Peter Kloeppel

Das Fernsehen verbreitet immer noch so eine Art elektronische Lagerfeueratmosphäre.

Peter Kloeppel über seinen Beruf als Nachrichtenmoderator, die Vermittlerrolle des Fernsehens und sein persönliches Verhältnis zum RTL-Programm

Peter Kloeppel

© RTL/Pritschet

Herr Kloeppel, wie kommt es, dass aus einem Diplom-Agrarwissenschaftler einer der bekanntesten deutschen Fernsehjournalisten geworden ist?
Peter Kloeppel: Es ist  ein „relativ einfacher“ Weg gewesen, der aber in der Nachschau so natürlich nicht vorherbestimmt war. Es war insofern einfach, als dass ich nach dem Studium vorhatte, mein Wissen über den Journalismus zu vertiefen, deshalb bin ich damals zur Hamburger Journalistenschule von Gruner & Jahr gegangen. Dort bin ich zum Redakteur ausgebildet worden, und am Ende hat man mir einen Job bei RTL-Plus angeboten. Damals war das noch ein kleiner Fernsehsender in Luxemburg mit großen Ambitionen. Ich fand den Sender interessant, der Sender fand mich interessant –  so bin ich bei RTL gelandet und auch dort geblieben.

Inzwischen moderieren Sie seit 16 Jahren die RTL-Nachrichten. Was treibt Sie an?
Kloeppel: Nachrichten kennen ja keine Pause. Nachrichten gibt es 24 Stunden jeden Tag. Ich bin einfach neugierig und interessiere mich für das, was auf der Welt passiert.  Für jemanden wie mich, der gerne Informationen vermittelt, ist die Rolle als Nachrichtenmoderator eine wirklich gute Kombination meiner Interessen und meiner Möglichkeiten.

Wissen Sie welche Quote RTL Aktuell gestern hatte?
Kloeppel: Ja, wir gucken uns das sehr genau an. Jeden Morgen um halb neun bekommen wir die Zahlen vom Vortag. Gestern zum Beispiel hatten wir – glaube ich – 20,5 Prozent. Die Quote ist zwar nicht alles, aber ohne die Quote ist alles nichts.

Spielt die Quote so eine große Rolle, dass man bei den RTL-Nachrichten zum Beispiel ein Überwachungsvideo von den Münchner U-Bahnschlägern in voller Länge zeigt, während andere Sender  auf diese Bilder verzichteten?
Kloeppel: Ich weiß nicht, ob man das generell so sagen kann. Wir können, nachdem wir seit über 20 Jahren Nachrichten machen, mit fester Überzeugung sagen, dass es keine Quote bringt, wenn man brutale oder in sonstiger Hinsicht Aufsehen erregende Bilder bringt. Man muss gute Geschichten erzählen und die wichtigen Informationen des Tages zusammenfassen. Das tun wir in unserer Sendung und deshalb unterscheiden wir uns von anderen Nachrichtensendungen. Dass es ganz unterschiedliche Sendeformen gibt, ist im Endeffekt das Schöne an unserer Medien-Demokratie, in der sich die Sender auch in ihrer Nachrichtenaufbereitung unterschieden.

Bestätigt eine gute Einschaltquote die Qualität der RTL-Nachrichten?
Kloeppel: Ja, wir wissen, dass die Zuschauer unsere Sendung deswegen einschalten, weil sie bei uns gut informiert werden, und weil sie bei uns eine qualitativ hochwertige Sendung vorfinden. Wenn sie nicht den Eindruck hätten, dann würden sie auch nicht einschalten.

Ihre Kollegin Maybrit Illner sagte gegenüber Planet Interview, dass die Quoten für Fernsehjournalisten so etwas wie Umfragewerte für die Politiker sind. Würden Sie dem zustimmen?
Kloeppel: Es ist mit Sicherheit für jeden Fernsehjournalisten, der sich Gedanken darüber macht, ob und wie er seine Zuschauer erreicht, ein wichtiges Indiz dafür, ob er seine Arbeit richtig macht. Wenn ich feststellen würde, dass uns nur noch ein bis zwei Prozent anschauen würden, dann müsste ich mir die Frage stellen: „Mach ich meinen Job falsch und wie kann ich das möglicherweise ändern?“ Jeder Journalist sollte ja seine Arbeit deswegen machen, weil er möglichst viele Menschen erreichen möchte. Ich bin als Journalist Vermittler zwischen Informationen und den Menschen, die sie rezipieren. Und diese Vermittlerrolle muss ich so gut wie möglich ausüben.

