Oliver Polak

Deutsche Comedy ist oft grauenhaft.

In seinem neuen Buch „Der jüdische Patient“ schreibt Comedian Oliver Polak über seine Zeit in der Psychiatrie. Im Interview spricht er über frustrierende Auftritte, Beruhigungsmittel, deutsche Comedy, Political Correctness, Udo Jürgens und warum man seinen Humor in Wien besser versteht als in Deutschland.

Oliver Polak

© Gerald von Foris

Herr Polak, Ihre Tour im Frühling 2014 hatte den Titel „Krankes Schwein“. Nun berichten Sie in „Der jüdische Patient“ über Ihren Klinikaufenthalt aufgrund von Depressionen. Hieß das Programm so, weil Sie als „krankes Schwein“ in der Psychiatrie waren?
Oliver Polak: Nein. Sodomie, Pädophilie, Rassismus, Antisemitismus, Vergewaltigung, Onanieren wenn Tiere im Raum sind oder Onanieren kurz vor dem Tod sind nur einige Themen in der Show. Mein Kernthema ist die Einsamkeit. Und wenn man all das zusammenfasst passt „Krankes Schwein“ ganz gut. Ein krankes Schwein war ich schon, bevor ich in die Psychiatrie gekommen bin.

Ein depressiver Comedian, ist das kein Widerspruch?
Polak: Vielleicht ist es das, aber das Leben ist nun mal voller Widersprüche. Manchmal ist man verliebt – und am nächsten Tag ist man es nicht mehr.

Woran haben Sie gemerkt, dass es an der Zeit ist, etwas gegen Ihre Depressionen zu tun?
Polak: Bei mir war es ein Prozess, der sich über zwei Jahre eingeschlichen hat. Ich war manchmal nach Tourneen erschöpft. Da kam vieles zusammen: Frustrierende Auftritte vor einem seltsamem, unangenehmem Publikum, frühkindliche Erfahrungen, Deutschland… Um mich herum wurde es immer düsterer. Ich habe mich immer mehr zurückgezogen. Wenn jemand gesagt hätte: „Hey, unten bei dir im Haus spielen Blumfeld, Tocotronic und Udo Jürgens heute Abend ein Konzert nur für dich“ – es wäre mir egal gewesen. So extrem war das.

Ihr Hausarzt hat Ihnen ein Medikament verschrieben, was Sie 40 Kilo zunehmen ließ. Hat das Mittel wenigstens gegen die Depressionen geholfen?
Polak: Ich fühlte mich noch übler. Ich lag nur noch im Bett und irgendwann war der Punkt erreicht, wo ich wusste: Das geht jetzt so nicht mehr weiter.

Zitiert

Political Correctness ist eine Farce in Deutschland.

Oliver Polak

Sie waren dann drei Monate in einer Klinik. Waren die Patienten in der Psychiatrie eine Inspiration für Ihr Bühnenprogramm?
Polak: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil. Als ich in der Psychiatrie war, wollte ich mich auf mich konzentrieren, ich habe höchstens mal mit meinem Zimmernachbar geredet, oder mit den Ärzten. Ich hatte schon genug Probleme und wollte nicht noch mehr negative Energie von außen bekommen.

Sie sind in der Zeit trotzdem aufgetreten. Wie war das möglich?
Polak: Nachdem ich eine Woche in der Psychiatrie war fiel mir ein, dass ich in den „Quatsch Comedy Club“ muss, das war schon lange Zeit vorher vereinbart gewesen. Also habe ich meine Ärztin so lange überredet, bis sie mir glaubte, dass ich das Krankenhaus verlassen kann, obwohl ich Medikamente nehme und kaum aus dem Bett komme. Ich musste mir einen Stichwortzettel schreiben, weil ich wegen meinem Medikament Gedankenaussetzer und Panikattacken hatte.

Ging alles gut?
Polak: Erst war alles cool, aber ein Auftritt eskalierte. Das Publikum buhte und rief dazwischen. Wir waren nicht eins, aber mir war das egal, weil ich auf so starken Beruhigungsmitteln war. Nach meinem Auftritt entschuldigte sich der Moderator beim Publikum für mich. Er gab der ersten Reihe Getränke aus, surfte auf der Antipathie gegen mich und dreschte dann noch ein paar Pointen gegen mich raus. Das war schon recht eklig, das fand auch der „Quatsch Comedy Club“ nicht lustig.

polak coverHat Sie das zweifeln lassen, an Ihrem Beruf?
Polak: Als ich in die Klinik kam, hatte ich schon Zweifel. Weil ich teilweise nichts mehr gefühlt hatte. Ich hatte keinen Bock mehr auf Deutschland, keine Lust auf deutsche Comedy, weil es einfach oftgrauenhaft ist.

