Peter Beard

Die Elefanten sind für mich eine Metapher

Fotograf Peter Beard über den Pirelli-Kalender 2009 und wie er mit Pin-Up-Girls für mehr Umweltbewusstsein sorgen will

Peter Beard

© Thomas Rafalzyk

Mr. Beard, stimmt es, dass Sie für den Pirelli-Kalender zum ersten Mal mit Digitalkamera gearbeitet haben?
Peter Beard: Ja, ich habe davor nur analog fotografiert. Wenn Sie die digitale Technik verwenden, schießen Sie einfach die ganze Zeit drauf los. Man ist weniger wählerisch und spezifisch.

Dabei haben Sie einmal gesagt, wenn Sie Zugang zur Digitaltechnik bekommen würden, könnten Sie Ihre Originale verbrennen.
Beard: Okay, das habe ich wohl gesagt. Ich bin halt nicht so der Technik-Freak. Was mich  interessiert, ist viel mehr der Gegenstand, das Subjekt. Die Fotografie selbst ist nicht so sehr mein Ding.

War das Shooting in Afrika mehr improvisiert oder mehr Konzept?
Beard: Alles war einfach nur Glück, das schwöre ich Ihnen. Hier auf diesem Foto zum Beispiel – der Sturm, das richtige Licht, die Tiere, die plötzlich auftauchten, – alles pures Glück. Ich klicke die ganze Zeit, wir haben einfach dauernd Fotos gemacht, um eines zu bekommen, auf dem alles richtig war.

Und jetzt sind fast überall Elefanten zu sehen…
Beard: Die Elefanten sind für mich eine Metapher. Ihre Population im Tsavo Nationalpark in Kenia ist auf 40.000 angewachsen. Sie essen die Bäume im Park, weil sie keine Nahrung mehr finden. Sie verhungern oder sterben an Herzkrankheiten, ausgelöst durch den Stress, den sie haben, weil sie zu viele sind. Sie sind aggressiv, verletzen sich gegenseitig. Das Bild der Elefanten verweist direkt auf uns Menschen.

Inwiefern?
Beard: Auch wir kämpfen um schwindende Ressourcen, sterben an stressbedingten Krankheiten, entwickeln ein degeneriertes Verhalten. Wir passen uns dem Übel an, das wir selbst angerichtet haben. Der Elefant ist dem Menschen ähnlicher als irgendein Tier.

Und Sie meinen, die Menschen werden diese Problematik verstehen, wenn Sie den Pirelli-Kalender mit nackten Schönheiten betrachten?
Beard: Vielleicht werden Sie durch die Fotografien einfach in die Thematik hinein gezogen.

Sie leben seit den fünfziger Jahren in Afrika, sind dort Zeuge der Umweltzerstörung und Überbevölkerung geworden. Und heute glauben Sie, Sie könnten mit Hilfe eines Pin-Up-Kalenders auf diese Probleme aufmerksam machen?
Beard: Das ist meine Absicht. Norman Ernest Borlaug hat 1971den Friedensnobelpreis für seine Idee der Grünen Revolution bekommen. Aber jetzt erst fangen wir an, grün zu denken.
Wir fügen der Weltbevölkerung jede Dekade eine Milliarde Menschen hinzu – und keiner redet darüber, auch kein politischer Führer. Borlaug sagte vor 38 Jahren in seine Rede vor dem Nobel-Komitee „Ich danke Ihnen vielmals, ich bin sehr geehrt über die Auszeichnung – aber ist Ihnen bewusst, dass mehr Nahrung mehr Bevölkerung bedeutet? 200 Millionen Menschen mehr zu ernähren, ist wie Benzin ins Feuer zu schütten. Ich gebe Ihnen mit der Grünen Revolution nur eine Krücke, damit Sie weiter humpeln können, bis jemand versteht, wie wichtig Nachhaltigkeit und die Gesetzte der Natur sind“.
Wir befinden uns in einer großen Krise. Die Finanzkrise ist nur ein Echo davon. Wir leben in einer großen Blase, die platzen wird, wenn wir uns nicht auf die Natur besinnen.

Das Bewusstmachen dieser Probleme ist wichtig. Aber ist ein Pin-Up-Kalender wirklich ein Medium, dass diese Botschaft transportieren kann?
Beard: Die Menschen sehen die schönen Mädchen, dann die Natur und die Tiere. Sie werden sich fragen „Hey, was ist mit diesem Elefanten los? Er hat ja gar keine Stoßzähne mehr“. Er ist domestiziert, von Menschen abgerichtet wie ein Hund. Wir greifen in die Natur ein, manipulieren sie und versagen.

