Herr Maffay, die Figur Tabaluga entstand ursprünglich als Anfang der 80er Jahre Ihre damalige Frau Chris zu Ihnen sagte: „Mach doch mal was für Kinder.“ Wie haben Sie damals auf diesen Vorschlag reagiert?
Peter Maffay: Ich habe zuerst nicht verstanden, was sie damit meinte. Sie ist ja Lehrerin und erzählte mir, dass die Erzählstoffe in der Schule sehr sachlich seien, weit entfernt von einer Märchenwelt, wie man sie von Andersen oder anderen Märchenerzählern kennt. Ich glaube, zunächst habe ich ihr gesagt, dass ich mir das nicht vorstellen kann. Ich komme aus einer völlig anderen Ecke, da würde es auch Widerstand in meinem Umfeld geben.
Widerstand von wem?
Maffay: Meine Plattenfirma ist massiv aufgetreten und hat gesagt: ‚Das sehen wir nicht so. Wir haben Erfolg mit der Rockmusik, und wir erwarten von Ihnen, Herr Maffay, dass Sie da weiter machen.‘ Ich sollte mich stilistisch nicht verändern.
Wie haben Sie reagiert?
Maffay: Damals hat mich der Anwalt Axel Meyer-Wölden in Vertragsfragen beraten, und er konnte mir sagen: In deinem Vertrag steht nicht, dass du so etwas nicht machen darfst. Wenn Du gerne Märchen erzählen willst, dann wird die Plattenfirma damit leben müssen.
Waren Sie von dem Projekt Tabaluga schnell überzeugt?
Maffay: Sonst hätte ich es ja nicht gemacht. Dass wir damit allerdings eine kleine Lawine lostreten, aus der irgendwann mal eine zweite und dritte Platte wird, vier Musicals, eine Stiftung usw. – das war im ersten Anlauf in keinster Weise erkennbar.
Es war ein Experiment. Es gehört einfach zur Musik dazu, dass man etwas ausprobiert, ohne genau zu wissen, wie es sich entwickeln wird. Wir haben am Anfang versucht, Menschen zusammenzubringen, die von einer solchen Arbeit Ahnung haben. Das waren der Texter Rolf Zuckowski und der Zeichner Helme Heine. Es entstand „Tabaluga oder die Reise zur Vernunft“ Wir haben schnell gemerkt, dass die Sache rund wird und wir alle zusammen in einem „Sandkasten“ sitzen, was uns viel Spaß gemacht hat.
Ich kann nicht ewig tingeln.
In Ihrer Autobiografie liest man, dass Tabaluga ein Gegenangebot zu „Gewalt verherrlichenden Kinderfiguren“ sein sollte.
Maffay: Ja, richtig.
Ist Tabaluga auch heute ein Gegenentwurf zu dem, was Kinder sonst so rezipieren?
Maffay: Wir beklagen ja alle – also zumindest die Menschen, die ein bisschen reflektierter und weltoffener sind und wissen, welche Konsequenzen das hat – den Umstand, dass Panzer, Knarren usw. zuhauf plastifiziert verkauft werden und Kinder damit hantieren, damit spielen.
Sie lehnen Waffen als Spielzeug ab?
Maffay: Absolut. Ich glaube einfach, dass es sinnvollere Spiele gibt, als zu schießen. Das Schießen und Töten in Videospielen ist für mich ein Spiel mit dem Feuer. Es führt unsere Gesellschaft in eine falsche Richtung, weil die Schwelle sinkt, mit Waffen zu hantieren, Wir haben früher als Kinder Räuber und Gendarmen gespielt. Auch in diesem Kinderspiel geht es um das Prinzip „Gut gegen Böse“. Das wird auch nie aufhören, denn unser ganzes Leben besteht ja aus Gegensätzen: jung und alt, klein und groß, schwarz und weiß und eben auch gut und böse. Aber die Qualität in den Videospielen von heute ist eine andere: man macht Dinge oder Figuren platt, wodurch auch ein Machtgefühl erzeugt wird. Man sitzt am Bildschirm und kann mit einem Klick den digitalen Impuls auslösen, mit dem man alles wegschießen kann. Die Geräusche, die Perspektive und die Attitüde implizieren, dass man selber die Person auf dem Bildschirm ist, die um sich ballert. Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verschwimmen – das halte ich in diesem Kontext für gefährlich. Tabaluga ist absolut das Gegenteil davon.
