Patrick Owomoyela

Diese Vereinstreue ist fast so etwas wie eine Religion.

Patrick Owomoyela über seinen Club Borussia Dortmund und die Diskussion über Rassismus und Randale auf den Rängen

Patrick Owomoyela

© Borussia Dortmund

Herr Owomoyela, zur WM 2006 veröffentlichte die NPD einen Flyer, auf dem zu lesen war „Weiß, nicht nur eine Trikotfarbe – für eine echte NATIONAL-Mannschaft“, dazu Ihre Rückennummer 25. Was haben Sie damals gedacht, als Sie von diesem Flyer erfuhren?
Owomoyela: In erster Linie war ich natürlich schockiert, dass mit meinem Namen so eine Kampagne gefahren werden sollte, deswegen habe ich mich sofort entschieden, dagegen vorzugehen. Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt auch die Rückendeckung der Nationalmannschaft, die so etwas ebenfalls nicht mit sich machen lassen wollte. Daraufhin hat die Nationalmannschaft mit mir als Nebenkläger eine Klage eingereicht. In erster Instanz wurden diese Funktionäre dann auch verurteilt, 2011 wurden sie allerdings wieder frei gesprochen.
Aber ehrlich gesagt, mein Anwalt ist da besser im Thema als ich. Wir müssen halt schauen was dabei herumkommt. Mehr als Klage einreichen, kann ich leider nicht machen.

Die rechtsextremen Tendenzen unter Fußballfans scheinen nicht abzunehmen. Warum hat gerade der Fußball noch immer mit diesen Problemen zu kämpfen?
Owomoyela: Ich weiß nicht, ob es gerade beim Fußball so ein Problem ist. Es ist einfach nur so, dass beim Fußball leider auch manchmal gewaltbereite Truppen aufeinanderprallen. Einige Vereine haben Gruppierungen als Fans, die zum Teil der rechtsextremen Szene verbunden sind. Und diese Gruppierungen nutzen dann die Plattform des Fußballs, um sich auch anderweitig Gehör oder zumindest Aufmerksamkeit zu verschaffen. Ich denke aber nicht, dass dies nur beim Fußball ein Problem ist. Sondern es ist generell ein Problem, das existiert, wogegen man vorgehen muss und das man nicht vergessen darf.

Sie haben 2007 an einer Kampagne gegen Rassismus mitgewirkt – glauben Sie, dies hat etwas bewirkt?
Owomoyela: Generell geht es ja darum, darauf aufmerksam zu machen, dass das Problem eben nicht vom Tisch ist. Denn ich habe manchmal das Gefühl, dass viele Leute glauben, Rechtsextremismus gäbe es nicht mehr gibt oder sei nur latent vorhanden.
Diese Kampagne war darauf ausgerichtet, in Verbindung mit dem Thema Sport und der Fußballbundesliga, die ja in Deutschland einen hohen Stellenwert hat, als eine Art Augenöffner zu funktionieren. Quasi zu sagen: „Leute, seht her, wir haben noch Probleme mit Rassismus!“ Und davor sollte sich keiner verschließen. Inwiefern das dann wirkt und wie diese Wirkung aussieht, das wage ich nicht zu beurteilen. Es geht einfach um das Bewusstsein und die Bereitschaft, etwas zu verändern.

Ein Problem ist generell die Gewaltbereitschaft unter manchen Fußballfans. Zuletzt wurde Dynamo Dresden vom DFB für den DFB-Pokal 2012/2013 gesperrt, nach der Randale im Spiel gegen Ihren Club Borussia Dortmund. Halten Sie die Sperre für die richtige Lösung?
Owomoyela: Ich weiß nicht, ob der Verein, der natürlich in gewisser Weise für seine Fans verantwortlich ist, komplett von einem Wettbewerb ausgeschlossen werden sollte, oder ob es nicht eher die Fans sein sollten, die man ausschließt. Die Spieler auf dem Platz haben ja nichts verbrochen, sondern die Fans, die ihren Verein ja eigentlich unterstützen sollten. So leid es mir tut, das sagen zu müssen: Niemand auf dem Platz kann etwas dafür, dass die Leute draußen Randale machen. Insofern ist das echt eine schwierige Angelegenheit. Vielleicht sind die sogenannten „Geisterspiele“ sinnvoller, sprich, dass man die Fans ausschließt und sagt: „Jungs, ihr habt beim Sport nichts zu suchen, wenn ihr euch so benehmt.“

