Olli Dittrich

Wenn ich in die Maske gehe, ist das für mich ein meditativer Prozess.

Olli Dittrich über Theater auf der Leinwand, Maskierung im Film und Shisha-Rauchen in Berlin-Neukölln

Olli Dittrich

© UIP

Herr Dittrich, Sie spielen im Film „Die Relativitätstheorie der Liebe“ fünf Rollen, die allesamt sehr unterschiedlich sind. Hatten Ihre Figuren denn auch etwas gemeinsam?
Dittrich: Der Unterschied eint sie. Vor allem der Unterschied im Umgang mit der Liebe. Denn die Liebe, so einfach, universell und wunderschön, so überwältigend sie sein kann, ist ebenso kompliziert und anstrengend, je nachdem wem sie wann und wie widerfährt.

Hatten Sie eine Lieblingsfigur?
Dittrich: Nein. Es gab zwar Figuren, die mir anfangs nicht so leicht zugänglich waren, aber deshalb mochte ich sie nicht minder. Mir bereitet es immer eine große Freude, einem Charakter eine Seele zu geben. Erstaunlicherweise hatte ich jedoch genau mit den Figuren die größten Schwierigkeiten, die mir persönlich eigentlich am nächsten waren.

Fünf Rollen in einem Film zu spielen: Ist das die Obergrenze, die Sie ohne bleibende Schäden bewerkstelligt bekommen?
Dittrich: Haha, bleibende Schäden sind in jedem Fall auszuschließen! Leute wie Eddie Murphy haben ja sogar noch mehr geschafft. Aber das ist natürlich kein sportlicher Wettkampf. Ich schiele nicht auf einen Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde. Es ging um etwas ganz anderes, was unser Regisseur Otto Alexander Jahrreiss sehr schön auf den Punkt gebracht hat, nämlich: Dass Kino auch Theater sein kann. Im Theater ist der dramaturgische Kniff, eine Person mehrere Rollen spielen zu lassen, schließlich gang und gäbe. Warum sollte das denn nicht auch im Film funktionieren? Ich finde, das ist eine sehr spannende Herangehensweise. Und es funktioniert.

Fühlen Sie sich auf der Bühne wohler als vor der Kamera?
Dittrich: Nein, das kann man so nicht sagen. Das sind einfach zwei paar Schuhe, vollkommen andere Disziplinen. Ich liebe es, als Musiker und Entertainer auf der Bühne zu stehen. Dieses unmittelbare Arbeiten mit dem Publikum ist durch nichts zu ersetzen. Ich improvisiere ja auch sehr gerne, und es ist toll, wenn in Zusammenarbeit mit dem Publikum etwas Gemeinsames entsteht. Genauso liebe ich es aber auch, nicht der Frontmann zu sein, eher versteckt hinter meinem Schlagzeug zu sitzen und zwei Stunden ein Konzert zu trommeln. Das öffnet genauso mein Herz. Und vor der Kamera ist es wieder etwas ganz anderes, deshalb aber nicht weniger spannend und schön.

Sie haben sehr viele unterschiedliche Rollentypen und Charaktere in Ihrem schauspielerischen Repertoire. Gibt es bestimmte Stereotypen, die Sie immer wieder recyclen?
Dittrich: Ein Baukastensystem, meinen Sie (lacht)? Das wäre natürlich praktisch, aber so funktioniert das natürlich nicht. Selbstverständlich baut alles aufeinander auf, ist wiederholbar; und je mehr Figuren man spielt, desto mehr Facetten kommen dazu. Aber man kann das nicht handwerklich zusammenstecken, zumal es mir sehr wichtig ist, dass sämtliche Figuren stets eine Eigenständigkeit, eine Wahrhaftigkeit des tatsächlichen Lebens besitzen.

Stimmt es eigentlich, dass Sie beim Dreh nicht mit Olli angesprochen werden wollen, sondern nur noch mit dem Namen der jeweiligen Figur?
Dittrich: Klar, Olli ist ja dann auch gar nicht am Set, sondern eine ganz andere Person. Und die hat eben auch einen anderen Namen. Bei diesem Film war es tatsächlich so, dass Katja Riemann und ich uns nie als Katja und Olli begegnet sind, sondern immer nur als die von uns gespielten Figuren. Teilweise waren wir dafür ja auch stundenlang in der Maske.

Was passiert denn innerlich mit Ihnen, wenn Sie eine Maske tragen? Wie muss man sich das vorstellen?
Dittrich: Schwer zu beschreiben. Es kehrt verborgene Seiten nach außen. Diese Leidenschaft und die Möglichkeiten der Maskierung habe ich ja bereits in den 90er Jahren für mich entdeckt, als ich damals zum Fernsehen gekommen bin. Es hilft mir einfach ungemein, wenn ich mich auch optisch in eine Rolle hineinbegeben kann. Wenn ich morgens in die Maske gehe, ist das für mich ein meditativer Prozess: Ich mache die Augen zu, versinke in meine Rolle und wache dann buchstäblich als neuer Mensch wieder auf.

Eine der Figuren, die Sie im Film spielen, ist Youssef – ein libanesischer Imbissbudenbesitzer. Wenn Sie sich in Youssef verwandelt haben, sprechen Sie also tatsächlich nur noch gebrochenes Deutsch?
Dittrich: Ja, auch vorher schon, wenn der Tag um Sieben in der Maske beginnt. Das Ganze wird so viel geschmeidiger. Ein Fußballer macht sich ja auch erst warm, schießt aufs Tor und übt Dribblings, bevor das Spiel angepfiffen wird. Das ist bei mir nicht anders. Das Einfühlen in eine Rolle ist ein täglicher Prozess, der schon lange Zeit vor dem eigentlichen Dreh beginnt.

