Peter Kowalsky

…das ist fast so etwas wie ein Monopol.

Bionade-Chef Peter Kowalsky über den Bio-Hype, Plagiate, Werbung für eine bessere Welt, schlechtes Bier-Marketing, schmerzfreie Coca-Cola-Manager und warum Bionade seinen Erfolg vor allem Frauen zu verdanken hat

Peter Kowalsky

© Bionade GmbH

Herr Kowalsky, was haben Sie in Ihrer Jugend getrunken?
Peter Kowalsky: Gute Frage. Die Brauereien haben damals ja immer auch Limonade abgefüllt. Zitrone, Orange und Cola, das gab es bei jeder Brauerei. Bei uns hieß das „Ravilla“, das war eine Handelsmarke, das durfte jeder abfüllen. Ich habe also viel Limo getrunken, und eine Menge Wasser.

Wird man im Brauerei-Umfeld schnell zum Biertrinker?
Kowalsky: Nein. Im Gegenteil, da haben Sie so viel mit Bier zu tun, dass Ihnen das erst mal gar nicht schmeckt, auch vom Geruch her. Als Kind sind Sie da eher noch abgeneigter.

Aber heute hat sich Ihr Verhältnis zum Bier normalisiert?
Kowalsky: Selbstverständlich. Als Braumeister wäre es ja schlimm, wenn man die eigenen Produkte nicht konsumieren würde.

Deutschland erlebt seit einigen Jahren einen wahren Bio-Boom. Wann wurden Sie selbst von dieser Welle erfasst?
Kowalsky: Also, wir sind jetzt keine „Bios“. Das ist ja der Vorteil, wenn man auf dem Land lebt: man konsumiert sehr viel Bio, obwohl gar nicht „Bio“ draufsteht. Und die ländliche Ernährung hat natürlich auch eine ganz andere Qualität, wir können unser Fleisch oder unser Obst vom Bauern oder Metzger kaufen, wir müssen dafür nicht in den Supermarkt rennen. Insofern kaufen wir nicht nur Produkte, wo ein Biosiegel drauf ist.

Halten Sie den heutigen Bio-Hype für übertrieben?
Kowalsky: Bio hat zumindest seine Grenzen: Früher stand „Bio“, oder „Öko“ ja für einen besseren Umgang mit der Umwelt und einen anständigen Umgang mit Tieren. Das hat sich heute sehr stark gedreht und ist fast zu einer Hysterie geworden. Die Leute kaufen Öko- oder Bio-Produkte teilweise nur, um ihr schlechtes Gewissen ein bisschen auf Vordermann zu bringen und nicht unbedingt, weil sie qualitativ bessere Produkte kaufen wollen. Da stößt Öko auch an seine Grenzen. Weil es gibt einerseits Dinge, da macht Öko sehr viel Sinn: bei den Grundnahrungsmitteln, also Produkte wie Milch, Käse oder Fleisch, das sind dann wirklich qualitativ bessere Produkte. Andererseits, ein Öko-Bier oder ein Öko-Wein muss jetzt nicht zwingend besser schmecken. Und bei Öko-Zigaretten oder Öko-Schnaps hört es meiner Meinung nach sowieso mit der Sinnhaftigkeit von Öko auf.

Wofür steht das „Bio“ in „Bionade“?
Kowalsky: Bionade ist ja kein Produkt, das seinen Ursprung im Bio-Boom hat sondern in der biologischen Herstellungsweise. Für uns war wichtig, dass es wie Bier hergestellt wird, mit Hilfe von Mikroorganismen durch Fermentation. Das ist ein biologischer Vorgang, und die Uridee war eben auch, eine Limo nach dem Reinheitsgebot herzustellen. Genau wie beim Bier macht man etwas auf biologischem Weg und verzichtet freiwillig, wie beim Reinheitsgebot des Bieres, auf Chemie oder irgendwelche Zusätze, die nicht natürlichen Ursprungs sind.

