Herr Ruf, vor wem haben Sie Respekt?
Ruf: Vor dem Papst und vor Gerhard Schröder.
Das sind die Einzigen?
Ruf: Ja. (lacht)
Und vor Ihrem Publikum?
Ruf: Da ist Respekt ein zu kleines Wort. Ehrfurcht wäre richtiger.
Inwiefern?
Ruf: Das sind meine Kunden. Meinem Publikum trete ich in hündischer Unterwerfung gegenüber.
Haben Sie mehr Ehrfurcht vor Ihrem Publikum oder vor der Quote?
Ruf: Das eine hängt doch mit dem anderen zusammen. Die Quote ist ja quasi nur der Excel-Tabellen-kompatible Begriff für Publikum.
Gibt es von Sat.1 für die „Niels Ruf Show“ eine Quotenvorgabe?
Ruf: Nein, die gibt es nicht.
Die RTL-Sitcom „Herzog“ mit Ihnen in der Hauptrolle wurde Anfang des Jahres nach drei Folgen wegen zu schwacher Quoten schnell wieder abgesetzt. Spüren Sie bei Sat.1 einen Quotendruck?
Ruf: Es gab wenige Zeiten, die mit den jetzigen zu vergleichen sind, wo so wenig vorherzusehen war, welche Sendung eine gute Quote haben wird und welche nicht. Oder ob man vielleicht einfach noch ein bisschen Geduld braucht. Bei einem wirtschaftlich denkenden Unternehmen, das auf Grund von Quoten seine Werbezeiten verkauft und davon die Mitarbeiter bezahlt, kann mir die Quote als Akteur natürlich nicht egal sein. Es ist auch das, was vom Zuschauer als erste Rückmeldung kommt. Allerdings hat man die Quote nicht allein zu verantworten. Es gibt ja noch die Sendungen, die vor einem laufen. Wenn ich direkt nach den Nachrichten käme, hätte ich wahrscheinlich keinen besonders starken Audience Flow. Ich glaube, das hat auch bei „Herzog“ eine Rolle gespielt. Vor uns lief „Angie“, eine ziemlich frauenaffine Comedy mit einer anderen Art von Humor. Zudem lief die Sendung zu einer Zeit, wo die Leute schon längst den ProSieben-Blockbuster geguckt haben.
Die „Niels Ruf Show“ lief bislang nur auf „Sat.1 Comedy“, da gibt es keine Quotenmessung.
Ruf: Ja, das ist ein bisschen wie Onanieren. Da muss man am Schluss nicht fragen: „Bist du auch gekommen?“ Trotzdem will man dann irgendwann auch mal zu zweit im Bett liegen.
Was für Feedback haben Sie von Ihrem Publikum auf die „Niels Ruf Show“ bislang bekommen? Zahlen haben Sie ja nicht.
Ruf: Eigentlich war das ganz positiv, in den meisten Fällen ging es ja an die Zuschauerredaktion. Nach den ersten Sendungen gab es durchaus auch Kritik. Die war aber auch gerechtfertigt. Denn die ersten Sendungen bestanden aus Inseln, für die man sich nicht schämen muss, die aber in einem Meer aus Schämfähigem schwammen. (lacht)
Worin bestand die Kritik?
Ruf: Dass es noch ein bisschen hakte und die Talks noch nicht ganz rund liefen. Eine Zeitlang habe ich den Gästen auch ganz gerne mal Kaffee gekocht (lacht), das haben aber viele Zuschauer als billigen Trick durchschaut, um mich vor den Gesprächen zu drücken.
War die Ausstrahlung auf „Sat.1 Comedy“ eine Aufwärmphase für den jetzt beginnenden Ernstfall?
Ruf: Kann man so sagen. Ich glaube, die letzten zwanzig Sendungen bei „Sat.1 Comedy“ waren auch schon ganz gut, aber wir haben halt noch ein bisschen rumprobiert. Ich hatte Anfangs im Studio ja mit Peter Rütten einen permanenten Sidekick. Das hatte gute Momente, aber es hat die Show insgesamt in ihrer Entwicklung ein bisschen stocken lassen.
