Herr Waalkes, für den vierten Teil von „Ice Age“ haben Sie wieder dem Faultier Sid Ihre Stimme geliehen. Wie ist eigentlich der Job als Synchronsprecher?
Waalkes: Es ist anstrengend, man sitzt wochenlang in einem großen, dunklen Studio, jeden Tag fünf bis sieben Stunden. Neben dir sitzt eine gestrenge Dame, die kontrolliert, ob auch alles passend ist, der Text auf dem Bild und das mit verstellter Stimme…
Beim Original ist es ja umgekehrt: Die amerikanischen Sprecher lesen ihre Texte ab und daraufhin werden die Figuren entsprechend animiert. Wir haben hier das fertige Produkt vor uns und müssen versuchen, lippensynchron zu sein, was bisweilen kompliziert ist. Zumal ich mich bemühe, auch etwas Otto-Spezifisches in meine Figur reinzufieseln, so ein kleines „Hollerehidi“ zum Beispiel.
Passt das immer?
Waalkes: Manchmal schon. Sonst sagt der Synchronregisseur: „Das ist mir jetzt zu viel Otto!“, doch wenn ich es dann genauso wiederhole, und die anderen, die im Studio daneben sitzen, lachen drüber, dann bleibt es drin. Natürlich soll man, wenn man den Film sieht, nicht denken, dass dort Otto spricht, sondern Sid, das Faultier. Also muss das miteinander verschmelzen, so dass die Figur des Faultiers und meine Stimme am Ende eine Einheit sind.
Was haben Sie mit dem Faultier Sid gemein?
Waalkes: Mir gefiel der Charakter, gleich als man mir die Figur zum ersten Mal vorgestellt hat. Sid hat so einen Grundoptimismus, diesen naiven Charme, mit dem er versucht, immer noch das Beste aus jeder Scheiß-Situation zu machen. Das entspricht meinem Wesen. Wir sind Wahlverwandte: Behind every corner there is a rainbow. Das bin ich.
Hätten Sie auch einen Bösewicht synchronisiert?
Waalkes: Das kann ich nicht, ich bin ja kein Synchronsprecher. Die besten haben eine tiefe Stimme, mit einem riesigen Volumen – das wäre mir viel zu anstrengend.
Sind Schurkenrollen generell nichts für Sie?
Waalkes: Warum sollte ich das machen? Wenn der Schurke witzig wäre, ja, dann vielleicht.
Ich sollte mal „Tatort“-Kommissar werden. Da habe ich dann einen Dialog improvisiert: „Herr Kommissar, der Häftling von Zelle 12 hat gestanden“ – „Die ganze Zeit? Und Sie haben ihm kein Platz angeboten?“ – „Nein, ich hatte keinen Stuhl“. Das war nicht das, was erwartet wurde.
Das „Tatort“-Angebot hat es aber nicht wirklich gegeben, oder?
Waalkes: Doch, vor 10-15 Jahren war das. Da saß ich mit einem Produzenten am Tisch, aber ich habe denen gesagt: „Ich werde immer wieder in meine Rolle hineinrutschen, ich kann diesen ernsten Kommissar nicht spielen, da haben Sie eine falsche Erwartungshaltung, das liegt mir nicht.“ Dafür gibt´s genug gute Schauspieler– ich bin Komiker. Was ich mir allenfalls vorstellen könnte, wäre so etwas wie ein deutscher ‚Inspektor Columbo‘, so einer, der immer unterschätzt wird: „Herr Friese“ – das wäre der Rollenname.
Wenn wir an den Beginn Ihrer Karriere schauen: Sie haben bei Ihren ersten Auftritten noch gesungen als gesprochen…
Waalkes: Ich habe gesungen, aber auch viel gesprochen, mich entschuldigt für irgendwelche Fehler, wenn z.B. das Mikro runtergefallen war oder ich den Text verhaspelt hatte – die Entschuldigungen sind besser angekommen als die Songs. So ist es bis heute bei den Entschuldigungen geblieben.
Von da aus hat es sich allmählich weiterentwickelt. Ich bin auch noch nicht am Ende, ich fange ja gerade erst an, jeder meiner Filme war eine Art Experimentalfilm. Der nächste auch: die Vollendung der Zwergentrilogie, ein Prequel, in dem man sieht, wie alles angefangen hat.
Ihr Publikum ist immer noch ein sehr junges.
Waalkes: Das ist sehr gemischt, von 5 bis 105 – auf jeden Fall sind immer auch Kids in den Sälen. Das wundert mich selbst. Andere Komiker wie Atze Schröder fragen mich dann: „Wie machst du das, wieso kommen zu dir immer die Kinder?“ Das hat sich Jesus auch schon gefragt. Bei mir liegt es vermutlich an den Zwergenfilmen oder jetzt an „Ice Age“ – Die Kinderlein kommen… Manchmal sagen mir welche: „Du, mein Opa hat eine Schallplatte von dir“. Ich frage dann, was das ist und die antworten „das ist groß, rund und Loch in der Mitte.“ Nur was man damit macht, wissen sie nicht.
Ich lerne eine ganze Menge von Kindern, vor allem über Kommunikation.
Wie nah sind Sie denn der Welt der Kinder von heute?