Trotzdem lässt sich ein Großteil des Bionade-Erfolges doch nur durch den Bio-Boom erklären, oder?
Kowalsky: Nein. Ich glaube, dass sehr viele Bionade-Trinker gar nicht wissen, dass das ein Bio-Produkt ist. Es ist auch nicht wichtig, dass die Leute das wissen. Es ist aber wichtig, dass Bio drin ist, sonst würde es den Leuten nicht so gut schmecken. Man muss ja nicht immer alles rausbrüllen. Der erfolgreichste Nachrichtensender in Deutschland muss ja auch nicht immerzu sagen, dass er die besten Journalisten hat. Dass ergibt sich. Ohne die besten Journalisten wäre es wahrscheinlich nicht der erfolgreichste Nachrichtensender.

Nun besteht aber der Produktname immerhin zur Hälfte aus „Bio“…
Kowalsky: Der Name wurde ganz bewusst so gewählt, weil es eine biologisch hergestellte Limo ist, im Gegensatz zu einer normal zusammengemischten Limonade, die mit biologischer Herstellungsweise ja nichts zu tun hat. Das schüttet man ja einfach zusammen, rührt’s um und füllt es ab.

Wie schätzen Sie denn die Erfolgsanteile bei der Bionade ein, wenn man aufteilt in Getränk einerseits und Name andererseits?
Kowalsky: Also, unser Marketing-Mann drückt sich da immer sehr diplomatisch aus und sagt: das eine geht ohne das andere nicht.
Ich würde sagen 50/50. 50 Prozent ist es das Produkt, und zu 50 Prozent das Marketing. Natürlich ist Bionade ein gigantisch guter Begriff. Vor zehn Jahren war es aber der denkbar schlechteste, weil keiner irgendwas mit „Öko“ oder „Bio“ zu tun haben wollte. Damals war es einfach nur furchtbar peinlich, so etwas zu trinken. Der Name hat sich dann ja auch nur durchgesetzt, weil das Produkt gut war – und weil sich die Zeiten geändert haben.

Wer hat den Namen erfunden?
Kowalsky: Mein Stiefvater, der Dieter Leipold. Das wichtigste war für ihn dabei die Tatsache, dass das Produkt einen Namen kriegt, den man in sehr vielen anderen Sprachen verwenden kann. Er hat das ganze schon mit einem globalen Ansatz gesehen.

Dass Sie mit Bionade hoch hinauswollen sieht man auch an den großen Bionade-Plakaten, die seit kurzem in deutschen Großstädten hängen. Warum haben Sie die Plakataktion eigentlich im zeitlichen Umfeld des G8-Gipfels gestartet?
Kowalsky: Das war ein saudummer Zufall. Wir haben auf den G8-Gipfel überhaupt nicht geachtet, schlimm ist aber, dass man sofort damit in Verbindung gebracht wird. Wir werden natürlich einen Teufel tun, uns politisch in irgendeine Ecke drängen lassen. Das wollen und können wir nicht, weil wir schon immer Volksgetränk werden wollten. Und das Volk besteht eben nicht nur aus Linken oder Rechten und nicht nur aus SPD, CDU, CSU und FDP. Das Volk sind alle. Und dass wir mit der Werbung zum G8-Gipfel rausgekommen sind, war nichts anderes als ein wirklich beschissener Zufall.
Uns hat zum Beispiel ein Polizist eine E-Mail geschrieben, der sich wünschte, dass wir mit ihm zusammen nach Heiligendamm fahren, damit wir sehen, welche Chaoten wir da unterstützen – da geht dann etwas richtig nach hinten los.

Sie werben für Bionade als das „Offizielle Getränk einer besseren Welt“ – verkaufen Sie mit Bionade eine bessere Welt?
Kowalsky: Wir versuchen es. Mit einem zwinkernden Auge und einem ernsten. Wir haben uns lange gefragt, ob man so etwas überhaupt sagen darf, als Getränk. Jetzt ist es aber so, dass Bionade von vornherein als ein besseres Produkt für Kinder angelegt war, dass wirklich auch einen positiven Beitrag leistet und nicht nur den Profit im Vordergrund hat…

…sondern eine bessere Welt?
Kowalsky: Das Thema bessere Welt ist durchaus ernst gemeint. Weil wir schon der Meinung sind, dass ein bisschen mehr Anstand und ein bisschen mehr Miteinander und vor allem auch Füreinander der ganzen Welt nicht schaden würde.
Da kommt eigentlich auch die Idee der Bionade her, wir versuchen auf unsere Art und Weise einen Beitrag zu leisten, der über das Geld verdienen hinausgeht. Wir stellen ein Produkt zur Verfügung – und zwar für alle – das jetzt wirklich etwas verbessern kann. Wenn die Leute es annehmen.

