Orange Blue

…wirklich sympathisch waren wir uns anfangs nicht

Volkan Baydar und Vince Bahrdt alias Orange Blue über Dinosaurier, "dumme" Musik, Big Brother und die drei Seiten eines Menschen

Orange Blue

© Edel Records

Vince und Volkan, wer von euch ist eigentlich ‚orange‘ und wer ist ‚blue‘?
Vince: So war das eigentlich gar nicht gemeint, jeder von uns hat eine ‚orange-‚ und und eine ‚blue-Seite‘, genau wie jeder Mensch. Eigentlich haben wir sogar drei Seiten. Mal sind wir fröhlich, mal traurig und manchmal einfach nur voll.
Volkan: [lacht] Das wäre dann orange und blue zusammen, also ein schmutziges Braun.

Mit anderen Worten: Ihr ergänzt euch perfekt und alles ist harmonisch zwischen euch?
Vince: [tritt Volcan] Eh du Penner [lacht], nee, wir verstehen uns schon gut!

Ihr seid ja praktisch über Nacht berühmt geworden, was hat sich dadurch bei euch verändert?
Vince: Das war ’ne verdammt lange Nacht [lacht]. Eigentlich hätte das ruhig ein wenig schneller gehen können, wenn "She’s got that light" noch ein wenig schneller eingeschlagen wäre.
Volkan: Aber wenn eine Newcomer-Band mitten im Sommer eine Ballade veröffentlicht, dann überlegen sich einige Radiosender bestimmt zweimal, ob sie das ins Programm nehmen wollen – obwohl das ja auch ein Grund sein könnte, warum es letztendlich geklappt hat. Die Single gibt es schließlich schon seit 7 Monaten.

Hättet ihr das erwartet als ihr euch das erste Mal getroffen habt?
Vince: Nee, überhaupt nicht. Wir haben uns das erste Mal gesehen, als Volkan auf eine Kontaktanzeige geantwortet hat, die ich in einer Musikzeitung geschaltet hatte. "Band sucht Sänger", und dann stand er bei meinen Eltern vor der Haustür, wo wir damals geprobt haben. Es ist nicht so, dass wir uns nicht gemocht hätten, aber so wirklich sympathisch waren wir uns nicht…
Volkan: …aber wir dachten, wir wären nicht auf einer Wellenlänge.
Vince: Ich hatte lange Haare und sah ziemlich milchgesichtig aus. Und Volkan sah einfach nicht so aus, wie ich mir eine richtige Soulröhre vorstellen würde. Ich hätte nicht gedacht, dass der so richtig singen kann.
Volkan: [lacht] Also sind wir in erster Linie skeptisch aufeinander zugegangen, was sich dann im Probenraum aber gelegt hat.

Als ihr dann angefangen habt zusammen Musik zu machen und die an die Plattenfirmen zu schicken, ist die ja erst immer wieder zurückgeschickt worden, mit den Worten, sie sei nicht kommerziell genug – ist sie jetzt kommerzieller geworden?
Vince: Nee, das glaube ich nicht, ich denke die Ansprüche haben sich verändert. Die Musik die wir machen lässt sich immer positiv oder negativ beschreiben. Manche nennen sie nicht aktuell genug, was auch immer "aktuelle" Musik sein mag…
Volkan: [imitiert einen Techno Beat] UtzUtzUtz
Vince: …oder man nennt es halt zeitlos. Singer/Songwriter-Musik mit Klavier-Begleitung, das ist das was wir machen und drücken unsere Gefühle damit aus, wir sagen, was wir sagen möchten. Und für uns ist das Musik und wird auch immer wieder funktionieren. Nicht wie andere, die von Produzenten gecastet werden, oder so.
Volkan: Unsere Plattenfirma steckt zwar in alles ihre Nase, lässt uns aber sonst völlig freie Hand, wir können über unsere Musik, Kleidung, Platten etc. völlig frei entscheiden. Niemand übt Druck auf uns aus, was man dann ja auch in unserer Musik hört.