Was wollen Sie im Free-TV anders machen als bisher?
Ruf: Ich glaube nicht, dass wir die Sendung bis jetzt speziell für ein Abonnentenpublikum gemacht haben. Deshalb müssen wir nicht so viel ändern. Ein paar Sachen werden gepimpt, das Team ist ein bisschen größer, weil das Budget ein bisschen größer ist. Und dann wird das Studio ein verändert. Ich werde einen Schreibtisch haben, in dem ein Aquarium ist.
Wieso das?
Ruf: Das hat sonst keiner. Das Aquarium war sozusagen noch frei. (lacht)
Aha.
Ruf: Es heißt ja Fern-Sehen. Da darf man den visuellen Aspekt nicht völlig vernachlässigen.
Lenkt doch nur vom Moderator ab, oder nicht?
Ruf: Kann ja auch mal ganz gut sein. Wir hatten das Aquarium in einer Pilot-Sendung schon mal. Das sah eigentlich ganz geil aus. Der restliche Pilot war ein ziemlicher Schrott, aber das war ein gutes Element. Jetzt haben wir das recycelt.
Um noch einmal auf das Stichwort Respekt zurückzukommen: Ihre Interviews zu Viva Zwei-Zeiten waren durch Respektlosigkeit gekennzeichnet. Inwiefern haben Sie sich verändert?
Ruf: Heute finde ich es viel lustiger, das charmant zu machen. Bei „Kamikaze“ ging es eben darum, für Schockmomente zu sorgen. Dann habe ich aber gemerkt, wie geil es für den Zuschauer ist, vorm Fernseher abzusacken und eine Sendung zu finden, die einen gerade genug fordert, dass man nicht einschläft, bei der man sich unterhalten fühlt. Es nervt mich, wenn ich ein Gespräch sehe, in dem der Interviewer auf einmal eine unverschämte Frage stellt und ich mich entscheiden muss: Zu wem halte ich jetzt? Habe ich jetzt Mitleid? Das will ich aber gar nicht, als Zuschauer will ich mich entspannen und mich nicht entscheiden müssen. Das herzustellen ist glaube ich viel schwieriger. Und mein Ziel ist es, das auf lustige Weise zu schaffen.
War Ihnen Ihre Respektlosigkeit früher selbst manchmal unangenehm?
Ruf: Kam vor. Bei einer Miss-Wahl z.B. steht man ja erstmal als Zuschauer da und verschafft sich einen Überblick. Es geht darum, aus der durch die Observation gewonnenen Information Witze zu produzieren. Die mussten dann ja von mir umgesetzt werden, sprich ich musste etwa zu jemandem, der mir als ein bisschen doof aufgefallen war, hingehen und ihn darauf hinweisen.
Gab es Dinge, die Ihnen im Nachhinein peinlich waren?
Ruf: Ja (lacht). Bei Youtube sind Sachen drin, die ich zum Teil schon vergessen habe. Krass, denke ich da manchmal, das würde ich heute nicht mehr machen.
Wenn Sie nachts Leute rausklingeln und mit denen Bimmel-Bingo spielen, wird Ihnen das garantiert auch mal unangenehm sein.
Zum Beispiel?
Ruf: Ich habe in einer Sendung mal einen Sack Erde aufgerissen (lacht) und so getan, als würde ich meinen begrabenen Opa wieder ausbuddeln. (lacht) Oder ausweiden. Schlimm.
Warum haben Sie etwas gemacht, was Ihnen unangenehm war?
Ruf: Es war mir ja nicht alles immer unangenehm. Wir haben uns eine Sendung ausgedacht, für die das eben manchmal nötig war.
Fernsehen muss wehtun?
Ruf: Nö, hab ich nicht gesagt.
Aber es war für die Sendung nötig, Situationen herbeizuführen, die Ihnen selbst unangenehm waren?