Was genau wird denn durch Bionade besser?
Kowalsky: Wir verbessern die Ernährung. Die spannende Frage war ja vor zehn Jahren: Ist das überhaupt ein Produkt, dass die Leute haben wollen? Das wussten wir ja alles nicht. Wir wussten nur, dass wir etwas anderes und besseres herstellen mussten, als das, was es auf dem Markt gab. Und unser Ansatz war gesunde Ernährung, bessere Inhaltsstoffe, Qualität. Um so einen positiven Beitrag zu leisten.

Gibt es eine gewisse Unternehmenskultur bei Bionade? Wird die bessere Welt auch intern gelebt?
Kowalsky: Klar, wir versuchen mit Anstand miteinander umzugehen und das Schöne ist: bei Bionade geht es bis jetzt nur um die Sache. Wir versuchen Dinge zu machen, die nicht dazu führen, dass wir genauso werden, wie andere große Konzerne. Ich versuche so ein bisschen, eine Art Seele zu erhalten, die viel damit zu tun hat, wie man selber ist und wie man mit Leuten umgeht. Das versuchen wir und das funktioniert auch. Die Leute arbeiten gerne bei uns und sind eigentlich auch alle sehr stolz, für so ein Produkt zu arbeiten. Da hat man dann schon was geschafft.

Inzwischen bringen andere Abfüller Kopien wie „Bioaqa“, „Maltonade“ oder „Bios“ auf den Markt – wie bewerten Sie das als Unternehmer?
Kowalsky: Da passieren zwei Dinge: Erst mal regt man sich fürchterlich drüber auf. Weil diese Produkte ja nur da sind, weil man selbst so hart und so viel gearbeitet hat.
Auf der anderen Seite sagt zum Beispiel unser Markenanwalt: das Plagiat ist die höchste Form der Anerkennung. Das heißt, dass wir natürlich eine Menge richtig gemacht haben. Und Bionade hat jetzt die riesige Chance, ähnlich wie das Red Bull, Coca Cola, Tempo oder Nivea gemacht haben, ein Original zu werden. Wir haben ja allein durch den Namen die Möglichkeit, für diese Gattung zu stehen, die wir da aufgemacht haben, die der fermentierten Produkte. Wobei das genau das ist, was mich so aufregt: keines der Imitate ist fermentiert, die gaukeln da etwas vor, was sie gar nicht sind.

Nun haben Sie das Bionade-Herstellungsverfahren aber auch patentiert…
Kowalsky: Natürlich. Das ist unser riesiger Vorteil, damit kommen die geschmacklich gar nicht an uns ran, weil durch diese Fermentation natürlich ein Geschmack erzeugt wird, den sie auch nur auf diese Weise hinbekommen. Sämtliche Plagiate werden eigentlich durch die Tatsache, dass sie geschmacklich nicht in unserer Nähe kommen, auch als solche entlarvt.

Sie erwägen also keine rechtlichen Schritte?
Kowalsky: Doch. Wir werden gegen alles rechtliche Schritte einleiten, was sich auch nur optisch einer Imitation an Bionade annähert. Weil da kommen wieder die Kinder ins Spiel. Es gibt sehr viele Schulen, die inzwischen Bionade aufgenommen haben. Und Kinder, die noch nicht lesen können, denken jetzt, dass ein „Bioaqa“ eine Bionade-Variante in einer 0.7l-Sprudel-Flasche ist. Dagegen gehen wir vor, weil das eine sehr hinterhältige Art der Täuschung ist und Kinder den Unterschied noch nicht erkennen können.

