Herr Brix, ich nehme mal an, dass Sie das RTL-Format „Bauer sucht Frau“ kennen. Hätten Sie als staatlich geprüfter Landwirt jemals an so einer Show teilgenommen?
Brix: Mit Sicherheit nicht! Ich trage mein privates Leben nicht so gerne in die Öffentlichkeit. Nun weiß man bei diesen Bauern ja auch nicht, ob das eher Täter oder Opfer sind – wahrscheinlich ein bisschen von allem. Sie wissen natürlich nicht was sie tun. Anders als wir, die in den Medien arbeiten und abschätzen können, was das für Folgen hat, wenn man sein Privatleben verhökert. Ich bin kein Freund dieses Formats, aber es funktioniert, weil es sich rechnet. Punkt. Ich hoffe natürlich, dass es auch den Bauern etwas bringt, aber ich befürchte dass am Ende leider nur der Sender von so einem Format profitiert.
„Bauer sucht Frau“ hat ja den Anschein erweckt, als hätten es Bauern besonders schwer beim weiblichen Geschlecht zu landen. Warum ist das so?
Brix: Das hat sicher mit den sozialen Zusammenhängen zu tun. Bauern sind ja schon zwangsläufig sehr ortsgebunden und auch die familiäre Konstellation ist oft sehr speziell. Schließlich wohnt oftmals die Elterngeneration noch mit auf dem Hof. Das bringt heute mehr Probleme mit sich als es damals noch der Fall war. Auch der Kreis, in dem man nach einer Partnerin suchen kann, ist viel kleiner als in der Großstadt. Ich weiß gar nicht, ob Bauern prozentual zum Rest der Bevölkerung wirklich so stark davon betroffen sind, aber es ist schön spektakulär und sofort ein Thema.
Das hat ja auch nicht unerheblich mit der Rolle der Frau zu tun, also mit der Frage: Will ich auf dem Hof mit anpacken oder lieber Karriere in der Stadt machen…
Brix: Die Umgebung spielt natürlich eine Rolle, also ob man bereit ist, auf dem Land zu leben und dort in eine Firma einzusteigen und mitzuarbeiten. Das mit der Elterngeneration ist dann ein weiteres Problem, dadurch verlierst du natürlich etwas von deinem Privatleben. Das kann eine Bereicherung sein, wenn man friedlich zusammenlebt, aber es kann natürlich auch ganz anders laufen. Da muss zwischen so vielen Menschen die Konstellation stimmen. Das ist sicher nicht immer einfach.
In Ihrem neuen Film „Butter bei die Fische“ geht es nun um vier Frauen aus dem Ruhrgebiet, die auf eine Zeitungsanzeige eingehen und in einem Dorf in Schleswig-Holstein die große Liebe suchen. Sie verkörpern den Dorfpastor Petersen, der die Annonce aufgegeben hat, weil im Dorf Frauenmangel herrscht. Ist das auch in der Realität ein denkbares Modell, um die Frauen aufs Land zu kriegen?
Brix: Jo, ich schließ das nicht generell aus. Der Pastor im Film hat das ja nun nicht groß angekündigt, sondern eher dezent abgewickelt, um den Jungs im Dorf auf die Bahn zu helfen. Wäre doch toll, wenn der Film neue Anregungen schafft, das auch mal in der Realität auszuprobieren. (lacht)
Die etwas eigenwillige Tante Borstel sagt im Film: „Für das Leben auf dem Land muss man gemacht sein“. Welche Eigenschaft braucht man, um auf dem Land bestehen zu können? Sie haben ja selbst jahrelang als Landwirt gearbeitet…
Brix: Aber muss man nicht auch für das Leben in der Stadt gemacht sein? Es ist ja ein Unterschied, ob man auf dem Land nur lebt oder dort auch wirklich als Landwirt arbeitet. Landwirte sind heute typische Mittelständler, die mit hohem innovativem Engagement ihren Beruf ausüben müssen. Es wird viel abverlangt. Man macht oft sehr niedere Arbeiten, viele Reinigungsarbeiten, man sitzt viel auf Maschinen, muss aber auch an der Warenterminböse vorhanden sein. Man muss wissen, an welchen Geschäftspartner man wann seine Waren verkauft und so weiter. Landwirte sind letztendlich also auch Geschäftsleute. Wenn du von Zahlen und Wirtschaft keine Ahnung hast, kannst du den Beruf vergessen. Und von der Landwirtschaft geht ja auch ein starker Strukturwandel aus, weil die Einheiten immer größer werden. Früher war das Wetter das unberechenbare Element, heute ist es zusätzlich noch die schnelle politische und wirtschaftliche Entwicklung. Die Landwirtschaft ist in ihren Entscheidungen sehr träge und von weiter zeitlicher Tragweite, aber die wirtschaftlichen Strukturen ändern sich viel schneller.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Brix: Wir sehen das doch am Biogas – von der Bundesregierung als das große Umweltprojekt gefördert. Jetzt sind viele Biogasanlagen gebaut worden, und plötzlich steigen die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel. Dadurch sind die Beschaffungspreise für die Biomasse dieser Anlagen viel höher, die ganze Finanzierung stimmt nicht mehr und das wirft so einen Mittelständler auch schnell wieder aus dem Geschäft.