Von Zeit zu Zeit werdet ihr unter anderem mit Elton John verglichen – macht euch das stolz, oder würdet ihr eher sagen, das engt ein, da würdet ihr wieder in ein Schema gepresst werden?
Volkan: Beides eigentlich. Auf den Vergleich mit Elton John kann man natürlich stolz sein, aber wenn uns jemand mit den Big Brother-Bewohnern verglichen hätte, wären wir wohl ziemlich beleidigt. Trotzdem ziehen wir natürlich unser eigenes Ding durch. Von Elton John sind wir bestimmt auch ein wenig beeinflusst worden, da das einfach Musik ist, die wir privat hören.
Vince: Genau. Billy Joel oder Elton John sind Leute, die gerade mit ihren Balladen so gute Songs in die Welt gesetzt haben. Und sie schaffen es immer wieder unglaubliche Songs zu schreiben. So "Candle in the wind", oder "Your song". Es gibt haufenweise Alben, die nur so Mittelmaß sind, aber zwei oder drei Tracks sind so gut dass ich mich einfach frage, woher nehmen die das immer, wo kommt das her? Und die sind auch schon Jahrzehnte dabei, selbst wenn sie mal jahrelang nichts vernünftiges rausbringen, irgendwann kommt wieder ein Knaller. Und man kann ja nicht immer nur so ganz grandiose Sachen machen.

Also würdet ihr sie als eure Vorbilder bezeichnen?
Vince: Hmmm, mit dem Begriff Vorbilder tun wir uns immer recht schwer, Vorbilder haben wir eigentlich nicht, aber wir wurden auf jeden Fall von ihnen beeinflusst.

Hört ihr denn auch andere Musik, also geht ihr oft in Clubs?
Vince: Eigentlich eher selten, und wenn, dann bestimmt in keine Techno-Disko, sondern wir tanzen eher zu funkiger, souliger Musik.
Volkan: Oder manchmal in Dorfdiskos, die man eigentlich eher skeptisch beäugen würde. Da hört man dann so nette Musik aus den Siebzigern, die man sonst völlig vergessen hätte.
Vince: Ich weiss aber gar nicht mehr, wann ich das letzte mal Zeit gehabt hätte, abends in die Disco zu gehen. Wenn, dann mal in Bars, mit netter Musik, zum Unterhalten. Ich mag da vor allem diese richtig schmuddeligen Bars auf dem Kiez, in Hamburg. Die haben so eine richtig eigene Aura, in der man sich einfach nur wohlfühlt.

Zu eurem neuen Song. Wie kam es denn dazu, dass "Can somebody tell me who I am" zum Titeltrack des neuen Disney-Films "Dinosaurier" wurde?
Vince: Als der Film in Amerika veröffentlicht wurde, hatte, trotz vieler Bewerbungen von allen möglichen Bands, niemand den Zuschlag bekommen, so dass er dann ohne Song veröffentlicht wurde. Als der dann nach Europa gekommen ist, wurden wir mit einigen anderen Künstlern gefragt, ob wir nicht einen Song komponieren könnten, allerdings ohne jede Garantie ob der veröffentlicht würde, weil die Chancen schon aus rein politischen Gründen sehr gering waren. Noch nie hat eine deutsche Band einen Titeltrack zu einem Disney-Film beigesteuert.
Volkan: Wir haben uns in den USA dann in ein Kino gesetzt, den Film angesehen und schließlich diesen Song geschrieben. Und das war eigentlich gar nicht so schwer, da der Film eine Stimmung hinterlässt, die unserer Musik ohnehin ziemlich entspricht.
Vince: …und er hat ja auch alle Gremien, in Paris, wo Disney-Europe sitzt, und in den USA selbst überzeugt.

Du sagst, dass der Film eurer Musik ähnelt. Würdet ihr so einen Film auch privat sehen wollen?
Vince: Ja, schon, oder ‚Leavin Las Vegas‘, Nicolas Cage spielt gut. Und wir mögen vor allem diese Melancholie, die der Film ausdrückt, wenn er zum Beispiel sagt, er würde sich zu Tode saufen wollen, wüsste aber nicht ob er Alkoholiker geworden ist, weil seine Frau ihn verlassen hat oder ob sie ihn verlassen hat, weil er Alkoholiker ist. Im Grunde sei es ihm aber auch egal. Und ich denke, das trifft den Punkt ganz genau. Ein bisschen trifft das auch auf uns zu, obwohl wir uns nicht unbedingt zu Tode saufen wollen.