Und damit kommen Sie durch?
Kowalsky: Ja, wir haben bereits gegen einige Produkte einstweilige Verfügungen erwirkt und wenn man in den nächsten Wochen durch die Lande zieht, wird man manche Produkte gar nicht mehr finden.

Coca-Cola hat Ihnen bereits ein Kaufangebot unterbreitet – wie läuft so etwas ab?
Kowalsky: Das ist ganz unspektakulär. Die rufen an, dann fährt man da hin und trifft sich mit den Leuten, die so etwas entscheiden. In meinem Fall war das in der Zentrale in Berlin. Die fragen recht unspektakulär, so nach amerikanischer Art, ob du verkaufen willst oder nicht. Das ganze war nach 10 Minuten beendet. Danach haben wir noch eine Viertelstunde schön geredet und dann bin ich wieder rausgegangen. Das ist wirklich unspektakulärer, als man vermutet. Und wenn man sagt: „Nein, wir verkaufen nicht“ sind die auch völlig schmerzfrei.

Es gab keine weiteren Versuche von Coca-Cola, Sie zu umgarnen?
Kowalsky: Doch, doch. Sie können davon ausgehen, dass wenn einmal Interesse da ist, die nicht sofort die Flinte ins Korn schmeißen. Sonst wären sie nicht so groß, wie sie sind. Diese Hartnäckigkeit legen sie schon sehr an den Tag.
Für uns ist das natürlich ein gigantisches Signal: zum einen, dass wir auf dem richtigen Weg sind, zum anderen muss man sich aber auch bewusst sein, mit wem man da redet. Es ist jetzt nicht so, dass wir hier locker flockig durch die Gegend laufen und Angebote ablehnen. Man muss sich schon über Synergien im Klaren sein.
Es gibt zum Beispiel Länder, da kommen Sie ohne eigene Vertriebsstrukturen gar nicht an den Handel. Und da muss man sich schon mal mit dem ein oder anderen unterhalten. Wobei Coca-Cola da für uns gar nicht infrage käme, weil wenn die ein Produkt einführen, hat der Verbraucher immer das Gefühl, dass das ein Produkt von Coca-Cola ist. Das wäre das denkbar schlechteste, was uns mit Bionade passieren könnte.

Was wird denn in der Coca-Cola-Zentrale getrunken?
Kowalsky: Auch Bionade. Es gab dort sogar mal einen Mitarbeiter, der für uns zuständig war, der hat es geschafft, dass im ganzen Headquarter in den Kühlschränken auch Bionade drin war. Das hat dann genau bis zur nächsten Stippvisite der amerikanischen Chefs angehalten – danach sind wir dort überall aus den Kühlschränken wieder rausgeflogen.

Schmeckt Ihnen Coca-Cola?
Kowalsky: Coca-Cola ist kein schlechtes Produkt. Nur können die Leute nicht damit umgehen. Jeder Mensch weiß, dass es schädlich ist, wenn man jeden Tag zwei Tafeln Schokolade isst, die Leute wissen aber scheinbar nicht, dass es schädlich ist, wenn man jeden Tag zwei Liter Coca-Cola trinkt. Und es ist natürlich schlecht, dass ein solcher Konzern da mitmacht.

Sie meinen, Coca-Cola sollte auf Gesundheitsrisiken hinweisen?
Kowalsky: Coca-Cola sollte zumindest…. Nehmen wir mal ein anderes Beispiel: Alkopops. Die Hersteller haben genau gewusst, wer das konsumiert, und wie schädlich das für Kinder ist. Ich als Hersteller könnte da nicht ruhig schlafen. Das ist eben genau der Unterschied: wir versuchen wirklich mit Anstand Geld zu verdienen. Und mit Bionade kann man das mit einem ganz reinen Gewissen. Dafür haben wir das auch gemacht. Man kann ein sauberes und gutes Gewissen haben, wenn man Bionade anderen Leuten empfiehlt. Und genau das passiert. Die Leute empfehlen es sich, weil nichts dran ist, was irgendwie schlecht oder negativ ist. Das ist auch einer der Gründe für den Erfolg. Und ich finde es einfach schlecht, wenn Leute aus reiner Profitgier bestimmte Dinge unterlassen. Ich finde es sehr merkwürdig, dass es Tabak-Konzerne gibt, die sagen, es sei nicht erwiesen, dass Rauchen irgendwas mit Krebsgeschwüren zu tun hat. Wenn man schlechte Sachen macht, dann sollte man auch dazu stehen.