Nun haben Sie einen jungen Sohn, mit dem stolpern Sie vermutlich hin und wieder über das Thema Gewaltverherrlichung in Videospielen oder in den Medien.
Maffay: Aber ja, mit ihm führe ich dieselben Diskussionen, wie jeder Papa. Ich erwische ihn manchmal am Fernseher und frage: Was guckst du dir an? Glaubst du, dass das so wahnsinnig sinnvoll ist? – Er folgt mir natürlich nicht. Oder nur widerwillig. Wenn ich dann sage, ‚lass uns mal was anderes gucken‘, schaltet er zwar um, aber ich merke auch, dass ihn interessiert, was ich als destruktiv und jugendgefährdend erachte.
Wie versuchen Sie ihn zu überzeugen, dass das „in eine falsche Richtung führt“?
Maffay: In dem ich ihm zeige, zu welchen Ergebnissen das führen kann. Er guckt mit mir Nachrichten oder ich nehme ihn mit in die Stiftung, wo wir afghanische Flüchtlinge zu Gast haben. Er sieht, wie sie leben und versteht, warum sie ihre Heimat verlassen mussten. Mit solchen Beispielen kann man Kinder wieder einfangen. Allerdings geschieht so etwas nicht einfach nur mit einem Fingerschnippen.
Die Geschichte von Tabaluga fand diverse Fortsetzungen nicht nur auf Platte, sondern auch als Buch, Videospiel, Zeichentrickserie, Musical, Planetarien-Show… – fehlt da noch etwas?
Maffay: Es gibt immer noch viele Dinge, die wir bisher nicht gemacht haben. Andere Figuren sind da weiter entwickelt. Wir müssen aber auch nicht alles machen. Tabaluga ist im Laufe der Zeit zu einer Charity-Marke geworden. Das war ein langsamer Prozess. Dabei haben wir auch schon ein bisschen über den Tellerrand geschaut: Die TV-Serie lief in 90 Ländern. Trotzdem ist der Status von Tabaluga in Deutschland natürlich ein völlig anderer als außerhalb Deutschlands.
Wie vermeiden Sie, mit der Figur kommerziell zu werden?
Maffay: Das vermeide ich gar nicht. Ich versuche mit der Kommerzialität richtig umzugehen. Kommerziell zu sein sehe ich nicht per se als etwas Verwerfliches an. Wir müssen auch wirtschaftlich erfolgreich sein, um aus dieser Figur Kräfte ableiten zu können, die unsere Stiftung befeuern. Wenn Tabaluga nicht auch kommerziell erfolgreich ist, dann ist die Idee nicht angekommen. Und wenn die Idee nicht angekommen ist, können wir damit nichts anfangen. Dann können wir die Einrichtungen unserer Stiftung nicht mehr betreiben, in denen wir jedes Jahr bis zu 1300 traumatisierte oder vernachlässigte Kinder beherbergen und ihnen Auszeiten von ihrem schwierigen Alltag ermöglichen,.
Hat diese Kommerzialität denn Einfluss auf die Geschichten, die Sie mit Tabaluga erzählen?
Maffay: Also, es gibt niemanden, der uns sagt: Das müsst ihr jetzt machen. Sondern wir erzählen die Geschichten, die uns sinnvoll erscheinen. Daran arbeiten eine Reihe von motivierten und kreativen Leuten, die sich gut überlegen, was sie da tun. Wir haben Interesse an der Vermittlung von Idealen und Werten. Und wir bemühen uns, die Inhalte sauber zu halten.
Am Anfang war es noch nicht erkennbar, aber inzwischen stellen wir fest, dass Tabaluga für die Werte steht, die wir auch in der Stiftung leben.
Wenn Sie sagen, Sie halten die Inhalte sauber, was meinen Sie damit?
Maffay: Zum Beispiel dass wir keine unbegrenzte, unüberschaubare Vermarktung zulassen. Dass man mit der Figur keine Produkte bewirbt, die ihrer Philosophie widersprechen. Wenn Tabaluga beispielsweise gewalttätig würde, wenn er unökologisch würde, wenn die Diktion zu einer Haltung führt, die nicht mehr den Respekt vor jedem Lebewesen obenan stellt oder die gleiche Augenhöhe zwischen Menschen jeden Alters, jeder Hautfarbe und jeden Geschlechts, dann würden wir die Figur beschädigen. Und wenn wir die Figur beschädigen hat sie keine Kraft mehr.
Das klingt nun ein wenig so, als würde Tabaluga nur als Heile Welt funktionieren.
