Parov Stelar

Die 30er Jahre zu kopieren wäre mir zu flach

Marcus Füreder alias Parov Stelar über das junge Genre Electroswing, Inspiration und geldhungrige Plattenfirmen

Parov Stelar

© Etage Noir Recordings

Marcus, wirst du inzwischen eigentlich schon mit Vornamen „Parov“ angesprochen?
Marcus Füreder: Von Freunden nicht, teilweise in Interviews – aber meistens bin ich dann doch der Marcus.

Es findet sich zu den Kunstwörtern „Parov“ und „Stelar“ im Netz keinerlei andere Verbindung, außer zu dir.
Füreder: Schön!

War das so beabsichtigt?
Füreder: Ich habe das schon anfangs gegooglet, und es hat keine Treffer gegeben. Ich dachte, wenn du mit so einem Ding startest, dann ist das eine „Win-Win“-Situation.

Woher kam der Name?
Füreder: Ich weiß es beim besten Willen nicht mehr. Mir ist es einfach wichtig, wie auch bei meiner Sampling-Sache: Es muss irgendwie rund klingen und unique sein – und das war es. Es ist ein reiner Phantasiename.

Und hast du lange gebraucht, um dir den auszudenken?
Füreder: Das kann ich dir nicht mehr sagen, es ist doch schon lange her.

Ich las zum Beispiel gerade von Bud Spencer, der seinen Namen offenbar kreierte, als ein Budweiser Bier vor ihm auf dem Tisch stand.
Füreder: Naja, ob das stimmt?

Was kannst du, nach all den Jahren, mit der Bezeichnung „Electroswing“ anfangen?
Füreder: Ich persönlich wehre mich ja dagegen, dass wir auf Electroswing reduziert werden, weil zwei Drittel unserer Arbeit mit Electroswing gar nichts zu tun hat. Das sind vielleicht die bekannteren Stücke – wobei nicht mal das.
Aber es ist natürlich ein bittersüßer Geschmack. Zum einen ist es schön, dass dieses Genre laufen gelernt hat und sich großem Zuwachs erfreut, zum anderen habe ich da auch immer Bedenken, wenn etwas von dem Untergrund an die Oberfläche kommt. Da ist das glaube ich immer sehr behutsam zu pflegen, um nicht auf Abwege zu gelangen.

Wurde es in den letzten Jahren behutsam gepflegt?
Füreder: Es ist schon sehr seltsam, wenn ich sage, ich mache das jetzt seit über zehn Jahren, diese Richtung, und plötzlich werde ich von Journalisten mit Yolanda Be Cool verglichen und die meinen dann: „Da springt jetzt einer auf den Yolanda Be Cool-Zug auf.“

Oh, das hat jemand über dich geschrieben?
Füreder: Ja, das ist dann schon bitter. Auf der anderen Seite, was soll’s – es hat alles seine Schattenseiten, auf jeden Fall.

Hast du auch beobachtet, dass Electroswing zuletzt viel nach Schema F produziert wurde, einfach House-Beats gemischt mit ein paar swingy Sounds, und dass darunter das Genre gelitten hat?
Füreder: Was ich sehr schade finde und was dem Genre sicher schaden wird, das ist uninspirierte Musik, wo man wirklich das Gefühl hat, da möchte einer auf diesen Zug aufspringen.
Auf der anderen Seite muss ich sagen: man muss langsam beginnen, dieses Electroswing-Ding einfach als eigenes Musikgenre wahrzunehmen. Ich kann auch nicht sagen: Nur weil jemand Drum’n’Bass macht hat sich derjenige auf Goldies Zug drauf gesetzt. Drum’n’Bass ist einfach ein Genre, das ist durch gewisse Merkmale definierbar, und ich glaube das ist mit Electroswing dasselbe, mit welchen Facetten auch immer.

Gibt es in Musikläden also demnächst ein CD-Fach „Electroswing“?
Füreder: Das habe ich schon gesehen, das beginnt zur Zeit. Ich habe auch zum ersten Mal richtig Plakate gesehen von „Electroswing-Partys“. Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich davon halten soll, ich habe mich sehr wohlgefühlt in meiner Nischensituation – wir werden sehen, was daraus wird.

Wovon ist deine Musik eigentlich inspiriert?
Füreder: Eigentlich inspirieren mich ganz andere Sachen, das kann das letzte Muse-Album sein, Sachen die auf Ed Banger rauskommen, oder die alten Daft Punk-Geschichten. Es ist nicht so, dass mich nur der Swing inspiriert , eigentlich ist der Swing für mich nur das Trägermaterial. Die Inspiration, die setze ich ich dann schon bei moderneren Produktionen an, die mir sehr gut gefallen.