Wenn von den Fans Fairness erwartet wird, ist noch die Frage: Wie fair sind eigentlich die Spieler untereinander? Z.B. wenn Spieler auf dem Feld nur leicht gestoßen werden, aber sich sogleich mit schmerzverzerrtem Gesicht hinwerfen, um eine gelbe Karte für den Gegner zu erreichen.
Owomoyela: Das gehört meines Erachtens leider zum Fußball dazu – auch wenn ich das für mein Spiel nicht brauche und auch in der Form gar nicht kann. Aber Schwalben im Spiel sind leider Bestandteil dieses Sports. Das war schon immer so. Das hat für mich persönlich auch nicht unbedingt mit Fairness gegenüber dem anderen zu tun, sondern gegenüber dem Sport!
Es geht dabei ja nicht um Aggressionen oder persönliche Attacken dem anderen gegenüber. Es geht im Spiel nur darum, sich und der Mannschaft einen Vorteil zu verschaffen. Ich hätte aber nichts dagegen, wenn es eine Kommission geben würde, die sich dieser Fälle – ähnlich wie bei Tätlichkeiten – annimmt!
Aber in Deutschland geht es da noch vergleichsweise glimpflich zu. In anderen Ligen – außer vielleicht in England, die ja besonders fair spielen – läuft noch mehr Fallobst auf dem Platz herum. Italien ist dafür ja sehr bekannt und ich glaube in Frankreich und Spanien stehen viele Spieler auch sehr schnell wieder auf, nachdem sie ja eigentlich fast gestorben sind. Ich mag das auch nicht, aber es hat mit dem großen Begriff Fairness nur bedingt zu tun.

Fans können zum Teil auch sehr persönlich werden, mit Pfiffen und Plakaten im Stadion oder Äußerungen im Internet. Wie nah gehen Ihnen Reaktionen von Fans?
Owomoyela: Man kann sich verrückt machen oder man kann es lassen. Natürlich bekommt man im Stadion mit, was drum herum passiert. Wenn die Fans zum Beispiel pfeifen, weil es nicht so gut läuft, was bei uns in letzter Zeit zum Glück nicht der Fall war. Das ist bei 80.000 Zuschauern schon sehr beeindruckend und da muss man erst einmal mit umgehen können. Auf der anderen Seite ist es genauso schön, wenn die Fans einem applaudieren. Als Fußballprofi muss man deshalb sowieso lernen, das ganze Drumherum auszublenden, sonst verliert man das Spiel aus den Augen. Und in den Internetforen und Gästebüchern wird sowieso soviel diskutiert, worauf man dann von Journalisten wieder angesprochen wird. Wenn man sich all diese Foreneinträge und die Schlagzeilen zu Herzen nimmt, dann Prost Mahlzeit! Es ist wirklich besser, die ein oder andere Schlagzeile abprallen und nicht an sich heran zu lassen.

Was sagen Sie dazu, dass Zeitungen Fußballspieler mit Schulnoten bewerten? Was würden Sie denken, wenn Sie nach einem harten Spiel von einer Zeitung eine 6 bekämen?
Owomoyela: Das ist ja alles schon passiert. Wie gesagt, man sollte sich als Spieler damit am besten nicht all zu sehr beschäftigen. Ich denke auch, dass solche Formen der Berichterstattung nicht für uns Spieler sind, sondern eher für den Fan zuhause, damit der einen Eindruck vom Spiel vermittelt bekommt. Natürlich ist man gerade als junger oder neuer Profi-Spieler neugierig und will wissen wie man benotet wurde. Da lernt man aber auch schnell wegzugucken. Wichtig ist, was der Trainer sagt und ob man nach dem Spiel noch in den Spiegel gucken kann. Was die Zeitungen oder andere Medien über die Spielerqualität berichten ist für mich nicht das Maß der Dinge.

Es wird oft darüber diskutiert, wie die Fans wohl reagieren würden, wenn sich ein Bundesliga-Profi als Homosexueller outen würde. Was glauben Sie, würde in einem solchen Fall passieren?
Owomoyela: Das kann ich nicht einschätzen, auch weil mir kein konkreter Vergleichsfall einfällt. Das Einzige, was ich kürzlich in der Zeitung gelesen habe, war, dass ein Ex-Profispieler aus Belgien jetzt Sexfilme dreht – und die sind offensichtlich für Homosexuelle. Ich weiß aber nicht, wie man dort darauf reagiert hat.
Ich glaube, dass Homosexualität einfach ein Teil der Gesellschaft ist und frage mich, warum bei rund 1000 Profifußballern, die es ungefähr gibt, kein Schwuler dabei sein sollte. Das wäre mir irgendwie zu „glatt“, wenn da keiner dabei ist.

