Parov Stelar

Die 30er Jahre sind mehr als up-to-date.

Marcus Füreder alias Parov Stelar über BigBand-Sounds, Live-Musik in Clubs und Techno-Folgeschäden in seiner Heimatstadt Linz

Parov Stelar

© Etage Noir

Marcus, erste Frage: Spielst du eigentlich ein Instrument?
Füreder: Also, wenn wir live mit Band spielen, stehe ich hinten am hinten am Synthesizer und mache das ganze Programming. Und ich bin zusätzlich mit Turntables für das Scratching und solche Sachen zuständig…

Wie bist du zur Musik gekommen, über ein Instrument?
Füreder: Nein. Ich bin absoluter Musikfreak, seit ich zehn bin, und natürlich haben sich meine Hörgewohnheiten mit der Zeit weiterentwickelt. Irgendwann war mir die Popschiene zu langweilig, dann landet man irgendwann mal beim Jazz, der wird dann auch wieder verwurstet – und mittlerweile ist es so, dass mir Pop wieder mehr Spaß macht als Jazz. Das ist so ein Wechselspiel.

Was war deine erste Jazz-Platte?
Füreder: Ich glaube, das war eine Compilation von Artie Shaw.

So richtig Oldschool-Jazz…
Füreder: Ja, ein uraltes Teil war das. Aber die höre ich auch heute noch gerne.

Bist du dann im Jazz mit deinen Hörgewohnheiten ein bisschen weitergegangen?
Füreder: Ich bin ja jetzt nicht der absolute Jazzer, ich bin da eher Konsument und nicht der nerdige Sammler, der seine Platten vielleicht nach Jahreszahlen und Aufnahmen sortiert. Das ist mir ziemlich egal. Ich verwende diese Musik eher als User. Und was für meine Produktionen wirklich sehr wichtig ist und was ich total spannend finde, ist diese Sound-Ästhethik: Was diese alten Platten einfach haben, dieser Klang, der ist nicht reproduzierbar.

Du hast dir wahrscheinlich eine umfangreiche Sample-Datenbank mit BigBand-Sounds angelegt…
Füreder: Ja, genau. Damit habe ich glaube ich schon zwei Festplatten voll, ich schätze so in etwa 600 Gigabyte. Wobei ich beim Samplen eigentlich nie Phrasen nehme, sondern bloß einzelne Noten – die schneide ich mir einfach aus Stücken raus. Der Ton kommt dann rein in den Sampler und wird dann vielleicht mit einem Sound von einer ganz anderen Platte miteinander kombiniert. Und dazu versuche ich dann einen eigenen Rhythmus zu basteln.

Weil du so viele alte Sounds verwendest: Hast du persönlich vielleicht auch ein bisschen eine Retro-Einstellung?
Füreder: Nein, eigentlich nicht. Die brauche ich auch gar nicht zu haben, weil wenn du dir die 30er Jahre ansiehst, die sind ja eigentlich mehr als up-to-date. Von der Einstellung angefangen bis hin zur Kleidung – es kommt ja alles immer wieder. Ich bin nun nicht der Typ, der sich alles aufhebt. Im Gegenteil, ich schmeiße alles weg, wenn ich es nicht mehr brauche. Ich habe meine Wohnung und alles auf’s Minimum reduziert, ich schwelge nicht so sehr in alten Zeiten.

Bist du Vinyl-Fan?
Füreder: Auch nicht so unbedingt. Sicher, ich muss natürlich sagen: Der Sound von den alten Vinyls, der ist schon unübertroffen. Andererseits leben wir im Jahr 2007 und ich möchte da einen Kompromiss finden, schließlich werden die ganzen digitalen Medien und Produktionstools immer besser. Und dieser „kalte digitale Sound“ – also von Tausend Leuten hören das vielleicht zwei raus. Mir ist das ziemlich egal.