Bei Bionade gibt es für mich zumindest einen Punkt, den man kritisch sehen kann: für Ihre Werbung benutzen Sie eine Website, die Menschen motiviert, anonym anderen Menschen eine Freude zu machen – sie rücken damit eine menschliche Geste in einen kommerziellen Kontext.
Kowalsky: Wieso?

Weil auf den Gruß-Karten, die Sie auf der Website zum Download anbieten und die man bei der einer anonymen Tat hinterlassen soll, wiederum auf die Internetseite hinweisen…
Kowalsky: …aber nicht auf „Bionade“.

Das ist doch aber letztendlich das gleiche, oder?
Kowalsky: Nein. Es gibt ja auch unsere Radiowerbung, wo zum Beispiel jemand bei der Beschwerde-Stelle der Bahn anruft und sich für die Pünktlichkeit der Züge bedankt. Das sind alles echte Anrufe, wo die Leute gewohnt sind, dass sie beschimpft werden, und dann überrascht sind, wenn einer sich bei Ihnen bedankt. Die Idee dahinter ist, dass man sich eigentlich keinen abbrechen muss, wenn man einfach mal was Gutes tut und nicht nur an sich selbst denkt.

Eine schöne Idee, aber für Bionade funktioniert sie eben doch als Werbung…
Kowalsky: Also, bei Stille Taten ist es so: wir selbst nehmen daran nicht teil. Wir rennen nicht rum und tun allen Menschen was gutes, sondern wir wollen, dass die Leute es tun. Und die Idee dazu kommt von einer Vereinigung aus Amerika, die nennt sich „Ssssh“…

Trotzdem lässt es sich nicht von der Werbung für Ihr Produkt trennen.
Kowalsky: Ja, aber irgendwie muss man halt drauf aufmerksam machen. Und in dem Moment, wo man drauf aufmerksam macht, macht man eigentlich Werbung.
Wir werden aber bald unsere ganze Strategie ändern. Dann werden wir nicht mehr auf Stille Taten hinweisen sondern werden viel mehr den Unterschied zu den Plagiaten, die da noch kommen, herausstellen. Und dann werden wir sehen, ob Stille Taten funktioniert. Und wenn es nicht funktioniert, dann schubsen wir es auch nicht bis in alle Ewigkeit an. Weil dafür sind wir nicht da. Unsere Idee ist ganz einfach, dass man versucht, mit dem Getränk ein bisschen was Gutes zu tun.
Die Leute denken heutzutage zu 99 Prozent nur an sich selbst und zu 100 Prozent an den Profit. Und wenn Sie was Gutes tun wollen, dann unterstellt man ihnen sofort einer eine böse Absicht. Das ist mir aber völlig wurscht. Die Leute sollen mir unterstellen was sie wollen, ich habe es zumindest probiert. Ich bekomme ja auch Feedback. Es gibt Leute, die uns geschrieben haben, die unsere Anrufe für eine bessere Welt gehört haben, die dann zu McDonalds gefahren sind, sich dort haben bedienen lassen und danach der Bedienung gesagt haben, dass sie es ganz toll fanden, wie sie bedient wurden.
Da brichst du dir keinen ab, es ist nur etwas, mit dem keiner rechnet. Es ist eine sehr anständige Art und Weise, wie man miteinander umgehen sollte. Das wollen wir einfach probieren.

