Pe, gerade gab’s noch Theater mit dem Gitarrenamp – wie ist denn deine Beziehung zur Technik im allgemeinen. Kümmerst Du dich groß ums Equipment?
Werner: Nee, das interessiert mich eigentlich alles nicht. Ich stehe auf dem Standpunkt: Ich mache Musik und singe. Ich scharre Leute um mich, die von der Technik was verstehen und aussuchen, was zu meiner Stimme paßt. Da laß ich mich gerne beraten. Auch bei den Sachen, die ich zu Hause mache, ist es mir einfach nur wichtig, daß ich meine Ideen aufnehmen kann – und zwar möglichst einfach. Ob das jetzt ein analoges oder digitales System ist [verzieht das Gesicht], ist mir eigentlich ziemlich schnurz. Im Prinzip tut’s da auch ein einfacher Walkman oder ein Diktiergerät. Man muß das Gerät einfach einschalten können, die Klampfe in die Hand nehmen – und los geht’s!
Es gibt ja sogar Leute, die bei sich zuhause anrufen und ihre Ideen auf den Anrufbeantworter singen…
Werner: [lacht schallend] Das ist natürlich auch eine gute Idee! Das sollte ich vielleicht auch mal probieren, obwohl – da würde mein Mann vermutlich gleich die Löschtaste drücken…
Deine Texte wirken auf mich sehr persönlich, so als wären sie allesamt aus ganz konkreten Lebenssituationen heraus entstanden. Stimmt das? Es fehlen erfreulicherweise auch jegliche Ansätze zur Weltverbesserung à la "Rettet den Regenwald" oder so…
Werner: Das stimmt schon. Ich habe nicht das Bestreben, sämtliche Randgruppen zu bedienen oder gar "zielgruppenorientierte" Musik zu schreiben. Das liegt vielleicht daran, daß ich auch noch Kleinkunstabende bzw. Kabarett mache, wo ich die gesellschaftspolitischen Themen verarbeiten kann. Ich will daher nicht mehr – so wie früher – unbedingt alle meine Facetten in einen Abend oder auf die CD pressen. Natürlich sind auch kabarettistische Songs wie "Etepetete" oder "Dudu dada" dabei, aber eigentlich kommt es mir darauf an, daß die Musik rund ist und die Texte stimmen. Da muß es nicht immer "große Welt" sein.
Apropos – in "Dudu dada" geht es um den Babywunsch: "Ich will es, ich will es nicht". Wie persönlich ist denn das?
Werner: Das ist höchst autobiographisch. Ich bin jetzt 36 geworden, und da ist es laut Frauenarzt höchste Eisenbahn [lacht]. Man gehört ja mit 26 bereits zu den "Spätgebärenden"… Aber ich bin nun mal voll berufstätig, und so ist das eine wichtige und schwierige Entscheidung. Es ist schließlich nicht damit getan, mal eben das Kind zu kriegen und dann immer weiter auf der Bühne zu stehen.
Viele machen aber genau das…
Werner: Ja, ich finde allerdings, ein Kind bekommt man bewußt, gerade wenn man in der Mitte des Lebens steht. Das sollte nicht so nebenher mitlaufen, mit Kindermädchen und so. Ich möchte auch nicht, daß mein Partner sagt: "Noch dreimal schlafen, dann kommt Mami heim"… Also, wenn Kinder, dann wär‘ das in jedem Fall eine ganz bewußte Entscheidung zu pausieren oder wenigstens kürzer zu treten. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das jetzt schon will.
In "Herbstzeitlos" beschäftigst du dich mit deinem Altern, das du gerne positiv, ohne Wehmut erleben möchtest. Nach der ersten Lektüre des Texts hätte ich ein melancholischeres Lied erwartet, der Song ist aber doch erstaunlich flott. Eine Trotzreaktion?
Werner: Ich fand, daß das Thema eigentlich was Frisches, Blühendes haben muß. Mir geht’s weniger um die Vorstellung: Wie ist das, wenn ich alt bin, sondern darum, daß das Leben auch dann noch schön ist, wenn die ersten grauen Haare kommen. Das hat nichts Depressives. Es gibt natürlich auch Leute, die sagen: "Wie kann man sich in deinem Alter schon Gedanken über das Altern machen?"
