Nena

Musik gehört natürlich auch ins Fernsehen!

Bei der aktuellen Staffel von „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ ist auch Nena mit dabei. Im Interview spricht sie über authentische Coverversionen, Fernsehverbote in der Kindheit und welche Rolle Musik auf der von ihr gegründeten Schule spielt.

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© Michael Movchin, CC BY-SA 3.0

Nena, bei „Sing meinen Song“ dreht sich alles um Coverversionen. Wie ist es Ihnen in der Vergangenheit ergangen, wenn Songs von Ihnen gecovert wurden?
Nena: Das ist immer lustig. Von „99 Luftballons“ gab es ja sehr viele Coverversionen, spontan fällt mir zum Beispiel die von Goldfinger ein, das war so eine grölende Punkband. Ich empfinde es immer als eine Art von Wertschätzung, wenn Lieder, die man selbst in die Welt gesetzt hat, von anderen gesungen werden.

Was macht eine gute Coverversion aus?
Nena: Schwer zu sagen, das ist ja etwas sehr Persönliches. Entweder es erreicht mein Herz, oder eben nicht. Das erklären, so auf theoretischer Ebene, kann ich nicht. Musik geht ans Herz. Wichtig ist auf jeden Fall, dass jemand, der einen anderen Künstler covert, den Song zu seinem eigenen macht. Bei „Voice of Germany“ habe ich den Kandidaten oft gesagt: Versuche nicht, wie Rihanna zu sein, sondern hau mal raus, was du selbst zu sagen hast! Das gilt auch für Coverversionen. Wenn es authentisch ist, kann jemand mit einer Coverversion auch etwas von sich selbst erzählen.

War Heinos Version von Ihrem Song „Leuchtturm“ authentisch?
Nena: Ja, komplett, das war Heino wie er leibt und lebt! Ich freue mich über Coverversionen von meinen Songs. Ich finde das gut, auch wenn mir natürlich nicht alle Versionen gefallen. Allerdings, als Homer Simpson von den „Simpsons“ in einer Folge die „99 Luftballons“ gesungen hat, hab ich mich ganz besonders gefreut.

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Ich durfte nur „Pan Tau“, „Flipper“ und „Bonanza“ gucken.

Nena

Haben Sie eigentlich einen Fernseher?
Nena: Nein. Ich gucke auch sehr selten Fernsehen.

Aus Zeitgründen?
Nena: Nein, da geht es nicht um Zeit. Als Kind habe ich mir immer die Fernsehzeitung geschnappt und angekreuzt was ich alles gucken wollte – und das durfte ich dann meistens nicht. Ich durfte „Pan Tau“, „Flipper“ und „Bonanza“ gucken. Dracula-Filme mit Christopher Lee, die ich geliebt habe, konnte ich nur heimlich gucken, wenn meine Eltern auf irgendwelchen Partys waren. Deswegen hatte ich später einen großen Nachholbedarf und habe, als ich erwachsen war, unfassbar viel Fernsehen geguckt. Ich habe das aufgeholt – bis ich irgendwann genug hatte.

Sie selbst hatten Ende der 70er/Anfang 80er noch Auftritte in TV-Sendungen wie der „Plattenküche“ oder im „Musikladen“ in der ARD. Heute gibt es solche Musiksendungen dort nicht mehr. Bedauern Sie das?
Nena: Ja, deswegen finde es ja auch toll, dass Xavier Naidoo mit „Sing meinen Song“ so ein Format auf die Beine stellt, wo Musik wieder eine Rolle spielt. Musik gehört natürlich auch ins Fernsehen! „Beat-Club“ oder „disco“ mit Ilja Richter, das waren coole Shows, da kamen Leute aus der ganzen Welt.

Zu„Sing meinen Song“ gehört auch die Kritik, die die Musiker untereinander üben. Wie gut können Sie mit Kritik umgehen?
Nena: Ich empfinde das nie als negativ. Für mich ist das Feedback – und Feedback ist wichtig. Wenn ich dort in Südafrika eine Cover-Version singe, die einem anderen Künstler nicht gefällt, dann ist das cool, das bringt Bewegung rein. Ich bin mir auch sicher, dass wir alle ganz ehrlich miteinander sein werden.