Nach einer aktuellen Statistik der GfK trinken 44 Prozent der Männer in Deutschland regelmäßig bis häufig Bier, bei den Frauen dagegen tun das nur 6,8 Prozent. Hat die Bionade ihren Erfolg vor allem den Frauen zu verdanken?
Kowalsky: Ja. In zweierlei Hinsicht: erstens wird der Mann den Teufel tun und was Alkoholfreies nach Hause zu bringen, was der Frau nicht schmeckt. Die Frauen sind einfach die, die zuhause das Zepter in der Hand haben. Zweitens sind die Frauen diejenigen, die sich mit Themen wie zum Beispiel gesunder Ernährung auseinandersetzen. Dann ist eine Frau permanent der Meinung, dass sie abnehmen muss. Sie geht mit ihrem Körper ganz anders um als ein Mann. Insofern sind es die Frauen, die uns entdeckt haben, die uns auch trinken weil Bionade alkoholfrei ist.
Es gibt aber genauso eine Menge Männer, die Bionade trinken, weil es für viele befriedigender ist als alkoholfreies Bier. Es gibt also zwei Seiten: dieses nicht-so-süße von Bionade passt bei den Frauen in die Denke „wenig Zucker“, und bei Männern in die Denke „so-wie-Bier“. Und interessant ist, dass trotz dessen, dass es nicht so süß ist, die Kinder es freiwillig trinken.

Wann kommt eigentlich die nächste neue Bionade-Sorte auf den Markt?
Kowalsky: Wir haben sie schon in der Schublade. Die wird von der Art des Geschmacks her aus heimischen Gefilden kommen, also etwas, was hier wächst. Mehr kann ich aber noch nicht verraten, weil wir werden die erst rausholen, wenn ein wirklich ernst zu nehmender Wettbewerb kommt.

Wenn es enger wird auf dem Markt, schlagen Sie zu?
Kowalsky: Genau. Wir haben ja momentan eine sehr kommode Situation, dass wir eigentlich die Einzigen sind. Der ganze Markt gehört uns, das ist fast so etwas wie ein Monopol. Aber das wird nicht mehr lange so sein. Und erst dann wird es ja spannend, ob wir wirklich so gut sind, dass wir uns auch behaupten können.
Sie müssen wissen, der Erfolg, den Sie jetzt da draußen sehen, der ist ja nicht vom Himmel gefallen. Das war – Gott sei Dank – verdammt harte Arbeit, und eine Menge Fleiß, die wir da reingesteckt haben, die jetzt in der Form des Erfolgs vorne rauskommt…

…und jetzt sind Sie für härtere Zeiten gewappnet?
Kowalsky: Ja, man ist nicht mehr so erschrocken. Man weiß genau, was man da durchgemacht hat. Und wir haben uns aufgrund des permanenten Geldmangels, dem wir ausgesetzt waren, unglaublich mit dem Produkt beschäftigt.

Wie sieht das Geschäft mit Bionade im Ausland aus?
Kowalsky: Wir haben in Österreich und der Schweiz einen flächendeckenden Vertrieb, wir haben gerade in Italien angefangen, in Portugal, Schweden, Finnland, Benelux und als nächstes kommen Irland, Spanien aber auch Länder wie Kanada oder die USA dazu. Von der Strategie her fangen wir dort genauso an wie in Deutschland: wir lassen den Verbraucher Bionade entdecken, und wenn er es gut findet, kann er es kaufen und weitertrinken.

Und im Englischen spricht sich Bionade dann „Bei-o-nejd“?
Kowalsky: Davon können Sie ausgehen. Wobei wir selbst immer „Bionade“ sagen werden. Bionade steht ja auch für Made in Germany. Die Deutschen sind eben die Turbo-Ökos überhaupt auf der Welt, wir bauen die energiesparendsten Häuser, wir machen High-Tech-Autos, die am wenigsten die Umwelt belasten, wir sind die besten Mülltrenner, wir nutzen Solarkraft … Warum soll so ein Produkt dann nicht weltweit seinen deutschen Namen behalten? Ich hätte überhaupt nichts dagegen. Man muss ja nicht immer alles englisch aussprechen.