Und Mode, Accessoires oder Filme der 30er Jahre, sind das Inspirationen für dich?
Füreder: Teils teils, mir gefällt schon die Mode, aber es ist nicht so, dass ich ständig nur in diesen Dingern rumlaufe. Ich glaube, wir haben in der Band einen eleganten Touch, aber ich möchte jetzt sicher nicht die 30er Jahre kopieren – das wäre mir zu flach, das wäre mir auch zu platt wenn da ständig irgendwo diese Schwarz-Weiss-Filme laufen. Man kann das schon einbauen und die Ästhetik dieser Zeit einfließen lassen, aber nur mit diesen Dingen zu arbeiten wäre mir zu kurzatmig. Ich glaube, das geht auch nicht lange, das wird dann nervig.

Ich hörte auf deinem neuen Album „The Princess“ Dinge, wo ich mich an Moby erinnert fühlte.
Füreder: Da kann ich nichts zu sagen. Ich mag Moby sehr gerne, aber er ist kein Mensch, der mich mit seiner Musik inspiriert – obwohl ich seine alten Alben sehr gerne mag. Keine Ahnung.

Du hast jedenfalls einen eigenen Musikstil entwickelt, wo man sich fragt: Woher kommt der? Entsteht der einfach so im Studio?
Füreder: Natürlich wird es ein Konglomerat sein von dem, was dir gefällt, und von dem, was du kannst. Von dem, was dann auch letztendlich passiert: Auch wenn mir jetzt etwas total gefällt – bis ich dort bin, dass ich das nachbauen kann, bis ich diesen Stil kopieren kann, bis dahin vergeht so viel Zeit, da ist dieser Trend schon längst wieder abgefahren. Man wird es auch nicht wirklich schaffen, weil da sind wir dann wieder bei diesen uninspirierten Dingen. Ich glaube, das fühlen die Hörer auch, das spürt man einfach.

Du veröffentlichst deine Musik seit Beginn auf deinem eigenen Label. Hat sich die Eigenregie beim Projekt Parov Stelar für dich ausgezahlt?
Füreder: Das hat sich schon ausgezahlt. Ich habe in der letzten Zeit viel Berührungen mit Major-Plattenfirmen gehabt, wo ich ganz klar gespürt habe: da gibst du das Ruder aus der Hand, ob du willst oder nicht. Auch wenn die dich nicht abzocken wollen, das ist einfach eine große Firma in einem großen Bürogebäude, die werden von großen Anwälten vertreten, das heißt: dieses Ding braucht Geld. Und das Geld muss reinkommen. Die Leute, die dort sitzen, sind in erster Linie mehr Banker als Musiker. Darum bin ich froh, dass wir das sehr familiär halten, obwohl das natürlich auch Business geworden ist. Aber im Großen und Ganzen ist das die Freiheit, die wir brauchen, um Haken zu schlagen, um in gewissen Sachen entfliehen zu können. Wie gesagt: Wenn es einen Hype gibt, heißt das noch lange nicht, dass ich mitmachen muss. Doch wenn du bei einem Major bist, die sagen dir „jetzt machen wir genau dort mit“ – und wenn es vorbei ist kommt das Nächste.

Zitiert

Ich persönlich wehre mich ja dagegen, dass wir auf Electroswing reduziert werden, weil zwei Drittel unserer Arbeit mit Electroswing gar nichts zu tun hat.

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Haben konkret Leute von Major-Plattenfirmen bei dir angeklopft?
Füreder: Ja.

Und hast du dich zum Spaß mal mit denen zusammengesetzt?
Füreder: Nicht zum Spaß, ich will ja niemandens Zeit verschwenden. Es waren schon konkrete Überlegungen dorthin, weil es natürlich wahnsinnig anstrengend ist, so ein Label zu führen und alles in Eigenregie zu machen, gleichzeitig zu touren, zu produzieren und auch noch ein normales Leben zu führen. Aber im Endeffekt war ich dann doch nicht bereit, so viel Abstriche zu machen. Da dachte ich mir: vielleicht gibt es noch einen anderen Weg, mir etwas Zeit rauszuschaufeln, aber trotzdem die Lage weitgehend zu kontrollieren.

Wie sieht es momentan mit anderen Künstlern auf deinem Label Etage Noir aus?
Füreder: Die gibt es immer wieder. Wir haben keinen regelmäßig großen Output, das wollen wir auch nicht, sondern wenn wir etwas bringen, dann muss es uns allen richtig gut gefallen. Dann muss es auch als Prioritäts-Release angesehen werden.