Wenn Sie in den Supermarkt gehen, achten Sie dann darauf, welche Produkte Sie kaufen – also dass die Bauern dadurch nicht ausgebeutet werden? Oder kaufen Sie direkt vom Hof?
Brix: Welche Chance habe ich denn heute? Wir kennen die Diskussion aus der Zeitung mit dieser „länger-frischen“ Milch. Ich würde lieber Milch kaufen, die nicht länger frisch ist, denn natürlich ist es so: Umso mehr Keime du abtötest, desto länger bleibt die Milch frisch. Das ist ja auch logisch, weil du eine organische Masse zu einer anorganischen Masse machst. Aber ich kriege im Supermarkt diese echte Milch ja gar nicht mehr. Wir haben ja nur noch vier große Discounter in Deutschland und von denen hängt alles ab.
Wir haben nur noch vier große Discounter in Deutschland und von denen hängt alles ab.
Mit welchen Gefühlen sehen Sie die Entwicklung dieser Branche, in der Sie ja selbst aufgewachsen sind? Tut Ihnen das im Herzen weh?
Brix: Man darf die Branche nicht isoliert sehen. Mit anderen Branchen passiert ja nichts anderes. Wir leben in einer sehr schnelllebigen Zeit, mit ganz großem Wandel und wir sind auf dem Weg zu einer ganz globalen Welt. Wir stehen noch vor ganz anderen Herausforderungen. Wir müssen echt gucken, dass wir Europa ganz schnell einigen. Aber ganz schnell – ansonsten sind wir alle weg vom Fenster. Das sind die Dimensionen in denen wir heute stattfinden. Wir haben ja nur noch ein paar große Wirtschaftsräume, nämlich China, Indien wird sicher kommen, und natürlich die USA, die sich viel schneller als wir erholen, weil sie schon viel länger am Boden lagen. In diesen Zusammenhängen sind wir unterwegs, und da muss sich jeder drauf einstellen. Da ist die Landwirtschaft dann nicht mehr isoliert, aber wenn die Höfe sterben wirkt sich das natürlich auf das ländliche Leben aus. Für die Serie „Pfarrer Braun“ komme ich ja in alle Ecken Deutschlands, und da siehst du schon weite ländliche Räume, die teilweise verödet sind, weil man mit dem wirtschaftlichen Wandel nicht zurechtgekommen ist. Du hast du aber auch in der Stadt ganze Berufszweige die einfach verschwinden oder diesen ganzen Billiglohnsektor. Die Probleme äußern sich anders, aber letztendlich sitzen wir alle unter demselben Himmel.
Wann waren Sie das letzte Mal in der Heimat? Was ist auf dem Bauernhof Ihrer Familie in Angeln geworden, nachdem Sie in die Stadt gegangen sind?
Brix: Ich musste damals jemanden finden, weil ich ja nicht den Hof loswerden wollte, sondern nur die Verantwortung. Ich habe dann eine Meisterstelle geschaffen. Das ist natürlich eine große Sache, aber ich habe dann einen sehr fähigen Meister gefunden. Das lief alles sehr glücklich, aber ein hohes Risiko war es schon. Nun lebt der Meister schon seit 20 Jahren mit seiner Familie auf dem Hof und ich bin in Abständen immer mal wieder sehr gerne dort. Ich war jetzt schon lange nicht da, weil ich zum Glück sehr viel arbeiten konnte, aber jetzt wo ich aus dem „Großstadtrevier“ aussteige, habe ich sicherlich wieder mehr Zeit für solche Besuche.
Die Fans in den „Großstadtrevier- Internetforen sind bestürzt über diesen Ausstieg, denn mit Ihnen verlassen ja auch Anja Nejarri, Sebastian Hölz und vor allem Till Demtroeder die Serie. Warum dieser Schritt?