Waalkes: Sehr nah. Ich komme ja viel mit Kindern zusammen, Zwerge von vier bis sieben Jahren, und versuche, mich mit deren Welt auseinanderzusetzen. Ich lerne eine ganze Menge von ihnen, vor allem über Kommunikation. Die findet ja anders statt als früher. Und wie die mit den technischen Möglichkeiten umgehen, da denkst du manchmal: Wieso kann der das jetzt schon besser als ich?
Ist das Kindliche immer noch eine Inspiration für Sie, oder wird man mit dem Alter auch zynischer?
Waalkes: Der Zynismus endet auch irgendwo, jedenfalls für mich. Du kannst nicht immer nur zynisch sein. Oliver Pocher hat das versucht, oder auch Stefan Raab – aber die Gefahr besteht, dass dieser permanente Zynismus pubertär wirkt, oder, was noch schlimmer ist: uncharmant. Mit Pocher bin ich befreundet, er holt sich auch mal einen Rat, annehmen tut er ihn nicht immer. Und das ist gut so. Sein Talent liegt woanders als meines. Er ist stark in der Auseinandersetzung mit der Realität – ich schaffe mir meine eigene Scheinwelt, um daran zu scheitern. Oliver Pocher ist ja sehr erfolgreich. Genau wie die Kollegen Mario Barth oder Bülent Ceylan, die füllen riesige Hallen., ganze Stadien. Dass Komiker arenenmäßige Dimension erreichen, das ist schon Wahnsinn.
Wie hat sich der Otto-Humor verändert?
Waalkes: Also, ich synchronisiere heute ein Faultier, was schon eine große Veränderung ist, oder ich spiele einen Zwerg – das hätte ich früher auch nicht gedacht.
Am Anfang bin ich vor studentischen Minderheiten aufgetreten, passend zu meinem Kunststudium. Und dann habe ich eine Fernsehshow gemacht, da hast du plötzlich so ein breites Spektrum, unterschiedliche Alters- und Bildungsschichten Das war eine große Wandlung, dabei habe ich mein Programm gar nicht groß verändert, um die alle zu erreichen. Mainstream, da hatte ich Bock drauf. Heute funktioniert es immer noch, merkwürdigerweise, und ich genieße das – warum nicht?
Hatten Sie bestimmte Vorbilder, als Sie Ihre ersten Shows entwickelt haben?
Waalkes: Ja, Vorbilder gab es immer welche, Ingo Insterburg fand ich damals gut, noch früher Heinz Erhardt, der war sehr lustig, amerikanische Comedians – und Loriot sowieso.
Sie sprechen äußerst schnell, manchmal mit hoher Stimme, mal flüstern Sie oder flechten zwischendurch einen Witz ein – ist das auch der private Otto?
Waalkes: Ja, so drücke ich mich eben aus, das ist mein Fluch, dafür kann ich nichts. Ich bin jetzt privat hier, ich spiele Ihnen nichts vor. Es gibt ja keinen Grund, Ihnen etwas vorzuspielen. Ich bin nun schon so lange dabei, wenn ich mich ständig verstellen müsste – das wäre viel zu anstrengend, das würde ich die vielen Jahre gar nicht durchhalten.
Wie waren Sie als Kind? Hatten Sie mit Ihrer lebhaften Art viel Ärger in der Schule?
Waalkes: Ja, auf jeden Fall. Ich war so ein halber Klassenclown. Ich versuchte natürlich meinen schmächtigen Zwergwuchs – ich hatte nur große Friesen in meiner Klasse – durch Musik und solche Scherze zu kompensieren. Ich war so ein bisschen überaktiv, in meiner Schule. Die Pauker haben mich wahnsinnig gemacht – und umgekehrt natürlich.
Und der Wunsch, damit auf die Bühne zu gehen…
Waalkes: Den gab es immer. Ich habe ja schon im Kindergarten etwas aufgeführt, als Puppendoktor. Und mit neun habe ich bei einem Kinderwettstreit bei Hertie den „Babysitter-Boogie“ gesungen“ – das kam gut an, ich habe damals einen Warengutschein über 30 Mark gewonnen.
Mit 14 habe ich eine Band mitbegründet, „The Rustlers“. Wir haben alles gecovered, was es damals so gab, Beatles, Rolling Stones, Elvis… Dann habe ich Abi gemacht, bin nach Hamburg gegangen, auf die Bühne – für mich war das eigentlich alles ein ganz logischer Prozess .
Wie spiegelt sich Ihre Karriere eigentlich bei Ihnen zuhause wieder? Haben Sie eine Sammlung mit all den Otto-Büchern, Schallplatten usw.?
Waalkes: Es gibt von jedem etwas: Otto-Bücher, -Kassetten, Ottifanten stehen überall rum. Ansonsten ist es sehr chaotisch bei mir. Ich habe kaum Möbel, einen Sessel, da gucke ich Fernsehen, einen Kleiderschrank, wo ein paar Sachen drin hängen. Wenn man bei mir einbricht, kann man nichts mitnehmen, ein Einbrecher würde wahrscheinlich denken, es sei schon jemand vor ihm dagewesen. Ich habe zwar viele Räume, aber die meisten sind leer. Ich lebe wie ein Mönch.