Ruf: Ja, klar. Wenn Sie eine Sendung machen, in der Sie nachts Leute rausklingeln und mit denen Bimmel-Bingo spielen, wird Ihnen das garantiert auch mal unangenehm sein. Was man im geschnittenen Beitrag nicht sieht, sind die 200 Leute, die einem Schuhe an den Kopf geworfen haben. Klar ist das unangenehm. Aber daraus zu schließen, Fernsehen müsse wehtun halte ich doch für eine unzulässige Verkürzung meiner Aussagen hier.
Man fragt sich einfach, mit was für einer Einstellung Sie damals dazu gekommen sind.
Ruf: Die Einstellung war auf jeden Fall, dass es knallen muss. Auf Viva Zwei liefen eben die Videos, die auf Viva nicht liefen. Dort lief Blümchen, auf Viva Zwei Metallica. Es gab verschiedene Herangehensweisen. Es gab Markus Kavka, der die Leute zu ihrer Musik interviewt hat. Im Grunde nicht viel anders als auf Viva, nur gehaltvoller, spexiger. Ich aber wollte mit „Kamikaze“ eine Verlängerung dieses Lebensgefühls der Musik machen. Eine Fuck You-Show.
Viva Zwei wurde 2002 abgeschaltet. Haben Sie das bedauert?
Ruf: Ja, das war eine sehr bedauerliche Sache für die deutsche Fernsehlandschaft. Ob mit mir oder ohne mich, wir hatten hier mal den coolsten Musiksender der Welt.
Ist Sat.1 cool?
Ruf: Cool genug, um eine Show mit mir zu machen.
Sie haben früher unterschieden zwischen der Kunstfigur Niels Ruf und der Privatperson. Gilt das heute noch?
Ruf: Gerne ja. Ich glaube, Stefan Niggemeier hat mal ganz richtig bemerkt, dass ich mich sehr darum bemüht habe, dass der Unterschied zwischen mir und der Kunstfigur verwischt. Weil ich zum Beispiel auch in Interviews als Kunstfigur geantwortet habe, das hat mir auch den meisten Ärger eingebracht., war wohl nicht so schlau. Ich mache einen Job und der ist in diesem Fall zufällig öffentlich. Aber es gibt auch einen Privatmenschen, und der hat auch anderes im Kopf.
Und Sie sind sich sicher, dass Ihre Zuschauer immer unterscheiden konnten, zwischen Privatperson und Kunstfigur?
Ruf: Ich hätte natürlich deutlicher darauf hinweisen können, aber man muss schon ganz schön doof sein, um zu denken, dass der Typ auf dem Bildschirm immer so ist oder dass er das nun alles ernst meint. Die Leute denken ja auch nicht, dass Borat ein echter Mensch ist, sondern sie wissen, dass das eine Figur ist. Aber Sie würden jetzt wahrscheinlich Sascha Baron Cohen fragen: Haben Sie Respekt? Würden Sie Witze über Juden machen? Finden Sie Tabus wichtig?
Sie mögen unsere Fragen nicht.
Ruf: Ich finde das eine wahnsinnig negative Herangehensweise, es geht nur darum, was man alles nicht darf.
Zu etwas anderem. Wenn Sie in Ihrer Sendung Witze erzählen lachen Sie in der Regel selbst als Erster. Wie wichtig ist das?
Ruf: Das ist eigentlich total scheiße. Aber ich hab es ganz gut drauf: Eine Gehirnhälfte von mir macht einen Witz, und die andere lacht darüber. Die eine muss offenbar ein Stück schneller sein, und ich glaube meine weibliche Gehirnhälfte ist ein bisschen langsamer und lacht dann. (lacht). Sehen Sie? (lacht)
Privat ist das ein großer Spaß. Aber für die Show finde ich es schwierig. Jemand der die ganze Zeit über seine eigenen Witze lacht – das ist nicht so gut.
Müssen Sie sich das also noch abtrainieren?
Ruf: Es wird schon besser, aber…(lacht) ich amüsiere mich eben gern mit mir selbst.