Das Genre-Spektrum der teilnehmenden Künstler reicht von HipHop (Samy Deluxe) bis Country-Rock (The BossHoss). Bereitet Ihnen das Sorge, dass Sie zum Beispiel einen Rap-Song covern müssen?
Nena: Nein, überhaupt nicht. Musik hat für mich nie mit Angst zu tun. Musik ist Schwingung. Und ich suche mir für die Show die Songs von den Kollegen aus, die mich berühren. Da konnte ich auch aus dem Vollen schöpfen, denn das sind ja alles Leute, die ein riesiges Repertoire haben.

Bei „Sing mein Song“ und auch bei „Voice of Germany“ hört man die echten Stimmen der Teilnehmer, während bei vielen Produktionen, die im Radio laufen, der Gesang mit Effekten verändert wird. Sind Sie auch manchmal der Versuchung erlegen, die eigene Stimme elektronisch zu verändern?
Nena: Was heißt Versuchung? Ich finde es toll, wenn man die Technik nutzt. Ich liebe Technik, ich liebe elektronische Musik. Ich stelle mich gerne mit meiner Gitarre auf die Bühne und singe einen Song komplett akustisch, aber ich finde es genauso spannend, mit Sounds oder Effekten die Stimme zu gestalten.

Und wenn Kritiker bemängeln, dass veränderte Stimmen weniger authentisch sind…
Nena: Wenn jemand meint, dass sei nicht authentisch, ist mir das relativ egal. Ich bin für künstlerische Freiheit auf allen Ebenen. Es geht nicht darum, andere zu bedienen, man macht nicht Musik, damit andere sie konsumieren. Sondern man macht die Musik, die einem am Herzen liegt.

Sie haben vor neun Jahren in Hamburg die „Neue Schule“ gegründet. Welche Rolle spielt dort die Popmusik im Unterricht?
Nena: An der Schule findet viel Musik statt. Es gibt einen Proberaum, diverse Live-Bands, die sich immer wieder neu formieren – die Kinder mögen das. Ich finde es generell total wichtig, Kindern die Möglichkeit zu geben, ein Instrument zu spielen. Das muss nicht immer ein fetter, teurer Flügel sein, sondern da gibt es ja viele Möglichkeiten. Man kann eine alte Gitarre kaufen, man kann aus einem Plastikeimer eine Trommel basteln … Aber man muss auch akzeptieren, wenn Kinder kein Bock drauf haben. Auf der Basis funktioniert auch unsere Schule. Es ist eine demokratische Schule, wo die Kinder selbst entscheiden, was sie machen wollen und was nicht.

Sollten Kinder auch über ihren Fernsehkonsum frei entscheiden?
Nena: Ich glaube, je mehr Freiraum Kinder in ihrem Heranwachsen haben, je mehr Raum sie bekommen, um ihre eigenen Potentiale zu entfalten, desto bewusster tun sie das auch. Insofern habe ich das Vertrauen in Kinder, dass sie erkennen, wann im Fernsehen Schrott läuft und wann nicht. So habe ich das mit meinen eigenen Kindern erlebt und auch mit vielen anderen. Die meisten Kinder haben heute überhaupt keine Lust mehr, Fernsehen zu gucken.

Sie haben ein großes Publikum. Spüren Sie dadurch eine Verantwortung, Ihren Fans auch politische Denkanstöße zu geben?
Nena: Natürlich hat man eine Verantwortung, wenn man auf der Bühne steht und vor vielen Menschen singt. Aber es ist nicht zwingend, dass man da hochpolitisch sein muss. Die „Luftballons“ waren natürlich eine klare politische Aussage. Und eine Schule zu gründen ist im Grunde auch hochpolitisch. Für mich ist jeder Mensch ist politisch, wir sind alle Teil dieser Gesellschaft und wir gestalten diese Gesellschaft mit. Da fängt für mich Politik an – und nicht im Bundestag.

Eine Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Nena: (überlegt) Ich wäre … Meister Yoda. Das ist zwar keine Comicfigur, aber mit dem fühle ich mich schon sehr verbunden.

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