Wie würden Sie denn persönlich reagieren, wenn es so ein Outing in Ihrem Verein gäbe?
Owomoyela: Ich kann das wirklich nicht beurteilen, da ich gar keine Homosexuellen kenne. Ich hoffe von mir behaupten zu können, da tolerant genug zu sein.

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Ich habe manchmal das Gefühl, dass viele Leute glauben, Rechtsextremismus gäbe es nicht mehr gibt oder sei nur latent vorhanden.

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Wie gehen Sie mit hohem Leistungsdruck um?
Owomoyela: Den einzigen Druck den ich habe, mache ich mir selbst. Ich erwarte von mir, Leistung zu bringen und versuche, künstlich erzeugten Druck von mir fern zu halten. Als junger Spieler kommt man auf den Platz und meint, es jedem Recht machen zu müssen, gleichzeitig möchte man auch weit kommen in der Karriere. Dadurch lädt sich automatisch Druck auf. Wenn einen dann der Trainer noch stark unter Druck setzt, dann wird das natürlich immer schlimmer und dieses Kartenhaus kann auch zusammenbrechen. Es gab ja auch in der Vergangenheit Spieler, die nicht mehr konnten, die Depressionen bekamen, da gab es ja leider mehrere schlimme Fälle.
Ich denke, dass man mit der Zeit lernt, zu sortieren, was gesund ist und was nicht ist. Auch wenn der Trainer, der ja die Funktion eines Vorgesetzten hat, einen kritisiert, sollte man den Kopf nicht in den Sand stecken, das wäre der falsche Weg.

Sind Sie denn aus sportlicher Sicht bereits an einem Ziel ‚angekommen’?
Owomoyela: Das ist eine schwierige Frage, weil ich mir nie auferlegt habe, was ich einmal erreichen möchte. Ich wusste immer, dass ich unheimlich gern Fußball spiele und auch Talent habe, das auf einem professionellen Niveau zu tun. Daraus habe ich einfach versucht, das Beste zu machen. Ich habe mir nicht gesagt, ich muss jetzt unbedingt Deutscher Meister oder Weltmeister werden. Das sind dann wieder zu viele Ziele, mit denen man sich Druck auflädt.
Ich habe immer versucht, meine Karriere von Spiel zu Spiel zu steuern und das passt ja auch sehr gut mit der Philosophie des BVB zusammen. Und mit 31 Jahren bin ich mit dem BVB Deutscher Meister geworden.
Es wäre aber zu früh, meine Fußball-Karriere jetzt schon Revue passieren zu lassen. Ich habe noch ein paar Jahre, wer weiß, was noch passiert (lacht).

Inwiefern erzeugt der aktuelle Meistertitel des BVB einen besonderen Druck?
Owomoyela: Im Umfeld denken viele, wenn man Meister geworden ist, dass man dann auch im kommenden Jahr um die Meisterschaft spielt und alles genauso wie in der vergangenen Saison laufen muss. Das ist aber ein völliger Trugschluss, denn jedes Jahr geht es ja bei null wieder los. So eine Serie zu starten wie der FC Bayern München, der Jahr um Jahr um die Meisterschaft spielt, das geht nicht von Heute auf Morgen. Dem BVB ging es ja sowohl sportlich als auch finanziell nicht so gut, das hat sich in den letzten drei Jahren stetig verbessert. Deswegen ist es schone eine kleine Sensations-Meisterschaft, weil da keiner mit gerechnet hat! Wir haben am Anfang der letzten Saison auch nicht unbedingt damit gerechnet, dass es im dritten Jahr der "Ära Klopp" für den Meistertitel reicht. Aber wir haben einen kontinuierlichen Weg dorthin geschafft und schauen in diesem Jahr wieder von Spiel zu Spiel, ob wir die Aufgaben lösen können.

Sie spielen für Dortmund, leben aber auch in Hamburg. Muss sich ein Spieler heute überhaupt noch für die Stadt interessieren, für die er spielt?
Owomoyela: Ich hätte nie überall zum Fußballspielen hingehen können. Deswegen habe ich für mich immer zugesehen, dass ich mich in der Stadt auch persönlich wohlfühlen kann. Ich war schon immer ein Spieler, dem das ziemlich wichtig ist. Also, hat die Stadt abseits vom Fußball für mich etwas zu bieten, wenn ich mal kein Training habe und eben nicht auf dem Platz stehe? Das habe ich immer mit mir ausgemacht. Allerdings gibt es natürlich auch viele Spieler, die danach gehen, wo sie das beste "Jobangebot" bekommen. Denen ist es dann egal, was außerhalb des Stadions ist und sie arrangieren sich halt damit, das ist auch ganz normal in unserem Geschäft.
Ich persönlich konnte das nie, vielleicht habe ich durch diese Einstellung auch das eine oder andere lukrative Angebot nicht angenommen. Aber damit bin ich  immer ganz gut gefahren.