Werden Sie in Ihrer Show mehr A-, B-, oder C-Prominente als Gäste begrüßen?
Ruf: Das ist nicht meine Art, Leute zu kategorisieren.
Aber es ist doch eine wichtige Entscheidung, welche Promis man in seine Show einlädt.
Ruf: Wer kommt, wird eingeladen. (lacht) In einer Pay-TV-Show ist es schwieriger, sich seine Gäste frei auszusuchen, weil man nicht die so genannte Promotion-Plattform bietet. Wenn Sie ein neues Buch geschrieben haben und dann in einer Pay-TV-Sendung zu Gast sind, werden Sie am nächsten Tag nicht 150.000 Exemplare mehr verkaufen. Das ist für die meisten Leute aber der einzige Grund, in eine Talkshow zu gehen.
Wen würden Sie denn gerne einladen?
Ruf: Ich bin da ganz easy. Das, was Sie wahrscheinlich B-Prominente nennen, ist meistens das Spritzigste. Frauen funktionieren ein bisschen besser als Männer, was man aber auch nicht verallgemeinern kann. Ich muss jetzt nicht zum 500. Mal Dolly Buster da haben. Wobei, ehrlich gesagt, als sie dann da war, war es auch okay. Ich glaube, es geht eher darum, dass die Show unabhängig von Kategorien wie A, B, oder C-Promi mit ihren Gästen funktioniert und es ist meine Aufgabe, mich auf den jeweiligen Gast einzustellen. Es gibt hier keine Starkultur und –auswahl, die mit Holllywood zu verhleichen wäre. Machen wir also das Beste, aus den tollen Leuten die da sind.
Die Medien haben Sie schon als „TV-Rüpel“ und Ähnliches bezeichnet. Interessiert Sie das?
Ruf: Ich kann mir auch tollere Spitznamen vorstellen, schlechtere auch… „Krawallmoderator“! (lacht) Nein, mir ist das nicht so wichtig.
Sind manchmal auch negative Schlagzeilen hilfreich?
Ruf: Naja, die Gäste kommen zunächst mal respektvoll bei mir rein und dann sind sie positiv überrascht, dass ich doch ganz nett bin. (lacht)
Haben Sie eigentlich „Free Rainer“ gesehen?
Ruf: Nein.
In dem Film wird ein Privatsender portraitiert…
Ruf: Ich fand das eine ziemlich lahme Geschichte.
Ohne den Film gesehen zu haben?
Ruf: Ich kenne die Story, die wurde ja kommuniziert. Im Film hat am Ende Klassik auf Arte die höchsten Einschaltquoten, gähn. Das Problem ist für mich dabei: Wenn jetzt tatsächlich das Dschungelcamp nicht mehr die besten Quoten hätte, sondern die Tagesschau. Wäre die dann automatisch das bessere Programm? Ich glaube nicht. Welchem Programm würde man denn die unfassbar tollen Quoten zuschustern wollen? Ich glaube, Bastian Pastewka hätte bessere Quoten verdient, für seine Serie. Aber wenn er die dann erstmal hätte, wäre er sicher unausstehlich. (lacht)
Im Grunde hat der Film ja eine nette Grundidee, aber dann wird das so humorlos aufgelöst. Ich glaube nicht, das die Macher das Medium Fernsehen verstanden haben.
In „Free Rainer“ wird sehr viel gekokst. Entspricht das der Realität der Fernsehbranche?
Ruf: Den Eindruck habe ich nicht. Aber vielleicht stellt sich das so’n Filmhochschüler so vor. Wo wir gerade bei Klischees sind.
Das mit dem Koks ist also eine Legende.
Ruf: Ja, alles Legende. In Wahrheit fixen wir alle Asbest.
Haben Sie Angst zu scheitern, mit Ihrer Sendung bei Sat.1?
Ruf: Ich habe permanent Angst, komplett im Leben zu scheitern. Locker bleiben. Sie wissen ja, Angst ist keine Lebenseinstellung.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur sind Sie?
Ruf: Superman – wer denn sonst?