Ingo, die erste Single die du von deinem Debüt-Album veröffentlicht hast, ist der Song „Wenn jetzt Sommer wär“. War das eine meteorologische Entscheidung, in Anbetracht des nie enden wollenden Winters 2006?
Pohlmann: Nein, das was war schon lange klar, denn dieser Song ist einfach am lustigsten und hat Energie. Die meisten Leute haben sich bei diesem Song einfach wohl gefühlt und deshalb dachten wir, damit kommen wir raus.
Wusstest du, dass dein Song sich an manchen Stellen anhört wie Rio Reisers „König von Deutschland“? Da haste aber geklaut….
Pohlmann: Nee, echt??? (beginnt die besagte Stelle zu seinem Gitarrenspiel zu singen) Ja ja, also ich bin nicht der Erfinder der Akkorde. Ich glaube, dass man manchmal automatisch etwas übernimmt, was man oft gehört hat. Obwohl Rio Reiser bei mir nicht häufig lief. Ich fand ihn immer großartig, aber von deutschen Sängern bin ich großer Nils Frevert Fan, er war damals der Sänger der Nationalgalerie, der hat inzwischen drei Alben veröffentlicht. Den find ich ultra fantastisch.
Du singst ja in diesem Song auch von Jack Johnson…
Pohlmann: Ja, die Flucht nach vorne. Ich war auch bei seinem Konzert in Berlin und hatte sogar die Möglichkeit ihn persönlich zu treffen. Er hat meinen Song bei einem Radiointerview gehört und meinte dann zwischendrin: „Geiler Sound, was ist das?“ Der Moderator erklärte ihm dann, dass das ein neuer Künstler sei, der Pohlmann hieße. Als er dann so zuhörte bemerkte er auch die Textzeile: „…dann würd´ ich nachts auf der Straße Jack Johnson singen“. Worauf er meinte, dass er mich gern mal kennen lernen würde. Zuerst konnte ich das gar nicht glauben und hab mich natürlich total gefreut. Na ja, und so stand ich also in Berlin vor seinem Konzert in der Arena eineinhalb Stunden in der Kälte und hab auf ihn gewartet, weil nicht ganz klar war, ob er sich wirklich daran erinnert, dass er mich treffen wollte. Aber irgendwann kam dann auch bei ihm an, dass dieser komische Pohlmann jetzt da unten auf ihn wartete und so hab ich ihn dann wirklich getroffen. Er kam auf mich zu, gab mir die Hand und meinte: “Hey, guter Song, wirklich Respekt, gefällt mir sehr gut.“
Welchen Song würdest du denn nachts auf der Straße von Jack Johnson zum Besten geben?
Pohlmann: (Nimmt wieder die Gitarre und singt „On & On“…) Um ehrlich zu sein, ist es das einzige, was ich von ihm spielen kann.
Wirst du nun bei der nächsten Jack Johnson Tour bei ihm als Support-Act auftreten?
Pohlmann: Das wäre natürlich traumhaft, aber Jack Johnson tourt ja viel mit seinen Freunden, die Show heißt ja auch „Jack Johnson and friends“. Da ist es nicht so einfach reinzukommen.
Du bist jetzt mit Xavier Rudd aus Australien unterwegs, der ja auch in den Dunstkreis von Jack Johnson gehört. Ist doch schon mal ein Anfang…
Pohlmann: Ja, das ist echt super. Wahnsinnig beeindruckend. Es ist schon eine Ehre mit solchen Leuten unterwegs zu sein.
Du bist eigentlich gelernter Maurer. Und jetzt, wo du ständig unterwegs bist und Musik machst, bist du ja sozusagen auf der Walz. Wie fühlt es sich an, permanent ‚on the road’ zu sein?