So werden eben viele Menschen früher oder später von ihrem eigenen Altern überrascht…
Werner: Ja, das ist bei uns ein Tabuthema. Man muß jung und spritzig sein, alles andere wird verdrängt. Das sieht man schon in der Werbung, in der alte Menschen nur auf "Alete-Hip-Kost-Niveau" vorkommen, in der sie nur mit Zahnersatz und Herzkräftigungsmitteln in Zusammenhang gebracht werden.
Manchmal dürfen sie auch Klarinette spielen, um zu zeigen, wie prima die neue Haftcreme funktioniert…
Werner: [lacht] Stimmt! Aber mit Lebenslust werden sie nur selten in Verbindung gebracht…
…höchstens nach Einnahme von Stärkungspräparaten mit der Kraft der zwei Herzen [Gelächter]. Was macht denn deine Kondition nach vier Wochen Tour?
Werner: Ach, das geht. Wichtig ist, daß die zwei Stunden abends gut über die Bühne gehen, da braucht man die Energie. Man kommt natürlich morgens etwas schwieriger aus dem Bett, und der erste Schnee jetzt steckt uns auch in den Knochen. Wir hatten während der Tour nur zwei, drei freie Tage, und nebenbei liefen auch noch einige Fernsehtermine – das merkt man langsam schon…
Ein Kind bekommt man bewußt, gerade wenn man in der Mitte des Lebens steht.
Tust du etwas für deine Stimme, hast du da ein Geheimrezept?
Werner: Ich hatte nie Gesangsunterricht oder Stimmbildung. Ich bin sogar mal von der Hochschule in Hamburg gefragt worden, ob ich nicht Kurse geben möchte. Ich muß sagen, ich wüßte gar nicht, was ich da sagen oder weitergeben sollte. Ich habe nie groß über meinen Gesang nachgedacht – ich mache halt den Mund auf und singe [lacht]. Ansonsten – wir sind gerade alle ein bißchen erkältungsmäßig angeschlagen, dagegen gibt’s dahinten Salbeitee mit Fenchelhonig, das ist eigentlich alles. Wenig geheimnisvoll also.
Pe, du kommst vom Kabarett, da stehen die Texte im Vordergrund. Versuchst du das bei deinen Liedern etwas anders zu halten, oder sind dir auch da die Texte das Wichtigste?
Werner: Doch, auch bei meinen Liedern stehen die Texte im Vordergrund. Ich habe eigentlich immer mehr textliche als musikalische Ideen. Ich versuche aber, die Texte so zu vertonen, daß es klingt wie im Vorübergehen, so daß auch schwierigere Worte wie "Trostpflastersteine" nicht irgendwie komisch klingen.
Komponierst du am Klavier oder der Gitarre?
Werner: An der Gitarre. Deshalb ist mein neues Album auch wieder gitarrenlastiger. Ich habe mich von den dicken Chorarrangements der letzten CD, den Holzbläsern und den vielen Keyboards gelöst, die ganze Sache sozusagen ein bißchen "entschlagert".
Entschlagert?! Ich fand die Arrangements auf der letzten CD eigentlich sehr schön…
Werner: Ja, aber ich habe oft zu hören bekommen, das wäre alles so poppig, so schlagermäßig wie "Kribbeln im Bauch" etwa. Ich glaube, das hat auch etwas mit dem Arrangement zu tun. Bei deutschsprachiger Musik ist es immer ein schmaler Grat, wann man etwas als zu schön oder kitschig empfindet. Ich habe sogar die Erfahrung gemacht, daß Musiker, die mit mir zusammengearbeitet haben, mich irgendwann gefragt haben: "Du, was kommt eigentlich in dem Text vor?" Da waren die Songs dann wohl so hübsch und eingängig arrangiert, daß der Text völlig in den Hintergrund getreten ist. Das möchte ich nicht.
Ich vermute also, deine deutschen Texte haben dir auch schon mal im Wege gestanden?