Maffay: Nein, dann hat man die Auseinandersetzung zwischen Tabaluga und Arktos nicht verstanden. Uns geht es durchaus um die Gegenüberstellung von Gut und Böse, in einer für viele Menschen verständlichen Form. Tabaluga ist nicht lala, ist nicht für kleine Kinder, obwohl man die Inhalte auch kleinen Kindern erklären kann. Liebe, Empathie, Vernunft, der Umgang mit der Zeit, das verschenkte Glück, das sind keine Kleinkinder-Themen. Man muss sogar ziemlich klug sein, um einem Kind zum Beispiel zu erklären, was Zeit ist und wie man damit richtig umgeht. Was wir erzählen, muss schlüssig sein, es darf sich nicht widersprechen. Ich denke, dass unsere Vorsicht im Umgang mit der Figur dazu geführt hat, dass sie stark geblieben ist. Und dass Menschen mit Tabaluga ein bestimmtes Bild verbinden.
Lässt sich sagen, wie viel Prozent der Tabaluga-Einnahmen in die Stiftung fließen?
Maffay: Nein, die einzelnen Unternehmungen sind so individueller Natur, dass wir kein Schema anlegen und zum Beispiel sagen könnten, es sind immer zehn Prozent. Die Zielsetzung ist allerdings, dass die Figur Tabaluga irgendwann mal das Drehmoment, das ich erzeuge, ersetzt. Ich selbst kann ja nicht ewig tingeln und hausieren gehen…
Sie haben sich 2013 die Lizenzrechte für Tabaluga zurückgekauft.
Maffay: Genau, das ist sozusagen die Lebensversicherung für Tabaluga. Wenn wir da nicht aktiv geworden wären, hätten wir damit rechnen müssen, dass in dem Augenblick, wo ich aufhöre, auch die Aktivitäten der Stiftung enden. Und das soll nicht sein.
Könnte man sagen, dass Sie mit Tabaluga weniger aus künstlerischem, und mehr aus sozialem Antrieb heraus auf Tour gehen?
Maffay: Also, wenn wir ins Studio gehen, wollen wir künstlerisch eine schöne Geschichte schaffen. Da soll die Musik ansprechend sein und emotional. Die erzählerischen Inhalte sollen eine hohe Qualität besitzen. Allerdings: Ich verbringe viel weniger Zeit mit der Musik als mit der Arbeit für die Stiftung.
Sie selbst nehmen Flüchtlinge auf – und Sie geben nun auch Konzerte in Regionen, wo viele Menschen die Flüchtlinge nicht willkommen heißen. Was wäre Ihre Botschaft an diese Menschen?
Maffay: Ich kann nur hoffen, dass jemand, der sich entschieden hat, die AfD zu wählen, auch weiß, welche Verantwortung er damit gegenüber unserer Gesellschaft und unserem demokratischen System übernimmt. Und ich hoffe, dass diejenigen, die gewählt wurden, sich nicht an dieser Struktur vergreifen. Im Augenblick habe ich keine Vorstellung davon, wohin diese Entwicklung führen wird. Ich halte sie für äußerst bedenklich, wenn sie einher geht mit radikalem und rechtem Gedankengut.
Ich glaube allerdings auch, dass sehr viele, die die AfD gewählt haben, das nicht getan haben, weil sie rechtsradikal sind, sondern weil sie ganz einfach sagen: Die Positionierung der etablierten Parteien kann ich nicht mehr nachvollziehen, da weiß man nicht mehr, wohin die Reise geht. Ich hoffe, dass diese Wählergruppe mäßigend und relativierend auf diejenigen einwirkt, die den Ton in der Partei angeben. Wenn aber einige wenige Personen vom rechten Rand den Großteil der AfD-Wähler radikalisieren, dann wird es gefährlich.
Sie leben in Bayern. Was sagen Sie dazu, dass Ihr Ministerpräsident Seehofer Angela Merkel die Schuld gibt am Erstarken der AfD?
Maffay: Ich nehme an, dass es einen Satz gibt, den Frau Merkel wahrscheinlich selbst nicht mehr hören kann: „Wir schaffen das“. Das hat sie sicher gesagt, weil sie als Mensch anderen Menschen helfen will, und das ist völlig in Ordnung. Aber wir als Gesellschaft müssen auch wissen, wie man das bewerkstelligt. Wenn man das Wie nicht kennt und daher kein Vertrauen in dieses Konzept hat, dann entstehen Unsicherheiten, die zu solchen Ergebnissen führen, wie wir sie im Augenblick haben.
