Philipp Mißfelder

Schröder wackelt bereits.

Der Chef der Jungen Union und zukünftige Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder über den geführten Bundestagswahlkampf, eine große Koalition, seinen Werdegang und was ihn am politischen Geschäft reizt

Philipp Mißfelder

©

Herr Mißfelder, die Bundestagswahl liegt nun bereits zwei Wochen zurück, aber noch ist nicht klar, wie die künftige Bundesregierung aussehen wird. Wie würden Sie die derzeitige Stimmung im politischen Berlin beschreiben?
Mißfelder: Die Situation ist sehr unübersichtlich, weil immer noch nicht genau abzusehen ist, wann und mit welchem Ergebnis die anstehenden Koalitionsverhandlungen letztendlich zu Ende gehen. Wir haben momentan eine Situation, mit der keiner gerechnet hat, denn die große Koalition war genau das, was sowohl CDU als auch SPD vor der Wahl nicht wollten, und jetzt sind wir quasi dazu verdammt, diese Koalition einzugehen, weil CDU und CSU auf jeden Fall Rot-Rot-Grün verhindern wollen und es ja auch gar keine andere realistische Möglichkeit zur Regierungsbildung mehr gibt.

Angela Merkel hat während des Wahlkampfes des öfteren gesagt, eine große Koalition würde Stillstand bedeuten. Sehen Sie das auch so?
Mißfelder: Am Ende wird sich zeigen, was es bedeutet. Es dürfen keine Themen aufgespart werden, denn es gilt, so viel wie möglich durchzusetzen- obwohl ich bei großen Teilen der SPD derzeit noch eine Reformunwilligkeit sehe. Wir dürfen wichtige Themen wie Arbeitsmarkt, die Renten- und Pflegeversicherung, die Förderalismus-Reform, aber auch die innere Sicherheit auf keinen Fall vernachlässigen, sondern müssen versuchen eine Einigung zu erzielen. Das wird sicherlich nicht immer einfach, aber wir müssen uns auf diesen schweren Weg machen.

Nun ist es ja so, dass die Hartz IV- Reform der rot-grünen Regierung im Bundesrat damals gemeinsam mit der CDU/CSU beschlossen wurde. Ein Konsens ist in bestimmten Punkten also durchaus schon vorhanden.
Mißfelder: Richtig, es gibt sicherlich Punkte, die wir zusammen vorantreiben können. Hartz IV und Teile der Gesundheitsreform gingen schon in die richtige Richtung, obwohl ich dazu sagen muss: Die Gesundheitsreform unter SPD-Führung war halbherzig- sie geht einfach nicht weit genug, um tatsächlich nachhaltige und erfolgreiche Effekte zu erzielen. Die Union hat der Gesundheitsreform zwar zugestimmt, jedoch reicht das Ergebnis nur für wenige Jahre. Deshalb müssen wir uns jetzt Gedanken machen, wo wir in der Zukunft weitere grundlegende Reformen durchführen können. Ob es dann letztendlich bei Strukturfragen zu Reformen kommen wird, ist nicht sicher, aber ich hoffe es.

Nach der Wahl wurden bereits verschiedene Gründe für das unerwartet schlechte Wahlergebnis der CDU/CSU genannt – welche Fehler wurden Ihrer Meinung nach im Wahlkampf gemacht?
Mißfelder: Gerhard Schröder hat eine beachtliche Aufholjagd hintergeht, und man darf Schröder grundsätzlich nie unterschätzen. Er ist ein absolut erfolgreicher Wahlkämpfer, er schafft es auch ohne Themen mittels Emotionen Sympathiepunkte bei den Wählern zu sammeln. Die SPD hat einen inhaltsleeren Wahlkampf geführt, der größtenteils daraus bestand, der CDU Vorwürfe zu machen, sie zu attackieren, ohne jedoch zu sagen, wie man als Sozialdemokraten selber die Probleme des Landes angehen will. Das ist ein Punkt, den die CDU wohl unterschätzt hat, aber eine ausführliche Analyse der Gründe, warum die Wahl nicht so ausgegangen ist, wie wir uns das gewünscht haben, und wie es uns die Meinungsforschungsinstitute im Vorfeld prognostiziert haben, wird erst nach der Kanzlerwahl stattfinden. Vorher macht eine solche Debatte keinen Sinn.

War möglicherweise auch der Einbezug des Finanzexperten Paul Kirchhof in den CDU-Wahlkampf ein Fehler?
Mißfelder: Wir haben ja immer wieder klargemacht, dass das dreistufige Steuermodell aus unserem Programm gelten wird, und nicht die Pläne Kirchhofs. Dies ist jedoch medial nicht zu den Wählern durchgedrungen, sondern es gab eine "Anti-Kirchhof"- Kampagne seitens der SPD.