Pohlmann: Irgendwann wird es zu einem Rausch. Man pilgert von Ort zu Ort und trifft immer mehr Leute und ist demnach kaum noch zuhause. Mein Zimmer zum Beispiel ist ein einziges Chaos, ich komm nicht einmal dazu, mal wieder ein bisschen aufzuräumen. Ich komm nur noch rein in die Wohnung und mein Mitbewohner sagt grad mal „hallo“, ich schmeiß irgendetwas raus aus meinem Rucksack, pack irgendetwas anderes ein und schon bin ich wieder weg.
Du wohnst also gar nicht allein?
Pohlmann: Nee, ich wohn nicht allein. Und mein Mitbewohner ist sogar Flitzer bei mir im Video. Komplett nackt. Während ich so am See in der Kälte den Refrain singe „wenn jetzt Sommer wär…“ rennt er einmal hinter mir herum, splitterfasernackt und packt sich einen Rettungsring um die Hüften…
War es das mit dem Maurern jetzt für immer?
Pohlmann: Ja, bestimmt. Ich schau mal, wie das alles jetzt so läuft, aber ich werde immer Musik machen, das ist für mich klar. Nur wenn ich irgendwann mal kein Geld mehr habe, dann werd ich vielleicht auch mal wieder auf den Bau müssen.
Wie hat dein Vater es damals eigentlich aufgefasst, als du die Entscheidung getroffen hast, nicht in seine Fußstapfen treten zu wollen?
Pohlmann: Am Anfang nicht so gut. Die Maurer wollten mich immer überreden, aber ich meinte dann immer: Nee, ich bin doch kein fuck Verlängerungskabel meines Vaters, ich mach Musik!
Auf dem Bau hast du angeblich den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Schlampe“ bekommen.
Pohlmann: Na ja, ich hatte halt sehr, sehr lange Haare und das war damals, als ich die Lehre gemacht habe, für diese Jungs irgendwie nicht zu fassen. Deswegen haben die mich halt immer Schlampe genannt. Da hieß es dann: „Schlampe, hol mal Steine…“
Musik ist natürlich immer eine Qualitätssache und wenn man weiterkommen will, muss man Qualität abliefern.
Hast du je bereut auf dem Bau aufgehört zuhaben?
Pohlmann: Ich muss sagen, die Lehre hat absolut keinen Spaß gemacht. In diesem Ausbildungszentrum hängste dann acht Stunden mit den anderen Berufsschülern ab, das stand mir nicht, damit kam ich auch nicht so gut klar. Danach, die letzten zwei Jahre auf dem Bau, das hat mir eigentlich ganz gut gefallen. Wenn morgens die Sonne aufgeht, so Anfang Frühling, die Vögel zwitschern und du stehst auf so´nem Dach – das ist manchmal wirklich meditativ.
Du bezeichnest deine Musik selbst als „erdig“. Was kann man sich denn darunter vorstellen?
Pohlmann: Mein größtes Vorbild ist eigentlich Ben Harper, den höre ich auch schon bedeutend länger als Jack Johnson. An ihm fand ich immer seine Vielseitigkeit besonders gut. Von Funk bis Soul über Pop, der kann alles. Und das wollte ich auch. Ich habe gemerkt, dass ich mich mit solcher Musik besonders wohl fühle, vor allem mit Folk. Meine Gesangslehrer waren damals Tracy Chapman und Bob Marley. Und irgendwann hat es mich auch wieder dahin geführt. Nachdem ich lange Zeit dem Grunge verfallen war, bin ich jetzt wieder zurückgekommen, gewissermaßen zu meinen Roots.
Du singst auf Deutsch, hast du dir von Anfang an überlegt, auf Deutsch zu texten?
Pohlmann: Nein, bis ich 25 war, habe ich nur englische Sachen gemacht. Aber seit sechs Jahren sing ich nur noch auf Deutsch.
Glaubst du, es ist derzeit einfacher als deutscher Musiker zu Ruhm zu gelangen, als es noch vor fünf Jahren der Fall war?