Wenn Ihre Firma nun wächst, geraten Sie da mit dem ökologischen Ansatz nicht auch an Grenzen? Gab es schon Situationen, wo Sie Kompromisse eingehen mussten?
Kowalsky: Natürlich, die gibt es permanent. Zum Beispiel verwende ich am liebsten Rübenzucker für Bionade. Der wird hier in Europa angebaut und das ist für mich mehr Öko, als wenn er aus Südamerika kommt. Es wird jetzt aber kein Rübenzucker in Öko-Qualität mehr in Europa angebaut. Also muss ich Rohrzucker kaufen, der von weit her kommt, der nicht die Qualität hat und wo nicht das Produkt hinten rauskommt, wie ich es von der Qualität her erwarte. Das finde ich schlecht. Das ist für mich auch nicht mehr Öko, wenn ich irgendwo in Südafrika oder Südamerika irgendwelche Leute beschäftige, die garantiert nicht den Preis für ihre Arbeit bezahlt bekommen, der in Europa erwartet und gezahlt wird. Für mich ist auch nicht unbedingt Öko, dass der Zucker einmal um die halbe Welt geschippert wird. Und das sind Dinge, da müssen wir jetzt Konzessionen machen.

Auch Bio-Produkte müssen aufgrund der hohen Nachfrage in Deutschland zum Teil von weit her importiert werden.
Kowalsky: Und da fängt für mich der Schwachsinn an. Wenn ein Händler wie tegut, der bei uns in der Region bei Öko eine führende Rolle spielt, Rinder aus ganz Europa ankarren muss, weil die so gut Rindfleisch in Bio-Qualität vermarkten, macht das für mich keinen Sinn. Da grenzt Öko dann an Tierquälerei.
Und genauso gibt es Punkte, wo mein Öko-Zucker irgendwann die Umwelt belastet – dann wird es schwachsinnig für mich und da rege ich mich tierisch drüber auf. Weil das interessiert niemanden in der ganzen EU – weder die Politik noch die Bauern – dass es besser wäre, wenn wir diesen Zucker hier anbauen würden. Der wird einfach nicht angebaut, fertig. Friss oder Stirb. Da geht es schlicht ums Geld und die Produkte, die es ehrlich meinen, kommen dann in Verruf, weil sie da mitmachen. Obwohl wir überhaupt keine andere Wahl haben. Aber das sind Dinge, die lernen wir gerade.

Sind Sie trotzdem Optimist?
Kowalsky: Ja, natürlich. Sonst würde ich mich nicht für ein besseres und anständigeres Unternehmertum einsetzen. Wenn ich Pessimist wäre, würde ich morgen damit aufhören.

Bevor Bionade auf den Markt kam haben Sie Bier gebraut. Haben Sie eine Erklärung dafür, dass der Bierkonsum in Deutschland in den letzten zehn Jahren zurückgegangen ist?
Kowalsky: Ja. Der Hauptgrund ist der, dass die Brauereien die letzten sind, die irgendetwas checken.

Was soll das heißen?
Kowalsky: Bier ist nicht mehr zeitgemäß. Bier hat es – im Gegensatz zu Wein – nicht geschafft, ein zeitgemäßes, attraktives Konsumgut zu sein. Außer Becks und vielleicht noch Rothaus/Tannenzäpfle gibt es in Deutschland kein Bier, das so gesellschaftsfähig ist, dass die Leute sich damit gerne zeigen und es öffentlich trinken. Und daran sind nur die Brauereien schuld, weil sie aus Bier eine Monster-Besoffenen-Veranstaltung gemacht haben. Das beste Beispiel ist das Oktoberfest, wie Bier dort präsentiert wird – das finden Sie auf diese Weise nirgends mit Wein. Wein wird degustiert, auf hochkarätigen Veranstaltungen wird Wein zelebriert – Bier wird einfach nur vernichtet. Und daran sind ausschließlich Brauereien schuld, weil sie es verpasst haben, dieses Bier gesellschaftsfähig und die Konsumenten bei der Stange zu halten.

Was müsste denn passieren, damit Bier wieder gesellschaftsfähiger wird?
Kowalsky: Man müsste es ganz anders bewerben. Schauen Sie, ein Erdinger Weißbier vermarktet sein alkoholfreies Weißbier heute nicht mehr als alkoholfreies Weißbier sondern als perfektes isotonisches Getränk nach dem Sport. Und was ist: es läuft.
Man muss die Dinge einfach zeitgemäß vermarkten. Wenn Sie heute das Fernsehen anmachen, dann sehen Sie bei einer Bierwerbung irgendwelche Gerstenfelder und Quellflüsse und Leute im Mittelalter auf Pferden herumgaloppieren – aber Sie sehen nichts, wo die Leute sich irgendwie wiederfinden können.