Brix: Eine Zeit kommt, eine Zeit ist da und eine Zeit geht. Ich habe jetzt 14 Jahre sehr, sehr gerne die Rolle des Lothar Krüger gespielt, und es war auch sehr wichtig, aber ich wollte da schon selber gehen und nicht raus getragen werden. Ich brauche jetzt zwei Dinge: Raum für neue Sachen, die ich machen will, und Raum für mich persönlich. Ich habe ja das Glück gehabt, in drei durchgängigen Formaten große Rollen zu spielen, nämlich „Großstadtrevier“ „Pfarrer Braun“ und „Neues aus Büttenwarder“. Und dann noch das eine oder andere Fernsehspiel, was ja auch nicht mal eben so gedreht ist. Ich habe oft auch parallel gedreht, tagsüber in Hamburg fürs „Großstadtrevier“ und dann noch zum Nachtdreh für einen Fernsehfilm. Das zehrt natürlich an den Kräften und weil ich da nicht länger jammern will, habe ich mich für diesen Schritt entschieden. Das „Großstadtrevier“ wird auch ohne mich weitergehen. Auch wenn jetzt noch viele denken, dass das alles ganz schlimm und traurig wird, aber man wird sehen, dass die Zeit auch ganz schnell weiterläuft und dann kommen neue Kollegen und alles wird gut.
Doppelbelastungen hatten Sie auch in Ihrer Zeit als Landwirt. Tagsüber haben Sie den Hof bewirtschaftet und abends am Theater geprobt und gespielt. Gab es in dieser Zeit diesen Moment der Erschöpfung, in dem Sie sich gesagt haben: „So geht das nicht weiter! Ich schaff das nicht mehr“?
Brix: Ja, ich war fertig! Heute würde man das wohl Burn-Out nennen. Das war ganz konkret im Sommer 1987. Da war das Ende der Fahnenstange erreicht. Ich musste mich entscheiden: Entweder bleibst du Landwirt oder du wirst hauptberuflich Schauspieler! Ich war auf dem Hof nicht mehr innovativ, war einfach ausgelaugt. Ich hatte zu dieser Zeit auch keine Kinder, und war nur für mich selbst verantwortlich. Mit 34 bin ich dann von Flensburg nach Hamburg gezogen, habe mir ein Zimmer gemietet und ein neues Leben angefangen. Das war schon eine aufregende Zeit.
Sicherlich macht das auch vielen Jugendlichen Mut: Also, dass man auch mit über 30 noch den Beruf des Schauspielers ergreifen kann…
Brix: Ja sicherlich, aber man muss schon sagen, dass ich natürlich auch viel Glück hatte. Das hat sich nach und nach entwickelt, also ich bin jetzt nicht von 0 auf 1000 in dieser Branche geschossen worden. Das war im Nachhinein auch sehr gut. Es würde mich natürlich freuen, wenn das anderen Menschen Mut macht, aber ich muss auch sagen: Man muss das bedingungslos wollen und voll und ganz darauf ausgerichtet sein. Man sollte natürlich nicht durchdrehen und verkrampft sein, aber ich sage immer: Man sollte gefechtsmäßig unterwegs sein. Man braucht das Glück sein Talent kultivieren und dann auch loswerden zu können.
Sind Sie eigentlich ein Mensch der an sich selbst sehr hohe Anforderungen stellt?
Brix: Nicht unzufrieden sein, sich aber nicht zufrieden geben. So würde ich das beschreiben. Man soll aber auch nicht vergessen, mal zurück zu blicken und zu sagen: „Mensch, das hast du gut hingekriegt und warum hast du das hingekriegt? Weil das und das und das gestimmt hat, aber das und das war auch nicht gut.“ Man muss aus seinen Fehlern lernen und sich immer weiter entwickeln. Wenn man sich nicht weiter entwickelt, hat man schon verloren.
Jetzt haben Sie ja einige Tage mehr frei im Jahr. Was machen Sie damit?
Brix: Ich drehe noch bis Mitte Oktober und dann habe ich vielleicht tatsächlich mal bis Januar frei. Vielleicht kommt ja noch eine schöne Episodenhauptrolle, dann mache ich das gerne, aber sonst habe ich frei. Du, ich mach’ dann nix! Ich mach einfach auch mal nix. Ich fahre dann mit’m Fahrrad durch die Landschaft, begegne fünf Leuten in drei Stunden und genieße das. Einfach mal den Brunnen wieder auffüllen. Ich bin im Winter gerne auf dem Hof, säge mir mein Holz selber. So was ganz Profanes (lacht).