Zitiert

Ich bringe Leute gerne, aber nur sehr selten und ungern mit überzogenen Mitteln, zum Lachen.

Olli Dittrich

Sie haben es eben bereits angesprochen: Für einige Figuren mussten Sie jedes Mal zwei Stunden lang in die Maske, haben Perücken und falsche Nasen tragen müssen. Wird die Haut dabei nicht immens beansprucht?
Dittrich: Und wie! Deshalb hat selbst das Abschminken oft anderthalb Stunden gedauert, weil keine Rückstände zurückbleiben durften und die Haut gepflegt und geschont werden musste. Ein Abenteuer, denn keiner hatte Erfahrung damit, Gesichtshaut über eine so lange Zeit jeden Tag auf diese Weise zu malträtieren. Aber unsere Maskenbildner haben da wirklich tolle Arbeit geleistet. Keinerlei Blessuren während der monatelangen Dreharbeiten, grandios.

Sind Sie mit Ihren Masken auch mal auf die Straße gegangen?
Dittrich: Klar. Viele Youssef-Szenen haben wir ja in Berlin-Neukölln gedreht, mit echten Libanesen, auch Marokkanern, Türken, Iranern. Da haben wir in Drehpausen auch schon mal auf der Strasse zusammengestanden oder, wie in einer zufällig entstandenen Szene, in einem Hinterzimmer gemeinsam Shisha geraucht. Das war wirklich lustig, weil die mich tatsächlich nie als Olli Dittrich, sondern immer nur als Youssef gesehen haben und felsenfest davon überzeugt waren, dass ich alles Mögliche – nur kein Deutscher sein kann. Die sprechen ja auch untereinander teilweise in gebrochenem Deutsch, da bin ich erstmal gar nicht groß aufgefallen. Für mich war das natürlich toll, quasi als „einer von ihnen“ durchzugehen.

Haben Sie selbst am Kreieren der Figuren mitgewirkt?
Dittrich: Ja, klar. Man muss ja sicher sein in den Figuren und sämtliche Charaktere nicht nur für sich, sondern auch miteinander zum Funktionieren bringen. Klar soll der Umstand, dass Katja und ich jeweils fünf verschiedene Figuren spielen, die Zuschauer im ersten Moment in Erstaunen versetzen. Aber das muss sich dann auch rasch legen, damit der Zuschauer in der Geschichte versinken kann – sonst funktioniert das alles nicht. Das ist ja keine Verkleidungsparade.

Sie improvisieren ja auch gerne. War das bei diesem Dreh möglich?
Dittrich: Nein, ganz andere Baustelle. Es gibt zum Beispiel Szenen, in denen wir mit uns selbst spielen, eine sehr große Tüftelei. Da sind präzises Spiel und genaue Wiederholung vonnöten. Für den freien Fall ist da kein Platz. Ansonsten werden die Drehtage sehr lang (lacht).

In einem Film, in dem man fünf verschiedene Rollen spielt, besteht da nicht schnell die Gefahr, seine Rolle zu sehr ins Lächerliche zu ziehen? Hatten Sie manchmal das Gefühl, sich in ihrer Spielfreude ein bisschen bremsen zu müssen?
Dittrich: Die Dosis in Aussehen und Spiel liegt ja in der eigenen, verantwortungsvollen Hand. Dieser Film ist keine Sketch-Comedy-Show mit absichtlich übertriebenen Klamaukfiguren. Es geht hier um echte, glaubwürdige Menschen, die auf der großen Kinoleinwand bestehen müssen.

Das klingt so, als sei der humoristische Zugang bei „Die Relativitätstheorie der Liebe“ ein gänzlich anderer gewesen als beispielsweise bei „Dittsche“.
Dittrich: Nein. Dittsche ist erfunden, könnte aber unter uns leben. Wie die Figuren im Film. Ich bringe Leute gerne, aber nur sehr selten und ungern mit überzogenen Mitteln, zum Lachen. Mich interessieren komische Situationen, die aus dem Leben gegriffen sind, seien sie auch noch so absurd. Sie haben eine andere Nachhaltigkeit als ein zwar lauter, aber letztlich platter Gag. Weil sich jeder darin wiederfinden, darüber lachen und sagen kann: „Das kenne ich, ist mir auch schon passiert.“

Gilt das auch für eine Ihrer anderen Paradedisziplinen, der Parodie?
Dittrich: Ja, natürlich. Bei Parodien versuche ich immer so echt zu sein wie das Original, denn das ist das Erkennungsmerkmal einer guten Parodie. Es reicht bei Weitem nicht, dass man sich halbwegs so anzieht wie der Parodierte, ihm dann aber etwas in den Mund legt, was dieser so nie sagen würde. Das Geheimnis ist: Selbst wenn es erfunden ist, muss es trotzdem wahr bleiben.

Sie haben mit dem Regisseur von „Die Relativitätstheorie der Liebe“, Otto Alexander Jahrreiss, bereits bei den bekannten Werbespots für Media Markt zusammengearbeitet. Scheinbar hat dieser das „Geiz ist geil“-Motto sehr verinnerlicht, schließlich hat die Mehrfachbesetzung ja immense Einsparungen bei der Schauspielgage ermöglicht.
Dittrich: Ja, diese Annahme liegt natürlich nahe. Lustigerweise hat ein Kollege von Ihnen genau denselben Aspekt herausgepickt, allerdings mit der gegenteiligen Annahme. Der dachte nämlich, dass ich bei dem Film die fünffache Gage kassiert hätte (lacht).

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.