Die Videoclips zu deinen Songs „Love“ und „Shine“ sind beide in schwarz-weiß gedreht. Aus einem bestimmten Grund?
Füreder: Es gefällt mir einfach. Ich habe einfach mal in meine eigene Wohnung geschaut; die Fotos oder Plakate, die dort hängen, sind auch alle schwarz-weiß. Für mich hat schwarz-weiß einfach eine ganz bestimmte Ästhetik, womit ich aber nicht nur auf die 30er Jahre abziele. Klar, im „Shine“-Video sind auch die Kostüme im 30er Jahre Stil gehalten, obwohl der Track gar nicht in diese Richtung geht. Aber insgesamt das sind keine bewussten Entscheidungen, das sind einfach Reflexionen der eigenen Persönlichkeit, die dann irgendwie zu Tage treten.

Zitiert

Der Sound von den alten Vinyls ist schon unübertroffen. Andererseits leben wir im Jahr 2007 und die ganzen digitalen Medien und Produktionstools werden immer besser.

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Wie schon erwähnt: Du spielst live mit Jazz-Musikern. Ist das momentan eine generelle Tendenz, dass anstelle von DJs wieder mehr Live-Musik in die Clubs kommt?
Füreder: Da habe ich keine Ahnung. Ich kann nur sagen: Wenn du mit Live-Musikern spielst, bekommst du viel schneller eine Beziehung zum Publikum, das funktioniert viel schneller. Ist ja auch klar: du bist irgendwie näher bei den Leuten, die sehen wie die Musik entsteht, die sehen uns arbeiten, schwitzen, die sehen: Da passiert was. Und wenn sich die Leute auf der Bühne bewegen, dann ist es auch irgendwie leichter, dass die Leute auf der Tanzfläche in Bewegung kommen.
DJ-Sets sind da eher kühler und haben für mich eher etwas hypnotischeres, das braucht erst mal einen Aufbau, bis etwas passiert.

Es gibt ja auch Elektronik-Musiker, die mit „live“ angekündigt werden, wo dann aber nur ein Mensch am Laptop steht.
Füreder: Das ist für mich nicht live. Das ist, sagen wir mal, „digital DJing“, ich finde das eher langweilig.
Also, insgesamt glaube ich schon, dass das Live-Ding wieder mehr im Kommen ist. Zumal wir jetzt doch schon fast 15 Jahre massives Clubfeeling mit DJs hinter uns haben. Wobei, es dann auch wieder auf die Kombination ankommt; dass man sagt: OK, man verbindet das Ganze miteinander, mal sehen, was dabei rauskommt.

Du kommst aus Linz, lebst in Linz – was geht da eigentlich in Sachen elektronische Musik?
Füreder: Zur Zeit ist Linz eine unglaublich langweilige Stadt, da geht gar nichts. Bis vor fünf Jahren hatten wir wirklich eine super Club-Szene, sechs Clubs, wo auch echt die Post abgegangen ist. Linz wurde dann aber zu einer richtige Techno-Hochburg für ganz Österreich und das hat bei den Leuten das Verständnis für elektronische Clubkultur ein bisschen zerstört. Weil es dann so ein bisschen in die Prollecke abgedriftet ist, weil dann doch sehr viele Drogen ins Spiel gekommen sind und wirklich nur diese Techno-Schiene gefahren wurde. Das hat die Szene doch ein bisschen kaputt gemacht. Es gibt heute noch ein paar Clubs in Linz, aber es geht um nichts mehr. Allerdings bin ich auch sehr froh darüber, weil ich ab Donnerstag eh meistens unterwegs bin, in anderen Städten, anderen Clubs – so habe ich zu Hause meine Ruhe.

Hast du so auch weniger Konkurrenz?
Füreder: Das gar nicht. Ich denke, Konkurrenz kann nie schlecht sein, im Gegenteil, Konkurrenz beflügelt eher. Ich vergleiche das immer ganz gerne mit dem französischen Modell, weil die das echt gut hinbekommen haben: Die Franzosen in der Elektronik haben sich alle gegenseitig und miteinander gepuscht. Deswegen haben es dort sehr viele geschafft, und nicht nur bloß ein Einzelner. Das vermisse ich in Österreich schon sehr stark – weil hier jeder seine eigene Suppe kocht.