Pohlmann: Das weiß ich nicht genau, ich hab schon vor dieser Welle deutsche Texte gemacht. Aber das Volk wird gerade eingeschworen auf seine eigene Sprache. Das wird auch mal Zeit.
In deiner Bio steht, dass du früher Konzentrations- und Rechtschreibschwäche hattest. Wie ist es dir dann gelungen, so tolles neues Wort wie „Fernsucht“ zu kreieren? Ich hab mal im Duden nachgeschaut, da jedenfalls steht es nicht drin.
Pohlmann: Echt? Na dann ist es meine Kreation, schau mal an! Ich hatte damals mal einen Lehrer auf der Hauptschule, der hat sich meine Aufsätze angeguckt und fand, dass ich irgendwie gut schreiben konnte und der Worte mächtig war. „Der schreibt nur alles falsch“, meinte er mal. Ich hatte so mindestens 40 Fehler auf einer Din A4 Seite, aber er hat mir trotzdem immer wieder eine Drei gegeben. Meine Mutter fand das allerdings nicht so toll und sich dann bei ihm beschwert: „So lernt er das nie“.
Was macht diese Schwäche heute?
Pohlmann: Ich schicke keine Mail ab und schreib nichts in mein Gästebuch, bevor ich es nicht mindest fünfmal durch Word hab laufen lassen. Ich schreibe einfach so wie ich gerade Bock habe. Wenn ich also grad emotional dazu Lust habe, irgendein Verb groß zu schreiben, weil das für mich gerade so ’ne fette Aussage ist, dann schreib ich das halt groß. Und das passiert mir ständig. Aber heutzutage kann man ja sowieso machen, was man will.
„Zwischen Heimweh und Fernsucht“ ist der Titel deines Albums, was besagt das für dich?
Pohlmann: Ich will versuchen diesen Zwiespalt zu ergründen, in dem wir Menschen uns befinden. Schon allein, wenn du darüber nachdenkst, ob es Gott gibt oder nicht. Gibt es ein Leben nach dem Tod und woran glaub ich eigentlich? Wir nehmen alles immer so hin als wäre es etwas ganz Normales. Wir hätten es alle gerne einfach im Leben und dass sich einem Antworten sehr leicht erschließen. Aber es gibt einfach sehr viel Dinge im Leben, die sich zwar gegenseitig ausschließen, beide aber dennoch wahr sind. Heimweh und Fernsucht ist so etwas zum Beispiel. Da bewegt sich eigentlich jeder drin. Jemand, der zum Beispiel in einer festen Beziehung steht und trotzdem anderen Frauen hinterher schaut und sich abends im Bett darüber Gedanken macht, was mach ich hier eigentlich? Was ist denn jetzt eigentlich Liebe?
Bei der Produktion deines Albums wurdest du unter anderem von Henning Wehland von den „H-Blockx“ unterstützt. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?
Pohlmann: Ich habe ein Jahr lang in einer Kneipe gearbeitet und saß da halt mal betrunken auf der Theke und hab gesungen. Eines Tages kam dann die Freundin von Henning, hat das gesehen und fand das super. Und dann hat sie ihn angerufen und ihm gesagt, dass da so´n Kerl ist, der jeden Montag in der Kneipe Gitarre spielt und singt, den er sich angucken muss.
Und wobei kann er dir speziell behilflich sein?
Pohlmann: Er kann mich wunderbar durch seine Erfahrung unterstützen. Er ist schon so lange dabei. Es gibt so viele Dinge, die man beachten muss, wo man schauen muss, dass man auf dem Teppich bleibt. Ich bekomme eine ganz private Schule von ihm. Ich merke auch immer wieder, was ich alles lerne und mache immer größere Schritte nach vorne. Abgesehen davon ist er nun mal ein „Player“ und kennt alle möglichen Leute. Musik ist natürlich immer eine Qualitätssache und wenn man weiterkommen will, muss man Qualität abliefern – finde ich zumindest. Aber gute Kontakte braucht man auch. Wobei, wenn man etwas macht, was anderen gefällt, erschließen sich die Kontakte auch von selbst. Man wird ja schließlich nicht geboren und hat Kontakte…
Wodurch hat dich Hamburg geprägt?