Zitiert

Wir Menschen sind erbärmlich. Wir sind intelligent, aber primitiv. Wir sind territorial und rückständig. Wir sind wie Tiere.

Peter Beard

Also machen Sie politische Kunst?
Beard: Nein, biologische.

Was ist Ihre konkrete Botschaft?
Beard: Ich plädiere für Bildung! Wir müssen uns umerziehen, wenn wir überleben wollen. Denn was ist das Ziel von Bildung? Lebensqualität, Nachhaltigkeit, Überleben. Zurzeit leiden wir an Dummheit und Überbevölkerung.

Welche Rolle spielt für Sie Afrika?
Beard: Afrika ist verloren, dem Untergang geweiht. Der afrikanische Kontinent ist die Metapher für die verwüstetet Welt. Ich habe Afrika geliebt, so wie es früher war. Heute ist es gefährlich, korrupt und absolut überbevölkert. In Kenia, wo ich lebe, war es unmöglich zu fotografieren, weil es so korrupt ist. Wir haben es erst gar nicht versucht, dort eine Erlaubnis zu bekommen. Stammeskonflikte, Kriminalität, Grausamkeit regieren dort. Häuser werden angezündet, Babys verbrannt. Es ist wie im Nahen Osten. Wir Menschen sind erbärmlich. Wir sind intelligent, aber primitiv. Wir sind territorial und rückständig. Wir sind wie Tiere. Wir brauchen einen Schlag auf den Kopf und viele Kondome

Wie fließen diese Realitäten in Ihre Werke ein?
Beard: Ich recherchiere. Etwa zur Überbevölkerung der Elefanten und ihren Folgen. Der Mann, der sie beschrieben und festgehalten hat, einer der renommiertesten Ökologen der Welt, wurde in Kenia des Landes verwiesen. Das ist ein Beweis dafür, wie krank wir sind, jemanden zu bestrafen, weil er richtig zählt. Es gab ein Programm, das hieß „Kauf dem Elefanten einen Drink“. Man hat Wasserlöcher gegraben. Aber die Elfanten waren gar nicht durstig! Sie waren hungrig und aßen Holz. Sie haben eine Fläche an Bäumen verspeist, die größer war als New Jersey oder Israel. Und haben wir etwas daraus gelernt? Nein, wir haben nichts gelernt!

Als Sie den Pirelli-Kalender kürzlich auf einer Pressekonferenz präsentierten, sagten Sie, dass nur Schönheit die Welt noch retten kann.
Beard: Ja, „Krasota spacjot mir“ – „Die Schönheit rettet die Welt“ – das ist Dostojewskij. Das ist ein sehr wichtiger Gedanke.

Aber was ist Ihre Definition von Schönheit?
Beard: Schönheit ist Wahrheit.

Und was ist Wahrheit? Es gibt viele Wahrheiten!
Beard: Wahrheit ist Schönheit. Meine Definition von Schönheit können Sie in meinen Bildern sehen. Die Models versuchen, eine Botschaft an die Menschen weiter zu geben. Schönheit reicht nicht mehr, es geht um die Wahrheit, die sich dahinter verbirgt. Und wir brauchen diese Wahrheit dringend, deshalb brauchen wir auch Barack Obama. Wir brauchen einen Politiker, der kein Lügner ist. Wir setzen auf Obama, weil wir hoffen, dass er wenigstens ehrlich zu uns ist. Wir sitzen tief in der Scheiße. Wir haben gigantische Probleme.

Sie verstehen Schönheit demnach als einen Schlüssel zur Wahrheit?
Beard: Ja, sie könnte es sein. Ich glaube allerdings nicht, dass wir die Wahrheit und eine Umkehr erreichen werden. Wir verlieren gerade an Lebensqualität wie die Gletscher an Masse verlieren.

Letzte Frage: Wenn Wahrheit so wichtig ist, was halten Sie dann davon, dass in den Mode- und Lifestylemagazinen, für die Sie auch schon fotografiert haben, fast jedes Bild digital „verschönert“ wird? Ist das dann Wahrheit oder Lüge?
Beard: Ich bin kein Freund der Bildbearbeitung, wenn sie sichtbar ist. Sie muss unsichtbar bleiben und der Schönheit dienen. Sie darf das Original aber nicht überdecken. Das meiste wird übertrieben. Ich mag diese Künstlichkeit nicht. Wir brauchen mehr Wahrheit.

Der Fotograf Peter Beard wurde am 22. Januar 1938 in New York geboren. Schon mit 12 Jahren begann er, sich mit Fotografie zu beschäftigen, später studierte er Kunstgeschichte an der Yale University. Bekannt wurde er durch Mode- und Portraitaufnahmen mehr

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