Eure Droge ist eher die Musik?
Vince: Ja, klar. Ohne Musik hätten wir uns wohl härteren Drogen zuwenden müssen. Aber nochmal zum Kino, wir sehen natürlich nicht nur anspruchsvolle Filme, eins meiner schönsten Kinoerlebnisse war ‚T2‘! Den hab ich an dem Abend einfach gebraucht, das weiss ich jetzt noch!

Da kommt doch jetzt ein dritter Teil, oder?
Vince: Echt? Cool!

… mit eurem Titeltrack?
Vince: Das wär’s doch [lacht], dann müssten wir aber wohl doch Techno machen!

Was haltet ihr denn von den Techno-Mixes von Balladen?
Volkan: Damit haben wir nichts am Hut, es ist einfach nicht unsere Musik. Bei "She’s got that light" haben wir uns strikt geweigert, für "Can somebody tell me who I am" haben wir schließlich unser ok gegeben. Der ist aber von unserem Produzenten gemacht worden, und dann ist das schon in Ordnung, auch wenn wir persönlich nicht so viel damit anfangen können.

Würdet ihr denn sagen, dass Techno euch einfach zu primitiv, zu dumm ist?
Vince: Ich würde mich nicht trauen, zu irgendeiner Musikrichtung zu sagen: Das ist eine "falsche" oder "unkreative" Art von Musik, obwohl, naja, beim Techno… Zumindest muss man einfach kein Musiker sein um Techno zu machen. Das ist nicht schwer, denn da kommt es darauf an mit seinem Computer ein wenig rumzuspielen…
Volkan: Obwohl es da bestimmt auch Ausnahmen gibt, es gibt einige Koriphäen auch auf dem Gebiet. Nur bedeutend weniger als bei allen anderen Musikrichtungen.

Also werden bei eurem Konzert in Hamburg auch eher die Balladen im Vordergrund stehen, und weniger tanzbare Stücke?
Vince: Nee, das würde ich so auch nicht sagen, wir haben ja auch schnellere Stücke, und die Balladen werden wir auch recht flott performen. Wir werden die Zuschauer auf jeden Fall nicht zwei Stunden lang mit Klavier-Gesang-Balladen volldröhnen. Denn das überfordert ja auch den größten Musiker.

Das wird ja euer erstes eigenes Konzert – aufgeregt?
Vince: Naja, das wird bestimmt kommen. Wir haben auch recht hohe Ansprüche, und wollen nicht nur ein paar Songs aneinanderreihen, sondern irgendwie unser ganzes Leben darstellen. Die Leute sollen nicht nach Hause gehen und sagen, dass sie ein paar Songs tollgefunden haben, sondern wir wollen den Fans zeigen wer wir sind, ihnen unser Leben zeigen, was gerade bei der wenigen Zeit, die wir zur Zeit haben, natürlich nicht leicht werden wird.

Apropos wenig Zeit: Ihr seid ja recht häufig im Fernsehen zu sehen, guckt ihr euch selbst das mal an?
Vince: Normalerweise versuche ich das aufzunehmen, und später zu sehen, es ist ja auch Teil des Jobs vernünftig rüberzukommen und wenn man sich dann so sieht, kann man daran eine Menge lernen, was man tun sollte und was eher nicht. Glücklicherweise sind wir ja – wie schon gesagt – nun mal kein "Act" sondern wir sind wie wir sind und wenn wir dann mal patzen, können wir das nicht ändern. Aber Fernsehauftritte sind sowieso immer so eine Sache. Wir kommen gerade aus Wien, wo wir zwei Tage lang für einen vierminütigen Vollplayback-Auftritt geprobt haben. Und dann hat die Technik das versaut. Die haben zu früh eingesetzt.

Was sind eure Pläne für die nächste Zeit?
Vince: Im Januar ist erst einmal Urlaub, dann kommt im März die große Tour, und natürlich arbeiten wir jetzt schon am neuen Album! Und hoffentlich werden die Promotermine dann etws weniger [grinst].

Ok, eine abschließende Frage: Das Leben ist ein Comic, welche Comicfigur seid ihr?
Vince: [lacht] Wir sind mit Sicherheit unsere eigene Comicfigur, wir sind manchmal so merkwürdig, dass niemand unseren Humor versteht, und daher wären wir wahrscheinlich was ganz anderes, was es noch gar nicht gibt!
Volkan: …oder die Simpsons, Homer und Bart, so eine Mischung aus alldem!
Vince: Donald Duck würde aber auch passen, oder? Der ist genauso chaotisch.

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.