Horst Seehofer stichelt mit seinen Äußerungen und Forderungen häufig in Richtung Berlin. Ist Ihnen das als Bayer manchmal unangenehm?
Maffay: Ich komme aus Transsylvanien, ich bin kein Bayer, ich wohne nur da. Ich habe auch kein T-Shirt mit blauweißer Flagge. Andererseits teile ich die ironische Haltung derer nicht, die über Bayern lästern. Denn die Bayern sind nicht grundsätzlich provinziell und nicht grundsätzlich rückständig. Das ist ein Klischee.
Ich beobachte, dass es in der Argumentation von Herrn Seehofer einige Positionen gibt, die inzwischen von vielen anderen Parteien geteilt werden. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass die Ansichten von Herrn Seehofer undemokratisch sind. Vielleicht sind sie nicht in jeder Hinsicht optimal praktizierbar und manche Äußerungen sind mir persönlich zu poltrig, aber wenn man sich anschaut, wie heute der Begriff Obergrenze diskutiert wird, dann ist den letzten Wochen eine andere Haltung erkennbar, als noch vor einem halben Jahr. Die automatische Zuordnung: Wer für eine Obergrenze ist, ist rechts oder populistisch – die ist nicht mehr gerechtfertigt.
Würde eine Obergrenze funktionieren?
Maffay: Erlauben Sie mir eine Gegenfrage: Halten Sie Kanada für ein demokratisches Land?
Meine Vermutung aus der Ferne wäre: Ja.
Maffay: Kanada hat seit Jahr und Tag eine Kontingentierung für Einwanderer. Es gibt also Gesellschaften auf diesem Globus, die absolut demokratisch ausgerichtet sind und die so eine Obergrenze haben. Ich habe zwei Jahre lang in Kanada gelebt, ich konnte mir damals gut vorstellen, dort zu bleiben. Abgesehen davon dass Kanada leider ziemlich nah an den USA dran ist.
…und ziemlich weit weg von Europa. Wir reden ja von Flüchtlingen, die über das Meer nach Europa kommen. Und wenn Europa die Grenzen dicht macht…
Maffay: Aber schauen Sie mal in die kanadische Gesellschaft, wie viele Ausländer aus der ganzen Welt dort leben. Kanada ist kosmopolitisch und Kanada hat seit ewiger Zeit diese Quote. Warum macht ein Land so etwas, das viel mehr Platz hat als wir? Ich glaube, weil man dort annimmt, dass ein Staat irgendwann nicht mehr in der Lage ist, einen unbegrenzten Zuzug aufzufangen und zu verkraften.
Sie haben das einmal mit einem Schwamm verglichen, der irgendwann vollgesogen ist und kein Wasser mehr aufnehmen kann.
Maffay: Ja, nur wo genau diese Grenze liegt, weiß ich nicht. Ich bin kein Experte.
Obergrenzen würden in der Konsequenz bedeuten, dass Europa dicht machen würde…
Maffay: …wahrscheinlich dicht machen muss. Für mich ist es schwer vorstellbar – und ich glaube, dass es vielen anderen auch so geht – wie ein Land in Europa, und zwar Deutschland, einen so starken vielleicht über Jahre andauernden Zustrom von Menschen verkraften soll, die ja zunächst zu einhundert Prozent auf Unterstützung angewiesen sind. Arbeitsplätze, Wohnungen, Ausbildung, die Leistungen des Gesundheitswesens etc. kosten Geld, das irgendwo erwirtschaftet werden muss, um überhaupt Hilfe leisten zu können. Ich glaube, dass man irgendwann an ein Limit kommt und zwar an ein finanzielles und an ein personelles. Die Lehrer, Sozialarbeiter, Übersetzer und Verwaltungsbeamten, die wir brauchen, um Hunderttausende Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren, müssen ihrerseits zunächst eingestellt und ausgebildet werden. Es braucht viele Jahre, bis solche Strukturen stehen. Und schließlich stehen wir vor massiven interkulturellen Fragen und Problemen. Es ist ja nicht damit getan, das Grundgesetz ins Arabische zu übersetzen. Den Neuankömmlingen unsere Werte, unsere politische und gesellschaftliche Ordnung nahe zu bringen, das ist ein langer Prozess. Es ist daher nach meiner Auffassung in der Flüchtlingsfrage wie auch sonst im Leben: Man sollte sich nicht mehr vornehmen und erst recht nicht mehr versprechen, als man auch tatsächlich leisten kann. Wir werden nicht alle Probleme dieser Welt bei uns lösen können. So bitter das ist. Und wenn Frau Merkel mit der türkischen Regierung eine Abmachung trifft, die Grenzen nach draußen zu verschieben und sie dort dicht zu machen, ist das im Grunde genommen nichts anderes als eine Begrenzung.