Was reizt Sie denn an Dortmund?
Owomoyela: Das ist erst einmal eine komplett, positiv verrückte Fußballstadt. Wenn man alle vierzehn Tage das Stadion mit rund 80.000 Menschen voll bekommt, bei einer ungefähren Einwohnerzahl von 580.000, ohne jetzt die Randbezirke drum herum dazu zu zählen, dann ist das schon eine Hausnummer. Und wenn das Stadion 150.000 Menschen fassen würde, dann würden wahrscheinlich noch mehr Menschen kommen. Das liegt einfach daran, dass sich die Menschen voll und ganz mit diesem Verein identifizieren und das merkt man. Ohne jetzt ein falsches Wort benutzen zu wollen, aber diese Vereinstreue ist schon fast so etwas wie eine Religion für die Menschen.

Könnten Sie sagen, womit genau Sie sich beim BVB identifizieren?
Owomoyela: Der BVB ist ein Verein, der durch Höhen und Tiefen gegangen ist, im Prinzip ähnlich wie ich, weil ich viel Gutes erlebt habe aber es verletzungsbedingt auch Tiefpunkte gab. Wie zum Beispiel die Achillessehne-Operationen, dann ist mir eine Sehne in der Hüfte gerissen – aber zu meiner Bremer Zeit war das ja noch viel schlimmer. Ich habe in Dortmund einfach neu angefangen und das Glück mit so einer jungen Truppe und einem jungen Coach spielen zu können. Jürgen Klopp ist auch ein junger und moderner Trainer und ich fühle mich in dem Verein sehr wohl. Ich denke, in ganz Deutschland gibt es mittlerweile fast nur BVB-Sympathisanten. Ich will nicht sagen „Fans“, aber keiner kann irgendwie schlecht über den Verein reden. Ich denke das liegt an der Art und Weise, wie das Ganze nach draußen verkörpert wird, durch die Spieler, die Fans und den Trainer, die alle eine besondere Art haben.

Was kann Ihnen nur der BVB bieten?
Owomoyela: Zum einen die Fans, diese irre Fanliebe und die Stadionatmosphäre. Außerdem bezweifle ich ganz ehrlich, dass es viele Mannschaften gibt, wo die Spieler untereinander soviel Spaß haben wie wir. Das passt charakterlich so gut und ist vielleicht auch gezielt so eingekauft worden. Das ist ohnehin sehr wichtig bei dem Erfolg im Mannschaftssport.

Laut transfermarkt.de liegt Ihr Marktwert bei 1.000.000 Euro. Was bedeutet diese Zahl für Sie?
Owomoyela: Das sind wieder so Zahlen, bei denen ich denke, dass die auch eher für Fans sind. Ich gucke da nicht rein, weil es mich nicht interessiert, ob ein Spieler eine Million oder hundert Millionen Euro wert ist. Wichtig ist, dass man mir soviel Wertschätzung zukommen lässt, dass ich beim BVB spielen darf, ob da nun eine Million oder sechs Millionen stehen ist wirklich egal. Das sind ja auch Summen die danach gehen, wie auffällig ein Spieler ist und welche Ablösesumme man erwarten kann. Nehmen wir als Beispiel jetzt mal das Riesentalent Mario Götze: Da sagt der Präsident, der ist unverkäuflich, dann kommt ein englischer Verein, fragt nach, was passiert, wenn sie fünfzig Millionen Euro zahlen – und schon haben wir einen Marktwert von fünfzig Millionen, nur weil die Zahl einmal im Raum stand. Das sind lustige und anschauliche Zahlen für Außenstehende aber das ändert nichts daran, wie wichtig ein Spieler für die Mannschaft ist.

Können Sie gut mit Geld umgehen?
Owomoyela: Ich mache selten Sachen, bei denen ich im Nachhinein das Gefühl habe, Geld unnötig ausgegeben zu haben. Natürlich gibt es Anschaffungen, die nach einer gewissen Zeit ihren Reiz verlieren, aber ich schleudere mein Geld nicht zum Fenster hinaus. Ich sehe zu, dass ich für mich und meine Familie auch langfristig etwas von meinem Geld habe, das ich mir erarbeitet habe.

Patrick Owomoyela wurde 1979 in Hamburg geboren und begann bereits mit vier Jahren bei Grün-Weiß Eimsbüttel mit dem Fußballspielen, außerdem spielte er Basketball beim TSV Stellingen 88. 1988 wechselte er zum Regionalliga-Aufsteiger Lüneburger SK, mehr

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