Pixies

Die Leute freuen sich, gutes Geld für ein Live-Konzert auszugeben.

Pixies-Frontmann Frank Black spricht im Interview über das Album-Format, seinen Postboten, die gestiegene Relevanz von Live-Konzerten, Band-Reunions und „Head Carrier“, das erste Studio-Album der Pixies seit ihrer Wiedervereinigung.

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© Claudia Rorarius

Frank Black, in Zeiten von Youtube, MP3 und Musik-Downloads wirkt das Album-Format in die Jahre gekommen. Warum bringen Sie dennoch ein neues Pixies-Album raus?
Black: Wer Alben veröffentlicht, tut das in der Regel nicht, weil er die Marktlage genau beobachtet hat oder weil es ihm das wichtigste wäre, so viele Alben wie möglich zu verkaufen. Man veröffentlicht es einfach. Ein Album bedeutet ja schließlich auch, ein Zeichen für die Leute zu setzen: Wir sind noch da! Und eine Menge von dem Geld, das man früher für Platten, CDs oder Kassetten ausgab, wird jetzt eben in der Kategorie „persönliche Anwesenheit“ ausgegeben. „Hey, mein Lieblingssänger wird nächste Woche hier sein. Lass uns in seine Show gehen!“

Konzerte werden allerdings immer teurer. Mittlerweile könnte man sich für ein einziges Pixies-Ticket fast das Gesamtwerk der Pixies als Download kaufen.
Black: Also, mein Postbote, der ist ein toller Kerl. Wir unterhalten uns, fast jeden Tag, manchmal eine viertel Stunde lang. Er redet besonders gerne über Musik, er ist ein alter Dead-Head…

…also ein Fan der legendären Rockband Grateful Dead…
Black: Genau, er geht zu all diesen Shows von Bands aus den 70er Jahren, wer auch immer da sich gerade mal wiedervereint hat. Er sagt dann so Sachen wie: „Hey, Charles! Ich war letzte Woche wieder auf einem Konzert, hab‘ 200 Mäuse ausgegeben. Und weißt du was? Es war jeden Dollar wert.“ Er schert sich nicht um den ganzen Mist, über den wir hier reden: CDs versus irgendwas… Er sagt: Ich habe vor zwei Jahren die Eagles gesehen, ich werde jetzt wieder hingehen und einen Haufen Kohle dafür ausgeben. Die Leute freuen sich, gutes Geld für ein Live-Konzert auszugeben, nicht für formatierte Musik auf einem Tonträger.

Wann haben Sie das letzte Mal ein Album gekauft?
Black: Oh, das ist lange her. Ich weiß nicht mal mehr, welches das war.

Zitiert

Wir machen Rockmusik, nehmen sie aber nicht allzu ernst.

Pixies

Die Pixies waren schon immer in Europa erfolgreicher, als in ihrer Heimat, den USA. Auf dem neuen Album „Head Carrier“ ist Paris der einzige konkrete Ort, der benannt wird. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, hierher zu ziehen?
Black: Naja, Robert Crumb, der Comickünstler aus Philadelphia lebt mit seiner Familie schon seit vielen Jahren in Frankreich. Aber er hat sein Bauernhaus von einem Fan bekommen, im Austausch gegen eine Schachtel Originalzeichnungen. Darauf warte ich eigentlich schon eine ganze Weile, dass irgendeinen Fan, der ein lustiges altes Anwesen von einem Onkel oder so geerbt hat, sich sagt: Ich brauche das eigentlich nicht, aber ich hätte gerne ein paar Pixies-Demos oder ein Gitarren-Plektron für meine Memorabilia-Sammlung… (lacht)

Wirklich? Wenn sich das politische Klima in den USA ändern würde, beispielsweise mit Donald Trump als Präsidenten, könnten Sie sich vorstellen, das Land zu verlassen?
Black: Nicht mehr, als zu jeder anderen Zeit auch. (lacht)

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Einer der härtesten Ihrer neuen Songs heißt „Baal’s back“. Hat Sie dazu das Drama „Baal“ von Bertolt Brecht inspiriert?

Black: Nein, eher die Figur aus dem Alten Testament, die heidnische Gottheit. Der Song ist sehr wörtlich gemeint, nicht symbolisch oder so. Der Text nimmt die Perspektive eines mächtigen, bedrohlichen Charakters ein, als wäre er das Libretto einer Opernarie oder eine Szene in einem Film.

Apropos Film, Ihr Song-Klassiker „Where Is My Mind?“ erklang 1999 im Finale des Films „Fight Club“, in dem von Terroristen gesprengte Wolkenkratzer in sich zusammenbrechen. Müssen Sie daran manchmal denken, wenn Sie diesen Song spielen?
Black: (Schreit) Ich bekomme diesen Film einfach nicht aus meinem Kopf! Haltet ihn an! Jedes Mal, wenn ich diese drei Akkorde spiele, sehe ich Brad Pitt vor mir… (Lacht) Aber nein, auch wenn Sie diese Filmszene möglicherweise als prophetisch ansehen, weil es Sie nun an den 11. September 2001 erinnert – ich muss ganz bestimmt nicht an einstürzende Wolkenkratzer denken, wenn ich „Where Is My Mind?“ spiele.