Stichpunkt Vermittlerrolle: Wie lange wird diese Rolle noch vom Fernsehen erfüllt? Wird sich das Medium nicht in ein paar Jahren im Internet aufgelöst haben?
Kloeppel: Das glaube ich nicht. Es gab schon immer diese Horrorszenarien, was alles mit dem Fernsehen passiert. Als 1984 das Privatfernsehen kam, hieß es, die öffentlich-rechtlichen haben keine Überlebenschance. Als dann in den 90er Jahren mehr Sender dazu kamen hieß es, dass die ganzen großen Sender – öffentlich-rechtlich oder privat – untergehen werden. Sie sind alle noch da und  teilen sich einen Kuchen, der nicht unbedingt größer geworden ist. Das bedeutet für die jeweiligen Sender, dass die Stücke kleiner werden. Und heute teilen wir uns die Zeit, die die Menschen mit den Medien verbringen, auch noch mit dem Internet. Wir stellen aber auch fest, dass ein ganz großer Teil der Menschen, selbst wenn sie sich im Internet ihre Informationen suchen, weiterhin auf eine zusammengefasste Form zu einer festen Uhrzeit zurückgreifen. Das Fernsehen verbreitet immer noch so eine Art elektronische Lagerfeueratmosphäre.

Für wie relevant halten Sie Internet-Blogs als Recherchequelle?
Kloeppel: Bei den Blogs muss man sich ja immer die Frage stellen: Wer bloggt da eigentlich und wo bekommen die ihre Informationen her? Es können in einem Blog durchaus Informationen dabei sein, bei denen wir sagen: „Das ist ein Thema, auf das sollten wir selber mal setzen.“ Aber ein Blog ersetzt nicht unsere eigene Recherche. Er kann als Anstoß dienen, dass wir mal an ein Thema rangehen, wobei das vielleicht bei gerade mal zwei von hundert Themen der Fall ist, die bei uns in die Sendung kommen.

Im  vergangenen Jahr haben Sie US-Präsident George Bush zum Iran-Konflikt interviewt. Hatten Sie vor diesem Interview-Termin besonderen Respekt?
Kloeppel: Auf dieses Gespräch habe ich mich recht intensiv vorbereitet, obwohl ich wusste, dass wir nur zehn Minuten Zeit haben werden und man beileibe nicht alle die Fragen stellen kann, die einem in dem Moment vielleicht durch den Kopf gehen. Man ist angespannter in so einer Situation. Man könnte auch sagen: nervöser. Na klar, wie oft im Leben treffe ich den amerikanischen Präsidenten und habe die Möglichkeit ihn zu interviewen? Aber entscheidend ist, dass man im Gespräch selber nicht aufgeregt ist, sondern sich auf seine Aufgabe als Journalist besinnt.

Wurde vor dem Interview ein Fragenkatalog abgestimmt?
Kloeppel: Nein, es war von mir kein Fragenkatalog gefordert worden. Die Themen lagen ohnehin auf der Hand, weil wir das Interview kurz vor Angela Merkels Wochenendbesuch in Crawford auf Bushs Ranch gemacht haben. Da ging es natürlich um die aktuellen politischen Themen, die seit einigen Tagen, Wochen oder Monaten durch die Medien transportiert wurden.

Zitiert

Wenn ich mich nicht mit dem RTL-Programm identifizieren könnte, wäre ich nicht seit fast 25 Jahren dabei.

Peter Kloeppel

Würden Sie einem Politiker bei einem Interview die Möglichkeit geben, hinterher eine Frage zu streichen?
Kloeppel: Das hat es noch nicht gegeben. Wenn sich ein Politiker auf ein Interview mit dem Fernsehen einlässt, weiß er, dass das, was aufgezeichnet ist, auch gesendet werden kann. Wenn mir ein Politiker sagen würde: „Passen Sie auf, wenn mir jetzt eine Frage nicht gefällt, dann schmeißen Sie die wieder raus“, dann würden wir erst gar nicht anfangen.