Würden Sie sagen, dass die CDU noch immer geschlossen hinter Angela Merkel als Kanzlerkandidatin steht?
Mißfelder: Absolut, Frau Merkel war unsere Kanzlerkandidatin im Wahlkampf und sie ist es nach wie vor. Wir sind geschlossen dafür, dass sie ihren Regierungsauftrag annimmt, und unser Land nach vorne bringt. Sicherlich sind wir sehr enttäuscht über das Wahlergebnis, gerade auch die Junge Union, aber wir sagen auch ganz klar, dass wir hinter Frau Merkel stehen, weil sie im Wahlkampf einfach deutlich gemacht hat, dass sie glaubhaft für Reformen steht, und der falschen Politik der letzten sieben Jahre unter Rot-Grün ein Ende machen wird.

Bundeskanzler Schröder zeigt sich in Sachen Kanzlerfrage bislang wenig nachgiebig – wie wird die CDU Ihren Machtanspruch unter diesen Umständen durchsetzen können?
Mißfelder: Schröder wackelt bereits jetzt und in der SPD ist die Debatte bereits in vollem Gange. Jeden Tag melden sich neue Stimmen melden, die den Machtanspruch Gerhard Schröders nicht aufrecht erhalten wollen, und sich durchaus auch eine große Koalition ohne ihn vorstellen könnten. Insofern sehen wir mit Freude, dass die SPD langsam auf dem Wege ist das Wahlergebnis zu akzeptieren. Wir haben da eine ganz klare Linie, die heißt: Frau Merkel muss Kanzlerin werden! Wir halten diese Linie durch und deswegen werden wir am Ende auch erfolgreich sein!

In den letzten Tagen wurde auch die "Israelische Lösung", wonach von jeder Partei jeweils für die Hälfte der Legislaturperiode der Regierungschef gestellt wird, diskutiert. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) nannte diese Idee "groben Unsinn" – was halten Sie von dieser Lösung?
Mißfelder: Ich halte nichts davon und teile die Meinung von Roland Koch. Eine solche Lösung ist nicht ratsam, denn niemand hat die Gewähr, dass dann nach zwei Jahre der Kanzlerwechsel auch wirklich reibungslos funktioniert. In einer großen Koalition, so wie in jeder anderen Koalition, ist es üblich, dass die stärkste Kraft den Kanzler stellt. Wir sind die stärkste Kraft und deshalb können auch nur wir den Kanzler stellen!

Zitiert

Die SPD hat einen inhaltsleeren Wahlkampf geführt, der größtenteils daraus bestand, der CDU Vorwürfe zu machen.

Philipp Mißfelder

Glauben Sie, die Nachwahl in Dresden könnte den knappen Vorsprung der CDU/CSU zugunsten der SPD zunichte machen?
Mißfelder: Nein, denn alle rechnerischen Modelle zeigen dass wir weiter vorne bleiben werden. Es wird sich zeigen, wie der Wahlkampf in Dresden weitergehen wird. Momentan ist die Stimmung dort sehr gut, und ich gehe auch davon aus, dass die CDU dort das Direktmandat gewinnen wird.

Am 22. Juni 2005 wurden Sie im Wahlkreis 122 (Recklinghausen I) als Wahlkreiskandidat für die Bundestagswahl aufgestellt, und ziehen nun als zweitjüngster Abgeordneter in den Deutschen Bundestag ein. Mit welchen persönlichen Erwartungen ist dieser Schritt verbunden?
Mißfelder: Ich hoffe, dass ich im Bundestag gerade auch für die jüngere Generation für mehr und vor allem gerechtere Reformen einstehen kann, und dass wir Jüngere die Union dazu antreiben, weiter mutig zu sein. Wir werden Frau Merkel darin bestärken, grundlegende Reformen durchzuführen, denn bei fünf Millionen Arbeitslosen, und gerade bei so vielen arbeitslosen jungen Leuten, wie wir sie noch nie zuvor hatten, ist es notwendig, dass wir endlich die Reformen durchbringen, die Deutschland wirklich nach vorne bringen. Ich als junger Mensch kann dazu einen kleinen Beitrag leisten, und das werde ich versuchen.

War es denn schon immer ein persönliche Traum von Ihnen einmal im Bundestag zu sitzen? Bereits als Elfjähriger haben Sie ja aus lauter Freude über die Wiedervereinigung bei der Jungen Union angeklopft, und wurden damals wieder nach Hause geschickt…
Mißfelder: Stimmt, ich wollte schon sehr früh bei der Jungen Union mitmischen, aber das mit dem Bundestagsmandat hat sich jetzt eher aus der Situation heraus ergeben, und war nicht seit langem geplant. Es wäre ja Unsinn gewesen, wenn ich mit 14 gesagt hätte: Ich will unbedingt in den Bundestag! Jeder, der in die CDU kommt, und meint, er könne jetzt die große Karriere machen, wird garantiert keine Karriere machen, denn es hängt wirklich davon ab, wie stark und kontinuierlich man sich in der Partei einbringt, und das vor allem auch durch inhaltliche Arbeit.