Vor fünf Jahren sprachen wir beim Interview über deine Sample-Datenbank. Wie hat sich deine Arbeit im Studio verändert?
Füreder: Ich sample nach wie vor sehr viel, und es muss ja nicht immer in den 30ern passieren. Und selbst wenn du in den 30ern samplest oder in dem Gebiet wilderst, heißt das ja noch lange nicht, dass das Endprodukt nach 30ern klingen muss. Dem ganzen Ding kann man schon mit Rhythmus seinen eigenen Touch geben, ich habe eine Jazz-Nummer zu einer Gypsy-Nummer gemacht und umgekehrt, ich bediene mich da in den Samples eigentlich nur… die sind meine Klangsynthese, meine Klanggeber. Die spiele ich dann im meiner Façon. Und das kann damit dann genauso Pop werden. Es geht nur um die Klangfarbe, die ich sehr gerne mag.

Kannst du diese Klangfarbe mit einem Wort beschreiben?
Füreder: Wenn ich das könnte, das wäre schön. Das überlasse ich euch, ihr seid die Schreiberlinge.

Mir kommt es oft ein wenig melancholisch vor.
Füreder: Naja, so ein kleines kurzes Schnipsel macht ja noch keine Melancholie aus. Es geht um die Wärme, die dieses Recording von damals hat, die Mikrofonierung.

Ah ok, wenn man es nur auf das einzelne Sample bezieht, würde ich vielleicht sagen, es ist rau, nicht so künstlich wie vieles andere.
Füreder: Das ist der Punkt, in der elektronischen Musik ist es mir manchmal zu glatt, wenn nur mit Synthesizer gearbeitet wird. Es ist einfach sehr clean und ab dem Zeitpunkt, wo wirklich Samples reinkommen, wird das Ganze lebendig. Es reicht teilweise schon, wenn du eine Live-Basslinie einspielst, dann wird es plötzlich lebendig. Das ist mir extrem wichtig in der Musik, weil ich brauche irgendwo trotzdem eine Kante. Ich bin absolut nicht abgeneigt, auch melodiös zu arbeiten, vielleicht sagt mir manch einer auch eine gefällige Melodie nach, damit habe ich kein Problem. Trotzdem möchte ich in dieser Schönfärbung auch einen Bruch drin haben. Das ist mit Samples eigentlich sehr gut umzusetzen.

Du erwähntest ja bereits Yolanda Be Cools „We no speak americano“, die den Klassiker „Tu vuò fà l’americano“ von Renato Carosone elektronisch nachbearbeitet haben, mit dieser einerseits abscheulichen Stelle, diese vier trötigen Töne…
Füreder: …aber genau das war die Hook. Ich habe das nicht verstanden, muss ich ganz ehrlich sagen, das Vocal-Sample habe ich irrsinnig sexy gefunden, ich habe es gut gefunden, ich kann nicht sagen, dass ich die Nummer nicht toll fand. Die war schon in ihrer Art und Weise absolut unique, darum ist es auch ein Hit geworden. Aber es gibt eben so Dinge, auch bei „Alors on dense“ (von Stromae) die ich nicht verstehe, ich bin in den Track nicht reingekommen. Aber das ist auch ok.

Gab es einen Song von dir selbst, wo gemerkt hast: Jetzt geht es in den Mainstream rein? Mit Chartplatzierung und so?
Füreder: Ja, wir tauchen immer wieder in den Dance-Charts auf, oder auch mit den Alben in den normalen Album-Charts. Ich kann dir jetzt keine Platzierungen sagen, aber ich merke schon einen großen Zuwachs an Hörerschaften, die unsere Musik momentan erfährt, was mich sehr freut. Wo ich glaube, dass das Live-Spielen auch sehr daran schuld ist.

Wie viel Konzerte spielt ihr im Jahr?
Füreder: Heuer werden es um die 70 werden, aber mehr will ich auch nicht. Es muss die Qualität nach wie vor passen, und ab dem Zeitpunkt, wo ich das Gefühl habe, jetzt wird es ein Job, jetzt müssen wir es runterspielen, ziehe ich die Bremse.

Wie hat sich bei euren Shows die Kombination von Computer und Live-Instrumenten entwickelt?
Füreder: Im Endeffekt ist das Konzept gleich geblieben, wir haben noch den Jerry di Monza an der Trompete dabei, was eine unglaublich gute Ergänzung zum Max (Saxofon) ist. Aber das Konzept an sich ist gleich geblieben, auch die Aufteilung: Wir haben Schlagzeug, Bass, Saxofon, Trompete, Gesang und meine Wenigkeit.