Ende August hat Ihr Kollege Thomas Roth von der ARD Wladimir Putin interviewt. Das etwa einstündige Gespräch wurde auf zehn Minuten gekürzt, danach fehlten wesentliche Teile von Putins Argumentation für Russlands Verhalten im Kaukasus-Konflikt. Ist so etwas legitim?
Kloeppel: Das ist ein normales Prozedere und das hat Thomas Roth später ja auch ausführlich dargelegt. Ich habe die Reaktionen in den Blogs darüber verfolgt und ich finde, die Kritik war zum Teil auch unangebracht.

Warum?
Kloeppel: Es ist in ganz vielen Fällen leider so, dass man ein sehr gutes Gespräch führt und es dann aber zu lang ist, weil man nur zehn oder 15 Minuten Sendezeit hat. Das hab ich selbst schon oft genug erlebt. Beispielsweise in den 90 er Jahren bei den Sommerinterviews mit Helmut Kohl. Die waren gerne mal 45 bis 60 Minuten lang und gesendet haben wir dann nur 20. Ist es legitim, das dann rauszuschmeißen? Na klar, es ist unsere journalistische Entscheidung, dass wir sagen: „Dies ist wichtig und das ist weniger wichtig, dieses passt in den Kontext und jenes passt nicht rein.“ Viel eher muss sich die ARD die Frage gefallen lassen: „Wieso gebt ihr einem Thomas Roth, wenn er schon ein Interview mit Wladimir Putin hat, nicht zur besten Sendezeit 30 Minuten, damit das Interview in voller Länge abgebildet werden kann?“ Dann muss er nicht kürzen und die ARD hat dann auch ihrem so oft zitierten Informationsanspruch Genüge getan.

Die im Internet dokumentierten Kürzungen wecken aber den Eindruck, als wäre hier nicht nur gekürzt, sondern zensiert worden, weil wichtige Argumente Putins fehlen.
Kloeppel: Ich habe sowohl das gekürzte Interview als auch das ungekürzte Interview gelesen. Wenn zwei Journalisten ein solches Interview kürzen, dann entscheiden sie sich auch unterschiedlich, was reingehört und was nicht. Ich fand die Kürzungen, die Roth gemacht hat, nachvollziehbar. Es gab natürlich Fragen und Antworten, die rausgeschmissen wurden, bei denen ich gedacht habe: „Wäre schön gewesen, wenn sie drin geblieben wären.“ Aber wenn Sie vor der Aufgabe stehen, aus 30 Minuten zehn zu machen, dann müssen Sie leider auch an Stellen die Schere ansetzen, wo es wehtut. Thomas Roth ist keiner, der Angst hat.  Ich bin  fest davon überzeugt, dass er sich von niemanden vorschreiben lässt, was in einem Interview drin bleibt und was nicht. Das volle Interview ist ja dann auch beim russischen Fernsehen gezeigt worden und hier wurde es später auch auf einem der Dritten Programme oder in Phoenix gezeigt.

…zur wenig attraktiven Sendezeit um 6:20 Uhr morgens.
Kloeppel: Ja, aber das müssen Sie mit den Verantwortlichen der ARD diskutieren, warum die mit einem exklusiven Interview so umgehen. Mich hat es auch gewundert, dass sie sagen: Wir haben Putin, aber das Interview kommt erst um 23:45 Uhr“, und dann auch nur zehn Minuten. Ich gehe mal fest davon aus, dass Thomas Roth sich auch geärgert hat, nur so wenig Zeit zu bekommen. Aber nun gut, das ist ein Problem der ARD.

Schauen Sie privat eigentlich gerne RTL?
Kloeppel: Ja, ich gucke zu Hause auch RTL, wenn ich denn dort Fernsehen schaue. Das ist aber nicht so oft der Fall, weil ich zehn Stunden am Tag in der Redaktion vor laufendem Fernseher sitze und deswegen abends, wenn ich nach Hause komme, den Fernseher erst einmal aus lasse. Ich habe ja noch meine Familie, die mir sehr wichtig ist. Wenn ich RTL gucke, dann zum Beispiel  „Wer wird Millionär“, „Rach der Restaurant-Tester“, „die Super Nanny“ und „DSDS“ oder Formel 1.

