mir war er eigentlich völlig egal. Ich habe Udo erst lieben gelernt, nachdem ich ihm begegnet bin.

Was ist so besonders an ihm?
Nena: Er hat etwas Kindliches. Eine Offenheit und Experimentierfreude, die ich generell bei Menschen sehr liebe. Er hat sich das Kind in sich bewahrt. Und er kann gut küssen.

Verfolgst du die Musikszene? Derzeitige Lieblingsband?
Nena: Seed. Die machen Musik, die mir gefällt. Die Musik ist leicht und trotzdem irgendwie fordernd und rhythmisch.

Hat ein Popstar eigentlich ein Verfallsdatum?
Nena: Das Verfallsdatum kreiert man sich ja selber wenn man nicht kindlich denkt. Wenn man die Offenheit nicht mehr hat und nichts mehr wagt. Dann hat so ein Verfallsdatum sicherlich auch seine Berechtigung.

Du hast selbst vier Kinder, du hast Kinderplatten gemacht und synchronisierst jetzt mit Eragon einen Film für das eher junge Publikum. Hält es jung, wenn man sich mit jungen Themen beschäftigt?
Nena: Es geht nicht darum, mich jung zu halten, sondern mich jung zu fühlen. Das Wort Kinder mag ich so nicht gern benutzen. Es sind Menschen. Und die sind alle unterschiedlich alt. Ich habe einen guten Zugang zu den Kindern – nicht nur zu meinen eigenen. Und meine Kinder, die jetzt im Teenager-Alter sind, die fahren auch kein Anti-Eltern-Programm. Wir sind uns einfach nahe. Man knallt mal aneinander, aber das hat nicht unbedingt etwas mit dem Alter zu tun. Ich habe einfach einen Zugang zu Kindern. Und ich weiß, was Lehrer tun müssten, um einen Zugang zu Kindern zu bekommen.

Üben deine Kinder Einfluss aus auf deine musikalischen Leistungen?
Nena: Die haben auf alles Einfluss, was ich mache. Wir leben im Austausch miteinander. Das letzte Album habe ich das erste Mal mit der kompletten Band bei mir Zuhause gemacht. Natürlich kommen die Kinder dann manchmal runter ins Studio und hören mal kurz rein und sagen auch was dazu. Aber ich rufe die Kinder jetzt nicht um denen etwas vorzuspielen.

Du gehörst zu den Gründern einer Schule mit neuem Konzept: die „Hamburger Schule“. Wie steht es um das Projekt?
Nena: Wir brauchen noch Genehmigungen von der Behörde. Die Hamburger Schulbehörde ist sehr nett und steht dem ganzen Projekt wohlwollend gegenüber. Die wollen uns helfen, das durchzuziehen, nur die haben auch ihre tausend Abteilungen und Rechtsvorschriften. Man muss sich immer absichern, hier und da. Es ist ein längerer Weg, aber ich glaube fest an das Projekt. Es gibt bereits 50 angemeldete Schüler, die Lehrer und das Haus. Wir fangen jetzt an, das Gebäude zu renovieren. Ich habe schon viel privates Geld in das Projekt reingesteckt und kann natürlich nicht alles selber bezahlen. Daher sind wir auch auf Spenden angewiesen.

Was ist das Besondere an diesem Schulkonzept?
Nena: Es ist schon anders, wie wir das machen wollen. Aber es ist nicht weltfremd, sondern etwas ganz Natürliches. Dass ein Kind nämlich das lernen darf, was es möchte. Die Kinder sollen nicht für den Lehrer oder den Test lernen, sondern für sich und das Leben.

In welcher Form soll das realisiert werden. Gibt es keine normalen Schulklassen?
Nena: Nein, es ist ein Haus, wo jedes Zimmer, jeder Computer, jedes Buch jedem gehört. Und jeder Lehrer da ist, wenn er angesprochen wird und gebraucht wird. Ich wünsche mir, dass die Menschen verstehen, dass die Schule von heute ein Teilzeitgefängnis ist. Es ist Freiheitsberaubung. Das klingt sehr radikal, aber wenn man sich einen Gedanken darüber erlaubt und sich das kurz anguckt, dann muss man zu diesem Schluss kommen.

Wie war das in deiner Kindheit, gab es früher in Hagen antiautoritäre Kindergärten?
Nena: Das weiß ich nicht. Ich finde, eine Autorität zu haben, kann sehr hilfreich sein. Das habe ich selber nie abgelehnt. Wenn ein Lehrer authentisch ist weil er mir vertraut und an das, was er lehrt, glaubt, dann ist das eine ganz andere Ebene. Dann ist er für mich in diesem Moment eine Autorität. Und so sind meine Kinder für mich auch hin und wieder eine Autorität, wenn die mich mit etwas konfrontieren, was ich nicht kenne oder falsch sehe. So wechselt das. Mal hast du die Autorität, mal deine Freunde.

Unsere Schluss

Das Leben ist ein Comic. Welche Figur bist du?
Nena: Das Leben ist ein Comic? Ja, kann man auch so sehen. Wie ist die Frage gemeint?

Gibt es eine Figur, der du dich vom Charakter her verbunden fühlst?
Nena: Ja, Pantau, der Mann mit der Zaubermelone. Mit dem fühle ich mich verbunden. Und mit dem Darsteller von Pantau, Otto Šimánek, ich habe ihn auch mal getroffen, in Prag. Pantau hat mich als Kind aufgefangen. Bei dem fühle ich mich Zuhause. Und dafür war Fernsehen gut für mich. Das war für mich jemand, der mich verstanden hat, den liebe ich bis heute.

2 Kommentare zu “Die „Luftballons“ höre ich mir ganz sicher nicht an.”

  1. Thomy |

    Re: Eine herausragende Frau mit einem herausragenden positiven Gedanken

    Auch mit dem neuem Album Cover me, übertrifft sie alle Erwartungen….

    http://zeitpunkt299.oyla22.de

    Antworten
  2. Thomas Bartschick |

    Eine herausragende Frau mit einem herausragenden positiven Gedanken

    Es ist immer wieder schön, Nena über die Dinge und Empfindungen aus ihrem eigenen Leben zu hören und zu sehen. Ich kenn wohl kaum einen Menschen, der soviel positive Energie in sich trägt und diese auch anderen vermittelt

    http://www.meinewebseite.net/zeitpunkt299

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