Da geht es aber sicher auch um ältere Zielgruppen.
Kowalsky: Das glaube ich nicht so sehr. Außerdem: die älteren Menschen trinken das sowieso. Ich bin jetzt zwar kein Werber, aber gucken Sie sich mal Nivea an. Die machen gerade „Young Care“ oder wie immer das heißt, die setzen auf die Jugend. Ich bin zum Beispiel ein Nivea-Kind, meine Mutter hat mir jeden Tag das Gesicht mit Nivea eingecremt und wenn ich mir heute nicht jeden Tag meine Nivea ins Gesicht schmiere, dann spannt mir die Haut. Für mich muss keiner mehr Werbung machen, ich werde mir Nivea mein ganzes Leben lang ins Gesicht schmieren. Stattdessen müssen die an die Jugend, damit sie den Anschluss wieder bekommen. Und das schaffen Sie nur mit einer Werbung, die die Jugend anspricht. Die Alten, die konsumieren es sowieso – oder nicht. Die stimmst du auch nicht mehr um.

Aber bei Bierkonsumenten…
Kowalsky: Da meine ich die jungen Erwachsenen. Die müssen Sie erreichen. Und schauen Sie sich an, was junge Erwachsene trinken: die trinken Alkopops, Biermischgetränke und Sorten wie Becks, Heineken und Carlsberg. Aber die trinken nicht Krombacher oder Bitburger, oder sonst eine der großen Biermarken. Weil das ist nicht zeitgemäß. Und wenn du in einer Gruppe unterwegs bist und kein Risiko eingehen will, dann bestellst du in der Kneipe eben ein Becks. Damit gehst du dann auf Nummer sicher.

Apropos Mischgetränke: Dem Bionade-Erfinder Dieter Leipold ging es darum, aus Getreide ein alkoholfreies Erfrischungsgetränk herzustellen. Darf man Bionade mit Alkohol mixen?
Kowalsky: Hmmm… man darf alles. Wir unterstützen es aber in keinster Weise, weil für uns Bionade als besseres Produkt für Kinder immer noch gilt. Und ich werde den Teufel tun und mich in die Nähe der Alkopops begeben.
Ansonsten weiß ich aber, dass Bionade schon gemixt wird, mit diversen Alkoholika – der Geschmack ist allerdings mäßig, weil dafür eigentlich zu wenig Zucker drin ist. Gut mixen lässt es sich zum Beispiel mit Sekt oder auch mit Bier, um jetzt einen herben Geschmack beizubehalten. Aber mit Bacardi oder Wodka oder ähnlichem schmeckt es glaube ich viel zu langweilig – und das ist auch gut so. Man muss nicht alles mitmachen.
Neulich hat zum Beispiel RTL-„Explosiv“ bei uns angerufen und wollte was über Bionade drehen. Da habe ich gesagt: „Passt mal auf, ich schicke euch erstmal eine DVD, dass ihr mal seht, wie wir überhaupt drauf sind.“ Und dann haben die wenig später angerufen und gesagt, das wäre nun doch nicht das, was sie sich für „Explosiv“ vorgestellt hätten – und da war ich heilfroh! Man muss nicht alles mitmachen, man muss nicht auch noch gemixt werden – ich glaube, es ist viel wichtiger, dass man so ist, wie man ist.

Ein Kommentar zu “…das ist fast so etwas wie ein Monopol.”

  1. Manuel von vital-genuss.de |

    Schönes Interview!

    Eine Frage ist m.E. aber offen geblieben. Wird Bionade nun durch Coca Cola vertrieben / verkauft, oder eben nicht? Das „Gerücht“ hält sich ja schon eine ganze Weile – und ein wirkliches „Ja / Nein“-Statement habe ich noch nicht gefunden. Schade…

    Übrigens schmeckt Bionade hervorragend mit (Bio)Prosecco ;-)

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