Was konkret missfällt Ihnen?
Polak: Es gibt zum Beispiel eine Sendung für „StandUpMigranten“ im Fernsehen. Dort treten nur polnische, türkische, schwarze Comedians auf. Ich wurde vier Mal eingeladen. Mein Booker schrieb immer zurück: „Warum soll Oliver kommen? Er ist Deutscher.“ Ich denke, „Comedy-KZ“ wäre der passendere Titel für die Sendung.
Also, da merkst du schon, dass etwas komplett falsch läuft. Ich finde auch, dass bestimmte Comedians Rassismus protegieren, indem sie Klischees bedienen, die nicht stimmen. Die Leute lachen dann darüber, klatschen Beifall und fühlen sich reingewaschen.

Wo genau liegt Ihrer Meinung nach das Problem?
Polak: Das, was es in Deutschland an Comedy gibt, ist größtenteils einfach zu billig. Dem deutschen Comedian ist es wichtiger, sich anzubiedern und den Leuten zu gefallen, als die Leute zum Lachen zum bringen. Political Correctness ist eine Farce in Deutschland, fast schon eine Lüge. Es ist eher ein Argument dafür, sich mit einem Missstand nicht auseinandersetzen zu müssen und einfach nur oberflächliche schlechte Witze zu machen. Ich finde, Humor ist interessant, wenn etwas in die Waagschale geworfen wird, wenn er etwas bewegen kann.

Wo findet gute Comedy statt?
Polak: Es gibt Nischen. Stand-Up-Comedy findet eher näher am Hip Hop oder in der Popkultur statt, bei Deichkind,
den Ärzten, Daniel Richter oder Erobique, die diesen Job mitübernehmen, weil die eigentlichen Comedians in Deutschland größtenteils versagen.

War das der Grund, warum Sie 2013 mit K.I.Z. den Videoclip zu „Ich bin Adolf Hitler“ gedreht haben?
Polak: Da hatte ich Lust drauf, weil ich müde war von diesem ganzen Hitlerbusiness und einem Oliver Pocher, der bei Plasberg über Hitler und Humor diskutiert
(Thema der Sendung war „Hitler als Witzfigur – Worüber darf Deutschland lachen?“, Anm. d. Red.) Als mir die Jungs von K.I.Z erzählten, dass sie ein Video zu dem Song „Ich bin Adolf Hitler“ produzieren, sagte ich: „O.K., dann spiele ich Hitler.“ Das hat mir Spaß gemacht, weil ich viel in die Rolle einfließen lassen konnte. Wir haben ihn als das dargestellt, was er wirklich war: Ein krankes, widerliches, fertiges Schwein, welches heruntergerockt in Berlin-Kreuzberg wohnt und öfter mal verprügelt wird.

Thees Uhlmann sagte bei der Berliner Buchpremiere zu Ihnen „Du bist kein Deutscher“ Ist das für Sie ein Kompliment oder eine Beleidigung?
Polak: In meinem Pass steht, dass ich Deutscher bin und dann ist das vielleicht so. Ich mache mir nicht so viel Gedanken darüber, wer ich bin und wo ich bin. Ich merke nur, wo ich mich wohl fühle und wo nicht. Thees Uhlmann sagte auch, dass ich „ein amerikanischer Stier aus Papenburg“ bin, „mit einem jüdischen Herzen“. Da ist schon etwas Wahres dran, denn ich fühle mich sehr wohl, wenn ich in Amerika bin. Nicht nur, was die Comedy angeht, sondern grundsätzlich.

Auf Ihrem Buch ist das Wort „jüdische“ im Titel durchgestrichen. Haben Sie es satt – wie Sie es einmal mit Dirk von Lotzow frei nach Tocotronic gesungen haben – „Teil einer Judenbewegung“ zu sein?
Polak: Nein, das eine ist ein Buch, das andere war eine Show – und das Lied war einfach lustig. Es hieß ja vorher bei Tocotronic „Jugendbewegung“. Was die Leute da rein interpretieren, weiß ich nicht. Ich bin nur Teil von meiner eigenen Bewegung.

Wenn man über Sie in der Zeitung liest, steht da jedenfalls oft „jüdischerComedian
Polak: Natürlich wurde ich nach „Jud süß-sauer“ schnell abgestempelt. Einfach Stempel drauf, Schublade zu. Ich war für viele nicht der jüdische Comedian, sondern der Jude oder auch, wie mich eine
Berliner Tageszeitung bezeichnet hat, der „Berufsjude, der Gaskammerkalauer macht“. Da frage ich mich, ob der Künstler gefährlicher ist oder die Gedanken der Rezipienten.