Werner: Im Moment ist das vor allem im Radio so, da sind anspruchsvollere Texte – noch dazu mit Rockgitarre – nicht angesagt. Das sei zu deutsch, zu rockig…
Im Gegensatz dazu feiert aber die "Neue deutsche Hiphop-Bewegung" Triumphe. Ärgert es dich nicht ein bißchen, daß da so ein paar junge Schnösel ankommen und sozusagen auf "vorbereitetem Boden" großflächig abräumen?
Werner: Nee, überhaupt nicht! Das sind doch tolle Texte! Ich stehe total auf Bands wie "Fettes Brot" oder so. Aber es gibt halt auch Leute, die mögen, ich nenne es mal "erwachsene Musik", Mainstream, Singer/Songwriter mit deutschen Texten. Sowie Alanissey Morissette oder Cheryl Crow, nur daß das mit deutschen Texten eben weniger Akzeptanz findet. Ich habe – fürs Ausland – einige Lieder von "Etepetete" mit englischen Texten produziert. Und plötzlich sagen einige Leute: "Oh, das ist aber toll, das ist ja viel besser!" Obwohl die englischen Texte an das deutsche Original überhaupt nicht heranreichen. Ich muß da Heinz-Rudolf Kunze einfach recht geben, daß es hier so etwas wie einen Kultur- und Identitätsverlust zu beobachten gibt.
Was könnte man dagegen tun?
Werner: Nun, da gibt’s ja den Ruf nach der Quote. Ich finde das eigentlich total schwachsinnig, wenn sich Vater Staat auch noch hinstellt und sagt, was im Rundfunk gespielt werden muß. Aber andererseits tendieren die Stationen so gnadenlos in Richtung England und Amerika – irgendwann kommt auch unser Radioprogramm direkt aus Los Angeles. Dann brauchen wir nämlich keinen deutschen Musikredakteur mehr… Und wenn mir dann noch ein Redakteur von "Antenne, das Radio!" erklärt, das eben Deutsch nicht so gut ist…
Dennoch hängen unten im Saal die "Antenne"-Fähnchen im Wind, äh, an der Wand…
Werner: Tja, aber bei denen passiert auch nichts. Die spielen vielleicht "Kribbeln im Bauch", weil’s in den Charts war – aber ansonsten gibt es das Dilemma des Formatradios: Gespielt wird, was in den Charts ist, was als Singles verkauft wird. Verkauft wird natürlich aber nur, was auch im Radio gespielt wird. Das ist ein Teufelskreis. Und wer kauft sich, bitteschön, Singles von deutschsprachigen Künstlern? Ich nicht. Die Maxi kostet um die zehn Mark, und dann sind da maximal zwei Stücke drauf. Für ein paar Mark mehr gibt es bereits die komplette CD. Außerdem arbeite ich z.B. LP-orientiert, ich möchte, daß alle zwölf Titel gut sind, nicht nur ein Single-Hit, und der Rest ist dann für die Tonne! Ich habe auch die Erfahrung gemacht, daß meine B-Seiten oft besser bei meinen Fans ankommen als die A-Seiten…
Vielleicht liegt es daran, daß Pe-Werner-Hörer einfach Spaß an Musik UND Texten haben?
Werner: Richtig. Aber die haben vielleicht kein Radio. Also ich höre z.B. nur im Auto Radio, zuhause nicht, weil es da einfach nur abnervt!
"Nerven" ist ein gutes Stichwort: Vier Wochen Tournee, vier Wochen Interviews. Welche Frage nervt dich am meisten?
Werner: Hmm, es gibt immer noch diese Frage, wo ich mich denn selber einordnen würde. Da soll ich mir dann selber einen Stempel aufdrücken, eine Schublade öffnen. Nur damit der Journalist weiß, was er drüber schreiben kann. Das nervt mich, daß sich jemand nicht die Mühe macht, ein eigenes Urteil zu bilden, daß die Leute so an den Klischees kleben. Manche fragen mich auch immer noch, wo das "Pe" herkommt – natürlich von "Petra", das ist ein Spitzname… Außerdem würde ich dich jetzt gerne rausschmeißen – eine Stunde Ruhe vorm Auftritt muß sein…