So ähnlich ist es ja Marek Dutschke (Bündnis 90/ Die Grünen) ergangen, der nach eigenen Angaben nicht "dazu abkommandiert werden wollte, Luftballons zu verteilen". Er kandidierte direkt für den Bundestag und verlor schließlich.
Mißfelder: Eine Partei ist meiner Meinung nach nicht dazu da Bundestagsabgeordnete zu rekrutieren, sondern soll zur politischen Willensbildung des Volkes beitragen, und solche Fälle wie Marek Dutschke – das kann einfach nicht funktionieren! Ich habe nichts persönlich gegen ihn, habe ihn auch nie getroffen oder mich mit ihm unterhalten, aber ich denke dass seine Vorgehensweise nicht sehr klug war.

Im Jahre 1993 traten Sie der Jungen Union bei und wurden im Jahre 2002 in Düsseldorf zu deren Bundesvorsitzenden gewählt. Was reizt Sie am politischen Geschäft?
Mißfelder: Ich finde es gut, dass ich mich für die Themen einsetzen kann, die mir besonders am Herzen liegen. Ich glaube dass man sehr viel erreichen kann, wenn man engagiert zu seiner Überzeugung steht. Und wenn man den Menschen zuhört, sie mit ihren Problemen ernst nimmt und versucht eine Lösung zu finden. Sicherlich wurden mir in den letzten Jahren auch Illusionen genommen, und ich musste feststellen, dass es im politischen Geschäft oftmals auch sehr hart zur Sache geht, aber ich werde diesen Weg trotzdem fortsetzen.

Für großen Wirbel sorgten Sie im Jahre 2003, als Sie in der Diskussion um die Reform des Gesundheitssystems sagten, das künstliche Hüftgelenke für Personen über 85 Jahren aus der allgemeinen Krankenkasse nicht mehr finanzierbar seien. Haben Sie es im Nachhinein bereut, dass Sie diese Forderung damals in dieser Form geäußert haben?
Mißfelder: Ich habe dafür sehr viel Kritik einstecken müssen, und seit dieser Zeit gab es sehr viele Gespräche mit der Senioren Union, die mittlerweile zu einer positiven Sachdiskussion geworden sind. Das Thema Generationengerechtigkeit steht nun stärker auf der Tagesordnung. Dennoch hatte die Debatte zwei Seiten, und ich nehme auch die Kritik, die diesbezüglich an mir geübt wird, sehr ernst und setze mich mit ihr auseinander.

Wie gehen Sie ansonsten mit Kritik, auch innerhalb der Partei, um?
Mißfelder: Ich bin sehr dankbar für Ratschläge und konstruktive Kritik. Wenn Kritik aber im Ton falsch vorgetragen ist, einer sachlichen Grundlage entbehrt, und eigentlich nur dazu da ist, um den Gesprächspartner zu beschimpfen, dann halte ich das für wenig hilfreich. Ansonsten bin ich der festen Überzeugung, dass man sich kritischen Stimmen stellen muss, und ich würde mich auch nie vor einem kritischen Gesprächspartner verstecken.

Abschließend die Frage: Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, damit Deutschland in Zukunft wieder einen Aufschwung erlebt, in sozialer wie wirtschaftlicher Hinsicht?
Mißfelder: Die Menschen müssen wieder stärker bereit sein, Dinge selbst zu organisieren, und der Staat muss sich infolgedessen dann auch in einigen Punkten etwas zurücknehmen. Trotzdem brauchen wir ein hohes Maß an Sicherheit, sowohl innerer wie auch äußerer Sicherheit, und wir müssen den Bürgern einen sicheren Halt in der Gesellschaft geben. Das funktioniert weniger durch Umverteilungsmechanismen, wie in der Vergangenheit, sondern indem wir tatsächlich Werte und auch ein Wertegerüst wieder aufbauen. Nur so kann eine Gesellschaft so stabil werden, dass auch ohne größere monetäre Transferleistungen der soziale Friede gewahrt bleibt. Es darf nicht nur vom Geldbeutel abhängen, ob eine Gesellschaft zusammenhält oder nicht, sondern auch davon, welche Einstellung der Einzelne zum Staat hat, und in welcher Form der Staat sich für seine Bürger verantwortlich fühlt.

Ein Kommentar zu “Schröder wackelt bereits.”

  1. Christoph Hölker |

    UNSER CDU-Bundestagsabgeordneter

    Der Herr Philipp Mißfelder ist UNSER CDU-Bundestagsabgeordneter bzw. UNSER MANN im Deutschen Bundestag. Viele herzliche Grüße von Christoph Hölker aus D-45657 Recklinghausen. Recklinghausen, den 14. April 2011

    Antworten

Kommentar schreiben

* Erforderliche Angaben. Emailadresse wird nicht veröffentlicht.