Pohlmann: Ich bin jedes Wochenende von Münster nach Hamburg gefahren und die Leute, die man da kennen lernt sind schon besonders. Man stellt auch fest: Wenn man in einer Stadt sozusagen als Tourist unterwegs ist, ist man selbst sehr offen. Man wundert sich zwar immer, dass die Menschen einem so offen gegenüber stehen, vergisst dabei aber, dass man sich ihnen gegenüber ja auch ganz anders verhalten hat. Und das hörte in Hamburg für mich nie wirklich auf. Es gibt zwar auch diesen verschlossenen Hamburger, aber solche Typen gibt es auch in Westfalen und über die Berliner sagt man auch das gleiche. Ich hab mich in Hamburg von Anfang an sehr wohl gefühlt. Vor allem wegen dieser Diskrepanz zwischen Schanze und dem Rotlichtviertel, das fand ich am Anfang ganz besonders spannend. Das brodelt. Und du kommst überall sehr schnell hin. Hamburg ist ´ne kleine Großstadt.
Wenn man einen Song wie „Dämon“ hört, dann mutet das leicht schizophren an. Worum geht es dir in dem Song, wovon genau willst du denn befreit werden?
Pohlmann: Das will ich so explizit nicht beantworten…(lacht). Der Song endet ja in einer Mikrostruktur des einzelnen Menschen. Wir alle haben annähernd die gleiche Verhaltensweise. Zum Beispiel, dass wir alle aus Fehlern lernen. Aber aus manchen Fehlern lern ich mein Leben lang wahrscheinlich nicht. Das sind so Dämonen, die mich am Wickel haben. Ich kann manchmal unwahrscheinlich faul sein, so ähnlich wie damals in der Schule, wenn man Hausaufgaben machen musste. Der ganze Nachmittag geht rum und man hat einfach keine Lust. Und man weiß genau, dass man noch was machen muss. Ist man dann erstmal dabei, dann geht’s einfach. Oft ist es nur der Anfang, der schwer fällt. Früher war ich zum Beispiel total wild auf C64 Spiele und das verfolgt mich heute noch. Bei mir ist es so, dass ich mich manchmal vor dem Computerspiel sechs, sieben Stunden lang total gehen lasse, obwohl ich das absolut hasse und verteufele. Vor allem, wenn ich mir dann überlege, dass ich in dieser Zeit ja auch Gitarre hätte spielen können. Ich hab neulich Heinz Strunk bei „Zimmer Frei“ gesehen und der hat tatsächlich das gesamte Interview in einer Spielhölle gegeben. Das fand ich großartig und vor allem sehr ehrlich. Und wenn man dann unbeobachtet ist und sich alleine fühlt, dann fallen einem solche Sachen ein. Da hat man dann einen Dämon am Start…
Welche Weisheit passt am ehesten zu dir, und warum?
1. Da ist ein Licht am Ende des Tunnels.
2. Besser man bereut Dinge, die man getan hat, als Dinge, die man nicht getan hat.
3. Der Weg ist das Ziel.
Pohlmann: Da ist Licht am Ende des Tunnels. Ich bin immer sehr hoffnungsvoll, das ist auch in meinen Liedern so. Ich bin sehr gern am Leben und hoffe, dass wir das alle auch irgendwie gebacken kriegen. Ich glaube letztendlich auch an den Menschen.
Unsere Schlussfrage: Das Leben ist ein Comic – welche Figur bist du?
Pohlmann: Oh, ich wäre am liebsten… vielleicht Obelix, der macht einen echt entspannten Eindruck.
oh man
pohlmann is einfach der geilste ;))