War es bewusst oder Zufall, dass Sie in Ihrem neuen Song „All I Think About Now“ eine Stelle aus „Where Is My Mind?“ zitieren?
Black: Ah, Sie meinen dieses Gitarrenmotiv… Da werden zwei Noten umspielt, die einen Halbton voneinander entfernt sind. Das ist ein Kunstgriff, das macht jeder. Es fällt in dem Song vielleicht auf, weil da eine Gitarre diesen Part übernimmt, genau wie in „Where Is My Mind?“ Aber so hat sich der Song eben einfach ergeben. Dahinter steckte keine weitere Absicht.

Der Text könnte allerdings an Tyler Durden, den Terroristen aus „Fight Club“, gerichtet sein und ihm sagen: Komm mal wieder auf den Boden, lass den Mist und lebe einfach dein Leben…
Black: Ja, aber wenn wir das so gemeint hätten, dann würden wir uns in gewisser Weise über den Film erheben. Aber der Film ist größer als wir. Es wäre so, als würden wir einen Song über Nirvana schreiben, weil sie immer allen erzählt haben, wie sehr sie uns mögen…

Im HipHop beispielsweise sind solche Referenzen ein übliches Stilmittel.
Black: Aber jede Rockband hat eben ihr spezielles Ego, ihre Psychologie, die ihnen vorgibt, womit sie sich konfrontieren möchten. Und wer sich in seiner Musik offensichtlich auf andere Rockbands bezieht, macht sich selbst kleiner, als er sein möchte.

Gibt es Bands aus den letzten 20 Jahren, bei denen Sie das Gefühl hatten: Wow, die sind toll, die könnten auch eine Inspiration für mich sein?
Black: Für mich nicht. Ich höre mir nicht besonders viele neue Bands an. Wenn ich Musik höre, dann eher das ältere Zeug, zum Beispiel um meinen Kindern das vorzuspielen: Hört euch das mal an! Das wird euch gefallen! Meistens wollen sie aber gar nicht zuhören.

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Meine letzte Frage: Die Dokumentation „loudQUIETloud“ über die Comeback-Tournee der Pixies ab 2004 gewährte geradezu intime Einblicke in Ihr Leben und die Probleme innerhalb der Band. Wie würde so ein Film heute aussehen?
Black: Naja, es ist definitiv besser auf Tour zu sein, ohne dass eine Filmcrew jeden Morgen an der Zimmertür klopft und einen dazu bringen will aufzustehen, um vor der Kamera abzuhängen. Normalerweise haben wir nur einen Tourmanager, der uns eine SMS schickt: „Wo seid ihr? Wir müssen los!“ An sich ist es nach wie vor großartig, auf Tour zu gehen.

Wie realistisch war der Film? Haben Sie sich einzelne Szenen ausgedacht?
Black: Nein, nein. Wir haben nichts inszeniert.

In einer Szene sieht man, wie Sie halb nackt zu Bett gehen, über Kopfhörer anscheinend eine Therapie-CD hören…
Black: Oh, das war nur ein Witz für die Kamera. Ich dachte es wäre offensichtlich, dass ich mir da nur einen Spaß erlaubt habe, aber wie sich herausstellte. haben einige das nicht verstanden. Tatsächlich habe ich da meine Anleitung zum Aufwärmen meiner Stimme gehört. Da muss man Gesangslinien nachsingen, die sehr technisch sind, von ganz hoch, bis tief und so weiter. Der Kameramann sah das, filmte mich und ich habe so getan, also würde ich so autotherapeutisches Zeug nachsprechen: „Ich bin ein wunderbarer Mensch. Alles wird gut werden“…

Ich wollte schon fragen, ob diese CD immer noch zu Ihrem Einschlafritual gehört…
Black: Ich würde diesen Gag heute wahrscheinlich nicht mehr machen, weil ich mittlerweile weiß, dass viele Leute in diesem Bereich Hilfe brauchen und solche CDs sehr wichtig für sie sind. Und ich will nicht, dass sie denken, ich mache mich über sie lustig. Wenn ich mich da über irgendetwas lustig mache, dann ist es dieser Cinéma-vérité-TV-Doku-Kram, der immer den Anspruch vor sich herträgt: Hey, Leute! Wir zeigen euch, wie es wirklich ist! (lacht) Ich denke, dass sogar unsere Musik diese eher ironische Haltung einnimmt. Nicht in jedem Moment oder in jedem Song, aber wir haben schon einen kleinen Hang dazu, die Rockmusik auch ein wenig durch den Kakao zu ziehen. Wir machen Rockmusik, nehmen sie aber gleichzeitig nicht allzu ernst.

Tourdaten:
15.11. Stadthalle, Wien (AT)
18.11. Auditorium Stravinski, Montreux (CH)
24.11. Palladium, Köln

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