Ist dabei eine Interaktion möglich jenseits von einem fertigen Track?
Füreder: Ja, das ist mit auch sehr wichtig, die Musiker machen immer wieder komplett eigenständige Ausritte, die dem ganzen Ding die Konstruiertheit nehmen, welche elektronische Musik definitiv mit sich bringt. Aber das ist unser Ansatz gewesen, diese zwei Sachen zu einem Hybriden zu bringen, ich glaube, das funktioniert live zur Zeit ganz gut.

Was ist schwierig an diesem Hybrid?
Füreder: Keine Ahnung, ich empfinde es nicht als schwierig. Diesen Part übernehmen ja auch die Musiker.

Bereust du es manchmal, dass du selbst kein Instrument spielst?
Füreder: Natürlich, es wäre schon super, Klavier spielen zu können, das kommt gut bei den Frauen an. Aber ich denke, man muss sich irgendwann mal entscheiden. Und diese Energie, die ich investiert habe in Komposition, die würde ich wahrscheinlich in ein Instrument investiert haben müssen, um dort zu sein, wo ich sein müsste, um auf der Bühne zu bestehen. Und beides geht dann einfach nicht. Ich kann entweder Papa oder Mama sein, beides kann man nicht.

Hast du eigentlich mal einen Swing-Tanzkurs gemacht?
Füreder: Nein. Das reizt mich auch absolut nicht. Das ist mir zu klischeehaft, ich habe dazu überhaupt keine Intention.

Aber deinen Kleidungsstil hast du schon geändert, du trittst deutlich eleganter auf als vor fünf Jahren.
Füreder: Klar, man wird älter, man geht und findet seinen Weg. Aber ich stehe auch jetzt noch manchmal mit T-Shirt auf der Bühne, wenn ich Lust dazu habe.

Du hattest in unserem ersten Interview erwähnt, dass ihr im österreichischen Radio kaum gespielt werdet. Hat sich das inzwischen geändert?
Füreder: Eigentlich hat sich da nicht viel geändert, das ist gleich geblieben. Wir werden sehen was mit dem neuen Album passieren wird, es ist jetzt mehr Interesse bekundet worden, aber ob dieses Interesse dahingehend auch umgesetzt wird, sprich dass Tracks im Radio gespielt werden – wir werden sehen. Aber Gott sei Dank sind wir nicht darauf angewiesen.

Aber warum ist das so schwierig in Österreich im Radio gespielt zu werden? Ich höre das immer wieder von Bands, die sich darüber beklagen.
Füreder: Die Radiolandschaft in Österreich ist eine sehr kleine und da passiert sehr wenig Innovatives. Jeder Radiosender ist ganz klar definiert in seinem Programm, in dem, was er spielen kann und darf, vor allem auch, was er sich traut zu spielen. Da ist Österreich im Selbstvertrauen sehr kleingestrickt, die schauen zuerst über den großen Teich, was darf ich spielen, was funktioniert und dann ziehen die nach. Da ist nicht sehr viel Spielraum für Experimente, auch wenig Platz. Und wir sind definitiv niemand, die sich da mit Handküsschen irgendwo reindrängen wollen. Was kann, das kann, aber nix muss.

Ward ihr eigentlich schon drüben, ‚überm Teich‘?
Füreder: Ja, es wird für Herbst 2012 auch wieder eine USA-Tournee geplant, weil wir mit „Booty Swing“ einen Nummer-Zwei-Hit hatten in den USA, in den „Electronic Charts“, da ist das ganze Ding jetzt ein bisschen explodiert.

Es ist aber noch nicht so, dass dir Erfolg dir Angst macht, in gewisser Weise?
Füreder: Ab dem Zeitpunkt, wo man Angst bekommt, ist es nicht nur Erfolg, da ist es dann eher eine Bedrohung – aber soweit ist es definitiv noch nicht.
Es ist natürlich teilweise sehr beeindruckend, nicht Angst-machend, aber vielleicht etwas furchteinflößend. Man merkt, das Team wächst, du kannst nicht mehr alles allein bewältigen und plötzlich ist das ein Schlitten, der von selbst zu fahren beginnt, und du weißt, der fährt auch noch, wenn du nicht da bist. Natürlich musst du irgendwie lenken, aber das Ding fährt. Und du bist halt zuständig dafür, dass das Ding immer vollgetankt ist, damit es fährt. Das macht mir manchmal… nicht Angst, aber ich schlafe jetzt vielleicht eine halbe Stunde später ein als früher.

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