…auch demnächst die neue RTL- Serie„Effenbergs Heimspiel“?
Kloeppel: Mal schauen. Es gibt so viele Dinge, die bei uns Programm laufen, bei denen ich immer wieder feststelle: „Mensch, das hab ich so noch nirgends gesehen.“ Ich freue mich, dass viele innovative und manchmal auch durchaus provokante  Formate bei uns gezeigt werden. Das macht auch den Reiz des Fernsehens aus, dass wir immer wieder Neues aufbieten und nicht mit Althergebrachtem ankommen.

Also können Sie sich durchaus mit dem kompletten RTL-Programm identifizieren?
Kloeppel: Wenn ich das nicht könnte, wäre ich jetzt nicht seit fast 25 Jahren dabei.

Große Teile Ihres Lebens drehen sich um die Nachrichtenwelt. Was war denn die längste Zeit in der Sie keine Nachrichten konsumiert haben?
Kloeppel: Ich war vor anderthalb Jahren in Neuseeland, da hat mein Handy nicht funktioniert und wir hatten eigentlich so gut wie nie Fernsehen. Das waren zehn bis zwölf Tage, an denen ich ziemlich abgehängt war. Das wusste ich vorher und fand es nach einiger Zeit auch recht entspannend. Aber ich habe mich auch gefreut, als ich wieder Nachrichten zu sehen bekommen habe.

Am 14. Oktober feiern Sie Ihren 50. Geburtstag, dieser fällt auf einen Dienstag. Werden Sie an diesem Tag arbeiten?
Kloeppel: Ja, das ist ein ganz normaler Arbeitstag. Ich werde mittags in der Redaktion eine Runde Schnittchen werfen, aber die Nachrichten können ja nicht liegen bleiben, nur weil ich 50 werde.

Gäbe es eine Wunschnachricht, die Sie an dem Tag gerne verkünden würden?
Kloeppel: (lacht) Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Es gibt so viele Nachrichten, von denen man sich wünscht, dass man sie endlich mal verlesen könnte. Bei mir sind es meistens die, bei denen es darum geht, dass zum Beispiel ein kriegerischer Konflikt zu Ende geht. Wenn ich an meinem Geburtstag verlesen könnte: “Jegliche Gewalt im Irak ist beendet“, dann wäre das zumindest mal ein schöner Wunschtraum. Aber ich bin mir sicher, dass es leider ein Wunschtraum bleiben wird.

Letzte Frage: Sie haben sich damals während Ihrer Diplomarbeit lange mit Schweinen beschäftigt. Konnten Sie daraus Erkenntnisse für Ihren späteren Beruf als Fernsehjournalist ziehen?
Kloeppel: Ich habe weniger von den Schweinen gelernt, dafür viel mehr von den Landwirten. Vor allem Geduld. Geduld in dem Sinne, dass zwischen Aussaat und Ernte Zeit vergehen muss, manchmal sogar sehr viel Zeit. Und: Wenn man etwas wachsen sehen will, muss man gute Wachstumsbedingungen schaffen. Außerdem habe ich gelernt, dass es eine große weite Welt gibt außerhalb der Medien. Aber zu sagen, dass Schweine Ähnlichkeiten mit bestimmten Menschen hätten, mit denen ich in meiner täglichen Arbeit zu tun habe – nein, da würde ich den Menschen und den Schweinen Unrecht tun.

Ein Kommentar zu “Das Fernsehen verbreitet immer noch so eine Art elektronische Lagerfeueratmosphäre.”

  1. Hoenigk,Hugo |

    Sehr geehrter Herr Kloeppel !

    Wie wäre es , wenn am Tisch mit Frau Merkel am kommenden Sonntag auch ein „Ostrentner“ aus dem Westen sitzen würde, der Frau Merkel folgende Frage stellen könnte:
    “ Warum wird es in -dieser- und auch in der nächsten Legislaturperiode – k e i n
    „einheitliches Rentenrecht “ in Deutschland geben ???

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