Hast du Beziehungen aufgebaut zu der Wiener Szene?
Füreder: Wenig, sehr wenig eigentlich. Es gibt vereinzelte Bekanntschaften, aber keine intensiven, künstlerischen Beziehungen, wo man sich auch wirklich austauscht.

Wie siehst du als Musikproduzent und Chef des Labels „Etage Noir“ eigentlich die derzeitige Marktsituation?
Füreder: Gerade im Vinyl-Business ist es sehr schwierig geworden, auch die Konkurrenz im Downloadbereich ist extrem. Und gerade was das Genre anbelangt: Momentan ist ja alles wirklich sehr dominiert von Elektro und Minimal. Aber das sind glaube ich Wellenbewegungen…

Wobei die Elektro-Minimal-Welle schon sehr lange anhält, oder?
Füreder: Ja. Aber dafür finde ich da auch sehr spannende Aspekte drin. Ich fühle mich selbst inzwischen auch so, dass ich gar nicht mehr nur diesen Jazz-Sound machen will. Ich arbeite auch gerne mit einer Roland 303 in Songs…
Was ich inzwischen nicht mehr hören kann ist Downbeat oder Nujazz, die klassische Downbeatschiene ist auch definitiv vorbei.

Wie schwer ist es, für deinen neuartigen Sound Hörer zu finden?
Füreder: Das kann ich schwer beurteilen, weil das ganze Ding ja noch verhältnismäßig jung ist. 2004 ist die erste Maxi-Single rausgekommen und drei Jahre sind eigentlich nichts. Im Moment steigt es allerdings stetig an, es gibt auf jeden Fall einen Aufwärtstrend. Aber das ist auch territorienmäßig verschieden. Zum Beispiel sind Griechenland oder Italien absolut Märkte für uns, wo wir viele Fans haben, wo extrem viel geht.

Und in Österreich? Ich sprach kürzlich mit Peter Legat von Count Basic über die eher eintönige Radiolandschaft in Österreich…
Füreder: Außer FM4 kenne ich keinen Radiosender, der uns supporten könnte. Österreich ist auch zu klein. Natürlich kann man mehrere Radioformate ins Leben rufen, aber das Ganze muss man ja auch irgendwie finanzieren. Mir wäre es auch lieber, wenn wir jetzt zwei, drei Radiostationen hätten, die nicht nur den absoluten Mainstream bringen. Aber ich verstehe natürlich auch die Leute, die Radio machen: Es muss ein Markt dafür da sein, es müssen Hörer dafür da sein. Und ich weiß nicht, ob es die in Österreich gibt. Schön wär’s natürlich.

Was ist mit den Partys, auf denen du in Österreich spielst? Ist das Feedback da genauso gut wie im Ausland?
Füreder: Nein. Das ist eher so eine Selbstverständlichkeit, da bist du eher der Typ, der mal eben aus der Nachbarschaft rüberkommt und seine Platten auflegt. Wobei, wenn wir live mit der Band spielen, dann bekommen wir auch in Österreich großartiges Feedback und die Konzerte sind meistens ausverkauft. Aber im Verhältnis zu dem, was zum Beispiel in Griechenland oder Rumänien abgeht – das kann man absolut nicht vergleichen.

Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Füreder: Superfrage, ich bin absoluter Comic-Fan. Und ich wäre gerne Batman, vom Bob Kane gezeichnet. Von dem habe ich noch die ganzen alten Zeichnungen. Ich habe mir schon als Achtjähriger die ganzen Batmans gekauft, die habe ich auch immer noch zu Hause. Es hat nach Kane noch andere Zeichner gegeben, wo das Ganze noch futuristischer geworden ist – aber ich liebe genau seinen Stil.

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