Oliver Kahn

Die WM kann Brasiliens Probleme nicht lösen.

ZDF-Experte Oliver Kahn spricht im Interview über seinen WM-Einsatz in Brasilien, sein Verständnis für die Proteste und Streitsituationen im Studio.

Oliver Kahn

© Sascha Baumann / ZDF

Herr Kahn, mit welchen Erwartungen verbinden Sie die nun beginnende WM?
Oliver Kahn: Ich darf für das ZDF vier Wochen an der Copacabana verbringen. Ich werde zwar nicht direkt in den Stadien sein, aber ich habe mir sagen lassen, dass an diesem Strand die Post abgehen wird. Ich bin gespannt und lasse alles auf mich zukommen. Land und Leute lerne ich immer gerne kennen. Da ich nicht mehr ständig in Hotelzimmern rumhängen und mich auf Spiele vorbereiten muss, habe ich jetzt auch endlich die Zeit dazu. Das habe ich schon bei der WM 2010 in Südafrika genossen, dort habe ich viel unternommen.

Beim Bau der zwölf Stadien sind bisher sieben Arbeiter ums Leben gekommen. Über 200.000 Menschen haben beim FIFA-Konförderationen-Pokal gegen die WM demonstriert. Außerdem wird über die Sicherheit diskutiert. Inwiefern werden Sie das im Hinterkopf haben?
Kahn: Das nimmt man schon auf. Die Sicherheitsaspekte wurden ja auch schon vor Südafrika diskutiert, aber am Ende lief alles reibungslos. Ich bin mir sicher, dass auch die Brasilianer gut vorbereitet sein werden. Die Proteste der Menschen finde ich gut und richtig. Ich hoffe, dass sie auch während der WM ihre Meinung äußern können. Dieses Event ist für die Menschen eine Chance, um auf Missstände in ihrem Land hinzuweisen. Ich halte es für verkehrt, dass im Sport oft so getan wird, als sei durch eine WM auf einmal alles schön. Ich glaube nicht, dass der Fußball irgendwelche Probleme lösen kann. Das wäre ein fataler Irrglaube.

Aber gerade dieses Bild wird ja gerne erzeugt…
Kahn: Der Fußball hat eine Völker verbindende Funktion, aber dadurch löst er noch lange nicht die ökonomischen oder gesellschaftlichen Probleme eines Landes. Wichtig ist ja auch die Frage, wie es nach dieser Veranstaltung in Brasilien weitergehen wird. Da stellt sich auch die Frage, was aus den zwölf Stadien werden soll, die für zig Milliarden Euro gebaut wurden, während Millionen Menschen in diesem Land hungern.

Weshalb spielt Fußball in Brasilien so eine große Rolle?
Kahn: Das hat viel mit Tradition zu tun. Die Brasilianer hatten alleine schon mit Pelé eine enorm erfolgreiche Zeit. Sie sind damals dreimal innerhalb kurzer Zeit Weltmeister geworden. Solche Erfolge schaffen Begeisterung, Kultur und auch Tradition. Außerdem kann der Fußball in Ländern, in denen es viel Armut gibt, auch Halt schaffen. Diese Funktion erfüllt der Fußball auch in Brasilien.

Der Fußball kann in Zeiten der Armut auch Träume einer Profi-Karriere erzeugen, die am Ende oft Träume bleiben…
Kahn: Der Armut durch den Fußball zu entkommen ist natürlich ein großer Anreiz, auch wenn es am Ende leider nur die allerwenigsten schaffen. Aber der Traum ist da und viele träumen ihn. Das ist nur menschlich.

Für Wirbel sorgte im März Ihr Streit mit Dortmunds Trainer Jürgen Klopp. Wünscht man sich als TV-Experte aber auch impulsive Interview-Partner?
Kahn: Ich bin da relativ flexibel. Ich habe mich in der letzten Zeit mal gefragt, wie es gewesen wäre, wenn Jürgen und ich früher zusammengearbeitet hätten. Das wäre in Sachen Emotionalität sicher erfolgreich verlaufen. (lacht) Aber solche Momente gehören zum Fußball dazu. Fußball war schon immer auch Show und Unterhaltung. Und Spieler und Trainer stehen oft massiv unter Druck. Verletzte Spieler, gesperrte Spieler und Spieler, die weggekauft wurden – damit muss ein Verein umgehen. Das ist nicht leicht.

Nach der 0:3-Viertelfinal-Niederlage gegen Real Madrid legte sich Klopp mit Ihrem ZDF-Kollegen Jochen Breyer an. Sie blieben jedoch ruhig und schmunzelten.
Kahn: Wir haben beide den Fußball in all seinen Facetten erlebt und das Recht unsere Meinung zu äußern. Wenn die nicht immer deckungsgleich ist, ist das für mich überhaupt kein Problem. In dem Moment hatte ich auch Verständnis für Jürgen, da ich eigentlich nichts gesehen habe, was für mich Anlass gewesen wäre, extrem kritisch zu sein.

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