Noa, Ihr aktuelles Album heißt „Jeans & Genes“, wofür steht dieses Wortspiel?
Noa: Dieses Album ist eine Reise durch mein Leben, inspiriert vor allem durch meine Familie, die auf einigen Songs zum Beispiel Lecha Dodi auch mit von der Partie war. „Jeans & Genes“, das ist die Gratwanderung zwischen Ost und West, zwischen Jeans, also den Dingen die ich trage, die ich für mich kennengelernt habe und Genes, also den Genen, bzw. den Bräuchen die aus dem Fundus der jemenitisch-jüdischen Kultur kommen und die auch einen großen Teil dessen ausmachen, was ich bin. Ich bin in Israel geboren und in New York aufgewachsen bis ich mit 17 wieder zurück nach Israel gezogen bin um der Liebe zu einem Mann zu folgen die bis heute anhält. In Amerika habe ich auf der Straße eine Welt erlebt, die auf der Schwelle unserer Haustür abrupt aufhörte. Unsere Wohnung war immer sehr traditionell eingerichtet und meine Eltern haben das entsprechende Brauchtum, auf eine liebevolle Art und Weise, hochgehalten – und draußen war die Welt der Jeans.
Sie haben gerade das Lied „Lecha Dodi“ angesprochen, dass Sie mit Ihrer Familie eingesungen haben. Das ist ja ein bekanntes religiöses kabbalistisches Lied, mit dem Juden am Freitagabend den Schabbat willkommen heißen. Sind Sie selber praktizierend bzw. würden Sie auch am Schabbat auftreten?
Noa: Ja, ich trete auch am Schabbat auf. Ich bin zwar ein spiritueller Mensch, halte aber wenig von organisierter Religion. Die jüdischen Bräuche wurden in meiner Familie zwar sehr hochgehalten, aber mehr aus kulturellen Gründen. Im Nahen Osten ist es leider so, dass organisierte Religion die Menschen eher voneinander trennt als verbindet und oft als Zwang erscheint. Ich liebe die Traditionen, und war auch sehr froh im traditionellen Stil zu heiraten, mit klassischem Kleid und Schmuck, aber ich verkläre es nicht romantisch und bleibe mir darüber im Klaren, dass die Mädchen die in diesen märchenhaften Kleidern geheiratet haben, oft keine andere Wahl hatten.
Nun haben die USA gerade einen neuen Präsidenten gewählt und viele Menschen setzten geradezu messianische Hoffnungen auf Obama. Können Sie als Israelin, die so oft von der Politik und Friedensversprechungen enttäuscht wurde, denn auch noch in diesen Kategorien mit dem Herzen denken und sich mit den vielen Menschenmassen naiv auf eine bessere Welt freuen?
Noa: Absolut. Ich habe ja auch einen amerikanischen Pass und gestern war ich zum ersten Mal seit langem wieder Stolz darauf. Ich bin seit Jahren in diversen Friedensinitiativen aktiv und werde nie den Glauben an eine bessere, friedlichere Welt verlieren.
Ich hoffe sehr, dass Obama in der Lage ist, die ersten Schritte in diese Richtung zu unternehmen und wünsche mir für Israel, dass wir auch bald wieder Politiker haben werden, die die besseren Gefühle in den Menschen wecken können. Zipi Livni halte ich zum Beispiel für eine großartige Frau und drücke ihr die Daumen für die nächste Wahl. Wenn hingegen Benjamin Netanjahu wieder an die Macht kommt, sieht es eher düster aus.
Sie haben vor 13. Jahren das Attentat auf Jitzhak Rabin miterlebt…
Noa: Ja, ich war auf der Bühne dabei und habe den jähen Wechsel von Hoffnung und Trauer miterlebt.
Was ist das für ein Gefühl, wenn so etwas vor den eigenen Augen passiert?