Sie haben auf Ihrem Hof Flüchtlinge aufgenommen. Werden Sie das fortführen?
Maffay: Wir hatten ein leer stehendes Haus in Dietlhofen, das haben wir im letzten Winter afghanischen Familien für ein Jahr zur Verfügung gestellt. Nach diesem Jahr sollen in dieses Haus traumatisierte Kinder einziehen. Wir wissen noch nicht, ob wir beides machen können. Unser Stiftungszweck ist ja der, dass wir traumatisierte und benachteiligte Kinder betreuen. Wir können das Stiftungsvermögen nicht nach eigenem Ermessen umwidmen.
Wir werden mit den Behörden in Bayern zusammenarbeiten und eine Lösung finden.
Wie erleben Sie die Begegnung mit Flüchtlingen auf Ihrem Hof?
Maffay: Wir haben hauptsächlich Familien aufgenommen und ich erlebe, dass es bei denen vor allem zwei Wünsche gibt: die Erwachsenen wollen arbeiten und die Kinder möchten in die Schule gehen. Dieser Ansatz ist ja eigentlich perfekt, um von Integration zu sprechen. Wer in eine Schule geht, lernt die Sprache, damit kann er überall andocken. Und mit der Arbeit schafft man Autarkie, ernährt seine Familie und bestimmt sein Leben selber.
Diese Wünsche unterscheiden sich auch nicht von unseren Wünschen, insofern sehe ich schon eine Chance, viele Menschen in unsere Gesellschaft und unseren Arbeitsmarkt zu integrieren. Doch das muss dann auch getragen sein von einem homogenen Willen der gesamten Gesellschaft. Und der ist nicht da. Wenn Sie von unserem Grundstück fahren, kommen Sie an einer Scheune vorbei.An die Wand hat jemand geschrieben: Asyl No. Wenn diese Kluft wächst und die Radikalisierung ebenfalls, dann wird die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland nicht mehr so ungetrübt passieren.
Zum Schluss noch eine ganz andere Frage: Der bekannte Tabaluga-Song „Nessaja“ wurde 2002 sehr erfolgreich von Scooter gecovert. Können Sie mit deren Musik etwas anfangen?
Maffay: Ich bin nicht berührungsunfreundlich mit Musik, die vermeintlich anders klingt. Scooter arbeiten auch nur mit den acht Tönen der Tonleiter. Wir haben bei Tabaluga keine stilistischen Limits, wir bedienen dort eine Idee und erzählen eine Geschichte, die nicht einer bestimmten Stilistik verpflichtet ist. Deswegen finden Sie da auch Stilrichtungen wie Latino oder Heavy Metal in unserem Rockmärchen.
Und das Scooter-Video von „Nessaja“? Das wirkt ja mit den vielen halbnackten Frauen und der mondänen Champagner-Party schon etwas, sagen wir ‚proletenhaft‘.
Maffay: Ich gehe damit entspannt um. Da gibt es einen Musiker, der diese Hookline klasse findet und damit gerne etwas gestalten will. Wenn das sein Wunsch ist und seine Vorstellung, warum nicht? Scooter war mit dem Song auf Platz 1 der Charts, in England auf Platz 4. Alles lauter Proleten? – Also, das ist nichts, was mich nachdenklich stimmt oder wo ich sagen würde „Mein Gott, was hat der mit dem Song gemacht“. Ich selbst stehe mehr auf ZZ Top und diese Art von Musik. Ich selbst würde meine Musik auch nicht so machen wie Scooter. Aber Scooter würden ihre Musik auch nicht so machen wollen, wie ich sie mache.
[Das Interview entstand im September 2016.]
Tourdaten Peter Maffay & Band – Tabaluga „Es lebe die Freundschaft“:
Di., 29.11. Braunschweig Volkswagen Halle
Fr., 02.12. Bremen ÖVB-Arena
Sa., 03.12. Bremen ÖVB-Arena
Mi., 07.12. Kiel Sparkassen-Arena
Sa., 10.12. Hannover TUI Arena
Mi., 14.12. Mannheim SAP Arena
Sa., 17.12. CH -Zürich Hallenstadion