Vielleicht war es nur eine Reaktion darauf, dass Sie Ihr Programm „Jud süß-sauer“ betiteln…
Polak: Das darf man nicht zu ernst nehmen. Das ist das grundsätzliche Problem, dass viele Deutsche keinen Humor verstehen, man kann nicht ironisch sein. „Jud süß-sauer“ war meine erste Stand-Up-Show, ein Programm wie es andere Comedians auch haben. Nicht mehr und nicht weniger.
Aber es ist offenbar ein Humor, der beispielsweise in Wien besser verstanden wird, dort kann man viel schärfer sein. In Deutschland geht das nur bedingt, egal ob ich den Holocaust thematisiere oder über Vergewaltigung rede. Wenn die Leute hier ein bestimmtes Wort hören, dann kommt gleich der pawlowsche Reflex: „Oh Gott, nein!“ Deswegen komme ich manchmal nicht soweit, wie ich möchte. Weil das im Keim erstickt wird.

Ihr Buch enthält viele Songzitate, auch eine Zeile aus Caspers „Im Ascheregen“: „Dies ist kein Abschied, denn ich war nie willkommen“. Warum waren Sie denn in Papenburg nie willkommen?
Polak: Keine Ahnung, ich war dort ein Fremdkörper. Als Kind und als Jugendlicher wurde ich im Kindergarten und in der Grundschule als Ausländerjude mit „Judenaids“ über den Schulhof gejagt. Die Leute wollten mich manchmal nicht anfassen und als ich 14 Jahre alt war, warteten Nazis auf mich, die mich verprügeln wollten. Es gab immer wieder antisemitische rassistische Ressentiments. Polizisten haben mich vom Fahrrad geholt und wollten meinen Ausweis sehen: „Aus welchem Land kommst Du?“ – Das ist dort schon sehr rechtskonservativ geprägt. Gastfreundlichkeit wurde nicht unbedingt in Papenburg erfunden.

Machen Sie Comedy, um diese Erlebnisse zu verarbeiten?
Polak: Nein.

© Gerald von Foris

© Gerald von Foris

Sind Sie verbittert, aufgrund dieser Erfahrungen?
Polak: Nein, ich bin überhaupt nicht verbittert, aber ich war irgendwann müde. Ich respektiere und akzeptiere, dass meine Eltern dort wohnen, aber ich habe für diese Stadt keine Emotionen. Sie ist für mich bedeutungslos.

Ihr Vater ist in Papenburg geblieben. Er hat mehrere Konzentrationslager überlebt. Ist Ihr Vater Ihr großes Vorbild?
Polak: Vorbild finde ich immer schwierig. Ich habe natürlich Respekt vor Menschen, die so stark sind, dass sie den Holocaust oder andere schlimme Dinge überlebt haben. Als ich bei Markus Lanz war, saß dort dieses Mädchen, das lange von einer Talibangruppe entführt war. Da war ich total emotional als dieses süße, zerbrechliche Mädchen neben mir saß. Und natürlich sind solche Emotionen noch intensiver, wenn es dein eigener Vater ist, der so etwas erlebt hat.

Jetzt haben wir noch gar nicht über Udo Jürgens gesprochen, der vor kurzem seinen 80. Geburtstag gefeiert hat. Sie haben ihm mit einem Zeitungsartikel gratuliert, was bewundern Sie an ihm?
Polak: Erst einmal ist er ein richtiger Musiker und ein Weltstar. Er hat über 100 Millionen Platten verkauft, aber hat eben auch eine Haltung. Ich finde schon, dass seine Lieder „Griechischer Wein“, „Ein ehrenwertes Haus“, „Ich war noch niemals in New York“ an etwas gekratzt haben und mit dem Song „Gehet hin und vermehret euch“ über die katholische Kirche kam er Anfang der 90er sogar auf den Index bei allen Radiosendern, was ihm scheißegal war. Er hat sich da nie groß verbogen, sondern ist immer seinen eigenen Weg gegangen. Vor ihm habe ich eine sehr große Achtung, er ist auch ein sehr sympathischer Typ und sagt gute Dinge.

Was haben Sie von Udo Jürgens gelernt?
Polak: Durch ihn habe ich ein sehr großes Bewusstsein, was Show, Entertainment und große Gesten angeht. Und die Emotion in der Unterhaltung.

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