Noa: Niemand der dabei war wird diesen Abend jemals vergessen können. Wir hatten die Hoffnung, dass Rabin derjenige ist, der die nötigen Veränderungen bringt – und plötzlich ist alles aus. Seit diesem Abend bin ich aktiver geworden und versuche meinen Teil zum Frieden so gut wie ich kann beizutragen. Es waren leider nicht viele Prominente aus der israelischen Kulturszene am 4. November 1995 anwesend. Im Nachhinein haben dann zwar einige ihre Rabin-Songs gemacht, aber als er am Leben war wollte nicht jeder gerne auf dieser Friedensdemonstration gesehen werden.
In den USA haben meine Eltern zuhause das Brauchtum auf eine liebevolle Art und Weise hochgehalten - und draußen war die Welt der Jeans.
Sie sind unter anderem in Ländern wie Spanien und Italien erfolgreich, die nicht gerade als israelfreundlich und philosemitisch gelten, es hat auf Ihrer Tour sogar Zwischenfälle gegeben. Verletzt Sie das, als Friedenstaube, besonders?
Noa: Ja, ich fand das ausgesprochen tragisch. Wir hatten einen Auftritt im Baskenland und palästinensische Aktivisten hatten tagsüber Plakate überall aufgehängt mit meinem Gesicht und daneben irgendwelchen Bildern aus den besetzten Gebieten und mich auf Flugblättern auf eine absolut rassistische Art und Weise verunglimpft. Am Abend hat dann eine Abteilung von denen die Bühne gestürmt und das Konzert unterbrochen. Das mit den Plakaten war nichts neues, aber die Aktion während des Konzertes war schon sehr übel, so etwas dummes. Ich bin nun wirklich nicht im Verdacht die Siedlungspolitik zu unterstützen und erwarte, dass auch palästinensische Aktivisten, bei allem Verständnis, meine Musik von israelischer Politik zu unterscheiden lernen.
Hatten Sie das Gefühl, dass das anwesende spanisch-baskische Publikum zu Ihnen stand?
Noa: Ja. Es gibt natürlich gerade im Baskenland so einige, die glauben, dass ihr Befreiungskampf der gleiche wie der der Palästinenser ist, und deshalb dem Boykott von allem was israelisch ist, freundlich gegenüber stehen. Aber die gehen dann in der Regel auch nicht auf meine Konzerte.
Ich freue mich sehr darüber, dass meine Musik in Spanien und Italien einen so tollen Anklang findet. Wie übrigens auch in Deutschland. In Deutschland haben wir ein außergewöhnliches Publikum, das uns jedes Mal wieder überrascht. Es gibt zum Beispiel Eine Motorradgang aus Ansbach, also Leute die man wirklich nicht auf meinen Konzerten vermutet, die keine Tour von mir verpasst. Wir sind inzwischen sogar schon gut befreundet. Ich freue mich schon darauf sie wiederzusehen.
Nochmal zurück zu Ihrem aktuellen Album. Warum haben Sie Ihre Fans so lange auf ein neues Album warten lassen?
Noa: Mein letztes internationales Album „Now“ wurde in der Tat vor fünf, sechs Jahren veröffentlicht. Es kam ca. ein Jahr nach der Geburt meines ersten Kindes heraus und war sehr von diesem Lebensabschnitt, der Schwangerschaft und der Geburt beeinflusst. Aber ich habe seitdem nicht auf der faulen Haut gelegen. Das wichtigste war die Geburt meines zweiten Kindes. Als Mutter von zwei Kindern, die sie selbst erziehen möchte, wird es einem glaube ich niemals langweilig. Ich habe aber weiterhin auf Konzerten gespielt, das ist ein Teil meines Lebens, egal ob ich ein aktuelles Album habe oder nicht. Ich habe ein Live-Album samt DVD mit dem Solis-String-Quintett aus Neapel gemacht. Und später haben wir zusammen neapolitanische Lieder auf Hebräisch aufgenommen, was wirklich großartig war. Und die Aufnahmen zu „Jeans & Genes“ haben auch eine Weile gedauert. Mein langjähriger musikalischer Partner Gil Dor hatte mich bei einer Tasse Kaffee auf die Idee gebracht, mich einmal intensiver als bisher mit meinen Wurzeln musikalisch auseinander zu setzen.
Interview
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